Briefe an Eugen (LVXV) Staudte im Russischen Sektor

Admirals Palast Berlin
Foto Jens Meyer

PDF Briefe an Eugen (LVXV) Staudte im Russischen Sektor

Hallo Eugen, in dem Film „Rotation“ von Wolfgang Staudte, der 1949 in die Kinos kam, wird die Sprengung am Gleisdreieck am 2. Mai 1945 gezeigt. Die S-Bahn fährt an dieser Stelle unter dem Landwehrkanal durch. Die Sprengung, so ist die Vermutung, wurde von Fachleuten durchgeführt. Der S-Bahn Tunnel wurde zu dieser Zeit als Luftschutzbunker genutzt. Durch die Sprengung gelangte das Wasser aus dem Landwehrkanal in den Tunnel und es sind haufenweise Menschen ertrunken. In der Aufarbeitung dieser Geschichte, die bei Staudte noch sonnenklar war, ist es zu zahlreichen Spekulationen gekommen. So kurz vor der Kapitulation einen Tunnel sprengen? Vielleicht, und so kommt eine weitere Spekulation in die Geschichte, ist es so gewesen: Dort hatte die SS eine Sprengfalle vorbereitet, die durch die Bomben eines amerikanischen Luftangriffs in Gang kam. Wär doch möglich? Und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, ja, Dein Einwand, das es keine Zeitzeugen mehr gibt, die das bestätigen könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Aber was haben uns die Zeitzeugen denn bisher genutzt? Die ham ja die schlimmen Sachen auch alle für sich behalten. Als ich jedenfalls 1970 mit dieser S-Bahn von Lankwitz nach Gesundbrunnen gefahren bin (Jeden Morgen um 6.30 Uhr, um zum Bauplatz der Gleisbaufirma Max von Knoblauch GmbH in der Swinemünderstraße neben Grundstück Nummer 46 zu kommen) waren es insgesamt 12 Stationen (Lankwitz und Gesundbrunnen eingeschlossen) von denen allerdings nicht alle „bedient“ wurden. Da hielt die S-Bahn nicht an, sodaß man weder ein- noch aussteigen konnte. Nur an der Friedrichstraße hielt die S-Bahn an. Dort gab es zollfrei Zigaretten und Schnapps zu kaufen. Man durfte sich aber beim Aussteigen und Verlassen des S-Bahngeländes nicht erwischen lassen. Meine Lieblingsmarke war damals Pall Mall, und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, wie lange die von Lankwitz nach Gesundbrunnen gebraucht hat? Hab ich vergessen. Jetzt braucht sie beim Halt an allen zwölf Haltestellen 32 Minuten und um Deinen Wissensdurst zu löschen: Die Ringbahn der S-Bahn braucht, egal ob sie links oder rechtsrum gefahren ist, 60 Minuten. Wie das 1970 war? Die konnte man damals ja gar nicht nutzen, weil sie oben rum gefahren ist und an der Mauer angehalten wurde. Und noch was. Die Westberliner, nicht alle natürlich, aber viele, fanden das doof dass die Westdeutschen (also wir) die S-Bahn benutzt haben, weil sie ja vom Osten war. Und übrigens auch ganz billig, und nun kommst wieder Du. J.

Hallo Eugen, was ich da gemacht habe, bei der adligen Firma von Knoblauch? Ja eben Gleisbau und die Dehnungsfugen an der Stadt-Autobahn repariert. Wieviele Leute da gearbeitet haben? Na die „Gewerblichen“ waren zwölf und dann gab es noch welche im Büro. Was mir noch einfällt: In der Swinemünder Straße neben dem Grundstück Nummer 46 gab es 6 große Schuppen, in denen die Werkzeuge untergebracht waren. Was man so braucht im Gleisbau. Große Schlüssel für die Schwellenschrauben, Spitzhacken, Schaufeln, Spaten und die kleinen Maschinen zum Bohren, Schleifen und zur Stromerzeugung. Ein Kriegsversehrter, so nannten sie den, war angestellt um darauf aufzupassen, daß nix geklaut wurde. (Es gab auch noch einen Schäferhund, der ihm dabei half, beim Aufpassen). Du wirst es nicht glauben in welchen Mengen die Werkzeuge vorhanden waren. Ich hab nicht gezählt, aber ungelogen, das waren mindestens 200 Schaufeln und Spitzhacken. Das erweckte sofort meine Neugier und Max, der Kriegsversehrte, der schon seit Kriegsende dort beschäftigt war hat es mir dann in einer ruhigen Minute, die es auch gab, erzählt. Es gab ja nach dem Krieg viele Förderprogramme zur Trümmerbeseitung in Berlin. Du kennst doch noch die 2 Pfennig Briefmarke „Notopfer Berlin“? Also die Schaufeln wurden an Männer ausgegeben, die auf den Baustellen morgens erscheinen sollten. Dann kam einer vom Senat, hat die Personen gezählt und dafür gabs dann Geld. Wieviel das war, wußte Max natürlich nicht. Als der vom Senat wieder weg war, durften die „Schauspieler“ wieder nach Hause, die „Baustelle“ verlassen . Ungefähr 20 Westmark gabs dafür, hatte mir Max erzählt. Viel Geld zu der Zeit. Das war nach der Einführung der DM. Der adlige Unternehmer hat natürlich das meiste Geld eingestrichen und nur einen kleinen Teil an die „Schauspieler“ weitergegeben. Ich glaub, die Korruption ist eine Berliner Erfindung. Und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, ja natürlich gabs und gibs Korruption auch anderswo. Da gab es nach dem Krieg am Gesundbrunnen noch ein großes Kino, das habe ich erst viel später erfahren. Eins mit mehr als 1.500 Plätzen. Das hieß nach dem Krieg „Corso Kino“. Da fand 1951 unter anderem die erste Berlinale statt. Das war nach dem Krieg der Französische Sektor, der an den Russischen Sektor grenzte. Und die hatten ja die Ostmark, die viel weniger Wert war. Kurs war, glaub ich mich zu erinnern 1:7. Und die Zuschauer aus dem Osten, also dem russischen Sektor, konnten dann in Ostmark bezahlen. Und der Kinobesitzer bekam die Differenz in Westmark erstattet. Mehr Geld konnte man als Kinobesitzer nicht machen. Nach dem 13. August 61 war damit dann Schluß. Aber bis dahin war das ein gutes Geschäft. Die Geschichte dieses Kinos habe ich dann erst viel später erfahren, aber das ist eine andere Geschichte, nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, nein die hieß natürlich nicht Ostmark. Die hieß Mark der DDR. Würde mich nicht wundern, wenn die aus Westberlin in Ostberlin das Brot für Ostmark gekauft haben. L.G. Jens

