Apropos Manfred Salzgeber

Manfred Salzberger ist tot

(Abschrift eines Artikels aus der TAZ vom 18. August 1994 von Mariam Niroumand)

PDF Abschrift des Nachrufs Manfred Salzgeber

Welches Lied ich ihm singen würde? Eins ohne Ort jedenfalls, leicht in Amsterdam oder Nyon, im Schiff oder Flugzeug zu pfeifen, ein Lied zum Mitnehmen, das nach Leder schmeckt, nach „bitte noch einen Manhattan, Herr Wirt“ und eins, das auch nach der neuesten Aidstoten-Statistik noch hörbar wäre. Man müßte es auch zu mehreren, aber vor allem während des Tippens, Telefonierens oder Filmeinlegens summen können. Salzgeber, Deutschlands mutigster Filmverleiher, Filmaktivist, Film- Passionario, ist am Freitag morgen in einem Berliner Krankenhaus im Alter von 51 Jahren an Aids gestorben.

Solche wie ihn, ein Zufallskind, mitgeschleppt aus Lodz nach Stuttgart auf der Flucht vor den Russen, nannte man im Schwäbischen „Neigschmeckte“. Der floh ins Kino, als Dreijähriger schon an Omas Hand in „Brüderlein fein“ (so daß man sich nicht wundern muß, wenn er sich in den sechziger Jahren nicht zu schade war, den Studenten nachts um drei den „Förster im Silberwald“ zu zeigen). Lesen, lesen, Milchflaschenpfand in Kinokarten umsetzen, Mutters Deutsch in den Briefen ans Wohnungsamt korrigieren – Salzgeber ist ein Steher gewesen, und es ist mir ein Rätsel, wieso das nie penetrant war; wieso man ohne Umschweife schluckt, daß er das erste Western-Lexikon als 14jähriger mit achthundert Anmerkungen vollgekritzelt hat, weil er die Fehler von Leuten korrigieren mußte, die die Filme im Gegensatz zu ihm eben nicht gesehen hatten.

„Ich hatte im Kino immer einen Blick für die Titten Gary Coopers, Robert Mitchums und anderer Ektoplasmen; als ich das dann mit anderen Kindern durchsprechen wollte, wurde mir schnell klar, daß ich nicht nur ein Neigschmeckter war, sondern auch noch ein Schwuler.“

Ab also nach Berlin: mit einer halben Schauspielschule und der abgeschlossenen Buchhändlerlehre in der Tasche fing er bei Marga Schoeller an, was damals, in den frühen Sechzigern, einer von Berlins mobilsten Buchläden war. Er reiste mit William Burroughs durch die Lande. Von seinem Schreibtisch aus organisierte er die ersten Kopien für das neu gegründete Arsenal, ein kommunales Kino, von einem Kollektiv betrieben. Als mal keine Eintrittskarten mehr da waren, gaben sie hartgekochte Eier an die Gäste aus, die allerdings ordentlich gestempelt und dann im Kino gegessen wurden. Alle machten wirklich alles und Manfred ein bißchen mehr: Putzen, Projektor bedienen, Karten abreißen. Was er mochte: Science-fiction, CinemaScope, Paris, Chaplin: als „Monsieur Verdoux“ am Kudamm floppte, zeigte er ihn im Dahlemer Bali, seinem Kino, unter dem Originaltitel sechs Monate lang, und ging später zu den Chaplins, die ihm die Filme für die erste komplette Chaplin-Retro Deutschlands gaben. Georg Kloster, Berlins Programmkino-Mogul, war noch bei Salzgeber Kartenabreißer gewesen; es hat ihn nicht übel verbittert, wie Leute „ohne Eier“ ihn schließlich finanziell überflügelten.

Lange hat er es mit den „Freunden der Deutschen Kinemathek“ nicht ausgehalten: „Aus dem Kollektiv wurden schnell Herr und Frau Direktor – mit Villa im Grunewald“, hat er später geflucht. Salzgeber wollte eine Reihe zum Thema Palästina veranstalten, mit israelischen und palästinensischen Filmen, und als ihm daraufhin Antisemitismus vorgeworfen wurde, verabschiedete er sich vom Arsenal.

Von seinem Coming-out hat er nie viel Aufhebens gemacht. Eines Tages, in den späten Sechzigern, kam Alf Boldt – ein Mit-Kollektivist und Berliner Underground- Film-Connaisseur, der vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls an Aids starb – mit dreißig roten Rosen in die Buchhandlung gestapft und fragte laut nach Frau Salzgeber. Die Kollegen applaudierten, und das war das.

Kurz darauf ging er mit Rosa von Praunheim und dessen Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ auf Tour durch achtzig große Städte. Es ist der Film mit der längsten Männerkußszene der Filmgeschichte: Viereinhalb Minuten waren es im Original, im Fernsehen dann 45 Sekunden, die Nation war außer sich. Der Küsser: Manfred Salzgeber.

Stammheim hat ihn einstweilen aus Deutschland vertrieben. Manche von den RAF-Aktivisten hatten mit ihm nachts im Bali gesessen und „Viva Maria“ gesehen. Als er einmal mit Dreitagebart aus dem Haus getreten und von jemandem beschimpft worden war: „Dich haben sie wohl zu vergasen vergessen“, zog er nach Amsterdam.

Moritz de Hadeln, der Leiter der Berliner Festspiele, hat ihn dann wiedergeholt. Salzgeber sollte die „Infoschau“ übernehmen, ein damals brachliegendes Parallelprogramm zum „Forum“, das erst durch Salzgeber das Panorama-Profil des ungekämmten Minderheitenkinos bekam: Filme wie „Together Alone“, der wohl schönste Aidsfilm der Welt, oder „Dialogues with Mad Women“, der ermutigendste Film für Paranoikerinnen, kamen unter seiner Regie nach Berlin.

1985, als er längst höchst alarmiert war, stellte er fest, daß kein Verleih sich wagte, „Buddies“, den ersten expliziten Aidsfilm, in die Kinos zu bringen. „Dieser Film kann Leben retten“ – sprachs und gründete prompt seinen eigenen Verleih: die „edition Manfred Salzgeber“, die mittlerweile über den Dächern des gutbürglichen Steglitz thront, mit kleiner Terasse, die Manfred Besuchern als Kirsche auf der Sahnetorte präsentierte. Es ärgerte ihn Tag und Nacht, daß die Aidshilfen lieber schlechte Kopien von Pressebändern dieser Filme zogen, als sie bei ihm zu leihen und damit Filmemacher zu unterstützen. „Die Vorstellung, daß Derek Jarman [inzwischen auch verstorben, d.R.] krank in einer kleinen Bude in London hockt und seine Miete nicht bezahlen kann, während die Aidshilfen für Staatsknete Hochglanz-Broschüren drucken lassen, macht mich wahnsinnig“, hat er mir einmal im Interview gesagt (taz vom 11.3. 1993).

Wahnsinnig gemacht hat ihn auch die deutsche Filmförderung (wen die nicht den Verstand kostet, der hat auch keinen zu verlieren). Lange hat er sich geweigert, Verleihförderung zu beantragen; aber bestimmte Projekte gingen eben nicht ohne. „Inzwischen muß der Kinoverleih, an dem unser Herz hängt, ohnehin durch Videoproduktion, Ankauf von Fernsehplätzen und Lizenzhandel gestützt werden“, sagt Björn Koll, einer der Erben aus Salzgebers schwuler Familie.

Vorsichtig äußern sie Zuversicht; schon seinetwegen wollen sie weitermachen. „Aids“, sagt Kurt Kupferschmid, „hat ihn vor allem geärgert. Wenn sein Körper nicht wollte, daß er ins Babylon fährt und Gus van Sants ,Mala Noche‘ vorstellt, dann hat er ihn eben gezwungen: halbe Flasche Sekt, paar Aspirin, und ab ging’s.“ Daß Leute manchmal so verrückte Sachen machen wie Seeurlaub oder „drei Tage im Grünen“ hatte er zwar mal irgendwo gehört, aber doch nie erlebt. Ist das nie jemandem auf die Nerven gegangen, hat das nicht was Protestantisches? „Nein, hat es nicht“, meint Kurt, „mir ging es mal drei Wochen lang sehr schlecht, da kannten wir uns noch gar nicht richtig, da hat er mich jeden Tag angerufen, auch von unterwegs aus. Wenn es einem schlecht ging oder man wollte ficken gehen, war er völlig einverstanden. Bloß simple Erholung, das ging nicht in seinen Kopf.“

Er selbst war in der Lederszene zu Hause, aber in der ohne Uniformen, und eher parlierenderweise am Thresen als in der Klappe. Welchen Film ich ihm spielen würde? „Together Alone“ ganz sicher, ein Zwiegespräch in Moll und Dur und Angst und Witz, in das Manfred Salzgeber ebenso leicht hineingeglitten wäre wie in einen samtroten Kinositz. Mariam Niroumand

Nächsten Mittwoch um 11.30 Uhr findet im Berliner Filmpalast eine Trauerfeier statt, auf der noch einmal „Blue“ von Derek Jarman gezeigt wird. Statt Blumen wünschte sich Salzgeber einen Beitrag für die Arbeit mit Aidsfilmen. Konto 390 871 7402, H.Herdege – Sonderkonto Salzgeber, Volksbank Göttingen, BLZ 260 900 50. (Vermutlich gibt es dieses Konto nicht mehr)

Der Artikel gefällt mir immer noch und die falsche Überschrift hat vermutlich wer anders geschrieben. Aber mit dieser Überschrift findet vielleicht die nächste Suchgeneration den Nachruf nicht. Manfred hätte bestimmt nichts dagegen gehabt und waere mit dieser Hochladung bestimmt einverstanden gewesen, habe ich mir eingeredet. Nur das Bali Kino ist keineswegs in Dahlem, sondern damals und auch heute noch in Zehlendorf. Am S-Bahnhof Zehlendorf, geführt von einer würdigen Nachfolgerin. Einer Neigschmeckten, die von einem Kino aus Mannheim kam.

