Warnung vor einem Buch

Hallo J. noch ist Zeit, Dich vor einem Buch zu warnen, das ich selber gerade absolviert habe. Der Umschlag verspricht viel. Nur schade, dass ich nicht meinem Bauchgefühl beim Lesen des Wortes „Rechtsterror“ gefolgt bin. Dahinter steckt meist eine Relativierung. Auch hier. Am Ende sind die Erkenntnisse von Tucholsky wieder da, der sich auf die Zählung beschränkt und verlassen hat. In etwa so: 400 Tote durch Nazis, 4 Tote durch Kommunisten. 2 Nazis verurteilt, natürlich auf Bewährung. Die 4 Kommunisten alle zum Tode verurteilt. Bei Florian Huber kommt es genauso, wird von ihm, aber nur scheinbar, differenzierter dargestellt. Dadurch bleiben die Versprechungen des Umschlags erhalten und bleiben auf diese Weise unbefriedigt zurück, was eigentlich nicht verwundern sollte. Das hat übrigens damals schon dein Papa erkannt. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit ihm über die Besatzungsstreitkräfte (Amis), die er kennen gelernt hatte und die immer auf der Suche nach der nationalsozialistischen Ideologie waren und sie nicht finden konnten, was nach Ansicht deines Vaters gar kein Wunder war, weil, die Nazis hatten eben keine Ideologie, das macht auch die Auseinandersetzung mit Ihnen so unmöglich: Da ist es besser, mal wieder ein paar alte Schallplatten aufzulegen. Gerade habe ich bei mir eine Amiga Pressung (LP) ausgegraben und dort zum ersten mal ein Lied gefunden, das ich ganz toll finde und vorher aber nie bemerkt hatte. Probier doch mal, ob Du den Song in der Runterladeabteilung deiner Generation findest: Es handelt sich um die AMIGA Platte 20 x Beat. Das Jahr der Veröffentlichung ist 1975. Auf Seite 1 der LP ist das Lied von Nina Hagen und der Gruppe Automobil, das 1974 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Das mit dem Farbfilm, den sie vergessen hat und es ihrem Freund in die Schuhe schieben will. Aber um das Lied geht es nicht. Es geht um das siebte Lied auf Seite eins mit dem Titel: „Wind, komm, bring den Regen her“. Die Sängerin heisst Kati Kovács und die Juventus Gruppe spielt dazu. Die Frau kann was, oha!! Es scheint sich um einen Import zu handeln (Ungarn? Slowakei? Tschechien?) aber die Dame singt deutsch, wenn man sie mehrfach gehört hat klingt das durch, aber der Text nicht so richtig, was dem Lied gut bekommt, also eine Suche, die sich lohnt, Nina Hagen mit dem Farbfilm kennen wir ja schon. Wie das Buch heisst. Hab ich vergessen, Jens

Nachruf: Uwe Schulz (aus der Taz Hamburg vom 15.08.1995)

Uwe Schulz ist tot.

Kinogänger kennen ihn. Er war das Neue Cinema. Er war immer da. Morgens mit dem Staubsauger und Schraubenzieher. Abends beim Filmeinlegen und Kartenabreissen. Der kleine Mann mit dem kodderigen Maul, dem nichts und niemand heilig war.

Er war schon da, als das Neue Cinema noch zur Ufa gehörte. Ich weiß gar nicht mehr, welche Filme damals dort gezeigt wurden. Uwe Schulz hätte es gewußt. Er kannte alle Kinos, ihre Maschinen (die Projektortypen), die Besitzverhältnisse.

Auch nach der Bestuhlung in den Kinos konnte man ihn fragen. Quinette ist große Scheiße. Alles aus Plastik, nach fünf Jahren bricht alles auseinander. Von seinem Chef (H. J. Flebbe) waren da ganz andere Urteile – „der Rolls Royce unter den Stuhlfirmen“ – zu hören. Uwe Schulz wußte es besser.

Er kannte alle Disponenten der Filmverleihe. Schon in der Zeit, als sie alle am Steindamm ihre Filialen hatten: Centfox, Warner, Columbia, Filmverlag, Filmwelt, Endfilm und wie sie alle hießen. Ich weiß es nicht mehr – Uwe Schulz hätte es gewusst. Auch für hochgelobte Kino-Innenarchitekten war seine Kodderschnauze gut: „Der Dempe Wolff läßt überall die gleichen Teppiche an die Wand nageln“.

Was mir immer besonders gut gefallen hat: Man konnte ihm nichts vormachen. Titel und gesellschaftliche Stellung waren ihm wurscht. Ob nun einer Chef des Filmbüros, Chef des Filmfonds oder sonstwas war. Ihm imponierten nur Leistungen, die man auf der Leinwand sehen konnte.

Eine Zeitlang hat er selbst ein Landkino betrieben. Aber sie haben ihm die Filme nicht gegeben, die er für das Kino brauchte.

Manchmal habe ich ihn geärgert mit dem Ausruf „Schulz!“ aus dem Lubitsch FilmSein oder Nichtsein“.

Uwe Schulz ist tot. Er starb am 19. Juli in seiner Wohnung über dem Kino. Er wurde nur 53 Jahre alt. Die besten sterben immer zuerst. Jens Meyer

Brennende Betten im Neuen Cinema im November 1988 (Nebel) Foto Jens Meyer