Oscar Martay US- Offizier (Film Offizier der amerikanischen Militärregierung)

Hallo Eugen, Dich interessiert die andere Geschichte? Ja die ist wirklich ein bißchen lang. Also die erste Berlinale 1951 wurde von einem Nazi organisiert. Und zwar einem, der sich gut getarnt hatte. Er kannte dieses Kino, das 1932 Lichtburg hieß, gut. Denn die Firma, in der er ab 1941 gearbeitet hatte, hatte dieses Kino einem Juden weggenommen. Einem, dem die Flucht gelungen war und der aus diesem Grunde überlebt hatte. Der dann nach dem Krieg nach Berlin zurückgekommen ist. Und nun kommst wieder Du,. J.

Hallo Eugen, wie das passieren konnte? Der Mann hat eben Glück gehabt. J.

Lichtburg_Berlin_Grundriss_und_Schnitt

Hallo Eugen, wie das Glück aussah? Ja, die Umstände eben. Für manche Menschen war das überhaupt kein Glück. Für ihn aber schon. In Würzburg hatte er vor dem Krieg studiert und eine Doktorarbeit geschrieben. Irgend was mit Film. Vorraussetzung für den Job bei der Reichsfilmkammer in Berlin. Als der Krieg dann verloren war und einem Offizier der US-Army die Berlinale einfiel (Oscar Martay), war er nur die zweite Wahl. Vor ihm einer, dessen Ruf als Obernazi schon bis nach Hollywood gelangt war (Oswald Cammann-„Nazi Movie Moguls Powerful in Germany“, in „The American Jewish World“, 19. Januar 1951, S. 6). Diese amerikanische Zeitung kannte diesen Obernazi, den sie da zum Direktor der Berlinale machen wollten. Also wurde Kandidat Nr. Eins aussortiert. Kandidat Nr. Zwei hatte das Glück, das ein Bomberkommando aus 280 Flugzeugen Würzburg kurz vor Kriegsende in Schutt und Asche gelegt hatte. Sein Glück war, auch das Archiv der Dissertationen war verbrannt. Seine Dissertation auch. Nicht mal an den Titel dieser Arbeit konnte er sich nach Kriegsende erinnern. Damit war viel Beweismaterial für seine Nazivergangenheit beseitigt. Dann kam ihm auch noch Stalin mit seiner Blockade zu Hilfe. Westberlin sollte ausgehungert und eingemeindet werden und wurde von den Amis deshalb über eine Luftbrücke versorgt. Da hatten die Verantwortlichen von Westberlin anderes zu tun, als sich um die Vergangenheit ihres Berlinale Direktors zu kümmern. Immerhin kannte dieser ein Kino am Gesundbrunnen, das für die erste Berlinale geradezu geschaffen war. Größe: 1.500 Sitzplätze. Standort: Französischer Sektor an der Grenze zum Russischen Sektor, waren dabei ausschlaggebend. Und nun kommst wieder Du, J.

Lichtburg Berlin Gesundbrunen Nachtfoto

Hallo Eugen, was mit dem Besitzer des Kinos passiert ist? Der kam nach Deutschland zurück und hat seine Ansprüche vor Gericht geltend gemacht. Aber, als er starb, war der Restituionsprozeß vor einem deutschen Gericht noch nicht entschieden. Und nun kommst wieder Du, J.

Lichtburg Kino Berlin Gesundbrunnen 1932

Cahiers
Foto aus dem Film LES FANTOMES DE STALINE aus Cahiers du Cinema, Seite 17, Januar 1990
1951 Berlinale
Weisse Bär aus Berlin
Foto Jens Meyer

Hallo Eugen, wie es mit dem Berlinale Direktor weiterging? Am Anfang gab es noch Fragen und Hinweise, aber der Mann hat das Rampenlicht nicht so sehr gesucht. Und nach 25 Jahren im Amt hatte er sich eine gute Pension erarbeitet. Bis jemand nach seinem Tod auf die Schnappsidee kam, nach seiner Person einen Berlinale Preis aus der Taufe zu heben. Keinen goldenen, aber einen silbernen Bären. Sein Nachfolger als Berlinale Direktor war ein Redakteur der Zeit (Die Zeit-Wolf Donner), der sich mit den Schuhkartons des Herrn Riech, der die Ufa Kinos gekauft und entsprechend umgebaut hatte, angelegt hatte. Und so kam es dann wohl, daß viele Jahre später, eine von der Zeit angestellte Filmjournalistin sich doch mal mit diesen alten Geschichten von damals beschäftigt hatte. Ein „Hobby Filmhistoriker“ hatte sie drauf gebracht. Da sind sie dann alle aus allen Wolken gefallen. Das ist noch gar nicht so lange her. Wir von der Medienberatung hatten ihnen vorgeschlagen, sie sollten doch einfach die Farbe des Bäres ändern. Ham se nich jemacht. Und braune Bären sind ja in der Natur viel häufiger anzutreffen, als diese angemalten silberen Bären. Und nun kommst wieder Du, J.

