Briefe an Eugen (XXV) Die Bananenkisten des Alfred Bauer

Briefe an Eugen (XXV) Bananenkisten-Der Nachlass von Alfred Bauer

PDF (Zeichen 2.032) Briefe an Eugen (XXV) Bananenkisten

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Hallo Eugen,

Buchumschlag Kino im Zwielicht

noch mal vielen Dank für den Hinweis auf den Link »Kino im Zwielicht«. Nach einer kurzen Lesephase habe ich mir dann doch die gedruckte Ausgabe bestellt und da ist mir dann diese komische Geschichte begegnet, die ich wegen ihrer Tragik und Komik abgeschrieben habe.

Auf den Seiten 102 – 103 von »Kino im Zwielicht« gibt es die Geschichte von den Bananenkisten des Alfred Bauer: „Neben der Literatur- und Presseauswertung etwa im Pressearchiv der Filmuniversität Babelsberg bestand ein wichtiger Teil der Recherche zudem in der Suche nach dem persönlichen Nachlass von Alfred Bauer. Verschiedene Hinweise führten schließlich zu einem bemerkenswerten Fund, der an dieser Stelle etwas ausführlicher beschrieben werden soll.

In den 1970er-Jahren lernte Alfred Bauer den Sammler und Verleger Christoph Winterberg kennen. Winterberg half Bauer bei der Neuauflage seines Spielfilm-Almanachs und brachte dessen zweiten Band „Der deutsche Spielfilm-Almanach 1946 bis 1955“ im namenseigenen Verlag heraus. Offenbar verstanden sich Bauer und Winterberg gut. Jedenfalls erhielt Winterberg einen umfangreichen Bestand aus dem Nachlass Alfred Bauers.

Diesen verpackte Winterberg wiederum in Bananenkisten und lagerte ihn in seinem Haus im bayerischen Rennertshofen ein. Zusammen mit seinen eigenen Sammlungen von Plakaten, Magazinen und Filmkopien besaß Winterberg nach eigenen Schätzungen etwa 550 000 Standfotos, 60 000 Plakate, Hunderte Drehbücher und unzählige Bücher zu Filmthemen. Nachdem sich Winterberg aus dem Verleger- und Filmsammlergeschäft zurückgezogen hatte, verbrachte er schließlich seine letzten Lebensjahre in seinem hoffnungslos überfüllten Haus, in dem er einen Raum bewohnte und das ansonsten nur noch zwischen deckenhoch gestapelten Bananenkisten durch schmale Korridore begangen werden konnte. Dort fand man Christoph Winterberg schließlich im Februar 2018, begraben unter zwei mit Filmmaterial gefüllten Bananenkisten, tot auf. Der Generalerbe veräußerte den gesamten Bestand schließlich an den Sammler und Filmhändler Werner Bock, der nach eigenen Aussagen von den insgesamt etwa 14 000 Bananenkisten noch 4000 behielt und diese in verschiedenen Lagerräumen in Hannover unterbrachte.“ (Kino im Zwielicht, Hrsg. Andreas Wirsching. Seite 102-103, Metropol Verlag Berlin, 19– Euro, ISBN: 978-3-86331-728-7))

Berlinale
Berlinale Foto Jens Meyer
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Die Suchmaschine hat es übersetzt : Hello Eugen, thank you again for pointing out the link “Cinema in Twilight”. After a short reading phase I ordered the printed edition and there I have it then came across this strange story, which I wrote off because of its tragedian and humor have. The story of them begins on page 102 of “Cinema in the Twilight”.

Banana boxes. „In addition to the literature and press evaluation, for example in the press archive of the film university Babelsberg, an important part of the research was also the search for the personal estate of Alfred Bauer. Various clues eventually led to a remarkable find that will be described in more detail hereshould.In the 1970s, Alfred Bauer met the collector and publisher Christoph Winterberg know. Winterberg helped Bauer reissue his feature film almanac and broughtits second volume “The German Feature Film Almanac 1946 to 1955” in its own name Publisher out. Apparently Bauer and Winterberg got along well. Anyway received Winterberg has an extensive inventory from Alfred Bauer’s estate. Winterberg packed this in banana boxes and stored it in his house Bavarian Rennertshofen. Along with his own collections of posters, According to his own estimates, Winterberg owned around 550,000 magazines and film copies Still photos, 60,000 posters, hundreds of scripts and countless books on film topics. After Winterberg with drew from the publishing and film collecting business. He ended up spending the last years of his life feeling hopeless crowded house in which he lived in one room and otherwise only between Banana crates stacked high on ceilings could be walked through narrow corridors. Christoph Winterberg was finally found there in February 2018, buried under two Banana crates filled with footage, dead. The general heir sold the entire property. Finally passed to the collector and film dealer Werner Bock, who, according to his own According to statements, out of a total of around 14,000 banana boxes, 4,000 were kept and they were stored various storage rooms in Hanover.“ (Kino im Twilight, ed. Andreas Wirsching. Pages 102-103, Metropol Verlag Berlin)

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PDF Brief an Eugen über Christoph Winterberg

Briefe von Wiebeke (II) Über Schokolade.

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PDF Briefe von Wiebeke Über Schokolade (Zeichen 2.168)

(Zeichen 2.168) Briefe von Wiebeke (II) Über Babette, Pea und Sarotti Schokolade. Hallo J., Hier nun also die gesammelten Fragen und Antworten der letzten zwei Wochen.

Also erstens mal, dass ein Leserbrief persoenlich beantwortet wird, kommt ja ab und zu mal vor, aber eigentlich doch nur, wenn der/die Verfasser*in des urspruenglichen Artikels extrem erbost ist.

Dass jemand antwortet, nur um was Nettes zu sagen, ist mir noch nicht untergekommen. Und da ich auch den Artikel, auf den sich dein Leserbrief bezog, gut fand, hat Ulrike H. jetzt bei mir einen fetten Stein im Brett.

Zweitens: Weihnachtsschokolade. Die Babette-Schokolade, an deren Herstellung dein Onkel Guschi mitgewirkt hat, war scheusslich. Muss man mal so sagen. Dafür kann dein Onkel Guschi natuerlich nix. Schlechter war nur noch die PEA-Schokolade in den Advents-Kalendern (auch PEA kam aus Hamburg), aber da war‘s egal; da ging es eher darum, das wievielte Tuerchen es ist und wie viele Tage es noch bis Weihnachten sind.

