Rhythmographie (III)

Manchmal lohnt es sich, in Büchern nachzusehen. In dem »Kleines Filmlexikon« von Charles Reinert, erschienen 1946 in der »Verlagsanstalt Benzinger & Co. AG. Einsiedeln Zürich« steht auf Seite 279 unter dem Stichwort: “Rhythmographie: (in der Schweiz unter dem Namen «Detektionsverfahren» bekannt) — Bei der >Nachsynchronisation von fremdsprachigen Fen angewandtes Verfahren. Der fremdsprachige Dialogstreifen wird durch einen Oszillografen in grafischer >Amplitudenschrift auf einen Papier- oder F-Streifen aufgezeichnet (synchroner Lauf von Ton-, Bild und Oszillografenstreifen). Der neusprachige Dialog wird in exakter Übereinstimmung mit der oszillografischen Aufzeichnung der Originalsprache silbenweise auf den Papier- oder F-Streifen geschrieben. Mit optischen Signalen für die Sprecher versehen, wird dieser Streifen im Synchronraum unter dem F-Bild sichtbar vorgeführt u. bildet so für die Nachsprecher der neuen Fassung die mit dem Bild exakt synchron laufende Vorlage für die Ablesung ihres Textes.“

In dem Buch von Charles Reinert wird im Register: Filmschrifttum unter dem Stichwort Drehbuchgestaltung bereits auf das Buch von: “Abel, Viktor: Wie schreibt man einen F. 127 S. Sensenverlag 37“ hingewiesen.

Apropos Manfred Salzgeber

Manfred Salzberger ist tot

(Abschrift eines Artikels aus der TAZ vom 18. August 1994 von Mariam Niroumand)

PDF Abschrift des Nachrufs Manfred Salzgeber

Welches Lied ich ihm singen würde? Eins ohne Ort jedenfalls, leicht in Amsterdam oder Nyon, im Schiff oder Flugzeug zu pfeifen, ein Lied zum Mitnehmen, das nach Leder schmeckt, nach „bitte noch einen Manhattan, Herr Wirt“ und eins, das auch nach der neuesten Aidstoten-Statistik noch hörbar wäre. Man müßte es auch zu mehreren, aber vor allem während des Tippens, Telefonierens oder Filmeinlegens summen können. Salzgeber, Deutschlands mutigster Filmverleiher, Filmaktivist, Film- Passionario, ist am Freitag morgen in einem Berliner Krankenhaus im Alter von 51 Jahren an Aids gestorben.

Solche wie ihn, ein Zufallskind, mitgeschleppt aus Lodz nach Stuttgart auf der Flucht vor den Russen, nannte man im Schwäbischen „Neigschmeckte“. Der floh ins Kino, als Dreijähriger schon an Omas Hand in „Brüderlein fein“ (so daß man sich nicht wundern muß, wenn er sich in den sechziger Jahren nicht zu schade war, den Studenten nachts um drei den „Förster im Silberwald“ zu zeigen). Lesen, lesen, Milchflaschenpfand in Kinokarten umsetzen, Mutters Deutsch in den Briefen ans Wohnungsamt korrigieren – Salzgeber ist ein Steher gewesen, und es ist mir ein Rätsel, wieso das nie penetrant war; wieso man ohne Umschweife schluckt, daß er das erste Western-Lexikon als 14jähriger mit achthundert Anmerkungen vollgekritzelt hat, weil er die Fehler von Leuten korrigieren mußte, die die Filme im Gegensatz zu ihm eben nicht gesehen hatten.

„Ich hatte im Kino immer einen Blick für die Titten Gary Coopers, Robert Mitchums und anderer Ektoplasmen; als ich das dann mit anderen Kindern durchsprechen wollte, wurde mir schnell klar, daß ich nicht nur ein Neigschmeckter war, sondern auch noch ein Schwuler.“

Ab also nach Berlin: mit einer halben Schauspielschule und der abgeschlossenen Buchhändlerlehre in der Tasche fing er bei Marga Schoeller an, was damals, in den frühen Sechzigern, einer von Berlins mobilsten Buchläden war. Er reiste mit William Burroughs durch die Lande. Von seinem Schreibtisch aus organisierte er die ersten Kopien für das neu gegründete Arsenal, ein kommunales Kino, von einem Kollektiv betrieben. Als mal keine Eintrittskarten mehr da waren, gaben sie hartgekochte Eier an die Gäste aus, die allerdings ordentlich gestempelt und dann im Kino gegessen wurden. Alle machten wirklich alles und Manfred ein bißchen mehr: Putzen, Projektor bedienen, Karten abreißen. Was er mochte: Science-fiction, CinemaScope, Paris, Chaplin: als „Monsieur Verdoux“ am Kudamm floppte, zeigte er ihn im Dahlemer Bali, seinem Kino, unter dem Originaltitel sechs Monate lang, und ging später zu den Chaplins, die ihm die Filme für die erste komplette Chaplin-Retro Deutschlands gaben. Georg Kloster, Berlins Programmkino-Mogul, war noch bei Salzgeber Kartenabreißer gewesen; es hat ihn nicht übel verbittert, wie Leute „ohne Eier“ ihn schließlich finanziell überflügelten.

Lange hat er es mit den „Freunden der Deutschen Kinemathek“ nicht ausgehalten: „Aus dem Kollektiv wurden schnell Herr und Frau Direktor – mit Villa im Grunewald“, hat er später geflucht. Salzgeber wollte eine Reihe zum Thema Palästina veranstalten, mit israelischen und palästinensischen Filmen, und als ihm daraufhin Antisemitismus vorgeworfen wurde, verabschiedete er sich vom Arsenal.

Von seinem Coming-out hat er nie viel Aufhebens gemacht. Eines Tages, in den späten Sechzigern, kam Alf Boldt – ein Mit-Kollektivist und Berliner Underground- Film-Connaisseur, der vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls an Aids starb – mit dreißig roten Rosen in die Buchhandlung gestapft und fragte laut nach Frau Salzgeber. Die Kollegen applaudierten, und das war das.

Kurz darauf ging er mit Rosa von Praunheim und dessen Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ auf Tour durch achtzig große Städte. Es ist der Film mit der längsten Männerkußszene der Filmgeschichte: Viereinhalb Minuten waren es im Original, im Fernsehen dann 45 Sekunden, die Nation war außer sich. Der Küsser: Manfred Salzgeber.

Stammheim hat ihn einstweilen aus Deutschland vertrieben. Manche von den RAF-Aktivisten hatten mit ihm nachts im Bali gesessen und „Viva Maria“ gesehen. Als er einmal mit Dreitagebart aus dem Haus getreten und von jemandem beschimpft worden war: „Dich haben sie wohl zu vergasen vergessen“, zog er nach Amsterdam.

Moritz de Hadeln, der Leiter der Berliner Festspiele, hat ihn dann wiedergeholt. Salzgeber sollte die „Infoschau“ übernehmen, ein damals brachliegendes Parallelprogramm zum „Forum“, das erst durch Salzgeber das Panorama-Profil des ungekämmten Minderheitenkinos bekam: Filme wie „Together Alone“, der wohl schönste Aidsfilm der Welt, oder „Dialogues with Mad Women“, der ermutigendste Film für Paranoikerinnen, kamen unter seiner Regie nach Berlin.

1985, als er längst höchst alarmiert war, stellte er fest, daß kein Verleih sich wagte, „Buddies“, den ersten expliziten Aidsfilm, in die Kinos zu bringen. „Dieser Film kann Leben retten“ – sprachs und gründete prompt seinen eigenen Verleih: die „edition Manfred Salzgeber“, die mittlerweile über den Dächern des gutbürglichen Steglitz thront, mit kleiner Terasse, die Manfred Besuchern als Kirsche auf der Sahnetorte präsentierte. Es ärgerte ihn Tag und Nacht, daß die Aidshilfen lieber schlechte Kopien von Pressebändern dieser Filme zogen, als sie bei ihm zu leihen und damit Filmemacher zu unterstützen. „Die Vorstellung, daß Derek Jarman [inzwischen auch verstorben, d.R.] krank in einer kleinen Bude in London hockt und seine Miete nicht bezahlen kann, während die Aidshilfen für Staatsknete Hochglanz-Broschüren drucken lassen, macht mich wahnsinnig“, hat er mir einmal im Interview gesagt (taz vom 11.3. 1993).

Wahnsinnig gemacht hat ihn auch die deutsche Filmförderung (wen die nicht den Verstand kostet, der hat auch keinen zu verlieren). Lange hat er sich geweigert, Verleihförderung zu beantragen; aber bestimmte Projekte gingen eben nicht ohne. „Inzwischen muß der Kinoverleih, an dem unser Herz hängt, ohnehin durch Videoproduktion, Ankauf von Fernsehplätzen und Lizenzhandel gestützt werden“, sagt Björn Koll, einer der Erben aus Salzgebers schwuler Familie.