Special URSS

Hallo Eugen, ob es einen Nachfolger Preis gibt? Habe so was nicht bemerkt. Es gab ein Bohei, aber jetzt ist es auch schon wieder vergessen, und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, ja ich kenne den Namen dieses Hobby Historikers, aber der möchte nicht, dass sein Name wieder irgendwo auftaucht. Der Zusammenhang stört ihn zu Recht. Aber Eugen, es gibt ja das Netz. Und wie ich Dich kenne, wird Dir eine Suche nicht schwer fallen. Und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, ja das ist richtig. Wenn die, die da aus den Wolken gefallen sind schon 1972 auf die Hinweise von Wolfgang Becker und Jürgen Spiker reagiert und vielleicht einmal ihre Dissertationen gelesen hätten. Ich will das mit der Fahrradkette nicht wiederholen. Und, den Namen gefunden? Na, jedenfalls kommst jetzt wieder Du, J.

Hallo Eugen, Du bist aber auch neugierig. Woher ich die beiden Fotos von Wolfgang und Fritz Staudte habe? Die stammen aus dem „Almanach der Filmschaffenden von 1943“. Das habe ich mal in einem Antiquariat gefunden. Hat mich damals 120 Mark gekostet. Und ich hatte lange überlegt, ob ich das Geld ausgeben und das Buch wirklich haben wollte. Auf der ersten Seite ein Bild des Herausgebers und ein Vorwort von ihm. (Die Bilder wurden von den Darstellern selbst zur Verfügung gestellt, steht auf Seite 2). Auf jeder Seite zwei Fotos. Auf Seite 272 die beiden Staudtes. Und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, ja dick ist das Buch auch. Es hat 543 Seiten und einige fehlen auch schon. Herausgegeben vom Reichsfilmintendanten in Max Hesses Verlag Berlin. Druck : Großdruckerei Erich Thieme, Berlin-Niederschöneweide, Haselwerder Straße 27-31. Und jetzt bist wieder Du dran, J.

Hallo Eugen, danke der Nachfrage. Ja ein Buch über die Aufarbeitung der Tätigkeit des ehemaligen Berlinale Direktors gibt es auch. Zwielicht genannt. Hier ist der Umschlag. Kann man kaufen. Aber da steht auch nur drin, was Du jetzt schon alles weisst. Und nun kommst wieder Du, J.

Dr._Alfred_Bauer
Berlin
Foto Jens Meyer (Man beachte bitte auch, wer diese Tafel finanziert hat)

Brief der Berliner Gaswerke
Brief der Berliner Gaswerke vom 3. September 1944
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen (LVIII) Der Tiger sprang und endete als Bettvorleger

Römische Zahlen
Bahnhof Köln
Foto Jens Meyer


Hallo Eugen, und ich dachte schon, ach guck, manche Nazis haben sogar Humor und eine gewisse Schlagfertigkeit, wenn sie die mißglückte Aktion des CDU Kanzlerkandidaten kommentieren: „Der Tiger sprang und endete als Bettvorleger“. Aber nein. Sie hat es nur gelesen. Und so getan, als haette sie es selbst erdacht. Dabei kommt es aus einer von ihr geliebten Zeitung, und das ist nicht so wie Du denkst. Es kommt aus der Faz vom 11. November 2009. Also schon ein bueschen aelter. J.

Hallo Eugen, hier kommt ein Nachtrag: Die Suchmaschinen zeigen uns den Weg. „Der Tiger sprang und endete als Bettvorleger“ war bereits in der Taz vom 16.11.1991 zu lesen. Damals ging es ebenfalls um einen CDU Abgeordneten mit Namen Diepgen (aus Berlin). Ob das nun die Quelle der Dame ist, die sich diesen Zitates bemaechtigt hat? Kann man nur schwer glauben, J.

Hallo Eugen, und welche Parole entsteht dadurch? Etwa diese: Ein Bettvorleger will Kanzler werden? Das waere doch angemessen, odr? Was meinst du dazu, so als Sueddeutscher? Ich hoffe, du hast keine Freunde im Sauerland, die dir das uebel nehmen koennten, J.

Hallo Eugen, und siehe da, Tamara Danz hat schon 1988 herausgefunden, das der genannte Tiger eine Zahnprothese hat. Siehe zweite Strophe in dem Lied: „Ein Gespenst geht um“. Und Du wirst es nicht glauben: Produzent der Schallplatte ist: VEB Deutsche Schallplattten, Berlin/DDR und BMG Ariola München/BRD, und nun kommst Du, J. Der Text von Strophe zwei? Kann ich liefern: „Der Tiger mit der Zahnprothese duckt sich wie zum Sprung. Die Ballerina mit der Glatze schminkt sich wieder jung“, und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, scheint ja so, als wenn der Tiger mit der Zahnprothese es macht. Schade um die zwanzig Euro, J.

Foto Jens Meyer
Foto Jens Meyer
Zeichnung Helga Bachmann
Creative commons.org
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Im Innern des Wals (Karl Heinz Roth)

Der Text ist jetzt 46 Jahre alt und doch nicht alt. Abgeschrieben. Es sind 24 Seiten geworden. Wie im Kursbuch 51. Möglicherweise mit Abschreibefehlern. Kennt ihr ja.

PDF Abschrift Im Innern des Wals (Zeichen 59.541) Karl Heinz Roth

Apropos Kursbuch 51 (Im Innern des Wals)

PDF Abschrift Im Innern des Wals (Zeichen 59.541) Karl Heinz Roth

Briefe an Wiebeke (XXI) Apropos Georg Willroda

Romische Zahlen am BUG

Hallo Wiebeke, beim Lesen habe ich bei mir gedacht, das könnte Dir gefallen. Und weil das Buch nicht gut auf den Skanner geht, dabei würde es sicher auseinanderbrechen, habe ich das Fundstück für Dich abgeschrieben:

PDF Der Wartburg und der Elefant

Das Auto und der Elefant.