(Eine Abschweifung: Ich habe mehrere Geschichten von Tschech*innen mittleren Alters gehoert, die als Kinder jeden Sommer ins Pionierlager nach Polen geschickt wurden und ihre Eltern angefleht haben, irgendwie dafuer zu sorgen, dass sie da nicht hinmuessen, weil das Essen so grauenhaft war. Als ganz besonders ungeniessbar wurde die polnische Schokolade hervorgehoben. Ein tschechisches Kollektivtrauma: das Essen in polnischen Pionierlagern.)

Zwei a): Die 300-Gramm-Lindtschokolade. Du schreibst, dass vor 70 Jahren kein Kind eine Tafel Schokolade irgendwo vergessen haette. Das ist moeglich.

Vor 70 Jahren war ich noch nicht auf der Welt. Aber vor 50 Jahren schon, und da haette ich diese Schokolade moeglicherweise auch „vergessen“. Weil ich naemlich keine Haselnuesse mochte und fand, dass diese staubig-bitteren Nuesse total die Schokolade ruinieren. Das finde ich uebrigens immer noch. Also vielleicht lag’s daran.

Drittens: Eine Frage: So ganz habe ich nicht verstanden, was ich betreffend Ilse Kubaschewski rausfinden soll. Wo dieses Kino war? Ob es da tatsaechlich war? Ob Familie Kramp wirklich in der Transvaalstrasse gewohnt hat? Bitte noch einmal fuer Doofe.

Drei a): Draengt es dich tatsaechlich rauszufinden, was Walter Klinger zwischen seinem Einstieg in die Lateinamerika-Abteilung von Warner Bros. und seinem Ableben 55 Jahre spaeter gemacht hat? Da laesst sogar mein Interesse nach, und ich interessiere mich fuer fast alles.

Viertens: Ein Protest. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich Charles Foster Kanes letztes Wort googeln muss? Pfff. Also ehrlich.

Bis demnaechst, W.

GEG

Nur über Onkel Guschi. Ich hab später auch mal in dieser Schokoladenfabrik der GEG gearbeitet. Und dort wurde auch nicht nur Babette und Pea Schokolade, sondern auch die von der Firma gemacht, deren Slogan man heute nicht mehr schreiben soll: Sarotti. Als dann Reklamationen kamen, weil in den Schokoladen die Filter von Zigaretten auftauchten, wurde uns tatsächlich das Rauchen am Arbeitsplatz untersagt. Ich wollte noch einwenden, daß ich immer nur Zigaretten ohne Filter geraucht habe. Aber ich habs dann gelassen. Mich da einzubringen. J.

Vor dreissig Jahren: Nichtwähler sind die Partei der Mitte. Interview mit Günther Thews.

Günther Thews, aidskranker Kabarettist und Ex- „Tornado“ über seine letzte Kommunalwahl, einem Wunschbürgermeister für Kreuzberg und das Nichts im Berliner Zentrum. Das Interview erschien am 25. Mai 1992 in der TAZ. Die Fragen stellte Mathias Bröckers.

taz: Günther, das ist ja nun deine letzte Kommunalwahl …

Günther Thews: Na Gott sei Dank ist es die letzte. Diese Wählerei ist mir ja schon länger zutiefst suspekt, und ich habe mich schon immer gefragt, warum will einer überhaupt Politiker werden, sich hinstellen im grauen Anzug und Schlips und sagen: „Ich weiß, wo’s lang geht, ihr müßt mich wählen.“ Die Motivation für einen solch schmierigen Job ist mir ziemlich rätselhaft.

Du bist also ein klassischer Nicht-Wähler?

Die Partei der Nicht-Wähler ist ja hochinteressant: Erst mal ist es ja schon so ziemlich die größte Partei, und dann, das ist das Wichtigste, sind da alle drin: Rechte und Linke, Dicke und Dünne, Intelligente und Blöde — wenn so ein Skin aus dem Osten nicht wählen geht, ist das ein anderer Ausdruck, als wenn hier ein linker Intellektueller vier Nächte über die Frage gesoffen hat: „Geh‘ ich nun hin oder nicht?“ Der Skin bleibt zu Hause, weil er den Wahlzettel nicht lesen kann und nicht weiß, wo er sein Hakenkreuz für den Führer hinmachen muß — der kritische Linke hier hat natürlich ganz andere Gründe. Und wenn man sich dieses Spektrum anguckt, repräsentiert die Partei der Nicht-Wähler wirklich die Bevölkerung, die Nicht-Wähler sind also die eigentliche Partei der Mitte.

Aber ist einfach Nicht-Wählen nicht auch ein bißchen einfallslos?

Ich habe mir ja auch schon überlegt, ob wir nicht Alternativen haben— so wenig wie die Politiker bewegen, könnte man ja glatt auch wieder Magier, Kartenleser, Regenmacher usw. einsetzen, das heißt, wir wählen hier einen Kreuzberger Bezirks-Schamanen, der unsere Geschicke lenkt. Aber so einen wie den SPD-Kandidaten Peter Strieder? Nee, den würde ich nur wählen, wenn er wirklich macht, was ich mir vorstelle, und zum Beispiel erlaubt, daß auf Immobilienhaie mit Damenrevolvern geschossen werden darf oder für ein quasi autofreies, knastfreies, drogenverbotsfreies Kreuzberg sorgt oder hier zumindest mal lokal realisiert, was schon Willy Brandt für die ganze Welt wollte: Kinderrepubliken, also im weitesten Sinne UFA-Fabrik-ähnliche Kommunen.

Du bleibst also am Sonntag zu Hause?

Ja wie komme ich denn dazu, die Drecksarbeit der Politiker, ihre Korruption und Eitelkeit, auch noch zu legitimieren, indem ich in eine langweilige Schule gehe und mein Kreuz mache? Wenn ich mir schon dieses sogenannte Wahllokal ansehe — da habe ich aber ’ne ganz andere Wahl für’n Lokal.

Hast du denn eine Prognose?

Erinnern wir uns an unseren Freund Wolfgang Neuss: „Der Berliner ist hinterfotzig“ — also Vorsicht bei Prognosen. Viel interessanter ist doch die Frage: Warum haben eigentlich die Schimpansen keine Kommunalwahl, und warum brauchen wir so etwas? Also wenn jemand öffentlich fordern kann, die Oberbaumbrücke sechsspurig zu untertunneln, Unter den Linden achtspurig zu untertunneln, wenn man solche Visionen frei äußern darf, ohne dafür gleich einen in die Fresse zu kriegen — dann kann ich doch auch so phantastische Sachen fordern wie Bezirks-Zauberer für Kreuzberg. Ganz grundsätzlich für Demokratie und Wahlen gilt natürlich: Was soll ich mich beherrschen lassen, wenn ich mich kaum selbst beherrschen kann?

