Die Tote von Beverly Hills (Michael Pfleghar)

Die Tote von Beverly Hills

BRD 1964; Regie: Michael Pfleghar; Kamera: Ernst Wild; Buch: Peter Laregh zusammen mit Hansjürgen Pohland nach einer Satire von Curt Goetz; mit Heidelinde Weiss, Klausjürgen Wussow, Wolfgang Neuss (In einer Doppelrolle: Detektiv Ben und Sheriff), Alice und Ellen Kessler, Horst Frank; 110 Min.

Links: Alice und Ellen Kessler in CinemaScope haben im Film nur einen sehr kurzen Auftritt von ca. 15 Sekunden (gleich am Anfang und sie dürfen nur einen Satz sagen). Aber sie sahen damals gut aus, weshalb dieses Bild immer wieder zum Einsatz kommt.

Am 25. Juni 1991 nahm sich in Düsseldorf ein Mann das Leben, der 27 Jahre früher (im Frühjahr 1964) mit seinem ersten Film in die Kinos kam. Kritik und Publikum waren sich einig: Der Regisseur des Filmes „Die Tote von Beverly Hills“ hat eine grosse Zukunft. Dennoch hat Michael Pfleghar nie wieder einen Film fürs Kino gemacht (Doch einen, ich habe den nie gesehen, vielleicht ist das noch eine Entdeckung), nur im Fernsehen konnte man seine Shows bewundern. Auch diese waren ihrer Zeit weit voraus. Schatzkiste des 3001 Kino (Archiv Kopien 35 mm)

Plakat des Film Verleihs Constantin Film (1964)

Mit von der Partie 1964 waren: Klausjürgen Wussow (lebt noch, bisschen jedenfalls), der ewige Bösewicht Horst Frank (leider verstorben), Wolfgang Neuss (leider auch schon tot, aber in diesem Film doppelt), Heidelinde Weiss und nicht zu vergessen: Alice und Ellen Kessler. Die Regenbogenpresse wusste 1991 genau, warum sich Michael Pfleghar eine Kugel gab: Wencke Myhre (Bekanntestes Lied: „Er hat ein knall-knallrotes Gummiboot“), der norwegische Schlagerstar, hatte ihn verlassen wegen eines Anderen. (Mannes). Curt Goetz hat die Satire “Die Tote von Beverly Hills“ 1951 geschrieben. „Curt Goetz, charmant und originell, widmete dieses Buch seiner Frau, die da behauptet, ich könne keinen erotischen Roman schreiben. Und ob ers kann. Dieser spritzige Cocktail aus Kriminalgeschichte, erotisch geladenem Tagebuch, stilechtem Western und einem Schuß Autobiographie, gemixt in Hollywood und versetzt mit einem Hauch Melancholie, ist ein äußerst geistreicher Genuss. Das Vergnügen am schlagkräftigen Wort, an der überraschenden Pointe, am Gewagten, das delikat das Allzu-Gewagte verschweigt, alles, was Bühnenautor Goetz so unnachahmlich macht, funkelt auch in jeder Zeile dieser Satire auf einen Bestseller.“ (Klappentext dtv Band 155, 7. Auflage Dezember 1965).

Aus dem Buch : Ein faltenreiches Kind, Die Geschichte von Wolfgang Neuss, von Gaston Salvatore, Fischer Verlag Frankfurt 1974, Wolfgang Neuss zu den Dreharbeiten von >Die Tote von Beverly Hills< abgeschrieben.

Hollywood >Willst du mal nach Amerika<, fragte der Jungfilmer Pohland. >Ich kann dir nur den Flug bezahlen und zwar fliegst du später als wir. Wir fliegen schon am 15. August, müssen noch alles organisieren<. >Wohin denn?<,fragte ich.>Direkt nach Hollywood. Du wirst genau erfahren , wo wir wohnen, das muß ich alles dort besorgen. Ich kann dir nichts bezahlen, ich kann dir höchstens fünfundzwanzig Dollar für den Aufenthalt geben, wir haben keinen Dollar übrig<. Ich bekam keine Gage, wollte aber nach Amerika. (Seite 257) . . .

