Tim Schümann Hamburg (Der Sohn)

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Ein Interview, das eigentlich nicht stattgefunden hat. Der Ton wurde  zufällig aufgenommen. Vor einigen Jahren verstarb Tim Schümann. Deshalb kommt hier jetzt die Veröffentlichung des nicht gemachten Interviews. Und wäre nicht zufällig die Kamera mitgelaufen, mit denen wir das Fotoalbum von Tim Schümann abgefilmt haben, dann gäbe es diese Originaltöne (hier protokolliert) nicht. Ich nenne das Interview: Lügen aus Hamburg.

StaatsarchivRomahn&Schümann

PDF InterviewTimSchümann

Das Gespräch fand am 10.4. 1991 von 11.00-13.00 Uhr in den Büroräumen der Firma Filmtheater Haberland & Schümann, Glockengiesserwall 1,  Hamburg 1 statt.

Während des Gespräches mit Tim Schümann wissen wir, wir werden angelogen. Diesmal sind es keine Vermutungen, wie sonst immer. Wir mussten für diese Wahrheiten lange Reisen unternehmen. Über den großen Teich. In die USA und nach Brasilien. Dort lebten die, denen damals die Flucht gelungen war und die nur das nackte Leben retten konnten. Denen damals alles abgenommen wurde. Ein Kinoimperium mit zwölf großen Kinos, mächtiger als die der UFA zu dieser Zeit. Und auch Kinopioniere.

Fragen an Tim Schümann: Frage: Wissen Sie auch noch was über die Vorbesitzer, bevor ihrem Vater . . . ?

Tim Schümann: “Ja, die Vorbesitzer war eine Firma, die hieß Henschel Film . . . Henschel Film Konzern . . . Und das waren . . . wie sagt man . . . Leute mosaischen Glaubens . . . um nicht zu sagen Juden . . . und das war so die Zeit, wo es mit den Kinos nicht so recht florierte, so 31/32 . . . so nach der Depression . . . und dann haben die sich also um einen Käufer bemüht . . . das ist dann nachher auch Anfang 33 irgendwie zu einem Vertragsabschluss gekommen . . . und dann übernahmen Romahn und Schümann . . . zunächst mal als Betriebsgesellschaft, würd ich sagen die Sachen . . . und nachher kauften sie sie auch und der Henschel Konzern war . . . in der Zwischenzeit . . . der Henschel war verstorben irgendwann . . . 30/31 . . . und die Nachfahren waren eine Familie Streit . . . und eine Familie Urich-Sass, . . . denn die hatten jeweils, ein Herr Streit und ein Herr Urich Sass . . . so muss es wohl gewesen sein, hatten die beiden Töchter von Herrn Henschel geheiratet . . . Schwiegersöhne . . . und die emigrierten dann nach her irgendwann . . . weiß nicht wann . . . 34 . . . und es gibt also einen Zweig, dass sind die Streits, die sitzen in Brasilien, zwei Brüder, die heute sicherlich so in den 70igern und auch ein Herr Urich Sass, Horst Urich Sass, der in Mexiko City bzw. Beverly Hills ansässig ist, weil er es zu einem sehr grossen Vermögen gebracht hat. Und hat also auch einen Wohnsitz in Beverly Hills und mit dem hab ich noch guten Kontakt, der kommt alle paar Jahre mal so nach Europa und wenn er denn kommt, denn meldet er sich mal und denn gehen wir mal gemeinsam Essen oder sowas, der ist allerdings auch schon hoch in den siebzigern. Das liegt ja alles schon fünfzig Jahre zurück . . . und das sind eigentlich die einzigen . . . Ich hab auch mal, aber da war ich auch zu klein, (Anmerkung: Tim Schümann ist 19 Jahre  alt, als die Begegnung stattfindet) einen der Streits kennengelernt, Rolf Streits, denn die waren natürlich nach dem Kriege hier im Rahmen ihrer Entschädigung, die sie natürlich haben wollten, an den erinner ich mich, während ich nun Herrn Urich  Sass, Herrn Horst Urich  Sass, gut kenne, weil der immer sehr treu jedes mal anruft und wir uns dann sehen . . . Er wollte jetzt auch kommen, da brach der Golfkrieg aus, da hat er das natürlich auch unterlassen. Das war ihm dann zu gefährlich. Aber . . . mehr gibt es eigentlich nicht darüber zu sagen. Ich weiß nicht, wann die Theater alle aufgebaut worden sind, aber sie datieren ja alle aus einer Zeit, wo es eben doch schon moderne Kinos gab. Mitte . . . Ende der zwanziger Jahre . . .