Von wem würdest du dich denn am liebsten beherrschen lassen, wenn überhaupt?

Na auf keinen Fall von Leuten wie Heinrich Lummer. Alle reden von Stolpe, aber ein Typ wie der kleine Lummer, ein echter IM, der auf Kosten der Stasi in Prag bumsen geht und bei den konspirativen Treffen bestimmt nicht nur Witze erzählt hat, der flutscht durchs Netz. Aber gucken wir doch mal, wer alles schon Kreuzberg regieren wollte: Cäsar wollte schon mal ganz Germanien beherrschen, Napoleon hat es ’ne Weile versucht, Coca-Cola hat sich jetzt einigermaßen festgesetzt, und jetzt kommt da so einer wie Striebel oder Strieder, und meint, er wüßte, wie man das macht. Also nee.

Du hast also keinen Wunschbürgermeister?

Doch. Ich wüßte einen, den wir ganz dringend importieren müßten: den Bürgermeister von Bangkok. Ein Spitzenmann, der früher General war und jetzt in der buddhistischen Tunika rumläuft und die Stadt regiert. Ein echter Erleuchteter, der sein ganzes Geld gleich an die Armen weitergibt, morgens um vier aufsteht und meditiert und dann schon mal zwei Stunden den Straßenfegern beim Saubermachen hilft, nicht als Presse-Show, sondern ganz selbstverständlich. Einer, der an seinem lächerlichen Ich nicht hängt, der die Identität als Bürgermeister nicht braucht und dem die Bevölkerung deshalb zutraut, daß er nicht korrupt ist. Und jetzt sitzt er im Knast. Da müssen wir ihn dringend rausholen und am besten als Asylant und Wunschbürgermeister gleich nach Kreuzberg einladen.

Kreuzberg — das wäre aber doch ein Abstieg, ganz Berlin scheint mir eher angemessen.

Der Senat kann ihn uns ja dann abkaufen, gegen Ablösesumme. Ich vermittle das gern, als Vermittler eines wahrhaft Unbestechlichen darf man ja ruhig ein bißchen Provision kassieren. Aber im Ernst: So ein Mann wäre ein Segen für die Stadt. Nimm nur mal den Potsdamer Platz. Der wird jetzt mit Bürohäusern betoniert, man weiß jetzt schon, es wird grauenhaft, obwohl die teuersten und besten Architekten der Welt am Werk sind. Ein Buddhist als Bürgermeister würde da sagen: Ja Mensch, seid ihr wahnsinnig, ihr seid die einzige Stadt der Welt mit einem leeren Zentrum, und das knallt ihr euch jetzt mit Autos und Beton voll??? Das Nichts in der Mitte, das leere Zentrum ist es doch gerade — nur das strahlt doch etwas aus.

Das werden unsere Christen und Sozialen nicht kapieren.

Na ja, man könnte aber doch mal zeigen, daß man nach 5.000mal „Tagesschau“ etwas gelernt hat — zwischendurch tritt ja selbst in der „Tagesschau“ ab und an die Wahrheit zutage. Aber das letzte, was unser SPD-Kandidat gelesen hat, um seine Visionen zu schärfen, ist ein Perry- Rhodan-Heft, als er im Krankenhaus lag. Wann soll sich denn die Phantasie eines Politikers entwickeln: Die gehen zur Schule, Bundeswehr, studieren Jura oder Verwaltung, sitzen dann in einem langweiligen Büro herum und sollen dann plötzlich ’ne Vision für die Stadt haben. Wo soll die herkommen, frage ich? Nicht mal ’ne bewußtseinserweiternde Pflanze nehmen sie da, sondern höchstens Schlaf- und Aufputschmittel. Deshalb müssen dringend diejenigen mit der politischen Arbeit betraut werden, die für Visionen und Phantasie hauptberuflich zuständig sind: die Künstler.

Soll dann Ben Wargin entscheiden, ob wir ’nen Jäger 90 kriegen oder nicht?

So direkt ja nun auch wieder nicht. Aber eine Art runden Tisch von allen kreativen Leuten — und die suchen sich denn irgendeinen smarten, dußligen Politiker, der ihre Beschlüsse perfekt auosführt. Der wird direkt bezahlt, und wenn er nicht spurt, fliegt er raus wie in der Bundesliga. Nun können die Künstler ja auch nicht immer viel miteinander anfangen — aber jeder hat in seinem Bereich eine Vision entwickelt und kann am runden Tisch kundtun, wie er sich die Welt als großes Kloster denn so vorstellt. Die Politiker führen dann nur noch aus. Ich glaube, daß ist unsere einzige Chance, eine Antwort darauf zu finden, wo es langgehen muß. In meinem Krimi hier habe ich gerade einen guten Satz gelesen: „Wenn du die Antwort nicht findest, mußt du selber die Antwort werden.“

(Interview: Mathias Bröckers)

PDF Abschrift Nichtwähler Günther Thews vor dreissig Jahren1

Faksimili Interview (I)

Faksimili Interview (II)

Günther Thews in einer Drehpause ist unser Mann für den guten Ton mit der Nagra und mit vollem Haupthaar.
Günther Thews bei den Dreharbeiten 1974

Die Drei Tornados: Holger Klotzbach, Günter Thews, Arnulf Rating. Trikont Verlag. Die 3 Tonados 1977-1988. Indigo

Apropos Lubitsch in Wien

Abschrift: Man hat zu wenig Geld fürs Kino!

von Ernst Lubitsch (aus »Mein Film«, Wien, Nr. 364 Seite3-4) 1932

PDF Lubitsch Artikel 364

Am Freitag morgens ist Ernst Lubitsch, der berühmte Filmregisseur, in Wien eingetroffen. Er hatte nur ein paar Freunde von seiner Ankunft verständigt. Die kamen auf den Bahnhof, so auch Emil Jannings. Im Hotel saß man dann gemütlich beisammen, zu Sechs bloß und Ernst Lubitsch erzählte viel Interessantes und sprach in seiner lebendigen Art Kluges und Geistreiches. Ehrlich und unbändig freute sich Lubitsch auf das Wiedersehen mit Wien, in dem er vor fünfeinhalb Jahren zuletzt weilte. Er erinnert sich gerne und mit Genugtuung daran, wie die Wiener ihn feierten und wie er damals im Mittelpunkt einer von „Mein Film“ veranstalteten Begrüßungsfeier stand. Diesmal betont Lubitsch den privaten Charakter seines Wiener Besuchs, der übrigens leider bloß kurz bemessen ist.