Arsenal Kino 1970 Welserstraße

WER MIT DEM TEUFEL AUS EINEM NAPF ESSEN WILL, BRAUCHT EINEN LANGEN LÖFFEL, von Stinki Mueller (August 1996)

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PDF Wer mit dem Teufel aus einem Napf essen will

»Wer mit dem Teufel aus einem Topf essen will, der muß einen langen Löffel haben«, meint David Volksmund. Jetzt hat dieser Herr wieder einmal Recht behalten. Zurzeit jagt eine Kriegserklärung die nächste in dem Kampf um das lukrative Grundstück an der Friedensallee 7 (in Hamburg Altona). Absender dieser Kriegserklärungen ist eine Firma in Ahrensburg mit der beziehungsreichen Firmenabkürzung GEG. 

Beziehungsreich, weil ein sozialdemokratisches Gewerkschaftsunternehmen diesen Namen (GEG) über lange Zeit bewahrte. (Gross Einkaufs Genossenschaft)

Doch wer den heutigen Kriegs- und Frontverlauf erkennen will, muß den Werdegang und die Geschichte der Personen verstehen, die da heute der Bevölkerung und den Konkurrenten den Krieg erklären.

Die Genossen der SPD, (darf man die heute überhaupt noch so nennen, fällt mir beim Abschreiben im Jahre 2014 ein), (die da mit dem kurzen Löffel an Teufels Tisch sitzen), sind seit 1979 gefördert und stabilisiert worden.

1979 da war der “Genosse” (Torsten Teichert SPD), der jetzt die Bauinteressen des Bodenspekulanten vertritt, noch Vorsitzender des Filmclubs in Neumünster.

Heute heißen diese Menschen: “Investoren”, das Wort ist modern und verschleiert so den eigentlichen Sachverhalt. Sie lassen angeblich Geld für sich arbeiten. Aber das hätten die SPD Genossen doch wissen müssen, das Geld nicht arbeiten kann.

Sie könnten die Firma, die sie aus Bielefeld geholt hatten, einfach als reichen Bodenspekulanten bezeichnen.

Doch fängt man am besten von vorne an: 1979. In der Stadt gibt es viele Bodenspekulanten neben Herrn Mayr, die prächtig mit den sozialdemokratischen Regierungen zusammenarbeiten. Sie heißen Büll & Liedtke, Deyhle und eben auch Mayr. Jeder, der viel Geld hat und es in Hamburg vermehren möchte, dem wird das Stadttor weit aufgetan.

Nicht verwunderlich in der Tradition. Die Kaufleute hatten schon damals das meiste Geld mit dem Verkauf und der Verschiffung von Sklaven gemacht.

Nur zur Partei der “Arbeiterbewegung” scheinen diese Leute nicht recht zu passen. Deswegen wurde das Wort ja auch geändert, vom Bodenspekulanten zum Investor. Hört sich besser an und bleibt das gleiche. Doch normaler Weise treten diese “Investoren” offen auf. Mit den Geschäften von Herrn Mayr verhält es sich anders. Er hat die Genossen seit Jahren für sich eingespannt, sie besorgen ihm die Grundstücke, sie sorgen dafür, dass der Mietzins immer pünktlich kommt, sie verwalten seine Immobilien, sie halten dem “Investor” die Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit vom Hals.                                           Foto Jens Meyer(rechts der Architekt Peter Wiesner von me-di-um, der den Umbau der alten Zeise Halle geplant und geleitet hat.  Sehr gelungen – mit zwei kleinen Ausnahmen – der große Saal des Zeise Kinos). (Links ein Unbekannter). Fotos Jens Meyer.Tieresehendichan3

By-nc-sa_colorSelbst bei Mietausfällen, muss er nicht um seine Gewinne bangen, denn die Genossen haben ihm städtische Bürgschaften besorgt. Es handelt sich um ein gut funktionierendes Beziehungsgeflecht, das nach außen abgeschirmt ist und von denen alle am Geschäft beteiligten Vorteile haben, so daß es schwer ist, aus dem Beziehungsgeflecht auszubrechen, wenn man keine finanziellen Nachteile haben will.

Wären wir in Italien und wären die Geschäfte geheim, dann würden wir es Mafia nennen. Geheim ist es nicht, aber doch schwer zu durchschauen. Dazu muß man weit zurück gehen.

In das Jahre 1979. Damals soll es in der Hamburger SPD einen frischen Wind gegeben haben. Es gab einen Bürgermeister, der sich mit den Hamburger Elektrizitätswerken (HEW) in Sachen Atomkraft angelegt hatte und unter seinen Genossen als Linker galt.

Foto Henning Scholz 22. November 1991
Foto Henning Scholz 22. November 1991

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Auch in Sachen     Kultur war er damals unterwegs. Nach München. Dort wollten sich Filmschaffende nicht mehr von der CSU und Herrn Strauß schikanieren lassen. Herr Hans Ulrich Klose lockte sie mit Geld und Selbstverwaltung nach Hamburg. In kurzer Zeit waren sie in Hamburg und bereiteten hier das Filmfest der Filmemacher 1979 vor.

Auch das lange geforderte Kommunale Kino Hamburg “Metropolis” wurde endlich verwirklicht.

Als Pioniere der ersten Stunde trafen wir uns regelmässig in der Admiralitätsstrasse an einer Tischtennisplatte. Alles schien möglich. Damals. Keine Teilung in Dokumentarfilmer, Spielfilmer, linke Verleiher, Experimentalfilmer. Ein Verein der Filmemacher wurde gegründet. Anne Kubina und Helga Bähr übernahmen die Arbeit und verhandelten mit den entsprechenden Behörden über die Selbstverwaltung der Fördermittel.

Das erste Filmfest wurde trotz kurzer Vorbereitung, aber dank vieler engagierter Helfer ein großer Erfolg. An Geld für unsere Arbeit hatten wir damals nicht gedacht. ZeiseGiessereigemaltvonMaxKuchel1918(Max Kuchel hat dieses Bild gemalt. Davon gibt es Postkarten. Das Original hängt im Altonaer Museum)

Helga Bähr wurde zur gewählten Geschäftsführerin. Zusammen mit Anne Kubina streiften sie durch die Viertel auf der Suche nach geeigneten Räumen für die neue selbstverwaltete Filmförderung. Da fiel ihnen die leerstehende Propeller Fabrik von Theodor Zeise auf. ZeisePropeller3In dieser Fabrik mit den anhängenden Wohnhäusern in der Friedensallee und in der Bergiusstrasse in Hamburg Altona, Ottensen, war es 1979 zu Ende gegangen. 1979 war es mit den Propellern zu Ende gegangen, denn Schiffe wurden in Hamburg kaum noch gebaut, also auch keine Schiffspropeller. Hundert Jahre lang hatten hier Arbeiter unter mörderischen Bedingungen gearbeitet.    (siehe Malerei).

Der Quarzsand, die hohen Temperaturen des Bronze Gusses, der Staub, die giftigen Gase, der Dreck. Viele gaben ihr Leben oder waren schon bald Frührentner, die sich nicht lange ihrer Rente freuen konnten.

Die Besitzer investierten über 10 Jahre lang nicht mehr, sondern schöpften lieber die Gewinne ab. Konkurs. Ein Teil der Arbeiter wurde vom Panzerbau der Firma Blohm und Voss übernommen. ZeisePropeller1(Anmerkung 2014: Das wußten damals nur Wenige, das auf der anderen Seite der Elbe bei Blohm und Voss, kaum noch Schiffe, aber dafür der Panzer “Leo” gebaut wurde. „Unser Leo“, wie er liebevoll genannt wurde und wird.)

Die vorhandenen Maschinen waren Schrott und wurden folgerichtig verschrottet. Zu dem Gelände gehörten mehrere Hallen, ein Bürogebäude, einige Wohnhäuser und eine Halle gegenüber.

(Anmerkung 2014: In die wurde später ein Möbelhaus (Dombeck) eingebaut, dann verkauft und anschließend von Peter Jorzick in ein Medienhaus umgebaut, heute Sitz der Hamburger Filmförderungs GmbH). Die Firmeninhaber von Zeise hatten aus der Fabrik und Wohnungen für die Arbeiter viel Geld rausgezogen und kaum welches wieder hineingesteckt. So waren die Wohnhäuser in einem erbärmlichen Zustand. Nur das Verwaltungsgebäude war in einem passablen Zustand. Die beiden Damen vom Filmbüro e. V. Helga Bähr und Anne Kubina verliebten sich in das Anwesen und mieteten es an, um es mit den zugesagten Geldern zu einem Filmhaus umbauen zu lassen. zeisepropellerrohlingHinter ihnen standen die berühmten (Hark Bohm: ”Unsere Kameras werden nicht schweigen”) und weniger berühmten Filmemacher (Thomas Mitscherlich) mit Hamburger Wohnsitz. Doch schon bald ging der erste Besitzer des Anwesens – ein Klempnermeister – pleite, weil er beim Kauf aus der Konkursmasse von Zeise nicht auf den Zustand der Häuser geachtet hatte. Die jahrelang nicht ausgeführten Instandsetzungen frassen ihn, bzw. seine Ersparnisse auf. Zudem waren auch die Mieter gewechselt.

Ein Teil der Zeise Arbeiter, die sozusagen bei Zeise Wohnung und Arbeit hatten und deswegen in ihren Forderungen gegenüber ihrem Vermieter (der gleichzeitig ihr Arbeitgeber war) zurückhaltend gewesen waren, zogen weg und machten Platz für Leute, die sich keine kaputten Fenster, keine feuchten Wände, keine Ofenheizung gefallen lassen und die wissen, wie man eine Mietminderung durchführt.

In der Hälfte aller Wohnungen wurde nach kurzer Zeit die Anmerkung 2021Miete gemindert. Das Gelände kam unter Zwangsverwaltung und die ins Grundbuch eingetragenen Banken brachten es zur Zwangsversteigerung.