Ich weiß nicht also inwieweit die Herren also in der Lage waren, adhoc so einen Kinokonzern zu kaufen. Es hat wahrscheinlich auch ne Weile gedauert bis dann auch finanziell alles seine Regelung fand und man denn zu Potte kam und man darf ja auch nicht vergessen, es war ja die Zeit als die Nazis an die Regierung kamen, das war ja wohl Ende Januar Anfang Februar 33 und ich nehme an, dass gerade die Filmbranche wurde ja mit Vehemenz von Herrn Goebbels, wie man das so heute liest und hört von jüdischen Besitzern und so . . . gereinigt.

Ich könnte mir vorstellen, dass das auch politischen Dinge leicht zumindest für die Auswanderung aber auch die wirtschaftlichen Dinge . . . weil sie Schulden hatten und die Geschäfte nicht so richtig florierten . . . aber jedenfalls ist es so, daß es ursprünglich mal Henschel Film Konzern hieß und das sie denn . . . ich weiß nicht es hieß vielleicht schon vorher Schauburg . . . ich weiß nicht, ob die Herren den Namen eingebracht haben, oder ob das schon vorher Schauburg hieß, das kann ich also nicht sagen . . .

Schauburg ist ja ein sehr beliebter Name für Kinos gewesen. Schauburg gab es viele tausend Stück, die alle miteinander gar nichts zu tun hatten. Son Standard Name Filmpalast, Schauburg, Union, das waren so die . . . naja es gab da ja . . .

Frage: Sie machen jetzt auch noch Kinos?

Tim Schümann: Ich hab bis vor kurzem Kinos gemacht. Ich hab also zuletzt die Barke . . . hab ich also betrieben. Die war gerade aufgebaut als mein Vater starb. Herr Romahn war kurz vorher gestorben, dann starb mein Vater und dann hab ich die Dinger übernommen, mit einigen Schulden natürlich, aber das Geschäft ging ja damals recht gut, und so florierte dann die Schauburg . . . äh die Barke und sie wurde nach einiger Zeit zum bedeutendsten Kino hier in Hamburg und ich war immer sehr stolz, dass es also . . . dann nachdem ich dann einige Zeit hatte und mich so mit den Filmen auch gut eingeschossen hatte . . . damals warn ja so die deutschen Filme mit Maria Schell und O.W. Fischer und Heinz Rühmann waren ja so sehr en vogue und da hatte ich mich dann so spezialisiert und dadurch gehörte also die Barke zu den umsatzstärksten Häusern in Deutschland überhaupt und ich hab immer noch mit den Kinos geerbt, in Rahlstedt hatte ich mal eins und in Neustadt hatte ich mal eins und so und die hab ich dann nebenbei betrieben, aber mein Paradepferd war eben die Barke und denn noch in Kiel * noch ein Theater und dann kam irgendwo in den 60iger Jahren der Niedergang und das hieß natürlich auch, das viele Theater geschlossen worden und ich beispielsweise Winterhuder Weg, da war die Schauburg Uhlenhorst, da war dann der Vertrag glücklicherweise irgendwann mal ausgelaufen und ich konnte den Laden dichtmachen, denn der produzierte also nicht unerhebliche Verluste . . .

Frage: Aber nach dem Krieg war die Schauburg Winterhuder Weg war . . .

