Frühling, Sommer, Herbst und Winter

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Kurz nachdem wir die DDR gekauft hatten, bin ich die ehemalige Interzonenstrecke von Berlin nach Hamburg gefahren. Im Abteil des D-Zuges ein Bewohner der ehemaligen DDR, mit Kenntnissen über die ehemalige Deutsche Reichsbahn. Bewohner der DDR hatten für das Unternehmen Deutsche Reichsbahn folgenden Witz parat:

Die Deutsche Reichsbahn hätte vier Feinde: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Dieser Witz kam mir am ersten Tag der Schulferien (Sommer) in Hamburg in Erinnerung. Freitag, d. 09. Juli 2010 Hamburg Altona. ICE 881 nach München. Abfahrt sollte sein 13.47 Uhr ab Gleis 9. Ankunft sollte sein: um 19.39 Uhr in München Hbf. Dort umsteigen um 21.03 Uhr in den Nachtzug nach Chiusi/Italien. Ankunft sollte am nächsten Morgen um 7.30 Uhr sein.Zwei Erwachsene, ein Kind mit Sitzplatz Reservierung und mit Schlafwagen Reservierung im Nachtzug, alles perfekt. Doch es kommt anders. Um 13.47 Uhr ist auf Gleis neun kein ICE zu sehen. Nur die Anzeigetafel zeigt eine Verspätung von 10 Minuten an. Schon das ist einigermaßen unverständlich, weil der ICE wird hier bereitgestellt. Er kommt nicht irgendwo her, sondern vom Abstellgleis aus Altona. Um 14.07 Uhr verschwindet der ICE ganz von der Anzeigetafel. Das löst bei uns und den anderen wartenden Gästen Verwirrung aus. Um 14.17 Uhr ist er dann wieder da, der ICE auf der Anzeigetafel. Allerdings mit einer Verspätung von 30 Minuten. Und das ist ja auch richtig so.

Im Nebengleis wird der Autozug nach Alessandria bereit gestellt. Der fährt ja auch über München, wie wir der Anzeigetafel entnehmen. Sollen wir wechseln?Um 14.27 Uhr kündigt der Lautsprecher die Bereitstellung des Zuges nach München an. Und um 14.37 Uhr kommt dann tatsächlich ein ICE in den Kopfbahnhof Hamburg Altona. Erleichterung macht sich breit. Die DB hat Probleme mit der Elektronik. Das Anzeige System der Reservierung funktioniert nicht. Uns kann das egal sein, denn es gibt einen Wagen sieben und auch die Plätze 61/62 und 63. Immerhin hat die Reservierung 18,00 € gekostet. Und dann fährt der Zug auch los. Allerdings kommt er nicht weit. Ungefähr zehn Meter, dann bleibt er stehen. Wohl doch ein größeres elektronisches Problem. Um 14.40 Uhr gibt der Lautsprecher bekannt, dass der ICE 881 heute ausfällt. Dass aber der nächste Zug der ICE 681, Abfahrtszeit 14.47 Uhr, in Gleis 11 oder so zur Abfahrt bereit steht. Nun bereit steht er nicht, aber das ist auch gut so. Wer kommt schon in zwei Minuten mit Kind und Kegel von Gleis 9 zu Gleis 11. Eigentlich könnten wir uns jetzt schon ganz viel Zeit lassen. Aber wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der ICE 681 für die gleiche Strecke 23 Minuten länger braucht und daß wir deshalb in München (auch ein Kopfbahnhof, keine lästigen Treppen) nur eine Minute zum Umsteigen haben und bis München sind es 6 Stunden und eine Minute, wenn alles nach Plan läuft. Aber das läuft es nicht. Der ICE 681 hat nur eine Verspätung von 15 Minuten, besteht aber dafür nur aus einem Zugteil. Diesmal funktioniert die elektronische Anzeige. Nur haben wir für diesen Zug keine Reservierung. Wir stellen uns auf 6 Stunden Stehen ein. Doch wir haben Glück im Unglück und finden im ersten Wagen noch drei nicht reservierte Plätze.