Und hier beginnt nun die eigentlich – sehr unrühmliche – Geschichte der SPD, die quasi mit dem Geld eines Bodenspekulanten die Spekulation mit einem Grundstück verhindern wollten. Heute, rückblickend scheint das ziemlich blauäugig gewesen zu sein, oder naiv, oder gedankenlos. (Anmerkung 2014: oder alles zusammen)

Aber schließlich hatte man einen fähigen Schwaben mit der richtigen Parteizugehörigkeit direkt aus dem Büro des SPD Bürgermeisters (das war inzwischen ein andrer) auf den Posten des Geschäftsführers des Filmbüros e. V. gesetzt (oder wurden die gewählt?).

EingangZeiseAnneKubinaEiner mit politischem Geschick, mit dem richtigen Machtbewußtsein, der über weite Verbindungen innerhalb der Partei verfügte. Die Filmemacher standen wie ein Mann hinter Dieter Kosslick, nur am Rande gab es Nörgler und Kritiker. Aber deren Kritik war leicht zu entkräften. Sie hatten von dem inzwischen ziemlich großen Förderkuchen nichts abbekommen. Der blanke Neid.

Als die Versteigerung anstand, wollte Dieter Kosslick die Stadt (-regierung, den Senat), dazu bringen das Gebäude zu ersteigern. Rückblickend muß man sagen, daß das für alle Beteiligten die beste Lösung gewesen wäre. Der Senat wollte nicht. Wollte sich vor allem nicht festlegen. Für den Kauf wollten sie kein Geld bereitstellen. Kulturbehörde, Liegenschaft und Finanzbehörde waren mehr für die politische Lösung.

Die politische Lösung sah so aus, dass man sich selber und den anderen Sand in die Augen streut.

Ein Privatmann sollte das Gebäude ersteigern, dafür, das der neue Besitzer das auch tut, was das Filmbüro will, sichert man ihm eine Ausfallbürgschaft für die nicht gezahlten Mieten zu. Eine solche Bürgschaftserklärung einer Stadt, das ist für jeden wie Bargeld.

Herr Mayr wurde von Dieter Kosslick gefunden. Herr Mayr bekam die Bürgschaft, er teilte Dieter Kosslick sein Höchstgebot mit und Dieter Kosslick ersteigerte im Auftrag von Herrn Mayr das gesamte Grundstück. Ein Vertragswerk zwischen Mayr und dem Verein Filmbüro e. V. sicherte die ganze Situation ab. (So wurde es damals kolportiert)

Alle jubelten. Filmbüro gerettet, Mieten langfristig stabil, das Haus wurde gründlich instand gesetzt. Auch die Hallen sollten irgendwann dem Film zugute kommen. Waren doch vorher auch Pläne über einen Abriß, eine Squaschhalle und sonst noch was in die Diskussion gebracht worden.

Doch Dieter Kosslick wollte nach oben und bekam bald darauf einen Posten in NRW mit mehr Macht und mehr Geld. Ein neuer Kandidat war grade im Bürgermeister Büro frisch ausgebildet worden (Bürgermeister: Klaus von Dohnanyi / Torsten Teichert 1986 -1988). Mit Dr. und richtigem Parteibuch. Dr. Torsten Teichert. Alle warens zufrieden. (Damals).

Er setzte die Pläne seines Vorgängers um, die Zeisehallen wurden geboren. Gegenüber war in der Zwischenzeit das Medienhaus entstanden. Eine Gruppe um Peter Jorzick hatte es erworben und für ihre Zwecke umgebaut. Der größere Teil wurde finanziert, wie alle Gebäude finanziert werden: Mit persönlichen und Bankkrediten. Das hatte Peter Jorzick im Werkhof gelernt.

Das Architektenteam aus Peter Dinse, Isabell Feest und Peter Wiesner machten aus der alten Schiffspropeller Halle ein Büro- und Wohnhaus mit erschwinglichen Mieten, die noch heute nicht über 20,00 DM liegen (21. August 1996). Das sollte nun auch in den Zeisehallen passieren. Im Unterschied zu Peter Jorzick hatte aber die ”Elite” des Filmbüro keine Ahnung davon, wie man eine solche Immobilie plant, baut und letztlich verwaltet. (Rückblick 2014:  Zur selbsternannten Elite gehörte damals auch Torsten Teichert, dessen einzige Qualifikation in einem Parteibuch der SPD bestand).

In Peter Wiesner glaubte man den richtigen Architekten gefunden zu haben. Von vermieteten Flächen, von Heizkosten für eine so große Halle und von hohen Betriebskosten ahnte  (die Elite) im Filmbüro damals niemals etwas.

Auch über die Miete müsse man später mal reden. Und alle Mieter ließen sich mit den großen Plänen einschläfern. Auferstanden aus Ruinen. Vom großen Geld wurde allerorten geträumt, von einer öffentlichen Videothek der Bücherhallen, von einem großen Kino, von preisgünstigen Produktionsbüros für Film und Video, von gemütlichen Kneipen und alles setzte der Architekt Peter Wiesner, manchmal besser, manchmal schlechter, um.

Auf jeden Fall war es das Stadtgespräch bei der Eröffnung vor vier Jahren. Die Zeisehallen waren geboren. Zu welchem Preis wußte damals keiner der Beteiligten. Zwölf Angestellte und 100 Mitglieder fanden alles gut, so lange das Stück vom Kuchen für sie nicht kleiner wird.

Jetzt sind die Nebenkosten so hoch wie anderswo die Miete. Im Dachgeschoß kann man im Sommer bei offenem Fenster Hähnchen grillen und zahlt für den qm so viel, wie andere, die aber dabei auf die Alster gucken können. Und man zahlt an Jemanden, der nicht einmal selber mit Immobilien spekuliert, sondern der seinerzeit nur Puffer des Grundbesitzers ist, der das Geld klaglos weiter reicht, an einen, der sozusagen nur Geld vermehrt und ansonsten keinen Ärger hat.

Da ist es nur konsequent, daß dieser Mann den abgelegten Geschäftsführer in seinen Diensten weiterbezahlt. Der Mann hat gute Dienste geleistet und verspricht auch in Zukunft, daß er sein Geld wert ist.

Kennt er doch das Beziehungsgeflecht, auf dem diese Subventionswelt und ihre Verbindungen funktioniert aus dem FF.

Obwohl noch gar nicht klar ist, ob ein Nutzerinteresse besteht, ob überhaupt die Zeise GmbH bei ständig steigenden Mietpreisen für das Kino in die Planung des 850 Plätze Kinos einsteigt, kann man doch vorher schon mal der Öffentlichkeit und den eigenen Genossen ein wenig Angst einjagen, in dem man ihnen sagt, wenn das große Kino nicht kommt, dann geht auch das erste Kino pleite.

Ein Nutzer wird sich dann schon finden. Die Marktführer Flebbe und UFA stehen bereit zur Übernahme. Und wenn das Ding dann gelaufen ist, so der Prophet, dann wird auch Torsten Teichert, sorry Dr. Torsten Teichert aus Neumünster nicht mehr gebraucht. Es sei denn Herr Mayr möchte seinen Grundbesitz in Hamburg weiter mehren

Anmerkungen 2014: Dr. Torsten Teichert hat das Filmbüro nach 7 Jahren vor die Wand gefahren und sitzt heute da, wo er schon immer hin wollte, in der Fuhlentwiete. Eine selbstverwaltete Filmförderung gibt es nicht mehr. Dieter Kosslick hat alles richtig gemacht. Ging von Hamburg nach NRW und ist heute Direktor bei der Berlinale in Berlin. Die Filmemacher, die heute noch in der Friedensallee Anträge stellen, zeichnen sich aus durch ihr devotes Verhalten. Anmerkung 2021: Dieter Kosslick ist im Ruhestand.

Jens Meyer 8. Juni 2014By-nc-sa_colornilpferd_tumb

Film, Fernsehen, BRD j.m. (Make film not war)

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SOMMERHAUSEN
Nachtschatten Sommerhausen

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Zoo Palast – endlich mal ein Wort das passt: Zoopalalst!

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Wer könnte ein Interesse daran haben, Zahlen zu publizieren, die zeigen, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen private Gewinne gemacht werden? Die Filmwirtschaft, die selber durch Verkauf kaum verkäuflicher Filme an die Fernsehanstalten große Profite machen? Redakteure der Rundfunkanstalten, die dann ihren Job verlieren? Die Parteien, die doch als Kontrollorgane in den Fernsehanstalten sitzen, aber selber energisch daran arbeiten, möglichst oft dem Volke vom Bildschirm herabzulächeln?

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Fotos Jens Meyer

Zeitungsverleger wie Springer, die schon seit Adenauer versuchen, für sich einen privaten Kanal herauszuholen? Herausgeber und Verleger Augstein, der mit Argusaugen auf Bertelsmann und Springer guckt, selbst aber seit langem (zusammen mit Gruner & Jahr) an einer Gesellschaft beteiligt ist, die privates Fernsehen betreiben soll? Die Fernsehzeitschriften, die uns jede Woche unsere Fernsehlieblinge vorführen? Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder, die nicht wissen, wie Filme durch das Fernsehen produziert, auf die Berlinale gelangen? (1)

Oder gar die Jahrbücher von ARD und ZDF, die wie das ARD-Buch auf 333 Seiten Kunstdruckpapier-Vierfarbendruck so wichtige Informationen verbreiten wie (Chronik des SFB): ”Der Intendant des SFB Franz Barsig, der zu einem Jahresurlaub an der Ostsee weilt, wird mit einem Herzinfarkt in ein Lübecker Krankenhaus eingeliefert.” (12. 08. 1969). Dass ein gewisser Hans Peter Krüger (3. Hörfunkprogramm) wegen “einseitiger, tendenziöser Moderation” gekündigt wurde, findet man nicht. Dafür erfährt man, wie viel Minuten Kultur, Sport, Dokumentation usw. jeder Sender der ARD zur Verfügung gestellt hat, wie hoch die Postgebühren, wie teuer die Sendeminute ist – schweigsamer wird das ARD-Jahrbuch schon bei den Bilanzen der Werbetöchter, eine Seite (von 333) ist schon fast zu viel – auch das ZDF Buch ist voll von den kulturpolitischen Betrachtungen (“Fernsehen in der Zukunft-neue Aufgaben” usw.)