Vorsichtig äußern sie Zuversicht; schon seinetwegen wollen sie weitermachen. „Aids“, sagt Kurt Kupferschmid, „hat ihn vor allem geärgert. Wenn sein Körper nicht wollte, daß er ins Babylon fährt und Gus van Sants ,Mala Noche‘ vorstellt, dann hat er ihn eben gezwungen: halbe Flasche Sekt, paar Aspirin, und ab ging’s.“ Daß Leute manchmal so verrückte Sachen machen wie Seeurlaub oder „drei Tage im Grünen“ hatte er zwar mal irgendwo gehört, aber doch nie erlebt. Ist das nie jemandem auf die Nerven gegangen, hat das nicht was Protestantisches? „Nein, hat es nicht“, meint Kurt, „mir ging es mal drei Wochen lang sehr schlecht, da kannten wir uns noch gar nicht richtig, da hat er mich jeden Tag angerufen, auch von unterwegs aus. Wenn es einem schlecht ging oder man wollte ficken gehen, war er völlig einverstanden. Bloß simple Erholung, das ging nicht in seinen Kopf.“

Er selbst war in der Lederszene zu Hause, aber in der ohne Uniformen, und eher parlierenderweise am Thresen als in der Klappe. Welchen Film ich ihm spielen würde? „Together Alone“ ganz sicher, ein Zwiegespräch in Moll und Dur und Angst und Witz, in das Manfred Salzgeber ebenso leicht hineingeglitten wäre wie in einen samtroten Kinositz. Mariam Niroumand

Nächsten Mittwoch um 11.30 Uhr findet im Berliner Filmpalast eine Trauerfeier statt, auf der noch einmal „Blue“ von Derek Jarman gezeigt wird. Statt Blumen wünschte sich Salzgeber einen Beitrag für die Arbeit mit Aidsfilmen. Konto 390 871 7402, H.Herdege – Sonderkonto Salzgeber, Volksbank Göttingen, BLZ 260 900 50. (Vermutlich gibt es dieses Konto nicht mehr)

Der Artikel gefällt mir immer noch und die falsche Überschrift hat vermutlich wer anders geschrieben. Aber mit dieser Überschrift findet vielleicht die nächste Suchgeneration den Nachruf nicht. Manfred hätte bestimmt nichts dagegen gehabt und waere mit dieser Hochladung bestimmt einverstanden gewesen, habe ich mir eingeredet. Nur das Bali Kino ist keineswegs in Dahlem, sondern damals und auch heute noch in Zehlendorf. Am S-Bahnhof Zehlendorf, geführt von einer würdigen Nachfolgerin. Einer Neigschmeckten, die von einem Kino aus Mannheim kam.

Arsenal Kino 1970 Welserstraße

Bürger beobachten das Fernsehen

Hallo J. Na, da hat aber ein Bürger das Fernsehen sehr genau beobachtet! Falls mir was einfällt, womit man dich beschäftigen oder unterhalten kann, mache ich natürlich sofort Mitteilung.

Hallo S. Seit dem die weltweite Krankheit da ist, schaue ich außerordentlich viel Fernsehen. Gerne sehe ich die Virologinnen aller Länder. Besonders gerne die attraktive Virologin aus dem Hamburger UKE, aber auch der Herr von Scharitee in Berlin gefällt mir gut.

Hallo J. Ich gucke nicht, ich lese nur. Das finde ich leichter verdaulich. Hallo S. Besonders interessieren mich immer die Antworten auf die immer wieder gestellten Fragen, als da wären: Warum es in New York so wenig Beatmungsgeräte und so viele Kühlwagen gibt. Hallo J. Das weiss ich allerdings auch nicht. Warum denn? Hallo S. Die Antworten fehlen. Das ist vermutlich geheim. Die Sender, die mir die freundliche Genossenschaft zur Verfügung stellt, haben jetzt öfter Motten (meint die Mehrzahl von Motto) an verschiedenen Stellen des übertragenen Bildes. Hier die Zusammenstellung, die ich extra durch Beobachtung für Dich hergestellt habe, weil Du bestimmt diese Sender alle nicht beobachtest. Hallo J. In der Tat. Hallo S. NDR Drittes Programm Hamburg links oben steht: Der Norden hält zusammen (leider wird nicht mitgeteilt, was oder wen der Norden da zusammen hält und wer denn eigentlich dieser Norden ist). Hallo J. Na, das ist doch richtiges Deutsch. Auch wenns natürlich nicht wahr ist. Hallo S. Der BR (3. Programm) rechts oben: „daheim bleiben“. Man weiß nicht recht, sollen nur die Bayern daheim bleiben oder auch die anderen Stämme? Hallo J. Richtet sich vielleicht nur an die südlichen Stämme, die „daheim“ sagen und nicht „zuhause“ (wozu wir ja gleich noch kommen). Hallo S. Der WDR schreibt einfach nur (links oben) Zuhause und das in einem Wort, was immer das sein soll. Hallo J. Ist beides richtig, zusammen und getrennt. Und als Substantiv muss man es sogar zusammen schreiben: „mein Zuhause“. Hallo S. Heute morgen um 9.00 Uhr hatten sie eine gute Sendung mit Armin Maiwald über seinen Papa. Hallo J. Du siehst morgens um 9 Uhr fern? Das ist aber schon ein bisschen besorgniserregend. Hallo S. Leider ist die Sendung mit der Maus in gewisser Weise auch schon verstümmelt. Sie passen sich an den Rest des Programmes an, das kein Bild mehr über den Sender geht, wo nicht mindestens ein Klavier im Hintergrund zu hören ist. Hallo J. Ja, der Zug ist abgefahren. Leider. Hallo S. Dabei fällt mir noch auf, wann hat das eigentlich mit den Namens-Mützen für die Mikros angefangen? Ich mein, weil jedes Mikro jetzt eine Mütze auf hat! Damit es wieder in die richtige Kiste reinkommt? Und das auch niemand vergisst, wem das Mikro gehört? Damit der Dieb, wenn er es klaut, wenigstens ein schlechtes Gewissen hat!? Der muß ihm dann die Mütze wegnehmen und dann kommt der Wind ins Mikro. Oder warum muß das Mikro ständig seine Herkunft zeigen? Weil die Leute immer blöder werden? Früher haben nur kleine Zeichen darauf aufmerksam gemacht, dass das MKH 451 von Sennheiser hergestellt worden ist! Hallo J. Das weiss ich nicht, ist aber eine interessante Beobachtung. Hallo S. Der HR schreibt: zusammenhalten (ebenfalls in einen Wort) Hallo J. Gehört sich auch so. Die Faustregel lautet, wenn der erste Wortteil betont wird (in diesem Fall „zusammen“), wird das Verb zusammengeschrieben. Hallo S. Wo man nicht recht weiss, ob sich das nur an die Frankfurter mit ihren Würstchen wendet. Haben nicht auch die Kameraden früher immer zusammen gehalten, wenn sie plündern waren? Hallo J. Ja, das ist eins dieser politisch verdächtigen Wörter, die sich für praktisch alle Zwecke eignen. Hallo S. Der MDR titelt (links oben): ZUHAUSE # MITEINDANDERSTARK (Beide Worte in Großbuchstaben mit der Raute von Angela dazwischen und zusammengeschrieben (vermutlich um Platz zu sparen) Hallo J. Nee, das hat mit Platz sparen nichts zu tun; das ist ein hashtag. Falls du jetzt, was ich für wahrscheinlich halte, sagst, „wassn das“, schlage ich vor, dass du mal nachguckst, was es ist (hier zum Beispiel: https://brucker-solutions.de/was-ist-ein-hashtag-und-wofuer-braucht-man-es/); du wirst es zwar selber wahrscheinlich nie brauchen, aber es erleichtert die Kommunikation mit der jüngeren Generation. Und das ist doch zumindest ein bisschen nützlicher als auswendig zu lernen, welche Verben zusammengeschrieben werden. Hallo S. Der SWR hat es auch mit den Großbuchstaben und schreibt FÜR EUCH DA (Vermutlich ist der Sendeplatz gemeint, der eben da ist, wo er jetzt ist und nicht woanders, sonst würde da ja jetzt stehen: FÜR EUCH JETZT HIER. Hallo J. Na, das ist jetzt aber schon sehr kleinkrämerisch. Hallo S. Und nun kommst Du, und nicht, dass Du schreibst, ich hätte diesen Text nur geschrieben, weil ich Cleopatra und Caesar nicht mehr habe aushalten können. Hallo J. Ja, irgendwie ist mir auch langweilig. Hallo S. Ja, das merk ich. Hallo J. Ich habe einen Freund im ländlichen Kanada, den die Viruskrise direkt nach einer extrem unschönen Scheidung und dem Auszug aus dem gemeinsam bewohnten Haus erwischte, und zwar in einem Trailer auf dem Gelände eines Hundeübungsplatzes (heisst das so?) ohne Klo, Herd und Kühlschrank. Dort wollte er eigentlich nur ein paar Wochen bleiben, bis eine neue Wohnung gefunden war, und dann kann das (der?) Virus. Nun sitzt er da und kann nicht weg. Das Internet reicht nicht aus zum Filme gucken, und so hat er sich denn auf den Weg zur nächsten Tankstelle begeben (ich weiss aus eigener Erfahrung, dass die im ländlichen Ontario gern mal 60 km weit weg sind) in der Hoffnung, da einen Armvoll DVDs zu ergattern, aber die Idee hatten schon andere gehabt, und es gab noch genau drei, und zwar folgende:- die erste Staffel von „Kojak“- Robocop 3– einen Kung Fu-Film auf chinesisch. Die hat er dann alle gekauft und guckt sie sich seitdem reihum an. Ich fand das todkomisch (hab‘ ich ihm natürlich nicht gesagt) und habe gedacht, da müsste doch eigentlich jemand mit einen Sinn für Tragikomik einen Film draus machen. Falls mir was einfällt, womit man dich beschäftigen oder unterhalten kann, mache ich natürlich sofort Mitteilung. S.