Der Geiger zog die Handbremse. Der grüne Wartburg stand. Ein Mann mit der Firma „Circus Busch“ an der Mütze kam heran. „Einen Moment bitte, wir laden gerade aus.“ Und vom nahen Bahnhof zur anderen Straßenseite zogen Kamele, Giraffen, Löwen, Nilpferde, richtige Pferde, Seepferde, sprechende Hunde, Schweinehunde und was so ein Zirkus noch alles birgt. Zum Schluß kamen die Elefanten, ohrenschlackernd, rüsselschwenkend und mit kleinen fröhlichen Äuglein.

Plötzlich blieb die Elefantenkuh Rosamunde stehen. Neugierig äugte sie zum Auto, das grün und glitzernd dastand. Rosamundes Rüssel tankte einige Pfund Straßenstaub und pustete ihn gegen den grünen Lack. Der Wagen blieb, wo er war. Nun denn, sagte sich Frau Elefant, drehte sich um und setzte sich, vorsichtig und langsam, auf den Kühler. Es klirrte und knackte erheblich. Der Geiger nudelte das Fenster herunter und erkundigte sich höflich beim Tierwärter, ob dieser reizende Spaßvogel von Elefant immer so lustig aufgelegt sei.

Der Wärter entschuldigte sich vieltausendmal. Dieser Elefant sei es gewohnt, für seine Mundharmonika-Nummer in der Manege ein grünes Stühĺchen zu benutzen. Nun, er wird sich dessen erinnert haben, die grüne Farbe sei daran schuld, und der Zirkus sei da und dort versichert. Der Geiger tobte: „Diesem Vieh Mundharmonika beizubringen, das könnt ihr, aber den Unterschied zwischen einem grünen Stühlchen und einem grünen Auto überzeugend darzustellen, steht wohl nicht im Plan?“ Der Elefant und der Wärter brachen die Unterhaltung ab und gaben die Bahn frei. Trotz Beulen und Schrammen lief die Karre noch.

Nun hatte sich aber in der Nähe ein Verkehrsunglück ereignet. Mehrere Wagen waren zusammengestoßen, und einige hatten sich der Verkehrspolizei durch Flucht entzogen. Streifenwagen fahndeten nach defekten Autos. Auch unseren Geiger hielt eine Weiße Maus an. Der Wachtmeister wies ernst und vorwurfsvoll auf den zerbeulten Kühler. „Was war das?“

Der Geiger nudelt wieder sein Fenster runter.

„Da hat sich ein Elefant draufgesetzt.“

Der Polizist strich sich über die Nase. „Sagen Sie das noch mal, bitte!“

Der Geiger wiederholte, langsam und wohlakzentuiert: „Auf diesem Kühler hat ein Elefant gesessen.“

Der Verkehrspolizist beugte sich durch das Wagenfenster. Er sah dem Geiger tief und nachdenklich in die Augen.

„Können Sie mir bitte noch einmal sagen, wer sich da drauf gesetzt hat? Ich fürchte, mich verhört zu haben, wissen Sie?“

„Mein Gott! Ein Elefant hat da drauf gesessen. Sonst spielt er Mundharmonika, diesmal hatte er sie wohl nicht bei sich.“

Der Polizist zog seinen Kopf aus dem Auto, öffnete die Tür, rückte das Koppel gerade und sprach: „Sie steigen aus und kommen mit zur Blutprobe!“.

(Georg Willroda)

(Gefunden auf Seite 58 des Buches: Das Tier lacht nicht. Erschienen im Eulenspiegel Verlag Berlin. 4. verbesserte Auflage 1974. Printed in the German Democratic Republic. EVP 14,60)

Im muß gestehen, ich hatte bei dieser Verwechslung der Elefantenfrau, für sie volles Verständnis. Und sie hat sich ja auch, wie Willroda schreibt: „setzte sich, vorsichtig und langsam, auf den Kühler“ gesetzt. J.

Waterloo Kino (Das waren herrliche Zeiten)

PDF KlausHebeckerWaterloo 1974

Dieser Zeitungsartikel von Klaus Hebecker hat erneut meine Aufmerksamkeit gefunden. Besonders dadurch, daß viele Informationen über dieses Kino in der Dammtorstraße 14 in Hamburg fehlten. Andere Informationen fehlten oder waren falsch dargestellt. Leider fehlt dem PDF von dem Zeitungsartikel auch das Erscheinungsdatum und der Name der Hamburger Zeitung (Vermutlich das Hamburger Abendblatt) . Da der letzte Spieltag des Waterloo der 31. März 1974 war (Ein Sonntag) ist anzunehmen, das dieser Artikel am folgenden Donnerstag, d. 4. April im Hamburger Abendblatt erschienen ist. Klaus Hebecker war Journalist und Herausgeber des Filmtelegramm in Hamburg. Redaktion im Schrötteringsweg Nr. 11. Er ist am 25.7. 1923 in Berlin geboren und ist am 2.7.1981 gestorben.

Briefe an Wiebeke (XXX) Nachrichten aus dem Fundbüro

Romische Zahlen am BUG

pdfIchmußmireineneuearbeitsuchen

Hallo Wiebeke, eigentlich war das gar kein Brief an Dich. Das habe ich wieder gefunden und wollte es nicht wegwerfen. Hier kanns dann überwintern. J.

Auf der Suche nach dem Hotel Rio Steiner

Hallo J.,

eben hatte ich noch mal auf der dffb-Alumni Seite nachgesehen und bemerkt, dass Deine Fotos dort hochgeladen sind. Bei der Suche nach dem Rio Hotel habe ich in das elektronische Adressbuch von Berlin im Straßenverzeichnis nachgesehen. Und daher meine Frage, bist Du sicher, das das Hotel in einer Seitenstrasse von Kudamm war? Die Nummer 58 auf Deinem Foto hat mich ermuntert mal nachzusehen. Und da gab es 1970 ein Hotel Rio Steiner in der Albrecht Achillesstraße 58. Und der Eingang, den die Suchmaschine dort heute praesentiert, sieht Deinem Foto sehr aehnlich, die Leuchtreklame ist natuerlich verschwunden, aber sonst koennte es stimmen. Ich hab schon mal eben eine Eingeborene (Berlinerin) angerufen, aber wie das bei den Berlinern und Berlinerinnen so ist, die kennen immer nur den Bezirk, in dem sie selbst gewohnt haben (Britz), J.