Dennoch: 1969 Bruttoumsatz (Werbefernsehen/Rundfunk), ARD 546 Mill Bruttogewinn 265 Mill Nettogewinn 116,9 Mill. 400 Millionen Mark gehen weg für Provisionen, Gema, Eigenkosten, Postleitungskosten (obwohl die Werbeprogramme zu einer Zeit laufen, in der man auch ohne Werbefernsehen den Sender nicht abstellen würde). Die Industrie bezahlt rund 30 % des Fernsehens – beim Zweiten deutschen Fernsehen sogar 50 % (mit Industrie sind nicht die Warenproduzenten gemeint, sondern die Großkonzerne). Die Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien vom Großkapital ist nicht so hoch, wie die der Zeitungen, dennoch aber beträchtlich. Zudem muss damit gerechnet werden, dass Bilanzen durch geschickte Buchhalter gemacht werden, die es verstehen, Gewinne zu verstecken. Dennoch geraten wenige Informationen an die Öffentlichkeit: z. B. eine Meldung von “Hör Zu”, dass die Berliner Werbetochter des SFB („Sender Freies Berlin“) das Hotel am Studio (inklusive Tankstelle, Bowlingbahn, zwei gut gehenden Restaurants, ein Autogeschäft), das sich kaum als Studio betreiben lässt und deshalb als Hotel betrieben wird, gekauft hat. (Hör Zu 17. April 1971). Preis für das “Ausweichgrundstück” ca. 8 Millionen Mark. Haushaltsausgleich für den SFB aus dem ARD Topf 20 Millionen . (2)

Auch unsere kritischen Filmzeitschriften (Filmkritik, Fernsehen + Film) beschäftigen sich kaum mit dem Fernsehen als Schlüsselindustrie auf dem Mediensektor – Befürchtungen, der Spielraum Filmkunst könne sich weiter verengen, bei Angriffen auf Töchter, mögen eine Rolle spielen. Coproduktionen zwischen Film und Fernsehen könnten unmöglich werden, wie sie z.B. die Tochter des Bayrischen Rundfunk Telepool praktiziert, die aus dem Verkauf mehrerer Filme (Resnais, Moorse) so hohe Profite machte, dass sie davon die nächsten Filme finanzieren konnten. (3)

Oder die Beta Filmgesellschaft – Monopoleinkäuferin für das ZDF – für Spielfilme – auch sie erscheint (ähnlich wie DEGETO der ARD in Frankfurt) mit keinem Wort in dem ZDF – Jahrbuch. (4)

Werbetöchter oder Produktionsgesellschaften (Bavaria Atelier GmbH, Studio Hamburg GmbH, Taunus Film GmbH) haben als GmbH den Vorteil, keine Bilanzen veröffentlichen zu müssen. Die Anstalten können mit ihnen den Grundsatz umgehen, keine Profite zu machen, die der Anstalt nicht zugute kommen und nicht durch Zuschußgeschäfte ausgeglichen werden.

PhoenixausderAsche

Man darf annehmen, dass es hier eine Dunkelziffer von Betrieben gibt, die kaum durch Kapitalverflechtung, als durch personelle Verflechtung mit dem Fernsehen verbunden sind, oder Zulieferer, die dem Fernsehen nominell nicht gehören. Für den Produktionsbereich des Fernsehens kann gelten, was für den Konsumbereich immer als unmöglich erklärt wurde – Umgehung der Rechtskonstruktion öffentlich-rechtlich-Bemühungen aus dem nichtkommerziellen Kinobereich (Arsenal-Abaton-Ostertor). Filme auch dem Fernsehen nachzuspielen – bringen von Seiten der Anstalten immer wieder den Hinweis auf die ausschließlichen Fernsehrechte (Heinz Ungureit: ”Wir haben lediglich die Fernsehrechte”) ein. Was keine Profite bringt, ist unmöglich. Zudem werden kapitalistische Marktmechanismen übernommen: Für das Wort “Deutsche Erstaufführung” müssen die Fernsehteilnehmer hohe Preise bezahlen – der Gebrauchswert der Ware Filme ändert sich nicht – da das Recht auf Erstaufführung so teuer ist, muss denn auch das Fernsehen (Summe der Teilnehmer) strikt darauf achten, dass nicht kleinere Gruppen den Film schon vorher sehen können. Mit dieser Praxis werden monatelang Kopien von Filmen für den nichtkommerziellen Bereich blockiert, wie das z.B. bei den lateinamerikanischen Filmen der Freunde der Kinemathek e. V. passiert ist. Das Fernsehen handelt damit nicht im Interesse der Mehrzahl der Fernsehteilnehmer und unterscheidet sich in nichts von den Praktiken der Filmmonopole.

Ökonomische Macht und politische Herrschaft Nimmt man vorhandene Tendenzen innerhalb des Fernsehens zusammen, so kann man für die Zukunft davon ausgehen, dass sich das kapitalistische Demokratie Prinzip durchsetzt, das der Soziologe K. O. Hondrich schon 1969 so beschrieben hatte: Ökonomische Macht und politische Herrschaft fallen tendenziell zusammen, das Machthaber dabei persönlich in politische Herrschaftspositionen drängen, ist nur der Sonderfall, in der arbeitsteiligen Gesellschaft genügt es, wenn die politisch Herrschenden die Interessen der ökonomisch Mächtigen wahrnehmen.” (5) Das Mittel bildet die Zensur, die so lange sie nicht als Teil einer langfristigen Strategie begriffen wird, idealistisch bleibt. So schrieb Wolf Donner in “Die Zeit” vom 30. Juli (1971) (Bildstörung) einen Artikel über mehrere politische Konflikte in den Rundfunkanstalten: Konflikt 1: Das beim Bayrischen Rundfunk produzierte Jugendmagazin “Bildstörung”, das in größeren Abständen seit 17. April 1970 von Jugendlichen journalistisch betreut wurde. Die letzte Sendung (nicht gesendet) war Anlass, das unliebsame Magazin endlich los zu werden. Argument des BR “Nicht sendefähig” – ein Argument, das wohl die Angestellten vom BR trifft, die das Magazin technisch gemacht haben. Was als Spielwiese gedacht gewesen war (“Diskussion mit Prominenten”) wurde mehr, wurde politisch relevant und der (bayrischen) CSU unliebsam. Auch bei “IN” (Jugendmagazin des Radio Bremen) sind Absetzungen von Beiträgen, Umdisponierung häufiger geworden, während der Beat Club weiterhin ungeschoren bleibt. In Bayern schaltet sich das Fernsehen bei der Produktion aus: Zoom drei ist für Bayrische Jugendliche nicht geeignet. Wer nun annimmt, dass es sich bei Fällen politischer Zensur um Einzelfälle handelt, sieht sich getäuscht – Der Redakteur von ZOOM (SWF) Wolfgang Drescher wird gekündigt, gleichfalls gehen muss Elke Baur. Grund: Die politisch nicht ausgewogenen Sendungen. (6) Solche Konflikte zeigen, wie unvollkommen die Strategie der herrschenden Klasse auf diesem Gebiet noch ist. Ruhe und Ordnung werden wie bei Monitor, Panorama, ZDF-Magazin usw. auch hier bald einziehen. Ohne Konflikte kann der Intendant nur sein, wenn er dafür sorgt, dass die richtigen Leute, die richtigen Meinungen vertreten. Bei jeder kontroversen Sendung riskiert der Journalist seine ökonomische Grundlage, Folge: er zensiert sich selbst. Leichtsinnsakte: freie Mitarbeiter zu beschäftigen- solche Fehler macht er nur einmal. Peter Merseburger, 1969 zu Studenten der dffb (Malte Ludin, Dieter Stoll) beauftragt einen Film über die Septemberstreiks zu machen: ”Sie können alles sagen, was nicht den Staatsvertrag mit dem NDR verletzt”, war schon bald nicht mehr bereit, diese Zusage einzuhalten.

Auch der geschickte Claus Hinrich Cassdorff hatte im Dezember 1970 in einer Veranstaltung in der dffb von dem großen Freiheitsspielraum innerhalb der ARD und speziell bei Monitor getönt, auch als sein Angebot, doch mal einen Film für Monitor zu machen, aufgenommen wurde (Vier Studenten der dffb) – war er bereit. Thema: SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin). Sendetermin (sein Vorschlag): Eine Woche vor den Wahlen in West Berlin. 2/3 des Materials waren bereits gedreht, da bekam Claus Hinrich Cassdorff plötzlich kalte Füße – der kalte Wind kam (so kann man annehmen), wahrscheinlich von den Kollegen aus Bonn und Berlin. Schnell annullierte er den Auftrag und ließ sich von dem Kontaktredakteur Michael Stoffregen-Büller einen neuen Film aus dem gleichen Material machen. Die veränderte Funktion des Beitrages rechfertige die Sendung: relevante Stellen überdecken mit einem üblen Antikommunismus Kommentar, anschließend ein Beitrag über die neuen Nationalsozialisten eine Gleichung, die selbst liberalen Journalisten nicht mehr einleuchtet.

Anmerkung 2014: (Ich hab noch mal nachgesehen. Die Wahlen waren am 14. März 1971 in West Berlin. Die SEW erreicht 2,3 %). Wahlen scheinen die Sender überhaupt sehr zu verunsichern, besonders der SFB (der das Wort Frei im Namen führt) entwickelt große Angst vor Änderung der bestehenden Machtverhältnisse, sodass er sogar im dritten Programm (das von Arbeitern sowieso nicht gesehen wird) darauf achtet, dass das Bild von der Herrschenden Klasse nicht demoliert wird.

Als ebenfalls im März 1971 im dritten Programm (SFB-RB-NDR) ein Film über die westberliner Mietersituation von Hans Mosczala gesendet wurde, schaltete sich der SFB aus. Bedenklich daran ist, dass dieser Sender in einem von der SPD regierten Land sendet. Aber der Arbeitervertreter Franz Barsig (SPD) hatte schon früher gezeigt, das er fest entschlossen ist, die Arbeiter vor dem Sozialismus zu schützen.