Die, die nach uns kommen, haben allesamt Pech, bis auf jene, die für diesen Zug Reservierungen haben. Ich habe keine Ahnung wie viele Sitzplätze in einem Zugteil eines ICE sind. Doch hier drängen sich jetzt die Personen, die in dem ICE 881 fahren wollten, der aus zwei Zugteilen bestand und die Personen, die eine Stunde später im ICE 681 fahren wollen. Mit anderen Worten: Am ersten Tag der Hamburger Sommerferien (Ein Datum was lange bekannt war) drängen sich in einem ICE die Personen von drei ICEs. Wie heiß es draußen ist, wissen wir nicht. Aber hier kann man keine Fenster öffnen und die Temperatur steigt. Hinter Harburg versuchen wir zu zweit eine Expedition zum Speisewagen. Eigentlich ist wegen der vielen Menschen kein Durchkommen. Aber wir schaffen es doch. Das Kind ist ja erst zehn und außerdem ein Mädchen. Man hat das Gefühl, es wird heiße Luft in den Wagen gepumpt. Im Speisewagen ist eine aggressive Stimmung. Ein Reisender verlangt kostenloses Wasser vom Bahnpersonal.

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Aber die Manager haben nicht dran gedacht, dass es Sommer ist und auch noch Ferienbeginn. Es ist kein Wasser da. Wir ahnen, die Logistik ist schuld. Und für die Logistik sind die Denker an der Spitze zuständig. Und die scheinen nicht zu denken, oder doch etwas ganz anderes. Schon gar nicht daran gedacht haben sie, daß das rollende Material durch das viele Sparen in einem solchen Zustand geraten ist, das zwei ICEs einen Komplett Ausfall darstellen und dass die Klimaanlagen durch andere Sparmaßnahmen so gebaut sind, dass sie für Außentemperaturen über 25 Grad nicht geeignet sind. Die Denker, die für die Ausfälle und den Zustand des Materials zuständig sind, das auf die Schiene geschickt wird, befinden sich natürlich nicht im Zug.

Im ersten Wagen ist ein Schaffner, der sich wirklich Mühe gibt, alle Anfragen der Reisenden, wo sie noch welchen Anschlusszug erreichen können, zu beantworten. Doch das elektronische Teil, das er in Hand hat, ist in dem gleichen Zustand, in dem sich die Züge der DB befinden. Das Teil fällt immer wieder aus und muss neu gestartet werden. Einmal, kurz vor Hannover, gibt es eine Ansage, von einem Menschen, der sich als Zugchef bezeichnet und der darauf hinweist, dass in Hannover ein Zug nach München stehe, der früher in München ankomme als dieser. Leider verrät er nicht, wie viel früher. Wir haben schon die Koffer in der Hand, da erfahren wir, es sind höchstens zwei Minuten. Da lassen wir das Umsteigen lieber sein. Im Zug steigt die Temperatur weiter.

Vielleicht wäre in dem anderen Zug die Klima Anlage in Betrieb gewesen? Später erfahren wir, dass unsere Entscheidung, den Zug nicht zu wechseln richtig war. Die deutsche Bahn hat keine ICEs, die Außentemperaturen über 25 Grad vertragen, dafür sind sie nicht gebaut. Das wissen auch alle inklusive des Verkehrsministers (nur wir nicht), der der Süddeutschen Zeitung dennoch für die erste Seite notieren läßt, er sei der Meinung, die Klimaanlage eines ICE müsse für Außentemperaturen von -50 bis + 50 Grad gebaut sein. Ist sie aber nicht. Hat sein Vorgänger selbst so angeordnet. Die von den Parteien inklusive der CSU verarschen die Leute ja öfter. Nicht nur im Falle ICE Klimaanlage. Das Personal gibt sich redlich Mühe, aber das eingesetzte Material ist leider nicht geeignet. Wir hoffen darauf, dass der Nachtzug, zu dem es so schwer war, ein Schlafwagenabteil zu reservieren, auf den Anschlusszug aus Hamburg wartet. Dem ist nicht so. Natürlich?. Im Gegenteil. In München angekommen hat die Deutsche Bahn alle Vorbereitungen für die zu spät kommenden Reisenden getroffen und pünktlich die Schalter geschlossen, wie es sich für eine sogenannte Großstadt gehört. Ab 21.00 Uhr werden hier in München die Bürgersteige hochgeklappt, so vermuten wir. Obwohl doch seit mehr als 6 Stunden bekannt ist, dass hier ca. 600 Reisende die Anschlusszüge nicht mehr bekommen. Es gibt nur noch in der Halle eine Art Auskunft, die aber keine Züge buchen kann, sondern nur die theoretischen Abfahrtzeiten der Züge bekannt geben kann.