Meine Europafahrt trägt wirklich nur privaten Charakter. Es war mir ein Bedürfnis, wieder einmal nach Mitteleuropa zu kommen und meine lieben Freunde in London, in Berlin, in Wien und in Paris zu sehen. Daß ich dabei mich auch nach Stücken, nach Schauspielern umsehe und Eindrücke sammle, ist selbstverständlich. Aber das soll nur so nebenbei geschehen. In Wien habe ich allerdings auch mit meinem Freund Emil Jannings manches zu besprechen. Es gibt einiges für die Zeit, da Jannings wieder nach Hollywood kommt . . .

Nun bin ich schon wochenlang unterwegs. Von Hollywood nach London. Von London (im Flugzeug) nach Berlin. Von Berlin nach Kopenhagen und retour. Und von Berlin nach Wien. Dann geht es nach Budapest. Und wieder nach Berlin. Und späterhin nach Paris. Mitte Jänner muß ich bereits in New York sein, um neue Arbeit vorzubereiten.

Fest steht aber eigentlich nur, daß ich den nächsten Film mit Maurice Chevalier mache. Welcher Art das Sujet sein wird, weiß ich heute noch nicht. Möglicherweise wird man mir, wenn ich nach drüben komme, diesbezügliche Vorschläge machen.

Ich denke an ein Volksstück, das ich mit Chevalier in der Hauptrolle inszenieren möchte. Doch will ich mich gar nicht auf ein Genre festlegen. Meine Neigung ändert sich da oft. Ich bin zum Beispiel von der Tonfilmoperette zum ernsten hochdramatischen Film („Der fremde Sohn“) übergegangen, um dann neuerlich eine leichte Komödie mit unterlegter Musik zu schaffen. Sie heißt „Trouble in Paradise“ („Rummel im Paradies“) und ist mein jüngster Film, der in den Kinotheatern Amerikas und England bereits zu sehen ist.

Es ist wahrhaftig nicht leicht, jetzt mit einem Film das Richtige zu treffen und vor allem: damit Erfolg, in Besuchsziffern ausgedrückt, zu haben. Denn man täusche sich nicht darüber hinweg: in der ganzen Welt ist ein rapider Rückgang der Besucherzahl an den Vergnügungsstätten zu verzeichnen. Die Wirtschaftsnot ist schuld daran.

Man hat auch fürs Kino zu wenig Geld. Und so kommt es, daß in Amerika, speziell in New York, auch gute Filme nur wenig Zulauf haben und die Einnahmeziffern der Kinotheater um mehr als sechzig Prozent gesunken sind. In einem der größten Kinos von Los Angeles habe ich in der Abendvorstellung – an einem Wochentag- hundert Besucher gezählt.

Den Theatern geht es freilich auch nicht besser. Das Theaterviertel von New York ist gegen das Getriebe, das früher dort an den Abenden stets herrschte, als ausgestorben zu bezeichnen. Nur jene Theater, die das Allerbeste, die neue Inszenierungen, die Sensationen an Stück und Darstellung bieten, haben einigermaßen auf Kassenerfolge zu rechnen.

In der Regel ist es so, daß ein Theater, das heute mit einer neuen Revue etwa, eröffnet, ein paar Tage später seine Pforten bereits schließen muß. Nur wenige Theater können sich halten.

Dabei muß ich hervorheben, daß die New Yorker Theater sich sehr bemühen, ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, das 97 Prozent aus neuen Bühnenwerken besteht.

In Berlin mußte ich jetzt leider die Erfahrung machen, daß es an den dortigen Theatern umgekehrt ist: man führt drei Prozent neue Stücke auf und 97 Prozent alte. Das ist meiner Meinung nach ein Fehler.

Auch der Filmproduzent muß sich natürlich bemühen, möglichst Neues zu bringen, um das Interesse des Publikums, das noch die Kinos besucht, wachzuerhalten. Obgleich es doch so ist, daß überall das Publikum die Qualität des Films diktiert.

Wir sind bestrebt, gute Filme zu machen. Jedoch die guten und originellen finden nicht immer das Gefallen der Kinobesucher. Und dann richtet sich der Produzent nach dem „Geschmack der Menge“. Und läßt die gangbaren Filme herstellen.

Trotzdem muß man stetig auf der Suche nach neuen Stoffen für den Film sein. Und eigenartige Stoffe interessieren immer. Es kommt auch auf das Milieu an, in dem der Film spielt. Er soll farbig und symphatisch sein.

Immer noch haben die Amerikaner zum Beispiel ein Faible für Wienerisches und Pariserisches Milieu. Oder besser gesagt: für Wiener und Pariser Atmosphäre. Der amerikanische Kinobesucher fühlt sie von der Lichtspielbühne her und erquickt sich an ihr.

Für ihn bedeutet wienerische Atmosphäre Fröhlichkeit und pariserische „glamour“ das heißt Glanz. Und Fröhlichkeit und Glanz, das sind ja Dinge, nach denen sich die Menschen in dieser traurigen und trüben Zeit besonders sehnen.

Es ist auch wichtig, die Filmdarstellerschaft zeitweise zu erneuern, das Ensemble um den Star zu variieren. Als eine neue Darstellerin in meinen Filmen habe ich Miriam Hopkins, als neuentdeckten Bonviant Herbert Marshall herangezogen.

In den amerikanischen Filmateliers wird übrigens trotz der Wirtschaftskrise sehr eifrig und viel gearbeitet. In allen Studios ist Großbetrieb. Man sorgt auch dafür, daß die Qualität der Quantität die Waage hält.

Man ist auch willens, dem Tonfilm eine möglichst internationale Note zu verleihen, ihn allgemein verständlich zu gestalten, so daß es nicht nötig wird, einen amerikanischen Film in deutsch gesprochenem Dialog unterlegen zu lassen, was immer eine Verfälschung der Leistungen der Originaldarsteller, aber auch der Arbeit des Regisseurs bedeutet.

Die Tonfilmtechnik ist so ausgezeichnet und so vollendet, daß mit allerlei besonderen Nuancen gearbeitet werden kann, auch was die Photographie des Tones und Tonfalles der Sprachgebung der Schauspieler betrifft. Jede künstliche Sprechunterlage schädigt da die ursprüngliche Wirkung.