1970 hatte er den Redakteur des dritten Hörfunkprogrammes (30 % bestreitet der SFB) Hans Peter Krüger gekündigt, Grund einseitige tendenzielle Moderation – zu links -, aber selbst die herrschende Justiz in Form des Arbeitsgerichts, musste ihm bescheinigen, dass er allzu ungeschickt vorgegangen war. (Anmerkung 2014: Ist zwar ne Wiederholung, aber das hatte die Generation vorher auch schon gemacht: Wiederholen)

Da er den Redakteur Krüger so nicht los wurde, schickte er Krüger eine Änderungskündigung. Erklärte Franz Barsig in einem Brief an Erika Runge vom 26. April 1970 (Kürbiskern Heft 3/71 S. 440), die zusammen mit anderen Journalisten, eine Teilnahme an einer Fernsehdiskussion abgelehnt hatte, das es bei dem SFB keine politische Zensur gäbe (“trotz der Eingriffe in die Literarische Illustrierte, Schnitte an Malatesta, Strafversetzung von zwei Jugendredakteuren, also: ” . . . das es trotz all dieser und noch andrer Maßnahmen beim SFB keine Zensur gäbe.”

Auch andere Intendanten sind noch nicht genügend geübt im Umgang mit Kündigungen: Franz Mai (Intendant Saarländischer Rundfunk) wollte seinen Programmdirektor Literatur-Hörfunk Arnfried Astel in die – Wüste schicken – auch seine Gründe für die Kündigung schienen dem Arbeitsgericht allzu fadenscheinig, wie die des Berliner Kollegen (der noch im Januar vor der Programmkonferenz der ARD getönt hatte: . . . und nun wünsche ich ihnen einen fröhlichen Abend, die Linken sind ja alle im Gefängnis.”) 

Eine Solidaritätsadresse für Arnfried Astel, unterzeichnet von fünfzig namhaften Publizisten landete in der Kommandozentrale des SR. Anlaß der Kündigung auch in diesem Fall: “Einseitige Moderation”. Grund ein Artikel von Astel in der FR.. Mai: “ . . . weitergeben von vertraulichen Informationen” bei der zweiten Kündigung (die erste wurde vom Arbeitsgericht für nicht rechtskräftig erklärt) ein Artikel in einer Resozialsierungszeitschrift für Häftlinge. Mai: “Aufforderung zum Aufruhr”.

Die Ungeschicklichkeit mit der hier politische Zensur ausgeübt wird, unterscheidet sie von den Intendanten der restlichen ARD Anstalten und Karl Holzamer vom ZDF. Selbst Peter Scholl Latour (als er noch beim WDR war), der lange als “relativ“ liberal galt, hat eine Sendung über „Floh de Colonge“ “Profitgeier” weniger spektakulär vom Programm verschwinden lassen-

Kurz: die Männer in den anderen Anstalten vertreten die Interessen der Herrschenden sehr viel geschickter und mit sublimeren Formen der Unterdrückung, keinesfalls darf aus weniger Konfliktfällen geschlossen werden, dass bei anderen Sendern der generelle Freiheitsspielraum wesentlich größer sei. Wer Zusammenhänge begreift, der darf nicht nur einfach die Fälle politischer Zensur im Fernsehen addieren, sondern er kann sie gut als Zeichen einer langfristigen Strategie interpretieren. Dazu gehört auch, was sich Herr Hammerschmidt (Intendant Südwestfunk Baden Baden) für die ARD ausgedacht hat und jetzt (zwar modifiziert) von der Programmkonferenz als Grundsatzpapier verabschiedet wurde. Wichtigste Proklamation des Papiers: Der Pluralismus muß sich in jedem Beitrag (Meinung) niederschlagen, nicht mehr nur im Gesamtprogramm, angegriffene (systemimmanente Kritik) Politiker, sollen in jedem Fall innerhalb der Sendung Gelegenheit zur Gegendarstellung bekommen (siehe auch dazu: Manfred Delling in Filmreport 9/10 1971 vom 30. Mai 1971) (7)

Die langfristige Machtübernahme der Konzerne wird im Fernsehen vorbereitet – die Helfershelfer in den Rundfunkanstalten werden sich dagegen wehren, von irgend jemanden gekauft zu sein – oder mit ihnen zu kooperieren, das wird man ihnen auch schwer nachweisen können. Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf das Interesse des ganzen Volkes, bescheinigen sich die Herrschenden immer wieder selbst, das sie ja nur das täten, was die Mehrzahl will. Für die Vorbereitung einer solchen Machtübernahme genügt es jedoch, daß sie objektiv die Interessen der ökonomisch Mächtigen und politisch Herrschenden wahrnehmen. Fragt Monitor Chef Claus Hinrich Cassdorf Andre Costellani auf dem Höhepunkt der Währungskrise (einen der größten Finanzspekulanten) in der Sendung vom 10. Mai (1971): ”Haben nicht die großen Geldinstitute eine besondere Verantwortung?” Und der Geldschieber ungarischer Abstammung mit amerikanischen Paß kann diese Frage mit “gutem Gewissen” mit ja beantworten- oder Fritz Berg (BDI): ”Wie ist ihr Verhältnis zu Schiller?” Fritz Berg Antwort: “Mein Verhältnis zu Schiller war und ist gut!”

Die Interessenvertreter der ökonomisch Mächtigen (CSU-CDU-ZDF) und seit der Globalsteuerung auch die SPD arbeiten daran, die totale Meinungsfreiheit der Großunternehmen nun auch (wie in der Einheitspresse) im öffentlich rechtlichen Fernsehen einzuführen oder nicht zu verhindern – In der FR vom 5. August 1971 schrieb Hans Joachim Noack zur Machtübernahme der CDU im ZDF: ”Außer Galgenhumor hat die SPD nichts zu bieten.”

In vergangenen Jahren ging es immer nur darum, einzelne Sendungen (Panorama, Report, Monitor), oder Redakteure (Merseburger, Fest, Kogon, Paczensky, Proske) vom Fenster verschwinden zu lassen, jetzt sind die Herrschenden inzwischen dazu übergegangen, das Übel an der Wurzel zu packen und die Schaltstellen der Macht mit den richtigen Leuten zu besetzen. Der Rationalisierungseffekt ist ungeheuer.

1) Es brauchen kaum noch Filme für das Archiv gemacht werden! (kostensenkend)

2) Man braucht nicht jedes Mal, vorher oder hinterher beim Intendanten zu intervenieren und spart so durch Arbeitsteilung so wichtige Leute wie den schleswig holsteinischen (“Ich bin selbst lange Zeit Journalist gewesen”) Will Rasner, der sich jetzt der eigentlich politischen Arbeit widmen kann. In diesem Zusammenhang erschien im Spiegel “Es ist soweit” vom 19. Juli 1971 ein Artikel über die Machtübernahme der CDU im ZDF. Spiegel: “Über den Verwaltungsrat” (Stimmenverteilung CDU 5, SPD 4 Stimmen) “bekommen wir das ZDF in den Griff” (Ministerpräsident Helmut Kohl). Erste Maßnahme: Rudolph Woller (CDU), (Spiegel: “militant konservativ”) wurde neuer Chefredakteur beim ZDF. (Kohl: ” . . . im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat.”) (Kohl ist Vorsitzender des Verwaltungsrates). Gleichzeitig engagierte der CDU Sender (In Zusammenhang mit der Kontroverse um das ZDF Magazin) “zur Beruhigung der Redakteure und der Öffentlichkeit”, einen Mann aus dem rechten Flügel der SPD: Fritz Schenk soll Comoderator für den Altfaschisten Löwenthal werden. Die aufsässige Redaktion konnte dieser Schritt nicht beruhigen, man glaubt kaum: ”das Schenk den liberalen Gegenpol zum rechten Löwenthal darstellt. Der Juso Bundesvorstand nannte das Kind (in einem Brief an Wehner und Wischnewski) “Löwenthal-Double” mit Namen. Laut Spiegel “sind in den Redaktionen des ZDF weitere Umbesetzungen geplant, die der CDU – noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1973 – entscheidenden Einfluß auf das Mainzer Programm sichern sollen: (Anmerkung 2014: Die Wahl fand 1973 nicht statt. Es gab stattdessen ein Mißtrauensvotum, das scheiterte (es fehlten zwei Stimmen, eine davon war gekauft, wie sich später herausgestellt hat) und vorgezogene Neuwahlen 1972. (Die Rolle des MfS der DDR bei dem Mißtrauensvotum und dem Stimmenkauf wäre einen Extra Beitrag wert)

 “Chefreporter und Kohl Intimus Karl Heinz Rudolph löst den liberalen und parteilosen Heute Chef Rudolf Radke ab“. Hauptabteilungsleiter (Politik und Zeitgeschehen Volker von Hagen (CDU) wird neuer Studio Chef in Bonn Friedrich Novotny (CDU) übernimmt in Mainz die Innenpolitik. Bilanz Moderator Wolfgang Schröder wird zum Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Soziales befördert.”  Ende des Zitates (Spiegel). Doch die CDU blieb auf Angriffe nicht untätig: ” . . . es handelt sich um eine linke Kampagne, die Genossen sitzen im ZDF dick drin,” tönte es kurz darauf aus deutschen Ländern. Ist schon mal ein Redakteur in Deutschland wegen starken Rechtskurs seinen Posten losgeworden, fragt man sich. Der sichtbare Teil des Manipulationsnetzes wird größer, niemand kann jedoch ein Interesse daran haben, ihn so zu vergrößern (auch Augstein nicht), dass sich an der Höhe der eigenen Profitrate etwas ändern könnte. In der gleichen Nummer des Spiegel steht ein längerer Artikel über Marktverflechtungen bei den neuen audiovisuellen Medien. (Bildplatte, EVR, VCR) –  hier werden zwar die schon bestehenden Konzernverflechtungen (Bertelsmann, Quelle, Springer usw.) der Programmhersteller und die Gerätefabrikanten (Telefunken, Philips, RCA, Bosch usw.) beschrieben, vergessen wird jedoch die eigene Verflechtung – auch von den Aktivitäten Augsteins für ein privates Fernsehen (ein Projekt Adenauers, das heute besonders von den Landesregierungen in Saarbrücken und München gestützt und gefördert wird) ist nichts zu finden. Auch nicht darüber, daß es in Saarbrücken bereits eine Aktiengesellschaft (Grundkapital 3,05 Mill.) für die privaten Kanäle (Gigaherzbereich, Kabelfernsehen) gibt, bei der Augstein-zusammen mit Gruner und Jahr, Burda 18 % des Aktienkapitals in Besitz haben (Freie Rundfunk AG -FRAG)- und an der außerdem der Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer mit 18 % beteiligt ist. (8)