Tim Schümann: Ja, ja die ist also völlig intakt geblieben und hat also nur 14 Tage als die Engländer einrückten oder so, war die mal geschlossen, aber sonst hat die unentwegt gespielt, ziemliche Zeit, bis zu dem Zeitpunkt irgendwann in den 60igern als die Sache dann umsprang und die Kinolandschaft war ja auch in Hamburg wahnsinnig übersetzt (?) es gab ja also, in jedem Stadtteil gab es mindestens vier Kinos, und das war natürlich da in . . . am Winterhuder Weg auch der Fall, da gabs dann Europa, dann kam dahinten die Mundsburg, die Schauburg dazwischen und dann gab es noch ein Theater irgendwo und das war in jedem Stadtteil so, das war in Fuhlsbüttel, da saßen sie denn, Drosselhof, Roxy und wie sie hießen, mein Gott, die Namen kennt man ja schon beinah gar nicht mehr. Und . . . ja wie gesagt, da begann der Niedergang und dann wurden diese Theater eben geschlossen, nicht, die waren auch unmodern, keiner wollte nicht mehr hingehen. Frage: Haben sie jetzt noch Kinos? Tim Schümann: Ja ich hab eins. Darin wird Theater gemacht. Das Schmidts. Frage: Das war ja früher auch mal ein Kino? Tim Schümann: Das war das Union das hatte mal von dieser Kuntz, die Tochter von Herrn Struckmeyer.

Jens Meyer 1991

* (Anmerkung 2014: Es handelt sich um das Capitol Kino am Dreiecksplatz in Kiel, dass Schümann und Romahn zusammen mit dem NSDAP Mitglied Richard Adam betrieben hatte. Richard Adam (der Obernazi) war treibende Kraft der NSDAP in Norddeutschland und maßgeblich verantwortlich für die „Arisierung“ (Enteignung) der jüdischen Hamburger Kinobesitzer) 

Tim Schümann schildert seinen Vater Gustav Schümann und seinen Teilhaber Paul Romahn als Mitläufer der Nazis. Wir wissen bereits aus den Unterlagen des Document Center in Berlin, dass sowohl Gustav Schümann, als auch Paul Romahn schon mitgelaufen sind, als dafür noch keine Notwendigkeit bestand, es sei denn, rechtzeitig bereit zu sein, wenn der Führer die versprochenen Geschenke verteilt.

Als der Ortsgruppenleiter seinen Aufnahmeantrag in die NSDAP mit der Nummer 4054623 vom 1. Mai 1937 befürwortet, erklärt sich Gustav Schümann bereit, über den monatlichen Mitgliedsbeitrag hinaus, einen einmaligen Förderungsbeitrag von 20,00 Reichsmark zu bezahlen.

Unter kaufmännischem Gesichtspunkt eine gut angelegte Investition, wenn man dafür einen Filmtheater Konzern mit einem Jahresumsatz von 6 Millionen Reichsmark bekommt. Sein Teilhaber Paul Romahn beginnt sein Mitläufertum bereits einige Jahre früher und hat dadurch auch eine kleinere Nummer: 3037711. Er darf sich seit 1. Mai 1933 PG der NSDAP nennen und während sein Teilhaber sich stolz als Theaterbesitzer bezeichnet, reicht es bei Paul Romahn nur zum Direktor. Beide „Besitzer“ sind auch Mitglieder der SA.

(v.l. Die SA Männer:  Gustav Schümann und Paul Romahn)(von links Tim Schümann mit seinem  Vater  Gustav Schümann Foto ca. 1949) Paul Romahn, 14. Juli 1895, Hamburg Bergedorf, Karolinenstrasse 10,                       (Heute:         Möllers Kamp 10). Mitgliedsnummer der NSDAP 303 7711. Mitglied der SA. Eintritt in die NSDAP am Montag, d. 1. Mai 1933. Fotos (unten) Jens Meyer

Gustav Schümann Paul Romahn
Von links nach rechts: Die SA Männer Gustav Schümann und Paul Romahn
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Schauburg Uhlenhorst (1938 ?)
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Statistik und Foto aus Hans Brunswig, Feuersturm über Hamburg. Leider enthält das Buch nur einen unvollständigen Fotonachweis. Dieses Foto der Schauburg ist vermutlich von Hans Brunswig. Manchmal schreibt er auch etwas nachlässig. Aus seiner Zahl in der Statistik der „Luftangriffe auf Hamburg“ kann man den 04. 05.1942 auch als 07.05.1942 lesen. Aber vermutlich ist ihm nur die Tinte ausgelaufen.

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