Tagebucheintrag Montag, d. 6. April 2020 Die Antennenanlage des BVE der Firma PŸUR bietet an: N3 Der Norden hält zusammen; BR daheim bleiben; WDR ZUHAUSE ZUHAUSE (2 X; HR # zusammenhalten; MDR ZUHAUSE # MITEINANDER STARK; SWR FÜR EUCH DA; SR Zusammenhalten; Doku WirBleibenZuhause; Pro 7 Wir Bleiben Zuhause; RBB (habe ich mir nicht notiert) – ist immer besonders blöde- z. B. schreiben sie auf ihre Autos den frommen Wunsch: Nur nicht langweilen. (Hat vermutlich jemand von ihnen im Internet das Zitat von Kurt T. gelesen, vermutlich der Pförtner)

Der Kameramann

In Erinnerung an Renate Holland Moritz (II) Interview mit Andreas Kurtz

Renate Holland-Moritz (R.H.M.) schreibt seit 50 Jahren in der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel ihre Filmkritiken. Sie waren zu DDR-Zeiten Kult: Die Kinoeule. Interview mit Andreas Kurtz (A.K.)

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Zur Person: Renate Holland-Moritz (R.H.M.) wurde in Berlin-Wedding geboren, wuchs aber in Südthüringen auf. Nach nicht abgeschlossenem Oberschulbesuch begann sie als Volontärin und Assistentin bei verschiedenen Berliner Tageszeitungen. Seit 1956 ist sie freiberufliche Mitarbeiterin der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“. Seit 1960 veröffentlicht sie dort unter dem Titel „Kino-Eule“ Filmkritiken. Sie hat eine Vielzahl satirischer Erzählungen im „Eulenspiegel“ und in Büchern veröffentlicht, von denen zwei vom DDR-Fernsehen und der Defa auch verfilmt wurden.