Was die Technik des Films in allgemeinen belangt, so glaubt man in Amerika, daß sich der Tonfilm in seiner jetzigen Form noch ein paar Jahre erhalten wird. Die Versuche mit dem Fernsehkino scheinen noch nicht so weit zu sein, daß man in absehbarer Zeit von einer allgemeinen Einführung des Fernsehkinos also von einer Umwälzung auf dem Gebiet der Darbietung tönender, lebender Bilder sprechen könnte.

Soweit ich derzeit in Europa herumkomme, kann ich selbstredend überall erkennen, wie schwierig auch hier die wirtschaftlichen Verhältnisse geworden sind. Aber sie erscheinen mir keineswegs schlechter als in Amerika. Ich finde sogar, daß der Kino- und Theaterbesuch verhätnismäßig besser ist als drüben.

Ich sollte in New Yorck demnächst eine Theaterinszenierung besorgen. Jedoch ich nehme vorläufig davon Abstand und will abwarten, bis die Zeiten günstigere Aussichten für ein derartiges Unternehmen bieten.

Somit bleibe ich zunächst beim Film und setze den neuen Chevalier-Film und bald darauffolgend einen zweiten Film in Szene. Inzwischen wird wieder ein Herbst angebrochen sein, der für das Wirtschaftsleben der Welt vielleicht eine Wendung zum Vorteilhafteren bringen wird, was wir doch alle innigst wünschen und ersehnen!

Und dann wird man auch mit mehr Sicherheit Pläne entwerfen und zur Ausführung bringen können, als heute!

Ernst Lubitsch

(abgeschrieben aus: »Mein Film«, Wien, Nr. 364, Im Januar beginnt es mit der Numme 314, vermutlich erschien »Mein Film« einmal in der Woche).

Anmerkungen: Der erwähnte Film „Trouble in Paradise“ kam in Österreich und in Deutschland nicht ins Kino. In Deutschland wurde der Film mit dem deutschen Titel »Sünde im Paradies«, von der Firma Paramount-Film produziert, am 3. März 1933 mit einer fadenscheinigen Begründung verboten. Die Paramount AG Berlin legte Widerspruch ein.

Die »Film Oberprüfstelle« in Berlin, bestehend aus: Ministerialrat Dr. Seeger, und den Beisitzern: Emil Lind, Paul Oskar Höcker, Clara Bohm-Schuch (M.d.R) und Wilhelm Fecht »begutachtet« den Film erneut und weist die Beschwerde der Firma Paramount-Film AG Berlin zurück. Paul Reno ist als Vertreter der Firma Paramount anwesend. Der Film bleibt in Deutschland verboten. Erst 36 Jahre später, am 4. März 1969, erlebt er eine Fernsehpremiere.

filmportal beschreibt den Film so:

Die gerissenen Gauner Gaston und Lily lernen sich in Venedig auf ungewöhnliche Weise kennen: Nämlich bei dem Versuch, sich gegenseitig über den Tisch zu ziehen. Aber stattdessen verlieben die beiden sich ineinander und machen künftig als hochstapelndes Betrügerpärchen gemeinsame Sache. In Paris suchen sie die Nähe der reichen Witwe Mariette Colet und stehlen ihr eine wertvolle Handtasche – nur um sie ihr wenig später gegen einen beträchtlichen Finderlohn zurückzubringen. Mariette zeigt sich von dem „ehrlichen Finder“ Gaston so entzückt, dass sie ihm sogar eine Stelle als Privatsekretär gibt. Durch diese Position kann er auch Lily als Mitarbeiterin einstellen. Neues Ziel der beiden ist Mariettes Safe, in dem sie 100.000 Francs aufbewahrt. Allerdings verliebt Gaston sich überraschend in die schöne Mariette und zögert deshalb den Diebstahl immer wieder hinaus. Während Lily zusehends eifersüchtig reagiert, droht die Maskerade des Diebesduos aufzufliegen“.

von links nach rechts: Miriam Hopkins, Herbert Marshall, Kay Francis

Briefe an Wiebeke (XX) Übers Drehbuchschreiben.

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PDF Rezepte zum Drebuchschreiben

Hallo Wiebeke,

Drehbuchschreiben soll ein einträgliches Gewerbe sein. Das weiß ich schon seit 1969 von dem Sohn eines Massenmörders, der seine Arbeit als Drehbuchumschreiber, wie er meinte, locker verdient hat. Niklas Frank. Seinen Text, den er damals in der Zeitschrift Film veröffentlicht hatte, habe ich Dir beigefügt.

Rezepte zum Drehbuchschreiben für Fernsehfilme gibt es natürlich nicht. Das wäre ja sicher auch verboten. Sowas. Und es geht ja auch gar nicht darum, Anweisungen für die Drehbuchherstellung von Fernsehfilmen zu geben. Im Gegenteil.

Diese Rezeptbücher für die sogenannten Kriminalfilme des Fernsehens scheint es schon zu geben. Wie anders wäre es zu erklären, das immer wieder die gleichen Standard Situationen gezeigt werden? Was sozusagen überall wiederkehrt. Zunächst die Fragen:

Je nach Länge des Filmes kommt es zu Verhaftungen eines Verdächtigen. Meist, je nach Länge des Filmes, im dritten Drittel des Filmes. Bei einem Neunzigminutenfilm also in Minute 6O. Es ist die immer wiederkehrende Frage nach dem Alibi.

Die lautet meist: Wo waren sie am 23. zwischen 23.00 und 24.00 Uhr? Es gibt Variationen. Zum Beispiel diese: Wo waren sie am 25. zwischen 20.00 und 22.00 Uhr. Eine Regel lautet, Mord findet im Dunklen statt. Weil im Dunkeln lässt sich besser morden und die Zahl der Verdächtigen ist damit geringer.

Schließlich gibt es nur 90 Minuten, in denen alles abgewickelt werden muß. Der Anfang ist einfach. Meist hat der Mord bereits vor Beginn des Filmes stattgefunden. So bleibt mehr Zeit für den Besuch der Leichenbeschau. Immer wieder die erste Frage, wann ist der Mord genau passiert.

Die Standardantwort, die bei 99 % der Filme zum Einsatz kommt, ist eine Verzögerung in der Weise, daß diese Frage erst nach der vollständigen Obduktion beantwortet werden kann. Ist die Kommissarin oder der Kommissar besonders hartnäckig, dann gibt der »Obduzierer«, da kommen neuerdings auch oft Schauspielerinnen zum Zug, dann einen Zeitraum an. Meistens zwischen 22.00 und 23.00 Uhr. Auch da gibt es Variationen. Zum Beispiel, wenn der Todeszeitpunkt in der Hellphase eingetreten ist. Zwischen 9.00 – 12.00 Uhr. Regel: Je länger der Zeitraum, desto mehr mögliche Täter.