Viele der Reisenden haben schon vorher resigniert, so dass nur ca. 300 Personen vor den Schaltern stehen, in denen vier Bedienstete der DB unverbindliche Auskünfte geben, aber immerhin doch wissen, in welchen Hotels man notfalls übernachten kann. Die vorhandene Bahnmitarbeiter geben sich wirklich alle Mühe und bekommen dennoch die ganze Wut der Gäste des vergangenen Tages ab. Aber keiner der verarschten Reisenden wird ausfallend, was ich an mir selbst bewundere. Als wir nach 40 Minuten Wartezeit immer noch nicht vorne am Schalter sind, wird das Personal noch mal auf die Hälfte vermindert.

Es gibt jetzt nur noch 2 offene Schalter. Die eigentlich Schuldigen sitzen zu hause und arbeiten an Presseerklärungen, vermute ich. Oder auch nicht. Für uns bleibt nur die Übernachtung in einem Hotel und die Ungewissheit, ob wir morgen irgendwie weiterkommen werden. Man darf bei der Angelegenheit nicht vergessen, dass die Reise für zwei Erwachsene und ein Kind von Hamburg nach Chiusi und zurück auch nicht so ganz billig ist. Sie kostet (2.Klasse mit Bahncard 50 %) immerhin 1.139,20 €. In Worten Eintausendeinhundertneununddreissig Euro. Natürlich inklusive der Reservierungen für Züge, die es nicht gibt, und für Liegewagen und Schlafwagen, die ohne uns fahren. Am nächsten Morgen sind wir bei Schalteröffnung die ersten und wir haben wieder mal Glück, so denken wir jedenfalls. IMG_2115Wir finden in dem EC nach Bologna um 9.31 Uhr drei nicht reservierte Plätze. Aber wir wissen leider nicht, was der verständige Schaffner weiß, der die Strecke schon seit zehn Jahren mehrmals in der Woche fährt. Auch dieser Zug ist für Fahrten in das befreundete warme Ausland (Italien) nicht hergestellt worden.

Die Klimaanlage gibt sich alle Mühe, aber nach einer Stunde schwinden ihre Kräfte. Der Schaffner kennt das schon. Er liebt seinen Zug sehr, weswegen er bei der Schätzung, wie oft die Klimaanlage im Sommer ausfällt, tief stapelt und auf zweimal in der Woche kommt. Aber das seit zehn Jahren! Die Temperaturen steigen wie gehabt auf über 50 Grad. Wenn man Fenster öffnen könnte in diesen Wagen, dann wäre das alles nicht so schlimm. Kann man aber nicht. Es würde nur der Nothammer bleiben und diesen werde ich in der Zukunft bei neuerlichen Konfrontationen dieser Art, so beschließe ich innerlich, mit Sicherheit einsetzen. Bei der anschließenden Auseinandersetzung werde ich Notwehr reklamieren.

Und wenn es in Deutschland noch Gerechtigkeit gibt, dann müsste jedes Gericht meiner Argumentation folgen. Im Bedarfsfalle sollte das Gericht einen Ortstermin machen und zwar im EC von München nach Bologna an einem Tag im Juli. (EC, Zug 85, Abfahrt 9.31 Uhr von München Hbf nach Bologna, vermutete Ankunftszeit 16.36 Uhr). Das mit der Ankunftszeit um 19.45 Uhr in Chiusi hat leider bei uns auch nicht funktioniert, das finde ich aber nicht so schlimm, weil die Flugzeuge und die anderen Verkehrsmittel, die ich eigentlich verabscheue, auch oft später da sind, als angekündigt. Bei uns war es dann nur so, dass der Herr von der Autovermietung in Chiusi bereits um 20.30 Uhr den Hof verlassen hatte und somit auch die Anschlussfahrt mit dem Mietwagen ins Feriendomizil ins Wasser fiel. Aber dafür kann die Deutsche Bahn nichts, weil da sicher Trenitalia schuld ist und die hat ja schon lange den Ruf, den sich die Deutsche Bahn erst jetzt so mühevoll erarbeitet.

010 Fotos Jens Meyermilpferd_einaugeBy-nc-sa_colorBahnhofSternschanzeJHammannFoto Johann Hamann. Bahnhof Hamburg Sternschanze (eröffnet am 15. Mai 1903) (Diesen Zustand gibt es schon lange nicht mehr)Nilpferdzweiaugen

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