Lieber J.,

Chapeau, das wird tatsächlich der Eingang zum ehemaligen Etagenhotel RIO gewesen sein. Die Tür wurde zwar inzwischen geändert, auch das Fernster rechts ist umgebaut worden. Aber die ehemalige Leuchtfläche ist noch gut erkennbar und der Fensterumbau ist eine Vergrößerung nach unten. Das in der vorletzten Mail mitgeschickte Foto 1979-1982 zeigt das genaue Gegenüber des Hoteleingangs. Im Google-Streetview-Foto sieht man, dass jetzt der Verkehrsschildmast fehlt. Aber gut ist noch ein Teil der weißen Banderole am Baum zu erkennen, die nur auf der Straßenseite aufgetragen war. Auf dem SW Foto ist ein kleines Stück erkennbar, auf dem Streetview-Foto sieht man den inzwischen verblichenen Rest. In meiner Erinnerung hatte ich das Hotel weiter Richtung Gedächtniskirche verortet, aber wenigstens stimmt die Ku-Damm Nähe. Ist ja auch vor 42 Jahren gewesen . . . LG J. (Ist Britz noch Berlin? Denn Berliner und Fernreisen über die eigene Schrebergartenparzelle hinaus ist so’ne Sache. Bin selber mit einer Mariendorferin verheiratet.)

Hallo J.,

ja D. (geboren in Berlin) hat das glaubwuerdig versichert, das Britz noch in Berlin liegt und da ich damals auch ihr Elternhaus besichtigt habe, kann ich das bestaetigen. Und das mit dem Hotel, da ist es gut, das wir darueber geschrieben haben. Jetzt setze ich die Anschrift dahinter, wer weiss, ob das Haus nicht spaeter mal abgerissen wird. Die Fotos von Dir sind wirklich gelungen, J.

Hallo J,

Danke fuer die Blumen. Hoffentlich verzeiht mir D., falls ich ihr mal im Britzer Garten begegne. Lg, J.

Hallo J.,

da gibt es ja noch eine Geschichte zu schreiben und die ist auch ganz kurz. Zuerst habe ich die Dame 1977 nach Hamburg gelockt. Als dann ihre Mutter, die Hausbesitzerin starb, hat D. zum Abschied ein kleines Buechlein mit dem Titel „Das Haus meiner Mutter“ gemacht (noch nicht vergriffen, es gibt noch einzelne Exemplare, hat mir die Autorin versichert). Ein paar Jahre lang ist D. dann immer wieder mal hingefahren, um nach dem rechten zu sehen. Es handelte sich um eine Doppelhaushaelfte in einer Siedlung, die nach dem ersten Weltkrieg entstanden war. (Das Haus ihrer Großeltern). Als dann klar war, dass weder sie noch unsere Kinder in den Haselsteig zurueckkehren wuerden, hat sie das Haus der Mutter verkauft. Und zwar in einer Zeit, als selbst im Haselsteig die Grundstueckspreise sehr gestiegen waren. Immerhin nicht an einen Bodenspekulanten, sondern an die Nachbarstochter, der es im Haus ihrer Mutter (!) zu eng geworden war. Kurz nach dem Verkauf machte ein starker Sturm der Tanne, die im Garten stand, ein Ende. Gottseidank Westwind, oder war es Ostwind, sodaß die Tanne nicht auf das Haus ihrer Mutter gefallen ist. Das Haus steht also noch immer im Haselsteig Nummer 13. Im Nachbarort (in Rudow), wo D. nie gewesen ist, gibt es noch eine Filmgeschichte zu erzaehlen, das mache ich jetzt aber nicht. Nur der Hinweis. Dort hat Ilse Kramp, die nach ihrer Heirat 1938 Ilse Kubaschewski hieß, ihr erstes Kino aufgemacht. D. ist in dem Kino nie gewesen, obwohl es doch eigentlich um die Ecke lag,

Abteilung: Nutzloses Wissen. Das Rätsel ist gelöst. Das Hotel (Etagenhotel) war 1979 in Berlin in der Albrecht Achilles Straße Nummer 58. Und hier die Fotos von Jochen Hergersberg. Auf dem Foto ist Martin Streit bei den Dreharbeiten zu Henry Angst zu sehen. Und wer genau hinsieht stellt fest: Es handelt sich um zwei Hotels in zwei verschiedenen Stockwerken. Hotel Rio ist im ersten Stock und das Hotel Steiner im dritten Stock. Damit sind alle Unklarheiten beseitigt. Beide Hotels gibt es heute (2021) nicht mehr.

Foto Jochen Hergersberg, (1979), Eingang Hotel Rio Steiner,
Berlin, Albrecht Achillesstraße 58
Foto Jochen Hergersberg, (1979) Eingang Hotel Rio Steiner, Berlin, Albrecht Achillesstraße 58 (wie man sieht)
56 Seiten
cc

Für Manni (Manfred Stelzer)

Lieber Manni,

pdfNachruf fuer Manni von Gert

ich hoffe, dass du gut da oben angekommen bist – wie sieht es denn da auf deiner Wolke so aus? Bist du ein wenig glücklich, diesem hier unten waltenden Irrsinn endlich entkommen zu sein? Deine Bea, deine Schauspieler und ich müssen hier noch etwas ausharren. Na gut, wir können hier Sekt, Bier und Wein trinken, um unsere Trauer seit deinem Verschwinden von diesem Kampfplaneten durchzustehen.