Wir drehten. Mein Rolle wurde immer größer. Wir drehten auf dem Highway. Ich mußte das Auto der sogenannten Hauptgangster verfolgen. Pohland, der Geizkragen, hatte ein altes Sportauto besorgt. Mein Vater hatte es als erstes Auto in Deutschland gehabt. Vorne zwei Lederriemen über der Motorhaube, aber die war trotzdem locker. Der Anlasser war nicht mit Schlüssel, sondern zum Rausziehen. Das Auto hatte sogar ein wackliges Rad. Auf dem Highway mußte ich als Detektiv einkurven, dann aufstehen während der Fahrt, wild wie Dr. Mabuse. Die Haare flogen  . . .

Das alles im Smoking. Die ganze Fahrt war über zehn Meilen lang. Die Fahrbahn war dreissig Meter breit, voller LKWs, die doppelt so hoch und doppelt so breit wie wir waren. Wenn man unter so einen LKW kommt, ist man zwei Leichen, nicht ein . . . 

Polizei war keine da, sonst hätten sie uns alle für sieben oder acht Wochen ins Gefängnis gesteckt. Pohland und der Kameramann fuhren mit dem Kamerawagen in die Highway-Einfahrt rein, ohne nach hinten zu gucken, weil es ihnen egal war. Sie meinten:>Was an Verkehr kommt, kriegen wir bei dieser Breitwand in Farbe drauf.< Nur mir sagten sie es nicht. Ich sagte:>Da muß doch abgesperrt werden, und dieses Auto geht kaputt.< Michael Pfleghar, der Hauptdarsteller, kam lächelnd zu mir, nonchalant: >Toll. Wa?< Ich dachte, >was will der Idiot<  . . . 

Ich trat auf das Gaspedal. Sie kamen mit der Kamera zurück. Der Wagen schoß nach vorne. Eigentlich ruckte er nur ein Stückchen schneller. Als meine Augen über den Rückspiegel huschten, sah ich hinter mir einen Ami, einen LKW-Fahrer. Sein Ellenbogen kam als erstes ins Bild. Ein fremder Ellenbogen zwei Meter über mir. Vorne drehten sie wie die Irren. Der Fahrer guckte ganz lässig und lächelte zu mir nach unten: >Was will denn der Kleine, gleich rolle ich drüber weg, wenn er nicht macht . . .<

Wir kamen runter von dem Highway und fuhren wieder an die Ausgangsposition. Ich stieg aus, lies mich ins Gras fallen. Da merkten sie schon, daß mit mir etwas nicht stimmte. Pfleghar, wagte es diesmal nicht, zu kommen. Er hatte einen feinen Riecher, aber Pohland sagte:>Noch einmal< Aus dem Liegen antwortete ich:>Na ja, wir können ja abends drüber reden.< Ich stand auf und fuhr langsam mit meinem Wagen los. Pohland ging in die andere Richtung. Wir waren wie zwei feindliche Indianer. Pohland bildete sich ein, ich ginge nur Pause machen und würde gleich weiterdrehen. Ich hatte eine Todesangst ausgestanden, und jetzt wollte es Pohland >noch mal< machen. Mit dem wackeligen Auto! Durch die Tabletten war ich zusätzlich überreizt . . . 

Ich setzte mich in den Wagen und sagte zu dem Chaufffeur: >Fahr mich bitte ins Hotel. Der Film ist für mich beendet<. Doch ich drehte zu Ende. >Ich brauche was von den zehntausend Mark<. >Geh zu Krauser in Berlin<, sagte Pohland. Er war wirklich ekelerregend geizig. Auf dem Rückflug redeten wir nicht miteinander. Auf der ersten Seite der Beverly-Hills-Zeitung stand: German Jungfilmer schulden dem Staat Kalifornien zwanzigtausend Dollar Strassen Benutzungsgebühr.<“ (Seite 265 – 267) . . .