(A.K.): Vor fünfzig Jahren erschien im Satiremagazin Eulenspiegel zum ersten Mal die Autorenzeile Renate Holland-Moritz. Wie kam es dazu? (R.H.M.): Die Phase des Ausprobierens hatte ich damals mit einundzwanzig schon hinter mir. Das war wie Heimkehr. Das war genau der Ort, an den ich wollte, ohne begründete Hoffnung, dass die Eulen-Leute auch mich wollten. Ich hätte denen von mir aus nichts angeboten. A.K Wer hat Sie dazu angestiftet? (R.H.M.) Mein väterlicher Freund Rudolf Hirsch, der legendäre Gerichtsreporter der Wochenpost. Der war dabei, als ich am Stammtisch der Gerichtsreporter erzählte, wie ich dauernd mit anderen jungen Mädchen verwechselt wurde und dadurch in die peinlichsten Situationen geriet. „Schreib das auf!“ sagte er, und nachdem er meine allererste Geschichte „Ich habe ein Dutzendgesicht“ gelesen hatte, wollte er, dass ich sie dem Eulenspiegel schicke. Eigentlich habe ich mich immer wie ein Preuße benommen, der Befehle ausführt. Es mussten nur Befehlsgeber sein, die ich mochte und ernst nehmen konnte. (A.K.) Sind Sie es noch? (R.H.M.) Ich werde immer preußischer. Zum Beispiel bei Lieferterminen. Mittlerweile ist für mich pünktlich, wenn ich überpünktlich liefere, ein oder zwei Tage vorher. Es wird schlimmer. Im Alter verschärfen sich eben alle Wesenszüge. Besonders die unangenehmen. (A.K.) Das mit den Gerichtsreportagen war ein Umweg? (R.H.M.) Gewissermaßen. Ich hatte im Schweinsgalopp eine zweijährige Lehrzeit in verschiedenen Ost-Berliner Redaktionen durchlaufen. Das fing bei der Vierteljahreszeitschrift „Sowjetwissenschaft“ an. Also, da war ich so was von falsch! Ich konnte ja noch nicht einmal ordentlich russisch. Dann kam ich in die Monatszeitschrift „Neue Gesellschaft“, danach in die „Friedenspost“ und von dort zur „BZ am Abend“, heute der Berliner Kurier. Aus der „BZ am Abend“ bin ich rausgeschmissen worden. (A.K.) Wie kam es dazu? (R.H.M.) Der stellvertretende Chefredakteur war hinter mir her. Aber der war mir hochgradig unsympathisch. Als er mitkriegte, dass ich einen anderen Kollegen favorisierte, hat er mich fristlos entlassen. Wegen unmoralischen Verhaltens. Eine typische Nummer aus den 1950er- Jahren: Verhältnisse am Arbeitsplatz waren unerwünscht, und das Verdikt traf immer die Frau. (A.K.) Hat Sie das aus der Bahn geworfen? (R.H.M.) Nee. Ich kannte ja genügend Leute in anderen Redaktionen, die alle sagten: Kommste eben zu uns. Sobald sie aber meine Kaderakte gelesen hatten, gab es plötzlich keine Vakanz mehr. Ich war 19 und habe keine Festanstellung mehr gekriegt. Musste also zusehen, wie ich mich freiberuflich durchschlage. (A.K.) So gerieten Sie unter die Gerichtsreporter? (R.H.M.) Genau. Rudolf Hirsch sagte: „Schreib Gerichtsberichte, das kann nämlich jeder. Aber sag’s nicht weiter.“ Später fand er, ich sei bei den Satirikern doch besser aufgehoben. (A.K.) Hat nie wieder eine Festanstellung gelockt? (R.H.M.) Im Eulenspiegel musste ich mal zwei Jahre als Humor-Redakteurin arbeiten, weil mein Freund John Stave gekündigt hatte. Erst wollte ich nicht, weil die ja schon um acht Uhr anfingen. Um die Zeit kann ich noch nicht klar denken. Also bin ich so gegen zehne, elfe eingetrudelt. Nach einem Riesenkrach mit Chefredakteur Peter Nelken kam ich dann pünktlich, hängte allerdings ein „Bitte nicht stören“-Schild an die Türklinke und packte mich erst mal für zwei Stündchen auf die Couch. Da hatte der Chef ein Einsehen und ließ mich zu Hause ausschlafen, zumal ich die gesamte Post in der S-Bahn zwischen Grünau und Friedrichstraße erledigte. Nelken sagte immer: „Ich bezahle meine Leute nicht für ihren Hintern, sondern für geleistete Arbeit.“ (A.K.) Haben Sie eigentlich jemals ihre Kaderakte zu Gesicht bekommen? (R.H.M.) Beim Eulenspiegel hatten wir eine Kader-Instrukteurin, eine ungeheuer nette, junge Frau. Wir haben immer mal in ihrem Zimmer zusammengesessen und Kaffee getrunken. Eines Tages stand der Safe offen, und ich fragte: „Was sind denn da für furchtbar geheime Dinger drin?“ – Darauf sie: „Zum Beispiel die Kaderakten. Willste mal in deine reinschauen?“(A.K.) Sie wollten natürlich? (R.H.M.) Na klar! Und ich fand die Aktennotiz von diesem stellvertretenden Chefredakteur der BZA, in der stand, meine fristlose Entlassung erfolge wegen politischer Unreife und zweifelhafter Moral. Die zweifelhafte Moral hat mich nicht um weitere Festanstellungen gebracht, nur die politische Unreife! Mit solchen denunziatorischen Eintragungen konnte man einem Menschen die Zukunft versauen. Mir ist es allerdings zum Segen ausgeschlagen. (A.K.) Ihre Klatschgeschichten, die 1986 unter dem Titel „Die tote Else – Ein wahrhaftiges Klatschbuch“ erschienen, sind eine geschickt getarnte Autobiografie. Wie kam es dazu? (R.H.M.) 1974 hatte ich eine Einladung von der Reichsbahn in West-Berlin zu einer Lesung. Ich habe mich natürlich wahnsinnig gefreut. Den Pass dafür durfte ich mir im Büro des Schriftstellerverbandes abholen. Ein paar Wochen später kriegte ich wieder eine Einladung zur West-Berliner Reichsbahn. Als ich mir erneut den Pass abholte, kam ich mit der zuständigen Kollegin ins Gespräch. Sie sagte, sie habe den schönsten Posten im ganzen Schriftstellerverband, denn zu ihr kämen nur gut gelaunte Leute. Wegen der bevorstehenden Westreisen. (A.K.) Kamen denn viele? (R.H.M.) Mehr und mehr, behauptete die Verbands-Kollegin. Dann gab sie mir den Tipp mit dem Vierteljahresvisum. Für den Antrag brauchte ich nur eine halbwegs glaubwürdige Recherche-Idee. Nach einem Blick in meine Unterlagen sagte sie: „Mensch, du bist ja in West-Berlin geboren! Für eine Autobiografie musst du an Ort und Stelle nach deinen Wurzeln suchen!“ (A.K.) Damals waren Sie noch nicht einmal 40. Bisschen früh für eine Autobiografie, oder? (R.H.M.) Das war auch mein Einwand. Den ließ sie aber nicht gelten: „Mit dem Suchen kann man gar nicht früh genug anfangen!“ So kam ich zu meinem ersten Vierteljahresvisum. Ab 1975 durfte ich dann auch jedes Jahr zur Berlinale. Klatsch galt in der DDR als besonders unappetitliche Erscheinungsform der bürgerlichen Publizistik. (A.K.) Wieso durften Sie trotzdem ein Klatschbuch schreiben? (R.H.M.) Erzählt habe ich Klatschgeschichten ja schon immer. Und irgendwann sagte Wolfgang Sellin, der damalige Chef vom Eulenspiegel-Buchverlag: „Du solltest das langsam mal aufschreiben! Damit man sagen kann: Steht auf Seite soundso, hast du schon erzählt!“ (A.K.) In diesen Geschichten geht es vordergründig immer um nationale und internationale Prominente. (A.K.) Wie viele Klatschbücher haben sich verkauft? (R.H.M.) In zwei Jahren erschienen drei Auflagen mit jeweils 20 000 Exemplaren. So schnell konnte man gar nicht gucken, wie die weg waren. Aber dann war die DDR weg und vorübergehend auch das Interesse an hausgemachten Büchern. Als es wieder erwachte, druckte der Eulenspiegel Verlag die Fortsetzung „Die tote Else lebt“, wovon es bereits die 4. Auflage gibt. (A.K.) Verkauften sich zu DDR-Zeiten alle Ihre Bücher so schnell? (R.H.M.) Ich hatte da mal ein Schockerlebnis. „Die Eule im Kino“, meine allererste Sammlung von Filmkritiken aus den Jahren 1960 bis 1980, stand drei Wochen in den Regalen der Buchhandlungen. Ich hatte das Gefühl: Nun ist alles vorbei! Eines meiner Bücher oberhalb des Ladentisches heißt: Kein Mensch will mehr etwas von mir wissen! Inzwischen gibt es „Die Eule im Kino“ Band I und Band II (1980-1990) nur noch antiquarisch, während Band III (1991-2005) im Handel ist. (A.K.) Warum durften Sie sich in der DDR mehr als andere Filmkritiker erlauben? Weil Sie bei einem Satireblatt waren? (R.H.M.) Das war nur am Anfang so. Da hat man gesagt, Satire braucht eine etwas längere Leine, sonst funktioniert sie nicht. Dann hatte dieser entsetzliche Joachim Herrmann als SED-Agitationschef den Ehrgeiz, aus Fernsehen und Defa eine Firma zu machen, die er zu leiten gedachte. Das wiederum hat SED-Kulturchef Kurt Hager nicht zugelassen, denn für ihn, den hochgebildeten Zyniker, war Joachim Herrmann ein indiskutabler Emporkömmling. Von da an war es dem Herrmann egal, wie mit der Defa in den Medien umgegangen wurde, folglich waren auch die Kritiken schärfer. (A.K.) Heutzutage gibt es Pressevorführungen, wenn neue Filme herauskommen. Wie war das damals? (R.H.M.) Da gab es die natürlich auch, und nach den Vorführungen der Defa-Filme zusätzlich Pressekonferenzen, bei denen sich die Schöpfer den Fragen und nicht seltenen Zornesausbrüchen der Kritiker stellen mussten. Da wurde wirklich mit harten Bandagen gearbeitet. Am meisten gefürchtet waren übrigens meine Kolleginnen Rosemarie Rehahn von der Wochenpost und Margit Voß vom Berliner Rundfunk. Die eine kämpfte mit dem Florett, die andere mit dem Degen, während ich die Dampframme bevorzugte. (A.K.) Stimmt es, dass ein Regisseur Ihnen mal Prügel angedroht hat? (R.H.M.) Ja, aber den Namen sage ich nicht. Schließlich lebt der Mann noch. Für welche Filmkritik? (R.H.M.) Das weiß ich nicht mehr. Aber seine Filme habe ich alle verrissen. Er konnte also zuschlagen, wann immer er wollte, er hätte immer recht gehabt. Dankenswerterweise verzichtete er darauf. (A.K.) In den 1960ern hat für anderthalb Jahre jemand anderes die Kino-Eule geschrieben. Warum? (R.H.M.) Weil ich einen Riesenknatsch mit der Redaktion hatte und ungeheuer stur war. So entkam ich der auch für Filmkritiker entsetzlichen Zeit des 11. ZK-Plenums, dem fast eine ganze Jahresproduktion der Defa zum Opfer fiel. Und ich hätte ohne diese Pause möglicherweise nie „Das Durchgangszimmer“ geschrieben. (A.K.) Wie fanden Sie den Film „Florentiner 73“, den das DDR-Fernsehen daraus gemacht hat? (R.H.M.) Ganz nett, aber Agnes Kraus war hervorragend. (A.K.) Haben Sie das auch geschrieben? (R.H.M.) Nein, das war ja ein Fernsehfilm. Aber auch über den Kinofilm „Der Mann der nach der Oma kam“ nach meiner Erzählung „Graffunda räumt auf“ habe ich nicht geschrieben. Das hat ein Kollege gemacht, nicht ganz so kritisch, wie ich es getan hätte. Trotzdem war es einer der erfolgreichsten Defa-Filme aller Zeiten. (A.K.) Ist Ihnen oft in Ihre Filmauswahl reingeredet worden? (A.K.) Von der Redaktion nie, weder damals noch heute. Im Jahre 1984 wünschte sich die ZK-Abteilung Agitation und Propaganda Lob für den misslungenen Clara-Zetkin-Film „Wo andere schweigen“ und Tadel für den sehr kritischen Gegenwartsfilm „Erscheinen Pflicht“. In beiden Fällen war ich anderer Meinung, und die durfte ich dann für mich behalten. (A.K.) Einmal haben Sie ein Bestechungsgeschenk angenommen. (R.H.M.) Eine sehr dekorative Eule für Ihre große Eulensammlung. (A.K.) Von Dean Reed, dessen Filme Sie bis dahin immer verrissen hatten. Und als Gegenleistung verlangte er eine positive Kritik für seinen nächsten Film. (R.H.M.) Weil es sich dabei um „Sing, Cowboy, sing“ handelte, konnte ich mich nicht an den Deal halten. Deshalb bat ich Freunde, die im Kulturmagazin des DDR-Fernsehens arbeiteten, mich unter irgendeinem Vorwand zu interviewen, um bei der Gelegenheit auf meine Eulensammlung zu sprechen zu kommen und die Herkunft des Prachtstücks zu erklären. Da habe ich dann eingeräumt, mich als korrupt erwiesen zu haben, aber nicht als korrumpierbar. Selbstverständlich könne Dean sein Eigentum wieder abholen – wenn er das Gesicht verlieren wolle. Dieser Halbsatz hat mir die Eule gerettet. (A.K.) Sie wohnen mit Ihrem Mann, Tausenden von Büchern und ungezählten Eulen aus allen denkbaren Materialien in einer großen Wohnung in der Leipziger Straße. Hatten Sie nie Lust, diese Hochhauswohnung gegen ein Häuschen im Grünen zu tauschen? (R.H.M.) Das lief genau umgekehrt. Wir haben in Bohnsdorf gewohnt, am südlichsten Zipfel Berlins in einem Reihenhaus der über 100 Jahre alten Arbeiterbaugenossenschaft Paradies. Wir hatten so ein Eckgrundstück, mit Garten dran und Garage drauf. Uns hat die Entfernung zur Stadt genervt. Mein Mann fuhr jeden Tag eine halbe Stunde rein und ein halbe Stunde wieder heim. Und ich musste wegen Zeitmangels dauernd Taxis nehmen. Vor dem endgültigen finanziellen Ruin haben wir lieber getauscht. (A.K.) Wann haben Sie sich zuletzt richtig über einen Film geärgert?(R.H.M.) Dauernd. Jedenfalls mehrmals wöchentlich. Zu DDR-Zeiten dachte ich oft, alle Schrecken, die ein Mensch im Kino erleben könnte, hätte ich bereits erlebt. Das war ein Irrtum. (A.K.) Über welchen Film haben Sie sich zuletzt gefreut? (R.H.M.) Über den wunderbaren „Volver“ des Spaniers Pedro Almodóvar. Und über die deutschen Produktionen „Wer früher stirbt, ist länger tot“ und „Die Könige der Nutzholzgewinnung“. Und wer immer noch nicht meine Lieblingsfilme „Alles auf Zucker“ von Dani Levy und „Sommer vorm Balkon“ von Andreas Dresen gesehen hat, der schere sich gefälligst hin. Darum möchte ich höflichst bitten. (A.K.) Was bereuen Sie im Rückblick auf Ihre Arbeit? (R.H.M.) Dass ich einen Rat von Friedrich Luft zu spät erhalten habe. Der sagte, Kritiker dürften mit den zu Kritisierenden nicht auf dem Duzfuß stehen. (A.K.) Hat Sie das schon mal in die Bredouille gebracht? (R.H.M.) Einmal. Es ging um Werner Bergmann, den langjährigen Kameramann von Konrad Wolf. Sein erster eigener, also von ihm auch geschriebener und inszenierter Film hieß „Nachtspiele“. Ich fand ihn misslungen und wollte eigentlich den Mantel des Schweigens darüber breiten. Aber dann hätten die bei der Defa mit Fug und Recht sagen können, mit der Eule muss man sich nur anfreunden, dann hält sie im Zweifelsfall die Klappe. Und deshalb habe ich geschrieben. Unter Qualen. Mit Tränenergüssen. Reichlich zwei Wochen später kam ein Brief von Werner Bergmann. Darin schrieb er, er habe die Zeit gebraucht, um mit dem Schlag in die Magengrube fertig zu werden. Nun aber wolle er sagen, was wäre Freundschaft, wenn sie Wahrheit nicht vertrüge. Das fand ich groß. (A.K.) Haben Sie verstanden, warum Ihre Rubrik im Eulenspiegel nach Jahrzehnten vom sehr markanten „Kino-Eule“ in ein nichts sagendes „Kino“ umbenannt wurde? Nein. (A.K.) Was raten Sie jungen Filmkritikern? (R.H.M.) „Immer deutlich sein. Die Anzahl der Fremdwörter auf ein vertretbares Maß reduzieren. Die Leser, unter denen es ja auch Nichtakademiker geben soll, müssen erkennen können, ob ihnen der Film empfohlen oder ob vor ihm gewarnt wird. Ein Kritiker muss von wiedererkennbarer Gesinnung sein. Früher kriegte ich manchmal Briefe, in denen stand: Wir gehen in jeden Film, den Sie verreißen, und es war noch immer ein gelungener Abend. Auch so entsteht Verlässlichkeit.“ Renate Holland Moritz. Vielleicht sollten wir uns ein paar Scheiben davon abschneiden,. meint Wessi J.