Du weißt ja, ich habe viele Jahre nicht weit von Berchtesgaden gelebt. Wenn ich da mal so einen wie dich getroffen hätte, wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, dass du ein echter Bayer bist. Denn der wirklich echte Bayer ist klein, ja gedrungen, dunkelhaarig und zuweilen dick, na gut, weil er viel Schweinefleisch isst und viel gutes Bier zu trinken vermag. Du warst rothaarig. Und die Rothaarigen sind ja immer etwas den schwarz-, blond-, braunhaarigen und Glatzen stets ein paar Schritte voraus.

Auch Du! So lange ich noch nicht ganz dement bin, versuche ich mal ein paar Geschichten aus unserer gemeinsamen Vergangenheit zu erzählen. Kannst du mich hören und verstehen? Wenn nicht, bringe ich dir diesen Brief mal später da nach oben mit. Also, kennen gelernt haben wir uns um 1971. Du kamst, wenn ich nicht irre, mit Rainer März in meine WG in der Schöneberger Bülowstr. 29. Rainer kannte ich aus der Kreuzberger Stadtteilgruppe, und wir wohnten ein halbes Jahr etwa in einer WG von einem Psychiater in der Kreuzberger Görlitzer Straße. Egal.

Jedenfalls hast du dich bei uns mit meinen Mitbewohnern Wanda, Cornelius, Rainer, Ilse, Konrad und dem Luxemburger René schnell eingelebt. Und noch bis vor ein paar Wochen hast du mir immer wieder, sobald das Wort Bülowstraße erklang, von deinem selbstlosen Arbeitseinsatz bei mir erzählt. Du hattest auf meine Bitte hin, Fotos aus Spiegelheften, Konkret’s, Stern’s usw. ausgeschnitten und in einen Leitzordner fein säuberlich eingeordnet. Diese Akten habe ich noch immer. Es handelte sich da meist um politische Motive, Vietnamkrieg usw. Diese Bilder brauchten wir zuweilen für unsere Kreuzberger Stadtteilzeitung.

Und da fällt mir noch etwas sehr Lustiges ein. In diesen linken Konkret-Heften, die damals in den siebziger Jahren ein Klaus Rainer Röhl, der damalige Ehemann von Ulrike Meinhof, herausbrachte, wurden neben politischen Themen immer häufiger auch Nacktfotos veröffentlicht. Und beim Ausschneiden kam dir eines Nachts, wann auch sonst, der Gedanke ein gutes Geschäft mit der Produktion von Pornopuzzles zu machen. Du hast dann einfach diese Sexbilder nebenher auch ausgeschnitten, dann auf Pappe geklebt und mit der Schere wahllos zerschnitten.

Dann hast du, ich weiß nicht mehr in welchem Presseorgan, eine Anzeige mit dem Text: „Pornopuzzles zu verkaufen, DM 9,99“ aufgegeben, dann folgte Adresse und Postscheckkontonummer. Und du hast dich über die ersten Bestellungen sehr gefreut, ja was macht man nicht alles, um in einer Großstadt wie Berlin zu überleben. Du hast es immer wieder geschafft. Dann verschwandest du plötzlich mit Rainer nach England. Clemens Kuby hatte da wohl eine Connection zu einer britisch-revolutionären Filmcrew mit dem Namen „cinema action“.

Dort in London sollst du dich nach Aussage von Rainer März in eine hübsche Brasilianerin verknallt haben. Okay, warum auch nicht, aber du kamst wieder in die Frontstadt zurück und bewarbst dich an der Film-und Fernsehakademie am Theodor-Heuss-Platz. Und sie haben dich ohne Abitur und Studium dort aufgenommen. Diese Akademie stand unter starken Druck der linken Studenten, und diese bevorzugten Menschen aus proletarischen Verhältnissen.

Deine Eltern waren ja, nach deinen Schilderungen, nicht unbedingt Proleten. Beide Elternteile arbeiteten in der Gastronomie und in der Verwaltung von Altersheimen. Warum Dein Vater mit dir nicht klarkam, habe ich erst verstanden als ich von dir hörte, dass du in Berchtesgaden mit verrückten Kumpels über Autodächern gelaufen bist. Und dann irgendwann seid ihr betrunken nach dem Besuch in einer Disko gegen einen Baum gefahren. Du warst der Einzige von vier Mitfahrern, der dieses Unglück überlebte. Dieses Erlebnis hat lange Jahre bei dir in der Weise nachgewirkt, dass du eigentlich keine richtige Angst mehr vor dem Tod hattest. Aber auch vergessen konntest du nie, dass dein Vater als Strafmaßnahme oft ein Jahr nicht mehr mit dir gesprochen hat oder er dich oftmals zwang, gemeinsam mit eurem Berner Sennenhund zu speisen.

Okay, vergessen wir diese Psychoerziehung deiner Eltern. Nach einer Lehre als Physiklaborant zog es dich aus der Enge Berchtesgadens nach Berlin. Dort angekommen musstest du erst einmal deine Brötchen als Tagelöhner verdienen, hast in zehn Meter Höhe mit einer verrosteten Motorsäge Bäume von Reichen in Zehlendorf beschnitten und vieles andere mehr, aber das Medium Film hat dich irgendwie immer fasziniert. Ich habe um diese Zeit herum in Kreuzberg auf dem Bethaniengelände mein Medienzentrum aufgebaut, und so hatten wir auch beruflich eine freundschaftliche Nähe.

Weißt du noch, 1971 wurde damals ein Schwesternwohnheim, das Martha Maria Haus, auf diesem Gelände von Trebern und Jugendlichen aus dem Kreuzberger Kiez besetzt. Es wurde in Georg-von-Rauch-Haus umbenannt, und bis heute seit 1870 steht auf seinem Eingang der Spruch „Eins tut not “. Du hast auf der Film-und Fernsehakademie eine Suzanne Beyeler kennen gelernt, eine Schweizerin, und mit ihr und deinen alten Kumpel Rainer März, der es ein Jahr später mit deiner Hilfe auch auf dieser Filmschule geschafft hat, starteten ihr Drei einen Dokufilm über genau dieses besetzte Haus.