Foto von Wolfgang Neuss: Gisela Groenewold

(Apropos: Die von Wolfgang Neuss beschriebene Verfolgungsjagd ist in dem fertigen Film nicht verwendet worden. Ganze Todesangst vergebens)

(abgeschrieben von Jens Meyer. Damals musste man die Bücher noch abschreiben. Da war nix mit markieren und einfügen).

Und hier die neue Abteilung: Markieren und Einfügen.

Wikipedia schreibt: Ein gewisser C. G. entdeckt in einem kleinen Waldstück in der Gegend von Beverly Hills ein totes Mädchen. Die Leiche ist unbekleidet, es handelt sich dabei um die 17-jährige Lu Sostlov. Alles deutet darauf hin, dass hier ein unschuldiges, junges Mädchen mit einer blütenreinen Vergangenheit ermordet wurde. Der Detektiv Ben nimmt die Ermittlungen auf. Bald aber geben die ersten Untersuchungsergebnisse ein ganz anderes Bild von der Toten von Beverly Hills wieder. Ihr Tagebuch verrät, dass Lu mitnichten die Unschuld vom Lande war, sondern dass sie vielmehr ein ausgesprochen abwechslungsreiches Liebesleben geführt hat. Hinweise verdichten sich überdies, dass sie außerdem nicht einmal 17, sondern erst 14 Jahre alt war. In Rückblenden wird das „verruchte“ Liebesleben der Toten rekonstruiert und aufgerollt.

Die Liste der im Tagebuch aufgeführten Liebhaber Lus Sostlov ist lang. In ihren jungen Jahren hatte das promiske Mädchen unter anderem bereits eine Affäre mit einem wohlhabenden Maler, Dr. Steininger, dann mit Peter de Lorm, einem noch sehr jungen, aufstrebenden Drehbuchautor aus Deutschland, und dem bekannten Wagner-Tenor Swendka.

Und was ist mit diesem ominösen C. G., einem Schweizer Schriftsteller, der „ganz zufällig“ die Tote entdeckt hatte? Auch er findet Erwähnung im Tagebuch. Nicht zu vergessen Lus gehörnter Ehemann, ein in die USA emigrierter, exiltschechischer Archeologe. Ein Großteil der Spuren, die Lus Nymphomanie bei ihren Liebhabern hinterlassen hat, führen zugleich ins Nichts. Dann aber führt eine ganz heiße Spur Ben nach Las Vegas zu den tanzenden Tiddy Sisters, die dort jeden Abend in Unterhaltungsshows auftreten. Es stellt sich heraus, dass sie Rivalinnen der Toten waren und sie auf dem Gewissen haben.“

Und hier der Nachruf der:

Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Zum Tod von Hansjürgen Pohland 1934-2014:

Mit großer Betroffenheit haben wir vom Tod Hansjürgen Pohlands am 17. Mai 2014 erfahren. Pohland, geboren 1934, hat als einer der Unterzeichner des Oberhausener Manifests eine wesentliche Rolle in der Geschichte der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen ebenso wie in der deutschen Filmgeschichte gespielt. Zuletzt war er 2012 zum 50. Jubiläum des Manifests in Oberhausen zu Gast. Die Kurzfilmtage zeigten in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre unter anderem seine Kurzfilme Was Du ererbt von Deinen Vätern (1958) oder Autos von morgen, Straßen von heute, Menschen von gestern (1962). Seine größten Erfolge hatte Pohland als Produzent von Herbert Veselys Das Brot der frühen Jahre (1962) und als Regisseur der Grass-Verfilmung Katz und Maus (1966), bliebe jedoch dem Filmemachen immer verbunden. Zuletzt realisierte er anlässlich des Jubiläums des Oberhausener Manifests die Dokumentation Die Rebellen von Oberhausen (2012) für ARTE. Wir werden Hansjürgen Pohland als einen passionierten Filmemacher und als eindrucksvolle Persönlichkeit in Erinnerung behalten, die wir auch 50 Jahre nach dem Oberhausener Manifest als Menschen erlebt haben, der offen für Neues und den Austausch mit jungen Filmemachern von heute geblieben war.“ (Oberhausener Kurzfilmtage)