Zur Wahl stehen, bei Wasserleichen 10 Tage bis mehrere Monate, bei einfachen Leichen kürzere Zeiträume. Um Sendezeit zu gewinnen werden oft längere Zeiträume genannt, die im Verlauf des Filmes dann präzisiert werden. Oft kommt jetzt die Frage, ob das Opfer Gegenwehr geleistet hatte.

Wenn die Variante keine Gegenwehr vom Drehbuchautor gewählt wurde, kommt dann regelmässsig der Hinweis, das das Opfer seinen Mörder oder seine Mörderin, das ist eher selten, gekannt haben muss.

Bei dem weiblichen Mordopfer kommt dann regelmässig noch die Frage, ob sich Sperma in der Vagina befunden hat. Das wird meist anders ausgedrückt. Es schauen ja auch Kinder zu. Besonders dann, wenn vorher der Warnhinweis kam, dass dieser Film für Jugendliche ab . . . nicht geeignet sei.

Offensichtlich ist ein Film mit einer Vergewaltigung spannender als einer ohne. Manchmal wird die Ermordete weder als Leiche noch im Leichenschauhaus gezeigt. Dann sind die Verletzungen und Verstümmelungen so erheblich, dass kein Maskenbildner diesen Zustand mit herkömmlichen Fernsehmitteln herstellen könnte.

Wenn doch ein solcher Zustand gezeigt werden soll, um dem Zuschauer noch einen Schrecken einzujagen, dann greift man auf Fotos zurück, die vermutlich aus Archiven stammen und auf tatsächliche Verbrechen zurückgehen.

Neuerdings kommen immer mehr Mobiltelefone in die Drehbücher hinein. Da geht es immer darum, wo das Mobiltelefon eingelockt war, als der Mord geschah. Das bedenken viele Mörder bei den Vorbereitungen des Mordes oft nicht und sind dann meistens auch dran. Als Regel für den Fernsehzuschauer bleibt erhalten: Das Mobil Telefon beim Mord besser zuhause lassen und abschalten.

Die Lagerung im Eisfach des Kühlschrankes wird selten propagiert. Auch das Entfernen des Akkus, das bei modernen Mobiltelefonen kaum noch möglich ist und damals eine gute Möglichkeit war, nicht geortet werden zu können um den Häschern zu entkommen, wird nicht mehr gezeigt. Das könnte womöglich den Absatz dieser Geräte stoppen. Und das wollen wir ja nicht. Wegen der Arbeitsplätze in der Industrie und so.

Schließlich stehen nur 90 Minuten Filmlänge zur Verfügung. So muß auch die Zahl der Verdächtigen eingegrenzt werden. Fünf Verdächtige zu verhören dauert einfach länger als zwei oder drei.

Auch die Antworten sind standardmässig erfasst. Am unverdächtigsten ist immer noch, wenn der potentielle Täter oder die potentielle Täterin für die Tatzeit kein Alibi hat, was eigentlich nur bedeutet, das der Mord nicht genügend vorbereitet wurde und deshalb vielleicht gar keiner ist und die Tat im Affekt stattgefunden hat und damit strafrechtlich ein Totschlag ist, wie wir als aufmerksame Zuschauer schon lange wissen.

In fünfzig von hundert Alibifällen ist es die gutmütige Freundin oder der gutmütige Freund, der dem potentiellen Täter oder der Täterin ein, natürlich falsches, Alibi verschafft, in dem behauptet wird, man sei die ganze Nacht mit jener Person im Bett gewesen. In Familienkriminalfilmen sind es immer die Ehefrauen, die dann aber hinterher, wenn der Kriminal weg ist, ein Theater anfangen.

Auf die Tätigkeiten, die man in dieser Alibizeit ausgeübt hat, wird nicht weiter eingegangen, aber alle wissen natürlich, was da stattgefunden hat.

Im Kriminalfilm wird darauf weiter nicht eingegangen, dass das Alibi natürlich nur Bestand hat, weil in dieser Zeit der Geschlechtsverkehr stattgefunden hat.

Niemals unterstellt der Kriminalbeamte, dass nach erfolgtem Geschlechtsverkehr, der Mörder oder die Mörderin das Bett verlassen hat, um noch schnell mal jemanden um die Ecke zu bringen, während der Geschlechtspartner oder die Geschlechtspartnerin geschlafen hat.

Dieser Verdacht eines Beamten oder einer Beamtin erübrigt sich zumeist. Vor allem deshalb, weil in der nächsten Einstellung des Filmes, der Grund für das falsche Alibi auftaucht. Die Polizei und wir haben es ohnehin gewußt.

Manchmal gibt es richtige Alibis und dann meist einen weiteren Verdächtigen, was den Film ein wenig länger macht. In den englischen Serien, besonders bei den Filmen der BBC, die bei uns ausgestrahlt werden, kommt eine bestimmte Technik bei der Verfolgung der Straftäter immer wieder zum Einsatz.

Fünf Beamte, die zusammen einen Täter suchen. Alle machen irgend was. Verhören. Telefonkontakte überprüfen. Versicherungspolicen überprüfen. Kontobewegungen überprüfen. Überwachungsvideos ansehen und was es der Tätigkeiten sonst noch so gibt. Die Ergebnisse landen alle auf einer Tafel an der Wand. Das wird jetzt immer beliebter und hat sich, glaubt man den Drehbuchautoren, sogar bis Lübeck rumgesprochen.

Und der Hauptkommissar hat in Minute 78, bei Filmen mit einer Länge von 90 Minuten, einen Einfall, der alle Mitarbeiter erstarren lässt. Er hat die Lösung gefunden und hält diese vor seinen Mitarbeiterinnen und seinen Mitarbeiter und vor uns natürlich geheim, weil sonst würden wir ja jetzt auf einen anderen Kanal wechseln .

Damit das nicht passiert, beauftragt der Oberkriminal, alle Verdächtigen zusammen zu rufen. Und dann brilliert er mit seinen Kriminalkünsten und verkauft die Sache so, daß seine Mitarbeiter und die Mitarbeiterinnen alles ganz logisch finden, was da passiert.

Und weil die das laut Drehbuch logisch finden, finden wir Zuschauer es auch logisch, was sich der Drehbuchautor oder die Drehbuchautorin da so zusammen spintisiert hat.