Lassen wir uns nicht täuschen – wirtschaftliche Verflechtung, Aufteilung noch nicht vorhandener Märkte (politische Zensur und Machtpolitik der Herrschenden durch Besetzung der wichtigen Schaltstellen im Mediensektor), das sind nur verschiedene Seiten einer Strategie mit dem Ziel der totalen Manipulation zum Nutzen der Großkonzerne. Und wer erstaunt ist über die Länge der bekannten Zensurfälle, dem helfen selbst die Liberalen zur Verlängerung dieser Liste. H. G. Ossenbach wurde bei Hessischen Rundfunk (Hessen vorn) entlassen (Wolf Donner in Die Zeit vom 12. März 1971 “Eine schleichende Zensur verunsichert die Redaktionen”). Bei der Sendung des Kulturmagazins (Titel, Thesen, Temperamente) verschwindet auf Weisung des Intendanten Werner Hess (HR) ein Film über die Wahlhilfe des Schriftstellers Siegfrid Lenz für die SPD in Schleswig Holstein. “Die Sendung analysierte die Herrschaftssprache der CDU” verlautete in der Pressestelle des HR- “Der Pressesssprecher betonte” (gegenüber der Welt vom 21. April 1971) “dass die Entscheidung des Intendanten, die Sendung nicht zu senden, nicht auf Druck der CDU zustande gekommen sei.” Zitat Ende

Zwei Zuschauerorganisationen (AFF-Aktion Funk und Fernsehen – FFM Funk und Fernsehmitgestaltung) wollen die Meinungsfreiheit im Fernsehen wieder herstellen. Aber was oberflächlich wie mehr Meinungsfreiheit aussieht, ist doch nur der verlängerte Arm des Großkapitals in Form der CSU. Meinte Wolf Donner in der Zeit vom 12. März d. J. (1971). 80 % der Mitglieder kommen aus Bayern. Im Bayernkurier (Herausgeber F. J. S. = Franz Josef Strauss) wurde denn auch die Aktion- als “Aktion gegen Manipulation” freundlich vorgestellt.- welche Manipulation gemeint ist, weiß wer Information und Stil der Kommentierung des Bayernkurier kennt.

Die “Fernsehzeitung” (Nr. 1 vom 22. Januar 1971) zitierte die AFF- Referat Massenmedien- Lothar Lorisch, 5 Köln Postfach 190 229- Nach Ansicht der “überparteilichen” Interessengemeinschaft begünstigen und betreiben die Anstalten jenen heutigen Zustand, den Lothar Lorisch treffend so beschreibt: ”Hasch und Syphilis zerfressen Gehirn und Blut unserer Jugend. Kommunen unterlaufen die Ehe. Gesetzgeber bauen Sexual-Strafandrohungen ab. Landesverräter werden begnadigt. Schleichende Sozialisierung greift nach der Macht in den Betrieben. Der Mittelstand siecht dahin.” In den Satz hatte ich damals hinter Mittelstand noch eine Klammer gesetzt, darin stand (die reichen Unternehmer)

Konzentration

Die Marktkonzentration auf dem Sektor der Film-Produktion Vertrieb – dürfen als relativ bekannt gelten. Schon 1965 hatte das Bertelsmann Imperium 80 % des Marktanteils auf dem Markt der BRD- auf diesem Sektor gehören mehrheitlich zu Bertelsmann folgende Gesellschaften:

Universum Film GmbH (UFA) Düsseldorf-West-Berlin 10.6 Mill; Ufa International München; Ufa Werbefilm Düsseldorf; Ufa Theater AG Düsseldorf (bis 1971); Mannheimer Lichtspiel Theater GmbH; Pallas Film Verleih Düsseldorf; Merkur Film Theater GmbH Frankfurt am Main; Terra Filmkunst GmbH; Constantin Film GmbH München (60 %); Bertelsmann Fernsehproduktion GmbH; Ufa Fernsehproduktion; Videophon GmbH West Berlin; Exportfilm Bischoff München; außerdem ist die Bertelsmann beteiligt an Deutsche Wochenschau; Constantin ist zugleich mit 9,0 Mill Grundkapital die kapitalkräftigste Firma auf dem Filmverleih- und Produktionssektor der BRD- seit 1968 (Filmförderungsgesetz) genauer: (Gesetz zur Qualitätssteigerung des deutschen Filmes auf breiter Grundlage) hat sie außerdem noch 9 Mill. DM  an Subventionen eingestrichen um die vielen Pornos und Lümmelfilme produzieren zu können.

Die Förderung der wirtschaftlich starken (Bei 500.000,00 DM Einspielergebnis bekommt der Hersteller bzw. der Verleih 100.000,00 DM für die Fernsehrechte und 150.000,00 DM von der FFA dazu, zu Ungunsten der wirtschaftlich Schwachen nennt man Monopolkapitalismus. (9)

Hier habe ich eine Klammer 1971 rum gemacht: (warum weiss ich leider heute auch nicht mehr 2014) Klammer auf: Von 65 geförderten Filmen (68/69) waren 36 Filme von Constantin (Referenzfilme), 12 von Gloria, die einer amerikanischen Holding der California Land gehört, 3 von Cinema Service, je 2 von Alpha und Inter, je 1 Avis und Rank. (10)

Doch die Zeit der hohen Extraprofite scheint für die kleineren Firmen zumindest vorbei. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, das Bertelsmann (Gesamtumsatz 1988 (?) Gewinn 600 Mill Mark) in einem Augenblick, wo das Geschäft mit den Fernsehkonserven loszugehen scheint, zwar die Theater Ketten (Ufa Theater Kette) verkauft – die Verleih und Produktionssparte aber behält. Klammer zu.

Doch auch andere Subventionen sind vorwiegend den Großkonzernen und deren Profitmaximierung zugute gekommen. Stolz berichtete Intendant Werner Hess davon im ARD Jahrbuch 1970: Für den Rechteerwerb allein an deutschen Filmen haben die Landesrundfunkanstalten und das ZDF von 62-68 77 Millionen DM bezahlt. Und diese 77 Millionen DM mussten für die schlechten Produkte der Filmindustrie (die selbst heute noch an den unemanzipierten Zuschauerbedürfnissen vorbeiproduziert wie die Dichter Studie -Ernest Dichter International- und die folgende Infratest Untersuchung der FFA beweisen) aufgewendet werden.

Auch Werner Hess gibt zu, daß die 100 Filme zu je 100.000,00 DM vom 20. Oktober 1965 aus vier Produktionsjahren nicht einfach zu finden waren, indem er schreibt: ”Obwohl die Auswahlkommission angewiesen wurde, sehr großzügig zu werten und lediglich festzustellen, ob es irgendwelche Gründe gäbe, die die Ausstrahlung dieser Filme im Fernsehen nicht empfehlen würden, erwies sich höchstens ein Drittel aller gesichteten deutschen Produktionen als verwendungsfähig.”

Doch auch schon früher gab es Pläne (Dr. Berthold Martin CDU) “Martinplan”, wie die Zuschauer gezwungen werden könnten, weiterhin die Unternehmergewinne der Filmindustriellen zu sichern- 40.000,00 Mark sollten die Fernsehteilnehmer den Filmunternehmern für jeden fertigen Film zahlen, während die Filmhersteller in den Boom Jahren 1950- 1955 überdurchschnittlich hohe Extra-Gewinne gemacht hatten, von denen sie kaum in die eigene Branche wieder investierten.

 Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Als einzige Ausnahme kann die damalige Firma Real Film in Hamburg gelten – die später von Fernsehen aufgekauft und in Studio Hamburg Atelier GmbH umbenannt wurde.

Auch die Bavaria Atelier Gesellschaft mbH wurde in einer Stützungsaktion von den Werbetöchtern der ARD übernommen, obwohl schon 1960 das Fernsehen mit 88 % Hauptumsatzträger des 1000 Mann – Betriebes gewesen war. Bavaria: Kapital 25 Mill- Westdeutsches Werbefernsehen GmbH Köln mit 60 %Rundfunkwerbung GmbH Stuttgart mit 25 % und die Bavaria Filmkunst GmbH mit 15 % (Kapital 7,84 Mill) die ihrerseits von einer Holding aus Commerzbank 12 %., Deutsche Bank (wahrscheinlich mehrheitlich), Agfa Geavert, Bayrische Staatsbank und Alllianz Versicherung kontrolliert wird. Studio Hamburg Kapital 2,0 Mill; Norddeutsches Werbefernsehen GmbH 80 % (NWF) und Gyula Trebitsch Hamburg 20 %; Taunus Film GmbH Wiesbaden Kapital 1,0 Mill 50 %; Werbung im Rundfunk GmbH Frankfurt Main 40 %; Karl Schulz Wiesbaden Hildegard Schulz Wiesbaden 10 %; Maran Film GmbH (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); SWF Außerdem durch Personalunion; Telepool GmbH BR (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); Beta Film München ZDF (keine Angaben im ZDF Jahrbuch); Degeto GmbH Frankfurt (Keine Kapitalangaben im ARD Jahrbuch), lediglich, daß sie einen Haushalt von ca. 20 Millionen Mark hat- wovon ausgewiesen; 16.417.554,59 Filmrechte im ARD Jahrbuch erscheinen.

Anmerkungen und Quellen

(1) Der Film “Warum läuft Herr R. Amok” sollte nach Fassbinders Informationen vom SWF für 150.000,00 DM produziert werden, den Vertrag erhielt Fassbinder jedoch von der Maran Film GmbH, die den Film produzierte und für ein Vielfaches der Summe an den SWF verkaufte. Siehe auch dazu: Klaus Eder in Weltwoche vom 6. 7. 1971. Maran Film ist eine nicht genannte Tochter des SWF und einer der Führungskräfte des SWF ist deren Geschäftsführer.