„Allein machen sie dich ein“, nach einem Rio Reiser Text, habt ihr euren ersten Schwarz-Weiß-16mm-Film benannt. Ein paar Jahre später hast du mit einen deiner Mitstudenten, Johannes Flütsch, einen sehr witzigen Film über einen Automatenspieler gedreht. Dieser Spieler mit Namen Diethard Wendtland konnte mit seiner speziellen Begabung Spielautomaten der Marke „Monarch“ in kurzer Zeit total leerfegen. Für diesen Film, produziert von Regina Ziegler, hast du mit Johannes einen Bundesfilmpreis erhalten.

Waren eigentlich bei dieser Preisverleihung deine Eltern nach Berlin gekommen? Ich glaube eher nicht. Dabei war es doch für dich ganz wichtig, deinen Eltern in Bad Aibling zu zeigen, dass du kein Looser mehr bist. Du hast mir erst vor ein paar Wochen erzählt, dass du richtig Geld erst nach deinem 40. Geburtstag verdient hast. Du wurdest am 22. September 1944 im Bombenhagel von Augsburg geboren, und demnach hast du erst in den Jahren 1984/85 so viel verdient, dass du auch mal in den Urlaub fahren konntest.

1985 haben wir zwei an zwei Projekten gearbeitet, einmal ein Film über ehemalige Rauchhausbewohner mit Rolf Zacher als Karl Marx und Marianne Enzensberger als seine Jenny, Musik Rio Reiser, und einen zweiten Dokufilm über eine Miss Germany, die mit einem Polizisten verheiratet war. Dieses Eheverhältnis hat dich sehr interessiert, und Harun Farocki hat das Exposé verfasst. Es war eine ZDF-Produktion. Und bei diesen Dreharbeiten, du Regie, Kamera David Slama und Ton ich, haben wir im Grunde jeden Abend nach Drehschluss nur noch gelacht, weißt du noch, als in Luxemburg dieser Miss-Germany-Preis verliehen wurde und ein Gunter Sachs im Hotel erschien und total überschminkt die Kandidatinnen abzutätscheln versuchte, und die haben sich das auch noch gefallen lassen.

Diese Preisverleihung wurde vom RTL aufgezeichnet, und wir durften deshalb für das ZDF nur ganz wenige Bilder nach Deutschland mitnehmen. Lustig war auch, dass du vor Drehbeginn einen alten Ford für unsere Dreharbeiten erworben hast. Mit diesem klapprigen Gefährt sind wir bis Paris gefahren, um eine alternde Miss Germany zu interviewen. Auf den Weg dahin blieb unser Oldtimer ständig stehen, und unsere Altmiss hatte im Hinterhof ein kleine Werkstatt, die spezielle Spionagegeräte herstellte und in Paris an diverse Agenten verkaufte, abschließend lud sie uns zum Essen ein, sie im Porsche und wir ständig anschiebend in unserem Freakford als Abgesandte des ZDF’s, und in dem teuren Restaurant winkte sie ständig dort speisenden Agenten zu.

Denn das hier war ihr Vertriebsnetz, wir wollten dann auch nicht mehr wissen, wie so ehemalige Miss heute ihr Leben finanzieren. Mein Waterloo-Erlebnis mit dir hatte ich Ende 1989, weißt du noch, ich wohnte mal für zwei Jahre in Oldenburg. Und irgendwie hatte die Berliner Delta-Filmproduktion die Idee, einen Kinofilm zum Thema Stau in Fahrt zu bringen. Du solltest mit mir das Drehbuch entwickeln und kamst nach Ostfriesland, und wir mieteten dort auf so einem komischen Freizeitgelände ein kleines Häuschen an und begannen sofort mit der Arbeit.

Kurz und gut, ich hatte unter anderem die Idee, dass unter anderen Urlaubern auch ein Finne mit einem Holzauto in diesen Superstau in Bayern fährt. Du fandest diese Idee auch sehr charmant und lustig. Aber dann kam der Produzent Richard Claus nach Oldenburg, und als er das mit dem finnischen Holzauto las, fuhr er schnurstracks wieder nach Berlin zurück. Keine Diskussion, Thema verfehlt – setzen, Möbius!

Du hast ja dann später noch mal sehr komödiantisch abgemildert mit Gerd Weiss dann doch noch diesen „Superstau“ unter reichlich viel Stress abgedreht. Aber schon 1990 kamen wir wieder zusammen, und ich bastelte dann an ein Drehbuch von einem DDR-Autor herum. Der Film hieß später „Grüß Gott Genosse“. Deine NDR Produzentin Doris Heinze war ja mit deiner Arbeit immer sehr einverstanden, und so bekamen wir auch den Auftrag, eine neue Polizeirufserie 110 zu entwerfen. Es sollte in diesen Filmen kein Mord geschehen. Wir beide haben uns daran gehalten, aber andere ARD-Sender in ihren Polizeiruf 110-Filmen nicht.

Du hast dich dann richtig ins Zeug gelegt und einen Polizeiruf nach dem anderen abgedreht. Und alle diese Filme mit Uwe Steimle und Kurt Böwe unter deiner Regie waren originell und voller Humor. Ich freue mich noch heute, dass ich Dir als Drehbuchautor oft bei diesen Streifen helfen durfte. Ich musste immer wieder über dich staunen, mit welcher kreativen und gleichzeitig produktivnaiven Art du Szenen und Bilder in unseren Drehvorlagen gesetzt hast.

Ich kam mir häufig wie ein konservativer Bildungsbürger vor, der sich noch immer nicht von der Dramaturgie eines Shakespeare oder Schiller zu lösen vermochte oder traute. Aber so „trauen“ hatte ja für dich seit deinem Autounfall in Berchtesgaden nur noch wenig Relevanz. Und du hattest ja auch nur sehr wenig Respekt vor diesen Fernsehgewaltigen wie Redakteuren und Produzenten.