PDFdie Toten von Beverly Hillsgeordnet

Grabstein von Klausjürgen Wussow in Berlin. Foto von  Phaeton1

(Aus Wikipedia)

rechts: Buchumschlag: Der totale Neuss, herausgegeben von Volker Kühn, 7. Auflage von 2004. Verlag Rogner & Bernhard

links: Werbepostkarte von EVA für ihre Neuss Bücher. Foto Gisela Groenewold

Brief von Stinky Müller an seinen Freund Peer

Wer die Überschrift des Artikels Hamburger Kinos sagen Netflix und Co. den Kampf an“ vom 9.3.19 von Jan Haarmeyer und Volker Behrens in die amerikanische Suchmaschine eingibt, kann ihn lesen, ohne zu bezahlen. „Brief von Stinky Müller an seinen Freund Peer“ weiterlesen

Keine Kritik: ALLE HAIFISCHE HABEN ZÄHNE oder Mackie Messer Brechts Dreigroschenfilm

Keine Kritik: Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Pressevorführung 23.8.2018 Abaton, 131 Min. Uraufführung beim Filmfest München 2017 Regie: Joachim Lang, Kamera: David Slama, Drehbuch: Joachim Lang Verleih: Wild Bunch Germany, Start am 13. 09. 2018

Ein Haifisch ohne Zähne

Erkenntnisse aus dieser Pressevorführung sind:

1 Kommt man als letzter Beobachter in die Pressevorführung, dann weiß man genau, wie viele Leute schon drin sitzen. Ich trage mich mit Nummer 19 ein.

2 Überraschend wenig Leute.

3 Als ich die zweite Tür des Abatons passiert habe, schallt mir der Haifisch entgegen, der Zähne hat, was ja eigentlich nichts besonderes ist denke ich, weil ja jeder Haifisch Zähne hat. Wieso sollte der von Brecht eigentlich keine haben? Naja.

Schon an der Zahl der auf der Bühne versammelten Schauspieler und Statisten kann man unschwer erkennen: Es handelt sich bei diesem Produkt um einen deutschen Förderfilm, der nicht billig war. Und bei dem sofort die alte Frage aufkommt, was ist nun besser, die Bühnenfassung oder der Film?

Es ist wie bei der Geburt eines Kaninchens oder der eines Pinguins. Was oder wen das kleine Kaninchen oder der kleine Pinguin zuerst sieht, hält das Kleine für ihre/seine Mutter.

So auch die Brecht Leser und die Brecht Zuschauer. Haben sie zuerst die literarische Vorlage gelesen, nach der das Buch verfilmt wurde, finden sie das Druckerzeugnis besser und umgekehrt.

Bei Romanen ist es ähnlich. Nur hat Brecht kaum Romane geschrieben. Und schon ist der deutsche Schulmeister wieder da. Bei mir auch. Diesmal kommt der Schauspieler der den Brecht spielt, Lars Eidinger, dran.

Ihm wurde die undankbare Aufgabe zuteil, dass er die dargestellten Filmproduzenten und natürlich uns, die Zuschauer, darüber aufklären soll, dass ein Bühnenstück etwas anderes sei, als der Film. Wow! Welche Erkenntnis! Und die hat Brecht selber gehabt?

Oder hat er sie irgendwo abgeschrieben? Auch das kommt zur Sprache. Das muß beim Auswendig Lernen der vorgetragenen >angeblichen< Brecht Zitate für den Schauspieler Lars Eidinger ein schweres Stück Arbeit gewesen sein. Was ihm der Drehbuchautor, der auch die Regie gemacht hat, da zum Auswendig Lernen gegeben hat. Und so präsentiert er die Zitate auch. Er sprudelt sie heraus. Aber eben auswendig gelernt. Sein Wissen über Brechts Zitate lässt den Zuschauer im Sitz erstarren.