(2) Erst im Mai 1971 hat der SFB ein ca. 8000 qm großes Gebäude (Fünf Stockwerke mit Studios, Sendekontrollräumen, Redaktionsräumen an die Polizei vermietet. Argument der Berliner Werbefilm GmbH: Einzige Möglichkeit später zu erweitern.

 (3) Die Firma Telepool wird mit keinem Wort im ARD Jahrbuch erwähnt – also auch nicht, wie hoch der Jahresumsatz ist.

 (4) Beta kauft seit langem nicht nur die Rechte für die Fernsehauswertung sondern auch die für die Kinoauswertung und kontrolliert damit auch den kommerziellen Verleihbereich. Der Chefdramaturg Wolfgang Hammerschmidt (ZDF) wurde gekündigt, weil er sich gegen die kommerzielle Beta Film gewendet hatte, die über Scheinfirmen Starproduktionen für das ZDF organisiert. Programmdirektor Viehöver (Geschäftsführer der Beta) sorgt dafür, daß Hammerschmidt entlassen wird. Grund: “Wegen beleidigender Äußerungen gegenüber einem Vorgesetzten.” Siehe auch Die Zeit vom 12. März 1971, Fernsehen unter Beschuß von Wolf Donner.

(5) K. O. Hondrich in der Kölner Zeitschrift für Soziologie Sonderdruck (6) Siehe Kürbiskern: Fernsehen in der BRD Heft 3/1971(7) Fernsehen und Film Juni 1971(8) Weitere Beteiligungen: Europäische Rundfunk und Fernseh AG Saarbrücken 21 %; F. Billmann, Chef Europa 1, franz. Werbeunternehmen 5 %; Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer 18%; Allfunk GmbH (Rhein Zeitung, Rheinpfalz, Pfälzer Merkur, Mainzer Allgemeine, Trierscher Volksfreund, Saarbrücker Zeitung 12 %; Deutsche Fernseh und Contrast GmbH München (Oetker, Bahlsen, Rei-Maurer, Schnitzler) 19,5 %; Partia GmbH (Röchling) 6,5; Quelle Kürbiskern 3/71 (9) Alle Kapital und Verflechtungsangaben aus “Wer gehört zu wem”; Herausgegeben von der Berliner Commerzbank 1971.(10) Film 1989 Velber bei Hannover S. 40 Heft 13/69 (11) B. Engelmann Meine Freunde die Manager dtv 1970 (12) siehe 9

Literaturangaben, auf die sich der Text nicht unmittelbar bezieht, die aber trotzdem lesenswert sind: (fand ich jedenfalls 1971)

Kürbiskern 3/71 Speziell der Artikel von Horst Holzer und Conrad SchulerKritik 4, Westdeutscher Verlag Opladen – Manipulation der MeinungsbildungProkop: Soziologie des Films Luchterhand, Soziologische Texte Band 69Peter Bächlin. Film als Ware, Basel 1845 als Raubdruck bei arts lab Münster Thomas BuschFilmkritik September 1970 Helmut FärberHuffschmid, Jörg, Politik des Kapitals,  Suhrkamp Band 313

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Institut für Konzentrationsforschung an der FU, bei der Jörg Huffschmid Assistent ist, zurzeit an einer Dokumentation über die Konzentration bei Film und Fernsehen arbeitet, die ähnlich umfangreich, wie die über die Pressekonzentration werden wird Näheres: Institut für Konzentrationsforschung, 1 Berlin 31, Babelsberger Strasse 14; tel: 0311/860351

kaum empfehlenswert:

Dadek, die Filmwirtschaft Freiburg 1957 Herder VerlagRundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Dokumentationsreihe 1-5 herausgegeben von der ARD erschienen bei Hase und Koehler Verlag Mainz 1969 Werbefernsehen und und Presserecht. Ludwig Fröhler Hessischer Rundfunk 1965 erschienen bei Alfred Metzner Verlag FFMDie Arbeit wurde von mir im Rahmen der Seminare von Manfred Delling und Christian Geissler (“Ohne die Verblödung der Arbeiterklasse geht kein Faschismus”) an der dffb gefertigt. Beiden Dozenten bin ich zu Dank verpflichtet. Christian Geissler ist leider gestorben. Die Zitate habe ich (soweit das heute noch möglich ist, weitgehend überprüft. Das Online Archiv von Die Zeit, Artikel vorwiegend von Wolf Donner geschrieben, war dabei hilfreich. Geschrieben aber nicht veröffentlicht im 2. September 1971 Abgeschrieben  Text Jens Meyer 2. Juni 2014

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IMG_3237Fotos Jens Meyer

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Sender Freies Berlin 1970

Alle Welt tuts – der Leidensweg eines VOBO Kurzfilmes

Tieresehendichan3Schließlich bin ich Beamter Der Leidensweg eines Vobo Kurzfilmes. Wenn der Namensvetter mit 450 Kopien “startet“ (wie die Branche das so nennt), dann ist das schon was.

Pdf Volkszählungsfilm

Abseits dieser Geldmenge vollzog sich in den letzten Monaten ein anderer “Kinogroßversuch“. Mit über 80 Kopien wurde der Anti-Volkszählungsfilm “Alle Welt tuts“ in den Kinos gezeigt. Finanzierung, Produktion und Vertrieb gleicht eher einem Abenteuerroman. Wie immer wenn Linke in diesem -ihrem- Lande daran gehen, etwas herzustellen, dann gibt es diese ständigen Wiederholungen: Erstens ist kein Geld da und zweitens ist es auch zu spät, um etwas aufzutreiben. Übrig bleibt nur die Idee. Diesmal Ideenmacher Thomas Amman und Niels Bolbrinker. Der eine hat grade in einem Fernsehbeitrag gezeigt, wie leicht die Geldautomaten der Hamburger Sparkasse zu überlisten sind. Statt nun dies Wissen, wie jeder vernünftige Mensch, für sich zu behalten und in Zukunft immer über genügend Bargeld zu verfügen, was macht er? Für ein vergleichsweise jämmerliches Honorar einen Magazinbeitrag.

Die Folge: Die Hamburger Sparkasse kündigt das Konto. Beleidigt über so viel Öffentlichkeitsarbeit. Kein Konto, kein Überziehungskredit für den VOBO Kurzfilm. Ohne Geld bekommt man keinen Rohfilm, kein Kopierwerk arbeitet umsonst, keine Kamera kann gemietet werden. Es ist März und die Volkszählung steht vor der Tür. Während viele noch überlegen, ob sie sie reinlassen, sitzen Amman und Bolbrinker am Küchentisch und überlegen, wie das nötige Geld zu beschaffen ist. Am Stichtag – wir erinnern uns – es sollte der 25. Mai (1987) sein – sollen die Kopien in den Kinos laufen. Im nächsten Monat lernen sie eine Menge: Über sog. Rohfilm, “Selbstverwaltete Filmförderung“ über “kommunale“ und “Beamtenkinos“, über Bürokratie und “linke alternativ-Bürokratie“ und auch über den Beifall, mit dem man nicht rechnet.

Der “Hürdenlauf“ der Finanzierung beginnt in Hamburg. Beim “selbstverwalteten“ Hamburger Filmbüro e. V.. Seit der Gründung 1979 hat sich dieses Büro zu einem “sozialdemokratischen Musterprojekt“ entwickelt.

Kein Geschäftsführer, kein Buchhalter, keine Schreibkraft, die nicht mindestens die Fähigkeit von Politikern haben – nämlich Werbung zu machen, ohne etwas von der Sache zu verstehen. Am linken Rand der SPD – aber eben doch SPD. Fraktionszwang. Für spontane Politik ist kein Platz. Reden werden gehalten: In der Zeitung muß es stehen, am besten, wenn noch ein Bild dabei ist. Da geht es nur zuletzt um Film. Da müssen die richtigen Formulare ausgefüllt werden.

Die Einreichfristen müssen eingehalten werden. Da muß die Richtung stimmen. Da werden Politik-Karrieren angefangen. Und wenns nicht in die richtige Richtung geht, da gibt es eine Menge Vorschriften, mit denen unliebsame Projekte und Personen beiseite geschoben werden können. Nein – kein Geld für die VOBO Film. Erstens, der Einreichtermin ist verstrichen. Zweitens, das Gremium hatte bereits einen ähnlichen Film kurz vorher abgelehnt. Wie man es gewohnt ist, zum Schluß wird die Ablehnungsbegründung auch noch solidarisch: Man würde ja privat gerne wollen . . . aber leider.

Der Vorstand – wie bei vielen Vereinen – ähnlich mutig auf die Frage, wie sich denn das Filmbüro e. V. in der Volkszählung selber verhalten wolle. Im Valentin Musäum hängt die Antwort an der Wand: “Mögn täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Schließlich kann man nicht vor der Bürgerschaftswahl für die SPD werben und hinterher die Herren in die Pfanne haun. Für Hamburg heißt die Schlußfolgerung: Wer 10 Mille Subvention haben will, muß die hohen Herren der Politik bei Laune halten. Grade machen hat auch seinen Preis. Gratisangst? Vielleicht. Zum Ausprobieren reicht der Mut nicht.

Kein Geld vom Hamburger Filmbüro e. V.. Also eine Antrag an Netzwerk Hamburg. Nur leider geht das Gerücht, die hätten zurzeit überhaupt keine Gelder frei. Zeit ist knapp, also erst mal angefragt, ob das Gerücht stimmt. Dafür sind die “Alternativ-Banker“ wieder zu fein. Sie bestehen auf einem Antrag.