Briefe an Wiebeke (III) zum Buch: David Wittenberg Film und Text

Romische Zahlen am BUG

Hallo Wiebeke,

das Buch kam in meine Hände, weil mein Freund Dietrich Leder das Nachwort geschrieben hat. Wie es sich für ein Nachwort gehört, ist es hinten im Buch auf den Seiten 403 – 422. Ich habe deswegen die Krimi Lese Methode angewandt und zuerst die letzten Seiten des Buches gelesen. So erfährt man bei Krimis immer vorher, wer der Mörder ist und kann dann entscheiden, ob man den Rest auch lesen will. Habe ich gemacht:

Den Rest auch gelesen. Das Nachwort ist nicht der letzte Text in diesem Buch. Bevor das Buch zu Ende geht, kommt noch eine Filmographie, denn David Wittenberg ist Filmemacher. Es folgt eine „Editorische Nachbemerkung“ (Zwei Seiten) von Irma Wittenberg, die die Texte aus den Jahren 1965 – 2010 herausgesucht hat. Ich kenne einige Filme von ihm und habe, in meiner kurzen Karriere als Filmverleiher bei Zentral Film, einige Filme von ihm und Edith Schmidt, mehr oder weniger erfolglos, verliehen. (Der Lip Film gehoerte dazu). Zu schreiben, in dem Buch werden die Filme gezeigt, wäre falsch, beschrieben wäre auch nicht richtig, vielleicht passt am besten:

Mit Hinweisen versehen. Ein spannendes und manchmal kurzweiliges Buch. Man merkt den Texten an, hier war jemand mit Freude unterwegs. Keine Fleißarbeit, die die Mühe zeigt, mit der sie entstanden ist. Manchmal sind es spannende Gespräche, die von D. W. geführt werden. Besondere Freude machen mir Fundstücke, so wie dieses (willkürlich herausgesucht):

Im Kapitel : Zeitsprung – Von Menschen und Denkmälern auf Seite 101. Überschrift: Der kleine Alltag.

»“Berlin, Alt Rudow 43, Auf einer Gedenktafel heißt es: Hier stand das Geburtshaus von Heinrich Stahl, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 1933 – 1942. Dazu gab es einen Festakt des Berliner Senats, 1993, Stahl war aber Vorsitzender nur bis 1940, da wurde er von den Nazis aus dem Amt gejagt. Er wurde 1942 in Theresienstadt ermordet. Die Tafel hängt auch am falschen Haus. Das Geburtshaus, Alt Rudow 41 gehört einem Bäckermeister, der ein halbes Jahr nachdachte und dann die Gedenktafel doch lieber nicht am Haus haben wollte. Jetzt ist sie am Nachbarhaus befestigt. Das wird im Herbst 1993 abgerissen.“«

Quelle. Film und Text. Seite 101, David Wittenberg, Sa.Ga. Verlag für die Gesellschaft. 1. Auflage, Tbilissi, Georgien 2020.
ISBN 978-9941-8-24812-4

Nur als Hinweis für Menschen, die die Ecke von Berlin nicht kennen. Der Ausschnitt aus dem Falkplan. Alt Rudow 41 hat die Postleitzahl 12357 und ist im Planquadrat W 5 des Berliner Falk Planes zu finden.

David Wittenberg- Film und Text, Seite 111 (Aus dem Kapitel Zeitsprung- Von Menschen und Denkmälern).

„Die Neue Wache von Schinkel war zu DDR -Zeiten den „Opfern des Faschismus und Militarismus“ gewidmet, mit zwei symbolischen Urnen, eine „Dem unbekannten Soldaten“, die andere „Dem unbekannten Widerstandskämpfer“; es war nicht klar, ob vielleicht der unbekannte Soldat den unbekannten Widerstandskämpfer ermordet hatte“.

(David Wittenberg- Film und Text, Verlag für die Gesellschaft. 2020)

Diese Texte finden sich unter der Überschrift:„Was ist zumutbar?

Ein zurück gekehrter Emigrant berichtet, nach Besuch einer Ausstellung über Anne Frank habe eine ältere Dame ganz bewegt gemeint: „Aber warum hat man dieses Mädchen nicht wenigstens retten können?“

Ein Mitarbeiter der Gedenkstätte Buchenwald führte 1993 im Frühjahr eine Gruppe junger Frauen durch das KZ-Gelände. Sie waren zu Tränen gerührt vom Schicksal der Kinder in Buchenwald . Beim Gang über den ehemaligen Appellplatz kam ein Punk mit bunter Frisur vorbei. Da hieß es: „Na, der hätte auch hier herein gehört.“

David Wittenberg- Film und Text, Verlag für die Gesellschaft, Seite 110.

Herausgeberin: Irma Wittenberg Mitarbeit: Soso Dumbadze Buchlayout: Giorgi Bagrationi Umschlagdesign: Ani Asatiani Vorwort : Detlev Claussen Nachwort: Dietrich Leder

PDF DasLandwodieFröschewohnen

Frage an den Nachwortschreiber: Hallo Dietrich, meine Freundin Wiebecke und ich natuerlich auch, wir haben uns die Frage gestellt, wie kommt das Buch nach Tbilissi in Georgien und warum? Ist es dort besonders billig zu drucken, oder wie oder was? Jens

Hallo Jens, Irma (Wittenberg) hatte nach einem Verlag gesucht. Die einen wollten nicht, die anderen zuviel Geld. Dann gab es vor 15 Monaten eine Veranstaltung von LaDOC zu Agnes Varda in der KHM (Kunsthochschule für Medien), die ich moderierte. Da waren Irma und David (Wittenberg). Und Soso Dumbatze, der bei mir Diplom machte und der einst in einem Seminar zum Essayfilm war, zu dem ich nach Hartmut B. (Bitomsky) und Harun F. (Farocki) auch David (Wittenberg) eingeladen hatte. Soso ging deshalb auf David zu, den und seine Filme er sehr schaetzt, und so kamen sie ohne mein Zutun ins Gespraech. Soso kommt aus Georgien und hat dort einen Verlag gegruendet, um philosophische und medienhistorische Texte in Englisch, Deutsch und Georgisch zu veroeffentlichen.

Schoene Geschichte finde ich. Gruesse nach HH! Dietrich

Stimmt. J.

Film, Fernsehen, BRD j.m. (Make film not war)

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SOMMERHAUSEN
Nachtschatten Sommerhausen

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Zoo Palast – endlich mal ein Wort das passt: Zoopalalst!

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Wer könnte ein Interesse daran haben, Zahlen zu publizieren, die zeigen, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen private Gewinne gemacht werden? Die Filmwirtschaft, die selber durch Verkauf kaum verkäuflicher Filme an die Fernsehanstalten große Profite machen? Redakteure der Rundfunkanstalten, die dann ihren Job verlieren? Die Parteien, die doch als Kontrollorgane in den Fernsehanstalten sitzen, aber selber energisch daran arbeiten, möglichst oft dem Volke vom Bildschirm herabzulächeln?

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Fotos Jens Meyer

Zeitungsverleger wie Springer, die schon seit Adenauer versuchen, für sich einen privaten Kanal herauszuholen? Herausgeber und Verleger Augstein, der mit Argusaugen auf Bertelsmann und Springer guckt, selbst aber seit langem (zusammen mit Gruner & Jahr) an einer Gesellschaft beteiligt ist, die privates Fernsehen betreiben soll? Die Fernsehzeitschriften, die uns jede Woche unsere Fernsehlieblinge vorführen? Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder, die nicht wissen, wie Filme durch das Fernsehen produziert, auf die Berlinale gelangen? (1)

Oder gar die Jahrbücher von ARD und ZDF, die wie das ARD-Buch auf 333 Seiten Kunstdruckpapier-Vierfarbendruck so wichtige Informationen verbreiten wie (Chronik des SFB): ”Der Intendant des SFB Franz Barsig, der zu einem Jahresurlaub an der Ostsee weilt, wird mit einem Herzinfarkt in ein Lübecker Krankenhaus eingeliefert.” (12. 08. 1969). Dass ein gewisser Hans Peter Krüger (3. Hörfunkprogramm) wegen “einseitiger, tendenziöser Moderation” gekündigt wurde, findet man nicht. Dafür erfährt man, wie viel Minuten Kultur, Sport, Dokumentation usw. jeder Sender der ARD zur Verfügung gestellt hat, wie hoch die Postgebühren, wie teuer die Sendeminute ist – schweigsamer wird das ARD-Jahrbuch schon bei den Bilanzen der Werbetöchter, eine Seite (von 333) ist schon fast zu viel – auch das ZDF Buch ist voll von den kulturpolitischen Betrachtungen (“Fernsehen in der Zukunft-neue Aufgaben” usw.)