Nein, was der Mann alles weiß! So vieler profunder Kenntnisse hätte es für den Zuschauer gar nicht bedurft. Er kann es ja eh nicht überprüfen. Wer hat schon einen beleuchteten Kugelschreiber dabei, so wie die Filmkritiker von früher, die diese Zitate im dunklen Kino mitschreiben konnten. Sie könnten es natürlich mit heutiger Elektronik aufnehmen. Aber das ist in jeder Pressevorführung verboten.

Und dann auch noch immer eine brennende Zigarre im Gesicht. Ich beobachte mich dabei, wie ich im Laufe des Filmes immer mehr darauf achte, ob die Anschlüsse mit der Zigarre auch stimmen. Ich denke mir, das muss nicht einfach gewesen sein, einen Schauspieler durch den Film laufen zu lassen, der eine brennende Zigarre im Mund hat. Die Länge der Zigarre ist das Problem. Entdeckt der Zuschauer, dass sie in der Anschlusseinstellung nicht die gleiche Länge hat, wie in der Einstellung davor, dann ist er enttäuscht und glaubt auch den Rest nicht mehr.

Aber sie haben es mit einem Trick gemacht. Einen, den ich ihnen auch empfohlen hätte. Man fotografiert den Brecht Schauspieler, Lars Eidinger, immer sorgsam nur von vorne und niemals von der Seite. Man korrigiere mich, falls ich eine solche Einstellung übersehen habe.

Und so kommen sie damit durch: kaum Anschlussfehler nachzuweisen. Die Zigarrenlänge stimmt. Der Schnitt von Alexander Dittner unterstützt diese Arbeit, in dem auch er streng darauf achtet, dass nach einer Einstellung mit Zigarre immer eine ohne Zigarre folgt. Bravo! Eine stolze Leistung.

Nein. Richtig langweilig ist der Film nicht. Zumal, wie dieses deutsche Volkshochschulkino wieder mit Titeln und Zeitanzeigen glänzt, die uns vorzutäuschen versuchen, die im Film nach gespielten Situationen (z.B. vor Gericht und die Premiere) hätten sich alle so abgespielt, wie sie der Film hier darstellt, was ohne Überprüfung am Schneidetisch (gibt es so was noch?) mit Fug und Recht bestritten werden kann.

Eindrucksvoll wird das Premiere Publikum von oben gezeigt. Und dann klatschen die noch alle so toll in den Kostümen. Nein! Was für eine Überraschung!

Geradezu schlampig jedoch ist ihnen das Einfügen der bekannten Originalaufnahmen aus dem >Blutmai< Film von Piel (Phil) Jutzi von 1929 geraten. Hier wird dieser Film, merkwürdiger Weise im falschen Format, falscher Geschwindigkeit und ohne Hinweis auf die Autoren gezeigt.

Wo waren die Redakteure mit ihrem Bildungsauftrag? Sonst wollen sie uns doch immer zeigen, was sie schon alles gesehen und gelesen haben.

Wer herauszufinden versucht, wo dieser eingeschnittene Stummfilm herkommt, der da so merkwürdig verzerrt über die CinemaScope Leinwand flimmert, trifft bei der Recherche auf so manche Absonderlichkeit:

Da fällt man unwillkürlich über den Internet Text des Zeughaus Kinos (DHM) in Berlin, das den Film >Blutmai 1929< so vorstellt: Filmamateure der Kommunistischen Partei filmten diesen sogenannten Blutmai 1929 – ihr Film 1. Mai – Weltfeiertag der Arbeiterklasse enthält die einzigen, heute immer wieder zitierten Bewegtbilder von gewalttätigen Straßenkämpfen in der Weimarer Republik.“

Der Regisseur, der Kameramann und der Produzent des Filmes bleiben unerwähnt. *

Das “sogenannte“ hat das Zeughaus Kino in Berlin selber hinzugefügt. Wir sind an die “sogenannte DDR“ erinnert. Ob sie auch die Wortschöpfung “Bewegtbilder“ erfunden haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wichtig scheint dem Zeughauskino aber der Hinweis darauf, das diese Demonstration verboten war: „….forderte der Polizeieinsatz während der verbotenen Demonstration am 1. Mai 1929 in Berlin zahlreiche Todesopfer.“

Von wem die Demonstration verboten wurde, wer erschossen wurde und vom wem, ist ihnen nicht erwähnenswert. Da scheint es eine merkwürdige Übereinstimmung zwischen Zeughaus Kino und der Produktionsfirma dieses Filmes zu geben. Bravo! Aber komisch sieht es schon aus, wenn ein Stummfilm nicht formatgerecht und in falscher Geschwindigkeit projiziert wird. Und Joachim Krol singen lassen, das geht gar nicht. Was bleibt?