Und sei es noch so herbeigeholt. Hauptsache, der Täter oder die Täterin wird am Ende des Filmes überführt. Meist wird er in Handschellen abgeführt. Meist Männer. Frauen werden selten Handschellen angelegt.

Nur, wenn sie als ganz böse, oder ganz hinterhältig dargestellt werden. Wenn der Film noch ein bißchen länger gehen soll, dann gibt es manchmal noch einen Fluchtversuch, der in 90 % aller Fälle aber scheitert. Den gibt es auch mit der Variante Geiselnahme und Pistolenklau.

Auch die Variante, das ein überführter Täter oder eine Täterin, sich der gerechten Strafe durch einen Sprung aus dem Fenster oder dem Schuss aus der Pistole, den er im Zweifelsfall der ermittelnden Polizisten entwendet hat, rettet, oder umbringt kommt vor. Mißlingt aber meistens, weil dann wird der Film zu lang.

Das führt im Regelfall dann zur nächsten Szene, in der den ermittelnden Beamten und Beamtinnen von dem Vorgesetzten oder, was jetzt immer häufiger vorkommt, der Vorgesetzten, der Kopf gewaschen wird.

Das geschieht meist in der Form, dass sie ihre Pflichten grob verletzt haben. Sie hätten einen Selbstmord, der zu vermuten war, auf jeden Fall verhindern müssen.

Nun kommen wir zu den besonderen Bildern. Ein wiederkehrendes ist, wie der Polizeibeamte oder die Polizeibeamtin, dem Täter beim Einstieg in das Polizeifahrzeug, für mich immer noch Peterwagen, in der Weise hilft, dass er ihm oder ihr auf den Kopf drückt, damit er oder sie sich nicht den Kopf an der Karosserie des Peterwagens stößt.

Vor der Verhaftung kommt in vielen Filmen noch die Verfolgungsjagd und dann die Festnahme. Die Verfolgungsjagd hat, auch im Fernsehfilm verschiedene Varianten:

1) Zu Fuss (eher selten)

2) Mit dem Auto (sehr oft)

3) Mit der U-Bahn (eher selten)

4) Mit dem Zug (manchmal)

5) Mit dem Schiff (ganz selten)

6) Mit dem Pferd (wenn der Film Gmb spielt)

7) Mit dem Fahrrad (fast nie)

Das alles gibt es natürlich auch in einem »richtigen« Film, bei dem manchmal nicht an Geld gespart wird. Bei dem fürs Kino. Besonders ermutigend im richtigen, amerikanischen Film ist die Großzügigkeit mit der, vorwiegend große Autos, dabei zerstört werden. Das macht mir immer besonders viel Freude, wenn auf den Straßenkreuzungen die Straßenkreuzer zu Schrott gefahren werden.

Eine Steigerung des Vergnügens gibt es nur noch dadurch, wenn es sich dabei um Polizeifahrzeuge handelt, die hier zu Schrott gefahren werden.

Das geht natürlich in einem deutschen Fernsehfilm nicht, viel zu teuer, es sei denn, der unzulässig hohe Verdienst, der in Wahrheit nicht Verdienst heissen dürfte, den der Intendant des Senders jeden Monat erhält, würde um die entsprechende Summe der zu zerstörenden Fahrzeuge gekürzt. Was auch ein guter Vorschlag ist. Wozu braucht der Intendant vom WDR 490 Tausend Euro im Jahr?

Doch das wird, so lange es »Öffentlichrechtliche« Sender gibt, sicher nicht passieren. Das mit der Fahrzeugzerstörung auf der Kreuzung. In Fernsehfilmen wird höchstens mal ein Auto gegen einen Baum gefahren, und das haben sie sich sicher vorher vom Schrottplatz geholt. Eben receycelt. Grünes Fernsehen. Nachhaltig. Eben.

Für das nötige Kleingeld wird notfalls noch ein Wetterbericht eingeschoben, den vielleicht eine noch andere Müslifirma finanziert. Wetterberichte, alle zehn Minuten dargebracht, kann es gar nicht genug geben. Und jeder Meterologe sieht es gern, wenn sich das Wetter an seine Vorhersagen hält.

Auch die Berichte von der Börse, die vermutlich nur wenige Personen wirklich interessieren, verkürzt auf jeden Fall die zu finanzierende Sendezeit. Manchmal ist es sogar so, dass abgehalftetete Moderatoren sich ihre Zuteilungen noch ein wenig aufbessern, in dem sie selber in den Ratesendungen, Quiz genannt, den Blödmann oder die Blödfrau machen.

Das kommt immer gut. Sieht es doch jeder gern, wenn es im Fernsehen hochbezahlte Leute gibt, die noch weniger wissen, als man selber. Solche Sendungen machen uns Mut und sind deshalb scheinbar besonders beliebt.

Die scheinen noch preisgünstiger als die Fußballspiele zu sein, mit denen man neuerdings das Wochenendabendprogramm gestaltet.

Und wenn was falsch gemacht wird, trifft die Schande nicht die Fernsehredakteure, die für langweilige Fussballspiele nicht verantwortlich zu machen sind.

Für langweilige Filme, selbst produziert oder angekauft, schon. Und nicht erst bei der siebten Wiederholung. Doch nun zurück zum eigentlichen Thema: Der durchschnittliche Kriminalfilm mit einer Leiche und einem Mörder, wahlweise, aber höchst selten, mit einer Mörderin. (wird fortgesetzt oder auch nicht)

Nachtrag: Wiebeke hat mich zu Recht darauf hingewiesen, dass in den neueren Fernsehfilmen der Datenstick und der Datenklau eine große Rolle spielen. Nachts wird eingebrochen. Dann die aufregende Szene, wie das Passwort herausgefunden wird, während gleichzeitig der Wachdienst im Anmarsch ist. Manchmal mit der Variante, dass draußen eine Komplize oder gar eine Komplizin Schmiere steht. So nennt man das aber heute nicht mehr. Ja. Das müsste auch mal behandelt werden. Aber das passiert dann in einem der nächsten Briefe an Wiebeke.