Ich erinnere mich noch über ein Bild aus den neunziger Jahren, als du zu mir mit einer sehr sehr kurzer Sturmfrisur kamst, auf mein Erstaunen hin, sagtest du nur: „Ich fahre morgen nach Mainz, und da brauche ich diese Kampffrisur.“ Humor, ich habe mich immer wieder gefragt, und ich frage mich noch heute, wo du den immer wieder hergenommen hast – deine Kind- und Jugendzeit war doch nun wirklich mehr eine Schauergeschichte als ein Komödienstadel – stimmt’s?

Oder war sie doch im Umkehrsinn gerade deshalb so inspirierend, weil in deiner miesen Lage sich dein Humor wie ein Schutzschild um dich bildete? Aber Manni, du hattest, Gott sei Dank, auch viele tolle und mutige Mitstreiter. Und einige von diesen sind sogar zum Gedenken an dich hier in dieser Kapelle. Viele von ihnen haben dir auch durch ihr hinzufügen ihres „Mutterhumors“ bei deinen Inszenierungen geholfen, ich sage nur die „Münsterkrimis“. Ich nenne mal ein paar von vielen hunderten von Mitarbeitern beim Namen;

Deine genialen Kameraleute wie Michael Wiesweg, David Slama, Jörg Jeshel und Frido Feindt. Wunderbare Schauspielerinnen und Schauspieler wie Tilo Prückner, Jan Joseph Liefers, Detlev Buck, Armin Rhode, Pierre Besson, Günter Maria Halmer, Axel Prahl, Alexander Scheer, Laura Tonke, Senta Berger, Götz George, Katharina Thalbach, Florian Lukas, Elke Sommer, Karl Kranzkowski, Sigi Zimmerschied, Nadeshda Brennicke, Inga Busch und viele, viele mehr. Und nicht zu vergessen, deine langjährige Regieassistentin Susanne Petersen.

Lieber Manni, du warst in deinem Leben auf dieser Erde stets ein sehr bescheidener Mensch, ich habe dich auch nie in einer Talkshow gesehen, du wolltest immer nur deine Arbeit so professionell wie nur möglich machen. Das Ergebnis – fast 100 tolle Filme! Aber du würdest heute ruhig zugeben, dass sich deine Energie auch aus dem Bedürfnis speiste, deiner Mutter zu beweisen, dass du kein Versager bist.

Den Beweis konntest du ihr in einer Form geben, die jeder sofort versteht – Geld und Gold. Du hast oft größere Summe nach Bad Aibling, dem Wohnort deiner Mutter geschickt. Und sie hat ein Teil dann großzügig an nahe und ferne Verwandte weitergeleitet, aber stets mit dem Hinweis versehen, dass diese schönen Scheinchen von ihrem sehr erfolgreichen Sohn aus Berlin kamen. Die einen brauchten ein aktuell neues Hörgerät oder Gebiss, andere arbeitslose Neffen ein neues Auto oder auch nur einen neuen Satz Autoreifen.

Da stand ich mal mit deiner Mutter mit einem Produzenten am Filmset, und auf die Frage des Produzenten, was du denn eigentlich studiert hast, kam von ihr die prompte Antwort: „Mein Sohn, mein Manfred hat Physiklaborant studiert“, und dann von ihr die Gegenfrage: „Werden sie meinen Sohn auch weiterhin beschäftigen?“.

Ja, so einfühlsam und ehrlich können Mütter sein. Nun noch zum Schluss: du hast ja bis in den März und April hinein noch immer gearbeitet, mit mir hast du an einem Treatment für einen Rio Reiser Spielfilm gearbeitet, und dann an einer 8-teilige Kurzserie mit Tilo Prückner, die man sehr bald unter dem Titel „Die Bank“ im Fernsehen sehen wird. Ich hatte irgendwie bei meinen Besuchen bei dir immer das Gefühl, dass du uns noch gar nicht verlassen willst, jeden Sonnenstrahl aus unserem zurzeit unglaublich stahlblauen Himmel hast du noch genossen.

Aber deine ständigen Schmerzen raubten dir dann doch leider deine letzten Kräfte. Liebe Bea, seit 1984 war Manni dein Weggefährte und deine Liebe, Sylvester 1996 habt ihr euch in Las Vergas das Ja-Wort gegeben. Dein selbstloser professioneller Einsatz, um Mannis letzten fünf Jahre andauerndes Leiden zu mildern, war ein sehr, sehr großer Liebesbeweis.

Alle hier danken dir dafür und fühlen mit ganzem Herzen mit dir und deiner tiefen Trauer. Auch dir, Alexander Richter, sei hier für deine gute Beratung und Hilfe sehr gedankt. Lieber Manni, wir werden dich und dein künstlerisches Werk, das du uns hinterlassen hast, nie vergessen. Du bist nicht tot, du lebst in deinen Filmen weiter, und ich freue mich, in Zukunft viele deiner schönen Filme noch einmal ansehen zu dürfen. Deine gesellschaftlich kritische und komödiantische Sichtweise auf diese unsere Weltenkugel wird mich in meiner noch verbleibenden Lebenszeit für immer begleiten. Ich hoffe, wir sehen uns eines Tages wieder!

Dein Gert

Statt einer Biografie die Rede zur Bestattung von Manfred, die sein Freund Gert Möbius gehalten hat. (Gert Möbius war Manager der Rockband „Ton Steine Scherben“ und Mitbegründer des Berliner Tempodroms). Nach dem Tod seines Bruders Ralf, mit Künstlername Rio Reiser, gründete er das Rio-Reiser-Archiv. Heute wirkt er als Drehbuchautor und Filmproduzent.

Mariannenplatz, Berlin 36
Von links nach rechts: Manfred Stelzer, Marlis Kallweit im Jugenzentrum Hemmoor (Elbabwärts, kurz vor Cuxhaven. Backbord). Rundreise mit dem Film: Allein machen sie dich ein (Georg von Rauch Haus, Berlin) dffb
cc

Fotos aus Kreuzberg (VIII)

Foto von Helmut Schönberger
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