Dennoch: 1969 Bruttoumsatz (Werbefernsehen/Rundfunk), ARD 546 Mill Bruttogewinn 265 Mill Nettogewinn 116,9 Mill. 400 Millionen Mark gehen weg für Provisionen, Gema, Eigenkosten, Postleitungskosten (obwohl die Werbeprogramme zu einer Zeit laufen, in der man auch ohne Werbefernsehen den Sender nicht abstellen würde). Die Industrie bezahlt rund 30 % des Fernsehens – beim Zweiten deutschen Fernsehen sogar 50 % (mit Industrie sind nicht die Warenproduzenten gemeint, sondern die Großkonzerne). Die Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien vom Großkapital ist nicht so hoch, wie die der Zeitungen, dennoch aber beträchtlich. Zudem muss damit gerechnet werden, dass Bilanzen durch geschickte Buchhalter gemacht werden, die es verstehen, Gewinne zu verstecken. Dennoch geraten wenige Informationen an die Öffentlichkeit: z. B. eine Meldung von “Hör Zu”, dass die Berliner Werbetochter des SFB („Sender Freies Berlin“) das Hotel am Studio (inklusive Tankstelle, Bowlingbahn, zwei gut gehenden Restaurants, ein Autogeschäft), das sich kaum als Studio betreiben lässt und deshalb als Hotel betrieben wird, gekauft hat. (Hör Zu 17. April 1971). Preis für das “Ausweichgrundstück” ca. 8 Millionen Mark. Haushaltsausgleich für den SFB aus dem ARD Topf 20 Millionen . (2)

Auch unsere kritischen Filmzeitschriften (Filmkritik, Fernsehen + Film) beschäftigen sich kaum mit dem Fernsehen als Schlüsselindustrie auf dem Mediensektor – Befürchtungen, der Spielraum Filmkunst könne sich weiter verengen, bei Angriffen auf Töchter, mögen eine Rolle spielen. Coproduktionen zwischen Film und Fernsehen könnten unmöglich werden, wie sie z.B. die Tochter des Bayrischen Rundfunk Telepool praktiziert, die aus dem Verkauf mehrerer Filme (Resnais, Moorse) so hohe Profite machte, dass sie davon die nächsten Filme finanzieren konnten. (3)

Oder die Beta Filmgesellschaft – Monopoleinkäuferin für das ZDF – für Spielfilme – auch sie erscheint (ähnlich wie DEGETO der ARD in Frankfurt) mit keinem Wort in dem ZDF – Jahrbuch. (4)

Werbetöchter oder Produktionsgesellschaften (Bavaria Atelier GmbH, Studio Hamburg GmbH, Taunus Film GmbH) haben als GmbH den Vorteil, keine Bilanzen veröffentlichen zu müssen. Die Anstalten können mit ihnen den Grundsatz umgehen, keine Profite zu machen, die der Anstalt nicht zugute kommen und nicht durch Zuschußgeschäfte ausgeglichen werden.

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Man darf annehmen, dass es hier eine Dunkelziffer von Betrieben gibt, die kaum durch Kapitalverflechtung, als durch personelle Verflechtung mit dem Fernsehen verbunden sind, oder Zulieferer, die dem Fernsehen nominell nicht gehören. Für den Produktionsbereich des Fernsehens kann gelten, was für den Konsumbereich immer als unmöglich erklärt wurde – Umgehung der Rechtskonstruktion öffentlich-rechtlich-Bemühungen aus dem nichtkommerziellen Kinobereich (Arsenal-Abaton-Ostertor). Filme auch dem Fernsehen nachzuspielen – bringen von Seiten der Anstalten immer wieder den Hinweis auf die ausschließlichen Fernsehrechte (Heinz Ungureit: ”Wir haben lediglich die Fernsehrechte”) ein. Was keine Profite bringt, ist unmöglich. Zudem werden kapitalistische Marktmechanismen übernommen: Für das Wort “Deutsche Erstaufführung” müssen die Fernsehteilnehmer hohe Preise bezahlen – der Gebrauchswert der Ware Filme ändert sich nicht – da das Recht auf Erstaufführung so teuer ist, muss denn auch das Fernsehen (Summe der Teilnehmer) strikt darauf achten, dass nicht kleinere Gruppen den Film schon vorher sehen können. Mit dieser Praxis werden monatelang Kopien von Filmen für den nichtkommerziellen Bereich blockiert, wie das z.B. bei den lateinamerikanischen Filmen der Freunde der Kinemathek e. V. passiert ist. Das Fernsehen handelt damit nicht im Interesse der Mehrzahl der Fernsehteilnehmer und unterscheidet sich in nichts von den Praktiken der Filmmonopole.

Ökonomische Macht und politische Herrschaft Nimmt man vorhandene Tendenzen innerhalb des Fernsehens zusammen, so kann man für die Zukunft davon ausgehen, dass sich das kapitalistische Demokratie Prinzip durchsetzt, das der Soziologe K. O. Hondrich schon 1969 so beschrieben hatte: Ökonomische Macht und politische Herrschaft fallen tendenziell zusammen, das Machthaber dabei persönlich in politische Herrschaftspositionen drängen, ist nur der Sonderfall, in der arbeitsteiligen Gesellschaft genügt es, wenn die politisch Herrschenden die Interessen der ökonomisch Mächtigen wahrnehmen.” (5) Das Mittel bildet die Zensur, die so lange sie nicht als Teil einer langfristigen Strategie begriffen wird, idealistisch bleibt. So schrieb Wolf Donner in “Die Zeit” vom 30. Juli (1971) (Bildstörung) einen Artikel über mehrere politische Konflikte in den Rundfunkanstalten: Konflikt 1: Das beim Bayrischen Rundfunk produzierte Jugendmagazin “Bildstörung”, das in größeren Abständen seit 17. April 1970 von Jugendlichen journalistisch betreut wurde. Die letzte Sendung (nicht gesendet) war Anlass, das unliebsame Magazin endlich los zu werden. Argument des BR “Nicht sendefähig” – ein Argument, das wohl die Angestellten vom BR trifft, die das Magazin technisch gemacht haben. Was als Spielwiese gedacht gewesen war (“Diskussion mit Prominenten”) wurde mehr, wurde politisch relevant und der (bayrischen) CSU unliebsam. Auch bei “IN” (Jugendmagazin des Radio Bremen) sind Absetzungen von Beiträgen, Umdisponierung häufiger geworden, während der Beat Club weiterhin ungeschoren bleibt. In Bayern schaltet sich das Fernsehen bei der Produktion aus: Zoom drei ist für Bayrische Jugendliche nicht geeignet. Wer nun annimmt, dass es sich bei Fällen politischer Zensur um Einzelfälle handelt, sieht sich getäuscht – Der Redakteur von ZOOM (SWF) Wolfgang Drescher wird gekündigt, gleichfalls gehen muss Elke Baur. Grund: Die politisch nicht ausgewogenen Sendungen. (6) Solche Konflikte zeigen, wie unvollkommen die Strategie der herrschenden Klasse auf diesem Gebiet noch ist. Ruhe und Ordnung werden wie bei Monitor, Panorama, ZDF-Magazin usw. auch hier bald einziehen. Ohne Konflikte kann der Intendant nur sein, wenn er dafür sorgt, dass die richtigen Leute, die richtigen Meinungen vertreten. Bei jeder kontroversen Sendung riskiert der Journalist seine ökonomische Grundlage, Folge: er zensiert sich selbst. Leichtsinnsakte: freie Mitarbeiter zu beschäftigen- solche Fehler macht er nur einmal. Peter Merseburger, 1969 zu Studenten der dffb (Malte Ludin, Dieter Stoll) beauftragt einen Film über die Septemberstreiks zu machen: ”Sie können alles sagen, was nicht den Staatsvertrag mit dem NDR verletzt”, war schon bald nicht mehr bereit, diese Zusage einzuhalten.

Auch der geschickte Claus Hinrich Cassdorff hatte im Dezember 1970 in einer Veranstaltung in der dffb von dem großen Freiheitsspielraum innerhalb der ARD und speziell bei Monitor getönt, auch als sein Angebot, doch mal einen Film für Monitor zu machen, aufgenommen wurde (Vier Studenten der dffb) – war er bereit. Thema: SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin). Sendetermin (sein Vorschlag): Eine Woche vor den Wahlen in West Berlin. 2/3 des Materials waren bereits gedreht, da bekam Claus Hinrich Cassdorff plötzlich kalte Füße – der kalte Wind kam (so kann man annehmen), wahrscheinlich von den Kollegen aus Bonn und Berlin. Schnell annullierte er den Auftrag und ließ sich von dem Kontaktredakteur Michael Stoffregen-Büller einen neuen Film aus dem gleichen Material machen. Die veränderte Funktion des Beitrages rechfertige die Sendung: relevante Stellen überdecken mit einem üblen Antikommunismus Kommentar, anschließend ein Beitrag über die neuen Nationalsozialisten eine Gleichung, die selbst liberalen Journalisten nicht mehr einleuchtet.

Anmerkung 2014: (Ich hab noch mal nachgesehen. Die Wahlen waren am 14. März 1971 in West Berlin. Die SEW erreicht 2,3 %). Wahlen scheinen die Sender überhaupt sehr zu verunsichern, besonders der SFB (der das Wort Frei im Namen führt) entwickelt große Angst vor Änderung der bestehenden Machtverhältnisse, sodass er sogar im dritten Programm (das von Arbeitern sowieso nicht gesehen wird) darauf achtet, dass das Bild von der Herrschenden Klasse nicht demoliert wird.

Als ebenfalls im März 1971 im dritten Programm (SFB-RB-NDR) ein Film über die westberliner Mietersituation von Hans Mosczala gesendet wurde, schaltete sich der SFB aus. Bedenklich daran ist, dass dieser Sender in einem von der SPD regierten Land sendet. Aber der Arbeitervertreter Franz Barsig (SPD) hatte schon früher gezeigt, das er fest entschlossen ist, die Arbeiter vor dem Sozialismus zu schützen.

1970 hatte er den Redakteur des dritten Hörfunkprogrammes (30 % bestreitet der SFB) Hans Peter Krüger gekündigt, Grund einseitige tendenzielle Moderation – zu links -, aber selbst die herrschende Justiz in Form des Arbeitsgerichts, musste ihm bescheinigen, dass er allzu ungeschickt vorgegangen war. (Anmerkung 2014: Ist zwar ne Wiederholung, aber das hatte die Generation vorher auch schon gemacht: Wiederholen)

Da er den Redakteur Krüger so nicht los wurde, schickte er Krüger eine Änderungskündigung. Erklärte Franz Barsig in einem Brief an Erika Runge vom 26. April 1970 (Kürbiskern Heft 3/71 S. 440), die zusammen mit anderen Journalisten, eine Teilnahme an einer Fernsehdiskussion abgelehnt hatte, das es bei dem SFB keine politische Zensur gäbe (“trotz der Eingriffe in die Literarische Illustrierte, Schnitte an Malatesta, Strafversetzung von zwei Jugendredakteuren, also: ” . . . das es trotz all dieser und noch andrer Maßnahmen beim SFB keine Zensur gäbe.”