In drei Wochen trifft sich der Vergabeausschuß, der über den Antrag befindet. Netzwerk Berlin hat mehr Geld. Manfred Herold mit Berliner Wohnsitz übernimmt die Verhandlungen. Geld ist da. Zuständig, so befindet der Netzwerkgutachter in Berlin ist zunächst einmal Hamburg. In sechs Wochen tagt der nächste Vergabeausschuß “Netzwerk Berlin“. Die “Berliner Abteilung“ übersendet der “Hamburger Filiale“ einen Fragenkatalog. Der sieht so aus, wie 1980 Fragebögen ausgesehen haben. Wie denn die Produzenten politisch einzuschätzen seien, ob Hamburg das Projekt unterstützen würde, wenn es Geld hätte und ähnlich hypothetische Fragen. Die Volkszählung findet doch auch in Berlin statt? Der Einwand zieht nicht. Konzepte werden verschickt und begutachtet. Hamburg begutachtet und verweist mangels Masse nach Berlin zurück.

Nach 6 Wochen hin und her, findet der “Antragsannehmer“ von Netzwerk Berlin das Konzept sei sehr schlecht und ausserdem sei es ja viel zu spät für den Film. Aber: nach ihm gehe es ja nicht. Inzwischen auch das Ergebnis des Landes NRW in Mühlheim. Auch hier – wie in Hamburg – die formale Begründung. Man würde ja gerne den Film fördern, aber man könne nicht. Die Einreichfristen wären verstrichen. Welche Kinos in Berlin denn diesen Kurzfilm zeigen werden?

Der Verleih in Hamburg war in der Zwischenzeit fleissig. Es gibt zehn: Bali, Filmkunst 66, Filmbühne, Sputnik, Movimento, Eiszeit, Notausgang, Xenon, Graffiti, und Kino im Kob. Die sollen die Leute von Netzwerk anrufen. Machen sie aber leider nicht. Hin und her. Sitzungen, Anhörungen. Dann die erste Finanzhilfe. Ein Verein aus Kreuzberg spendet 1.000,00 DM. Auch Netzwerk Berlin ist inzwischen so weit, es kommen 4.000,00 DM.

Die Produktionssumme ist damit noch nicht zusammen. Aber ein Anfang. Die Bayern Grünen sagen einen Zuschuss zu. Klausel: Alle anderen Landesverbände der Grünen sollen auch bezahlen. Die AL in Berlin wird angefragt. Jemand kennt den Kassenwart dort und winkt ab, zwecklos. Bei der GAL in Hamburg tobt der Wahlkampf. Keine Zeit für den Nebenschauplatz. Doch die “Bürovorsteherin“ setzt sich sehr für das Projekt ein. Einige Bezirke bringen 1.000,00 DM zusammen.

Auf der Suche nach weiteren Geldgebern fällt dem Verleih auch die TAZ ein. Viel Papier wird gegen die Volkszählung bedruckt, warum sollten da nicht 3.000,00 DM für Kinobilder übrig sein? Die Redaktionskonferenz schmettert den üblen Bettelversuch eines “anderen Projektes“ ab. Kein Geld für Bilder.

Die Bundesgrünen sind immer nicht erreichbar. (Bisher hat nur die Bundespost an dem Projekt gut verdient. Die Telefonkosten schnellen in die Höhe.) Schließlich findet sich bei den Bundesgrünen doch eine Ansprechpartnerin. Eine Zusage kommt. Die Kinos sollen die Kopien bezahlen. Ein ungewöhnliches Ansinnen. Normalerweise kriegen sie Geld für die “Werbefilme“, die sie zeigen. Amman und Bolbrinker haben schon mal mit der Herstellung des Kurzfilmes angefangen.

Konntens wieder nicht abwarten. Inzwischen sind 12.000,00 Mark zusammen. Ungefähr die Hälfte des benötigten Geldes. Der Verleih telefoniert mit Kinos (gewerblichen und subventionierten). Erstaunliches kommt da zu Tage. Ungesehen und ohne Papier bezahlt das Kommunale Kino in Hamburg zwei Kopien. Doch auch das andere Extrem: Der Direktor des Deutschen Filmmuseums (wie sich der Leiter des Kommunalen Kinos in Frankfurt gerne nennen läßt) hat eine andere Antwort bereit: “Leider ginge das nicht – weder zeigen, noch bezahlen. Schließlich sei er Beamter im Staatsdienst.“ Ob Beamte denn keine eigene Meinung haben dürfen und ob er den Film nicht mal wenigstens vorher sehen will? “Nein, will er nicht.“

Auch die Beteuerung, dass kein Boykottaufruf im Film enthalten ist, bringt keine Zusage aus Frankfurt. Beamte sind eben Beamte. Auch in Kiel beim Kommunalen Kino gehts ähnlich ab. Man will darüber diskutieren und meldet sich wieder. Der Verleih wartet vergeblich auf den Rückruf. Schließlich meldet sich der Verleih wieder in Kiel. Die zuständige Sachbearbeiterin ist leider in Urlaub gefahren. Eine Ansichtskopie wird geschickt. Innerhalb einer Woche sollen sie diese ansehen und bei Nichtgefallen zurückschicken. Die Woche vergeht. Keine Kopie kommt. Also wird der Film in Kiel gezeigt. Denkste. Der Stichtag ist vorüber (25. Mai 1987), die Kopie kommt zurück. Kleiner Zettel: “Film konnte leider nicht gezeigt werden. Er kam zu spät“.

Mit dem Mut ist das so eine Sache. Offener dann doch die Leute vom Cinema Quadrat in Mannheim. Ihr Büro ist direkt im Rathaus Mannheim (E5). Wenn sie den Kurzfilm zeigen, werden die Zuschüsse gestrichen. Das ist ihnen die Sache nicht wert. Das kann man akzeptieren. Lieber so, als windelweich. Die Kollektive unter den Kinos gibts ja auch noch. Der chronische Geldmangel bestimmt ihre Arbeit. In Freiburg und Stuttgart wird so richtig demokratisch entschieden. Ob man noch mal wieder anrufen kann? Der Programmausschuß tagt am Montag. Mit Freiburg klappts dann noch. Mit Stuttgart nicht.

Inzwischen hat Flebbe aus Hannover 10 Kopien gekauft. Das gibt Auftrieb. Die AG Kino hilft beim Telefonieren. Doch der amtierende Vorsitzende schaltet sich ein. Er möchte keine Bestellscheinaktion. Schließlich die Frage, was ist mit Kino Abaton im gleichen Hause? Das kann nur der Geschäftsführer entscheiden, sagen die Angestellten. Doch der ist nicht zu erreichen. Schließlich, eine Kulturveranstaltung, der Geschäftsführer des Abaton hält eine Rede. Für Filmemacher Bolbrinker ist es die Gelegenheit, den Kurzfilm anzubieten. Er findet den Film gut. Kann aber nicht allein entscheiden, das hätte nun niemand gedacht. Schließlich stimmen auch die anderen zu. Letztlich doch nur eine Formsache.

Alle Kinobesitzer fliegen an die Cote da Sur. Cannes ruft. Auf Frau Gregor vom Arsenal in Berlin hat den Flugschein schon gekauft. Sie verspricht zurück zu rufen. Der Verleih wartet – wie so oft bei den Beamtenkinos – vergeblich. Alf Boldt wäre der richtige, aber der ist noch bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen.

Auch die Filmtheaterbetriebe Kloster & Steenwerth (York, OFF, Manhattan u. a.) in Berlin melden sich nicht wieder. Die hängen am Tropf der Filmförderungsanstalt, vermutet die Berliner Kinoszene. Er hängt so direkt am Tropf, dass er denkt, die machen Schwierigkeiten. Kein Georg Kloster. Da kommen dann doch eher die armen Kinos infrage: Sputnik, Movimento, Bali, Steinplatz und richtig, die nehmen auch Kopien. Bayern ist – wie gedacht – ein wenig erfolgreicher Versuch. München ja, zunächst die beiden Freak Kinos – Werkstatt und Maxim – und dann noch ein Kino der AG Kino.

In Regensburg sind wir wider Erwarten mit einer Kopie erfolgreich (Ostentor Kino, Werner Hofbauer). Im Augsburger Stadtkino ist der Bearbeiter gerade in Urlaub. Die Weber Broth. sind nach Cannes abgeflogen. Die anderen Mitarbeiter des Klein Konzerns haben keine Kompetenz für eine Ausgabe, die 100,00 DM überschreitet.

Wir schicken drei Ansichtskopien, mit der Maßgabe, diese bei Nichtgefallen innerhalb einer Woche zurückzusenden. Die Kopien kommen zurück, aber erst am 20. August (1987) mit einem kleinen Zettel der Buchhalterin, Kopien wurden nicht angefordert, nicht gezeigt, werden also auch nicht bezahlt. Was ist mit den Franken los, hat denen der Strauß auch schon den Schneid abgekauft? Ich beginne einen kleinen Streit.

Doch nicht nur Zustimmung, denen vom Roxy Kino in Dortmund ist unser Angriff zu seicht, sie hätten gerne was schärferes. Sie schicken die Kopie wieder zurück, aber innerhalb der besagten Woche. Das geht in Ordnung. Auch beim Arsenal Kino in Tübingen passiert eigenartiges. Die Kino Gruppe begutachtet den Film, will ihn einsetzen, aber der Vorführer hat Angst, also wird er bezahlt, aber nicht gezeigt. Gleichzeitig hat auch Zimmermann (Friedrich Zimmermann, damals Innenminister, heute tot) einen Werbefilm zimmern lassen, der bundesweit gestartet wird.

Viele Kinos weigern sich, diesen in die Werbeblöcke aufzunehmen und schicken ihn an die Agentur zurück. Wenn jetzt unser kommt, dann gibt es unterschiedliche Reaktionen:

1) Die pluralistische (Wir haben nicht für die Volkszählung geworben, also dürfen wir jetzt auch nicht gegen die Volkszählung werben) bzw., beide zu zeigen, wobei sie bei ersten Geld bekommen und beim zweiten Geld bezahlen sollen. (Was sie natürlich meistens nicht einsehen). Hier bricht das vorhandene Manuskript ohne jede Zusammenfassung ab . . .

Vom Original Manuskript übertragen von Tieresehendichan3

Jens Meyer am 15. Mai 2014

Demonstrant in Hamburg
Hachmannplatz

Betrifft: Volkszählung Stichtag 25. Mai 1987