Wird das Publikum diese Mogelpackung annehmen, die doch in einer ARD Tagesschau nach der Premiere des Films auf dem Münchner Filmfest 2017 als “furios“ gefeiert wurde? Nein, die vom Fernsehen hauen keinen aus der gleichen Firma in die Pfanne. Aber: sie sollten bei der ARD zukünftig daran denken, dass “Eigenlob stinkt“. Das Wort ihres Lobes >furios< habe ich extra im Duden (Fremdwörterlexikon) nachgesehen. Dort sind zwei Erklärungen zu finden:

a) wütend, hitzig

b) mitreissend, glänzend.

Nein. Wütend, hitzig und mitreissend ist der Film nicht geworden. Vielleicht passt das Wort glänzend, aber auch da habe ich meine Zweifel.

* Anmerkung : Der Film kam unter verschiedenen Titeln heraus: >Blutmai 1929< und >1. Mai – Weltfeiertag der Arbeiterklasse< waren zwei davon.) Die Länge wird meist mit 222 m/35 mm, das Format mit 1:1,33 angegeben, s/w, stumm. Regie führte Piel (Phil) Jutzi (Mutter Krausens Fahrt ins Glück). Der Kameramann war Erich Heintze und der Produzent Willy Münzenberg. (Alle drei waren durchaus keine Amateure, die findet man eher beim Zeughaus Kino in Berlin unter der Mail Anschrift: Info@dhm.de erreichbar). Eine Kopie gibt es bei der SDK (Stiftung Deutsche Kinemathek) und beim Bundesarchiv in Berlin. Nur für den Fall, das jemand mal das Original suchen sollte. Jens Meyer 28. 8. 2018pdfStinki Mueller meint1

HAMBURGER GITTER

Hamburger Gitter von Marco Heinig, Steffen Maurer, Luise Burchard, Luca Vogel, Deutschland 2018, 76 Min.

Am Ende ist es so wie immer. Die Bilder am Anfang hatten meine Neugier erzeugt. Hier – so dachte ich – versuchen sie etwas Neues. „HAMBURGER GITTER“ weiterlesen

Europäischer Hof Baden-Baden (Deutschland) Jeremias Henschel

Die Fotos entstanden am 18. Oktober 1930 vor dem Hotel >Europäischer Hof< in Baden-Baden.

Foto eins (von oben): Das jüdische Kinobesitzer Ehepaar Frida und Jeremias (genannt James) Henschel (von links nach rechts).

Foto zwei: Das jüdische Kinobesitzer Ehepaar Frida und Jeremias Henschel mit ihrer Tochter Bianca Henschel.

Foto drei: Sophie Streit (geb. Henschel. Tochter von Frida und Jeremias Henschel), Frida Henschel, Jeremias Henschel und der Kinobesitzer Hugo Streit (Henschel Film und Theaterkonzern OHG), der  mit Sophie Streit verheiratet war. Alle Personen sind geborene Hamburger.

Die Ausnahme  ist Frida Henschel (geb. Blumenthal), die in Lübeck geboren ist. Sie hatten alle die deutsche Staatsangehörigkeit, bis die Nazis an die Macht kamen. Jeremias und Frida Henschel flüchteten zunächst  zu ihrer Tochter nach Den Haag, wo diese mit dem Rechtsanwalt und Konsul von Portugal Dr. Isidor Kahn verheiratet war.

Dort starb Jeremias Henschel. Frida Henschel flüchtete anschließend nach Mexiko und starb später in New York. Bianca Henschel heiratete und überlebte den Holocaust als Bianca Kahn.