Auch andere Intendanten sind noch nicht genügend geübt im Umgang mit Kündigungen: Franz Mai (Intendant Saarländischer Rundfunk) wollte seinen Programmdirektor Literatur-Hörfunk Arnfried Astel in die – Wüste schicken – auch seine Gründe für die Kündigung schienen dem Arbeitsgericht allzu fadenscheinig, wie die des Berliner Kollegen (der noch im Januar vor der Programmkonferenz der ARD getönt hatte: . . . und nun wünsche ich ihnen einen fröhlichen Abend, die Linken sind ja alle im Gefängnis.”) 

Eine Solidaritätsadresse für Arnfried Astel, unterzeichnet von fünfzig namhaften Publizisten landete in der Kommandozentrale des SR. Anlaß der Kündigung auch in diesem Fall: “Einseitige Moderation”. Grund ein Artikel von Astel in der FR.. Mai: “ . . . weitergeben von vertraulichen Informationen” bei der zweiten Kündigung (die erste wurde vom Arbeitsgericht für nicht rechtskräftig erklärt) ein Artikel in einer Resozialsierungszeitschrift für Häftlinge. Mai: “Aufforderung zum Aufruhr”.

Die Ungeschicklichkeit mit der hier politische Zensur ausgeübt wird, unterscheidet sie von den Intendanten der restlichen ARD Anstalten und Karl Holzamer vom ZDF. Selbst Peter Scholl Latour (als er noch beim WDR war), der lange als “relativ“ liberal galt, hat eine Sendung über „Floh de Colonge“ “Profitgeier” weniger spektakulär vom Programm verschwinden lassen-

Kurz: die Männer in den anderen Anstalten vertreten die Interessen der Herrschenden sehr viel geschickter und mit sublimeren Formen der Unterdrückung, keinesfalls darf aus weniger Konfliktfällen geschlossen werden, dass bei anderen Sendern der generelle Freiheitsspielraum wesentlich größer sei. Wer Zusammenhänge begreift, der darf nicht nur einfach die Fälle politischer Zensur im Fernsehen addieren, sondern er kann sie gut als Zeichen einer langfristigen Strategie interpretieren. Dazu gehört auch, was sich Herr Hammerschmidt (Intendant Südwestfunk Baden Baden) für die ARD ausgedacht hat und jetzt (zwar modifiziert) von der Programmkonferenz als Grundsatzpapier verabschiedet wurde. Wichtigste Proklamation des Papiers: Der Pluralismus muß sich in jedem Beitrag (Meinung) niederschlagen, nicht mehr nur im Gesamtprogramm, angegriffene (systemimmanente Kritik) Politiker, sollen in jedem Fall innerhalb der Sendung Gelegenheit zur Gegendarstellung bekommen (siehe auch dazu: Manfred Delling in Filmreport 9/10 1971 vom 30. Mai 1971) (7)

Die langfristige Machtübernahme der Konzerne wird im Fernsehen vorbereitet – die Helfershelfer in den Rundfunkanstalten werden sich dagegen wehren, von irgend jemanden gekauft zu sein – oder mit ihnen zu kooperieren, das wird man ihnen auch schwer nachweisen können. Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf das Interesse des ganzen Volkes, bescheinigen sich die Herrschenden immer wieder selbst, das sie ja nur das täten, was die Mehrzahl will. Für die Vorbereitung einer solchen Machtübernahme genügt es jedoch, daß sie objektiv die Interessen der ökonomisch Mächtigen und politisch Herrschenden wahrnehmen. Fragt Monitor Chef Claus Hinrich Cassdorf Andre Costellani auf dem Höhepunkt der Währungskrise (einen der größten Finanzspekulanten) in der Sendung vom 10. Mai (1971): ”Haben nicht die großen Geldinstitute eine besondere Verantwortung?” Und der Geldschieber ungarischer Abstammung mit amerikanischen Paß kann diese Frage mit “gutem Gewissen” mit ja beantworten- oder Fritz Berg (BDI): ”Wie ist ihr Verhältnis zu Schiller?” Fritz Berg Antwort: “Mein Verhältnis zu Schiller war und ist gut!”

Die Interessenvertreter der ökonomisch Mächtigen (CSU-CDU-ZDF) und seit der Globalsteuerung auch die SPD arbeiten daran, die totale Meinungsfreiheit der Großunternehmen nun auch (wie in der Einheitspresse) im öffentlich rechtlichen Fernsehen einzuführen oder nicht zu verhindern – In der FR vom 5. August 1971 schrieb Hans Joachim Noack zur Machtübernahme der CDU im ZDF: ”Außer Galgenhumor hat die SPD nichts zu bieten.”

In vergangenen Jahren ging es immer nur darum, einzelne Sendungen (Panorama, Report, Monitor), oder Redakteure (Merseburger, Fest, Kogon, Paczensky, Proske) vom Fenster verschwinden zu lassen, jetzt sind die Herrschenden inzwischen dazu übergegangen, das Übel an der Wurzel zu packen und die Schaltstellen der Macht mit den richtigen Leuten zu besetzen. Der Rationalisierungseffekt ist ungeheuer.

1) Es brauchen kaum noch Filme für das Archiv gemacht werden! (kostensenkend)

2) Man braucht nicht jedes Mal, vorher oder hinterher beim Intendanten zu intervenieren und spart so durch Arbeitsteilung so wichtige Leute wie den schleswig holsteinischen (“Ich bin selbst lange Zeit Journalist gewesen”) Will Rasner, der sich jetzt der eigentlich politischen Arbeit widmen kann. In diesem Zusammenhang erschien im Spiegel “Es ist soweit” vom 19. Juli 1971 ein Artikel über die Machtübernahme der CDU im ZDF. Spiegel: “Über den Verwaltungsrat” (Stimmenverteilung CDU 5, SPD 4 Stimmen) “bekommen wir das ZDF in den Griff” (Ministerpräsident Helmut Kohl). Erste Maßnahme: Rudolph Woller (CDU), (Spiegel: “militant konservativ”) wurde neuer Chefredakteur beim ZDF. (Kohl: ” . . . im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat.”) (Kohl ist Vorsitzender des Verwaltungsrates). Gleichzeitig engagierte der CDU Sender (In Zusammenhang mit der Kontroverse um das ZDF Magazin) “zur Beruhigung der Redakteure und der Öffentlichkeit”, einen Mann aus dem rechten Flügel der SPD: Fritz Schenk soll Comoderator für den Altfaschisten Löwenthal werden. Die aufsässige Redaktion konnte dieser Schritt nicht beruhigen, man glaubt kaum: ”das Schenk den liberalen Gegenpol zum rechten Löwenthal darstellt. Der Juso Bundesvorstand nannte das Kind (in einem Brief an Wehner und Wischnewski) “Löwenthal-Double” mit Namen. Laut Spiegel “sind in den Redaktionen des ZDF weitere Umbesetzungen geplant, die der CDU – noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1973 – entscheidenden Einfluß auf das Mainzer Programm sichern sollen: (Anmerkung 2014: Die Wahl fand 1973 nicht statt. Es gab stattdessen ein Mißtrauensvotum, das scheiterte (es fehlten zwei Stimmen, eine davon war gekauft, wie sich später herausgestellt hat) und vorgezogene Neuwahlen 1972. (Die Rolle des MfS der DDR bei dem Mißtrauensvotum und dem Stimmenkauf wäre einen Extra Beitrag wert)

 “Chefreporter und Kohl Intimus Karl Heinz Rudolph löst den liberalen und parteilosen Heute Chef Rudolf Radke ab“. Hauptabteilungsleiter (Politik und Zeitgeschehen Volker von Hagen (CDU) wird neuer Studio Chef in Bonn Friedrich Novotny (CDU) übernimmt in Mainz die Innenpolitik. Bilanz Moderator Wolfgang Schröder wird zum Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Soziales befördert.”  Ende des Zitates (Spiegel). Doch die CDU blieb auf Angriffe nicht untätig: ” . . . es handelt sich um eine linke Kampagne, die Genossen sitzen im ZDF dick drin,” tönte es kurz darauf aus deutschen Ländern. Ist schon mal ein Redakteur in Deutschland wegen starken Rechtskurs seinen Posten losgeworden, fragt man sich. Der sichtbare Teil des Manipulationsnetzes wird größer, niemand kann jedoch ein Interesse daran haben, ihn so zu vergrößern (auch Augstein nicht), dass sich an der Höhe der eigenen Profitrate etwas ändern könnte. In der gleichen Nummer des Spiegel steht ein längerer Artikel über Marktverflechtungen bei den neuen audiovisuellen Medien. (Bildplatte, EVR, VCR) –  hier werden zwar die schon bestehenden Konzernverflechtungen (Bertelsmann, Quelle, Springer usw.) der Programmhersteller und die Gerätefabrikanten (Telefunken, Philips, RCA, Bosch usw.) beschrieben, vergessen wird jedoch die eigene Verflechtung – auch von den Aktivitäten Augsteins für ein privates Fernsehen (ein Projekt Adenauers, das heute besonders von den Landesregierungen in Saarbrücken und München gestützt und gefördert wird) ist nichts zu finden. Auch nicht darüber, daß es in Saarbrücken bereits eine Aktiengesellschaft (Grundkapital 3,05 Mill.) für die privaten Kanäle (Gigaherzbereich, Kabelfernsehen) gibt, bei der Augstein-zusammen mit Gruner und Jahr, Burda 18 % des Aktienkapitals in Besitz haben (Freie Rundfunk AG -FRAG)- und an der außerdem der Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer mit 18 % beteiligt ist. (8)