Alles Blau im Morgengrau

SOMMERHAUSEN
cc
Tier

Briefe an Wiebeke (IX) DDR 1 + 2

Sag dem Abenteuer, dass ich komme (1)

Romische Zahlen am BUG

PDF Sag dem Abenteuer dass ich komme 2

Es muss so 1968 gewesen sein. Während andere die Auslieferung der Bild Zeitung verhinderten, hatte ich mich abgesetzt, um nicht zur Bundeswehr zu müssen. Meine Antwort war das Seefahrtsbuch. Als Ing. Assi auf mittlere Fahrt. Später sollte es ein Schiffsingenieur werden. Ein Beruf, den mein Vater gerne ergriffen hätte. Die Welt sehen. Vorerst sah ich per Reederei OPDR Marokko, Algerien, Tunesien, DDR und Klaeipeda, was früher Memel hieß, eine Zeit lang zu Deutschland gehörte und jetzt eine Enklave der SU ist. Ein Vier Wachen Schiff: Die MS Ceuta (MS=Motorschiff). Ein doppelt wirkender MAN Dieselmotor, betrieben mit Gasöl. Auf der 12 – 4 Wache der dritte Ingenieur und ich der Offiziersanwärter. Berufsbezeichnung: Schiffsingenieurs Assistent. An Bord kurz Assi genannt. Wir hatten Apfelsinen geladen. In Kisten. Im Februar. Durch den Nord-Ost-See-Kanal, Richtung Rostock. Der dritte Ingenieur und ich wollten zusammen an Land gehen. Rostock besichtigen. Der Hafen eingezäunt, so wie der Freihafen in Hamburg damals. An der Grenzstation des Hafens: Die Kontrolle durch die „Grenzorgane“ der DDR. Mein „Dritter“, wie der dritte Ingenieur bei uns genannt wurde, kam aus Ägypten, Körpergrösse 1,67 m und war naturgemäß mit einer etwas dunkleren Hautfarbe ausgestattet als ich. Seine deutschen Sprachkenntnisse waren meinen weit überlegen.

An der Grenzstation wurde in unserem Beisein ein Hafenarbeiter festgenommen, den man mit einer oder zwei Apfelsinen erwischt hatte, die vermutlich geklaut waren. Ich konnte meinen Dritten nicht davon überzeugen, sich da rauszuhalten. Du bist hier in Deutschland, halt bloß die Schnauze war meine gezischelte Rede. Aber nein. Er fand das empörend. Ich auch: Wegen zwei Apfelsinen! Überall in der Welt schaffen Hafenarbeiter etwas beiseite. Wenn sie dabei erwischt werden, ist das natürlich nicht so gut. Meist wird bei Kleinigkeiten, die Kleinigkeit von zwei Apfelsinen, darüber hinweg gesehen. Für eine Kiste, ein Meter lang, fünfzig Zentimeter breit und hoch zahlten wir an die Reederei OPDR (Oldenburgportugiesische Dampfschiffs Rhederei) damals 10,00 DM. Der Dritte: Er würde morgen eine Kiste vorbeibringen, hat er laut gesagt. Und man solle den Mann doch endlich in Ruhe lassen. Schließlich sei das doch hier ein Arbeiter- und Bauernstaat und wenn dieser Hafenarbeiter zwei Apfelsinen klauen müsste, dann sei das ein Armutszeugnis dieses Staates. Und, und, und.

Ich hatte ihn gewarnt. Es hatte nichts genutzt. Sie haben den „Dritten“ nicht in ihr „Arbeiterparadies“ hineingelassen. Also musste ich alleine die Stadt besichtigen. Rostock völlig vereist. Mein Ingenieur, der Dritte, bekam vom Staat der Arbeiter- und Bauernstaat ein Einreiseverbot für alle Zeit. Wie sich später herausstellte war alle Zeit nicht besonders lang. Als es mit dem Arbeiter- und Bauernstaat zu Ende war, bin ich dann noch mal nach Rostock gefahren.

Der Staat war schon lange weck. Aber das Häuschen war noch da. Das Häuschen an der Grenzstation, wo sie unseren Dritten verhört hatten, weil dieser sich empört hatte. Der Hafen war völlig leer. Ich empfand eine gewisse Genugtuung angesichts des leeren Hafens. Strafe muss sein, fand ich. So ist das eben, wenn man wegen zwei geklauter Apfelsinen so einen Aufriss macht. Und das mit der Kiste, die er morgen als Geschenk vorbeibringen wollte, das hatte mein Dritter ernst gemeint.

MS Ceuta
MS Ceuta in Oran lädt Apfelsinen Kisten

DDR (2) Der Wald, das Holzbein und die vier Feinde. (1971)

Es gab eine Zeit, da brauchte man mit dem Interzonenzug von Hamburg nach Berlin manchmal sieben Stunden. Das hatte verschiedene Ursachen. Eine war, dass die Russen das zweite Gleis nach Russland geschafft hatten. Ein anderer war, das der Zug zweimal kontrolliert wurde. An beiden Grenzen. Ganz sorgfältig. Drinnen und draußen. Ob sich vielleicht jemand heimlich in die DDR reinschmuggeln wollte? Das sollte auf jeden Fall verhindert werden. Noch mehr Personen, die überwacht werden müssten. In Schwanheide war einer dieser Kontrollpunkte. Dann musste noch allerlei Papierkram ausgefüllt werden. In einem dieser Züge lernte ich auf der Fahrt von Berlin nach Hamburg einen Mann kennen, der sich als ehemaliger Bewohner der DDR zu erkennen gab. Genau genommen hatte der Mann nur zweimal mit mir gesprochen. Während dieser sieben Stunden. Kurz nach dem Passieren der Grenze in Griebnietzsee berichtete er davon, dass die Deutsche Reichsbahn, die diesen Interzonenzug betreibe, vier Feinde hätte: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das zweite Mal äußerte er sich im Wald von Friedrichsruh. Also nach dem Passieren der Grenze in Schwanheide. Der Kaiser habe die Kriegsteilnehmer des ersten Weltkrieges belohnt. Mit Holz. Er habe vom Kaiser ein Holzbein bekommen und der andere eben einen Wald. Und weil wir grade den Sachsenwald bei Friedrichsruh passierten, war auch klar, von welchem Geschenkeempfänger er sprach.

Angenagelt, Schwerin

Fotos Jens Meyer

Tier

Kopf ab Hilde
cc

In Erinnerung an Wilfried Berghahn (V) Ansichten einer Gruppe- Die Münchner Schule- Filmkritik April 1963

WBAnsichteneinerGruppe-DieMünchnerSchule

Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben?

Darstellung der Realität im Kinderbuch – Leseprobleme von Arbeiterkindern im 19. Jahrhundert Auf dem Dachboden gefunden. Ein Text aus dem Jahr 1970:

Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben? „Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben?“ weiterlesen