Die Fotos stammen von Rolf Arno Streit (Enkel von Frida und Jeremias Henschel), dem die Flucht nach Belo Horizonte in Brasilien gelang.Hugo Streit (Teilhaber des >Henschel Film- & Theaterkonzerns OHG) auf dem Hamburger Flughafen (Deutsche Luft Hansa).

Er steht vor einem Flugzeug der Firma >Junkers<, die ihn nach London bringen soll. Dort besucht er im >Alhambra< Kino die Premiere der amerikanischen Originalfassung (Die Tonfassung) des Filmes von Lewis Milestone >All quiet on the western front< (Im Westen nichts Neues), der später in zwei seiner Hamburger Kinos >Schauburg< wochenlang gezeigt wird.

Die weissen Mäuse waren Herrn Goebbels offensichtlich ausgegangen. Die UFA, unter deutschnationaler Führung von Alfred Hugenberg, hatte sich geweigert, die  Tonfassung  dieses Filmes  deutsch zu synchronisieren und in ihren Kinos zu zeigen.

Der Autor des Romanes (Im Westen nichts Neues) kam aus Osnabrück, der Vater des Produzenten des Filmes kam aus Laupheim bei Ulm. Der Film lief in London in zwei Kinos: Dem >Alhambra< und dem >Royal Cinema< im Londoner Westend.

In Deutschland wurde der Film verboten und durfte später nur noch in sog. geschlossenen Vorführungen gezeigt werden. Nach der Machtübergabe an die Nazis am 31. Januar 1933 wurde er endgültig verboten. Vermutlich, weil die Kriegsvorbereitungen nicht gestört werden sollten.

Erst am 14. März 1952 gelangte der Film, der ursprünglich eine Länge von 140 Minuten gehabt hatte, in einer gekürzten Fassung mit neuer Synchronisation in die westdeutschen Kinos.

Die erste deutsche Synchronfassung von „All Quiet on the Western Front“ (Im Westen nichts Neues) wurde von der Firma: „Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133 “ 1930 in Berlin hergestellt.

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Ufa Chefdramaturg Viktor Abel. Viktor Abel war nach  Nazidefinition Jude und war am 2. Dezember 1892 in Kiev geboren, das in dieser Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte. Am 21.10. 1941 wurde er nach Lodz deportiert und dort ermordet. Die Filmgeschichte hat ihn vergessen.

Belle Alliance
Hamburg Altona. Belle Alliance. Vorführung Lebender Photographien und Kaiser-Café Postkarte vom Mai 1906

GEGEN DAS REMARQUE-FILMVERBOT von Kurt Tucholsky

PDF Gegen das Remarque Verbot

GEGEN DAS REMARQUE-FILMVERBOT von Kurt Tucholsky

(Eine Umfrage der >Deutschen Liga für Menschenrechte<)

Der nordische Barde Goebbels hat in seinen Kundgebungen wiederholt darauf hingewiesen, dass der Remarque-Film ein >Geschäft< sei. Das ist dieser Film sicherlich – im Gegensatz zu den Fridericus-Erzeugnissen, die über und unter Gebühr rein ideale Ausstrahlungen Baldurs zu sein scheinen.

Filme sind Erzeugnisse einer Industrie, gehemmt durch eine Zensur, die im Interesse der herrschenden Klasse funktioniert. Trotzdem gibt es gute und schlechte Filme.

Die Nationaille hat aus unlauteren Beweggründen gegen diesen Film protestiert. Es ist bedauerlich, dass ein Pazifist wie Friedrich Wilhelm Foerster Verwirrung in die Reihen des Pazifismus getragen hat, indem er sagt: >Das Szenario stellt eine tendenziöse Auswahl seitens einer Art von sentimentalem, ja oft weinerlichem Pazifismus dar, bei dem der Abscheu gegen den Krieg nicht aus den Tiefen der moralischen Menschennatur kommt, sondern aus dem Nervensystem, dem Magen, dem Schlafbedürfnis . . . <

Aus dem Nervensystem! Nur aus dem Nervensystem? Wir haben oft zu Foerster gehalten. In diesem Falle ist dem Vorsteher eines kleineren katholischen Moralamtes nur zu wünschen, dass er einmal in die Lage kommt, nur aus dem Nervensystem gegen den Krieg protestieren zu müssen – also etwa nach achtundvierzigstündigem Trommelfeuer.

Noch der niedrigste Pazifismus hat gegen den edelsten Militarismus tausendmal recht! Es gibt kein Mittel, das uns nicht recht wäre, den Moloch des Kriegswahnsinns und des Staatswahnsinns zu bekämpfen.

Der Tod der zehn Millionen ist sinnlos gewesen – sie sind für nichts gefallen.

Nachträglich muß die trauernde Mutter, die trauernde Frau, müssen die Reklamefachleute für den nächsten Krieg, diesem Gemetzel, das selbst der Papst >ehrlos< genannt hat, einen Sinn unterlegen – was die Hinterbliebenen angeht, so brauchen sie diesen Trost: es ist so schwer, sonst weiterzuleben . . . Ehre der Trauer. Schmach dem Kriege!

Wir brauchen keine Kartenkunststücke, die uns den angeblichen Sinn dieses Wahnsinns vormachen sollen.

Und darum ist uns jeder, jeder Film recht, der der Menschheit den Krieg auch in seinen niederen Formen, gerade in seinen niedrigsten Formen vorführt. Mussolini zeigt seinem Volk nur die Fahnen und nichts als das – Remarque zeigt uns die Fahnen und den Rest: die Zerfetzten und die Taumelnden, die Blutenden und die Zerschossenen – und wer sich daran begeistern will, der mag es tun.

Wir andern rufen gegen die Weltenschande: Nieder mit dem Kriege!

K.T. (Kurt Tucholsky). Erstveröffentlichung in der Mensch (Die Menschenrechte. Organ der Liga für Menschenrechte. Berlin) vom 20. März 1931. Zitiert nach Gesamtausgabe Kurt Tucholsky. Drei Bände. Band III. 1929 – 1932. Dünndruck. Seite 809.Tieresehendichan3

Führungszeugnis 1938 für die Kinobesitzerin Rosa Hirschel

Es wäre komisch, wenn es nicht so ernst wäre: Im März 1938 beantragt die enteignete Hamburger Kinobesitzerin Rosa Hirschel (»Neues Reichstheater« im Neuen Steinweg 70/71 enteignet (arisiert) 1934 und des »Theater am Nobistor«, Reeperbahn 161) bei dem »Polizeipräsident in Hamburg« ein polizeiliches Führungszeugnis. „Führungszeugnis 1938 für die Kinobesitzerin Rosa Hirschel“ weiterlesen

Grindelallee 116 (früher Thalia Kino von Ranette Salfeld)

Foto von Mark Lissauer (ehemals Hermann Lissauer) Grindelallee 116, Hamburg
ThaliaKino1988
Foto 1988 von Jens Meyer, Thalia Kino Grindellallee 116
Gescanntes Dokument

Foto unten vom Thalia Kino Grindelallee 116 von Mark Lissauer. Die Aufnahme ist im Juli 1931 gemacht worden. Das Foto von Frau Leye an der Kasse des Thalia Kinos wurde am 31.12.1994 von Reinhold Sögtrop gemacht. Letzter Tag des Thalia Kinos. Danach wurde es geschlossen, verkauft und später (1997) abgerissen.

Foto von Mark Lissauer (Elwood Victoria /Australien)
Juli 1931 Grindelallee 116 in Hamburg
Hau weg den Scheiss
Nilpferdzweiaugen
Zeichnung Helga Bachmann
cc

Stolpersteine für den Kinounternehmer Hermann Urich Sass

Stolpersteine

PDF Stopersteine auf der Reeperbahn

Hier werden heute (24.10.2017) zwei Stolpersteine für den jüdischen Kinounternehmer Hermann Urich Sass verlegt. „Stolpersteine für den Kinounternehmer Hermann Urich Sass“ weiterlesen