Lassen wir uns nicht täuschen – wirtschaftliche Verflechtung, Aufteilung noch nicht vorhandener Märkte (politische Zensur und Machtpolitik der Herrschenden durch Besetzung der wichtigen Schaltstellen im Mediensektor), das sind nur verschiedene Seiten einer Strategie mit dem Ziel der totalen Manipulation zum Nutzen der Großkonzerne. Und wer erstaunt ist über die Länge der bekannten Zensurfälle, dem helfen selbst die Liberalen zur Verlängerung dieser Liste. H. G. Ossenbach wurde bei Hessischen Rundfunk (Hessen vorn) entlassen (Wolf Donner in Die Zeit vom 12. März 1971 “Eine schleichende Zensur verunsichert die Redaktionen”). Bei der Sendung des Kulturmagazins (Titel, Thesen, Temperamente) verschwindet auf Weisung des Intendanten Werner Hess (HR) ein Film über die Wahlhilfe des Schriftstellers Siegfrid Lenz für die SPD in Schleswig Holstein. “Die Sendung analysierte die Herrschaftssprache der CDU” verlautete in der Pressestelle des HR- “Der Pressesssprecher betonte” (gegenüber der Welt vom 21. April 1971) “dass die Entscheidung des Intendanten, die Sendung nicht zu senden, nicht auf Druck der CDU zustande gekommen sei.” Zitat Ende

Zwei Zuschauerorganisationen (AFF-Aktion Funk und Fernsehen – FFM Funk und Fernsehmitgestaltung) wollen die Meinungsfreiheit im Fernsehen wieder herstellen. Aber was oberflächlich wie mehr Meinungsfreiheit aussieht, ist doch nur der verlängerte Arm des Großkapitals in Form der CSU. Meinte Wolf Donner in der Zeit vom 12. März d. J. (1971). 80 % der Mitglieder kommen aus Bayern. Im Bayernkurier (Herausgeber F. J. S. = Franz Josef Strauss) wurde denn auch die Aktion- als “Aktion gegen Manipulation” freundlich vorgestellt.- welche Manipulation gemeint ist, weiß wer Information und Stil der Kommentierung des Bayernkurier kennt.

Die “Fernsehzeitung” (Nr. 1 vom 22. Januar 1971) zitierte die AFF- Referat Massenmedien- Lothar Lorisch, 5 Köln Postfach 190 229- Nach Ansicht der “überparteilichen” Interessengemeinschaft begünstigen und betreiben die Anstalten jenen heutigen Zustand, den Lothar Lorisch treffend so beschreibt: ”Hasch und Syphilis zerfressen Gehirn und Blut unserer Jugend. Kommunen unterlaufen die Ehe. Gesetzgeber bauen Sexual-Strafandrohungen ab. Landesverräter werden begnadigt. Schleichende Sozialisierung greift nach der Macht in den Betrieben. Der Mittelstand siecht dahin.” In den Satz hatte ich damals hinter Mittelstand noch eine Klammer gesetzt, darin stand (die reichen Unternehmer)

Konzentration

Die Marktkonzentration auf dem Sektor der Film-Produktion Vertrieb – dürfen als relativ bekannt gelten. Schon 1965 hatte das Bertelsmann Imperium 80 % des Marktanteils auf dem Markt der BRD- auf diesem Sektor gehören mehrheitlich zu Bertelsmann folgende Gesellschaften:

Universum Film GmbH (UFA) Düsseldorf-West-Berlin 10.6 Mill; Ufa International München; Ufa Werbefilm Düsseldorf; Ufa Theater AG Düsseldorf (bis 1971); Mannheimer Lichtspiel Theater GmbH; Pallas Film Verleih Düsseldorf; Merkur Film Theater GmbH Frankfurt am Main; Terra Filmkunst GmbH; Constantin Film GmbH München (60 %); Bertelsmann Fernsehproduktion GmbH; Ufa Fernsehproduktion; Videophon GmbH West Berlin; Exportfilm Bischoff München; außerdem ist die Bertelsmann beteiligt an Deutsche Wochenschau; Constantin ist zugleich mit 9,0 Mill Grundkapital die kapitalkräftigste Firma auf dem Filmverleih- und Produktionssektor der BRD- seit 1968 (Filmförderungsgesetz) genauer: (Gesetz zur Qualitätssteigerung des deutschen Filmes auf breiter Grundlage) hat sie außerdem noch 9 Mill. DM  an Subventionen eingestrichen um die vielen Pornos und Lümmelfilme produzieren zu können.

Die Förderung der wirtschaftlich starken (Bei 500.000,00 DM Einspielergebnis bekommt der Hersteller bzw. der Verleih 100.000,00 DM für die Fernsehrechte und 150.000,00 DM von der FFA dazu, zu Ungunsten der wirtschaftlich Schwachen nennt man Monopolkapitalismus. (9)

Hier habe ich eine Klammer 1971 rum gemacht: (warum weiss ich leider heute auch nicht mehr 2014) Klammer auf: Von 65 geförderten Filmen (68/69) waren 36 Filme von Constantin (Referenzfilme), 12 von Gloria, die einer amerikanischen Holding der California Land gehört, 3 von Cinema Service, je 2 von Alpha und Inter, je 1 Avis und Rank. (10)

Doch die Zeit der hohen Extraprofite scheint für die kleineren Firmen zumindest vorbei. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, das Bertelsmann (Gesamtumsatz 1988 (?) Gewinn 600 Mill Mark) in einem Augenblick, wo das Geschäft mit den Fernsehkonserven loszugehen scheint, zwar die Theater Ketten (Ufa Theater Kette) verkauft – die Verleih und Produktionssparte aber behält. Klammer zu.

Doch auch andere Subventionen sind vorwiegend den Großkonzernen und deren Profitmaximierung zugute gekommen. Stolz berichtete Intendant Werner Hess davon im ARD Jahrbuch 1970: Für den Rechteerwerb allein an deutschen Filmen haben die Landesrundfunkanstalten und das ZDF von 62-68 77 Millionen DM bezahlt. Und diese 77 Millionen DM mussten für die schlechten Produkte der Filmindustrie (die selbst heute noch an den unemanzipierten Zuschauerbedürfnissen vorbeiproduziert wie die Dichter Studie -Ernest Dichter International- und die folgende Infratest Untersuchung der FFA beweisen) aufgewendet werden.

Auch Werner Hess gibt zu, daß die 100 Filme zu je 100.000,00 DM vom 20. Oktober 1965 aus vier Produktionsjahren nicht einfach zu finden waren, indem er schreibt: ”Obwohl die Auswahlkommission angewiesen wurde, sehr großzügig zu werten und lediglich festzustellen, ob es irgendwelche Gründe gäbe, die die Ausstrahlung dieser Filme im Fernsehen nicht empfehlen würden, erwies sich höchstens ein Drittel aller gesichteten deutschen Produktionen als verwendungsfähig.”

Doch auch schon früher gab es Pläne (Dr. Berthold Martin CDU) “Martinplan”, wie die Zuschauer gezwungen werden könnten, weiterhin die Unternehmergewinne der Filmindustriellen zu sichern- 40.000,00 Mark sollten die Fernsehteilnehmer den Filmunternehmern für jeden fertigen Film zahlen, während die Filmhersteller in den Boom Jahren 1950- 1955 überdurchschnittlich hohe Extra-Gewinne gemacht hatten, von denen sie kaum in die eigene Branche wieder investierten.

 Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Als einzige Ausnahme kann die damalige Firma Real Film in Hamburg gelten – die später von Fernsehen aufgekauft und in Studio Hamburg Atelier GmbH umbenannt wurde.

Auch die Bavaria Atelier Gesellschaft mbH wurde in einer Stützungsaktion von den Werbetöchtern der ARD übernommen, obwohl schon 1960 das Fernsehen mit 88 % Hauptumsatzträger des 1000 Mann – Betriebes gewesen war. Bavaria: Kapital 25 Mill- Westdeutsches Werbefernsehen GmbH Köln mit 60 %Rundfunkwerbung GmbH Stuttgart mit 25 % und die Bavaria Filmkunst GmbH mit 15 % (Kapital 7,84 Mill) die ihrerseits von einer Holding aus Commerzbank 12 %., Deutsche Bank (wahrscheinlich mehrheitlich), Agfa Geavert, Bayrische Staatsbank und Alllianz Versicherung kontrolliert wird. Studio Hamburg Kapital 2,0 Mill; Norddeutsches Werbefernsehen GmbH 80 % (NWF) und Gyula Trebitsch Hamburg 20 %; Taunus Film GmbH Wiesbaden Kapital 1,0 Mill 50 %; Werbung im Rundfunk GmbH Frankfurt Main 40 %; Karl Schulz Wiesbaden Hildegard Schulz Wiesbaden 10 %; Maran Film GmbH (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); SWF Außerdem durch Personalunion; Telepool GmbH BR (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); Beta Film München ZDF (keine Angaben im ZDF Jahrbuch); Degeto GmbH Frankfurt (Keine Kapitalangaben im ARD Jahrbuch), lediglich, daß sie einen Haushalt von ca. 20 Millionen Mark hat- wovon ausgewiesen; 16.417.554,59 Filmrechte im ARD Jahrbuch erscheinen.

Anmerkungen und Quellen

(1) Der Film “Warum läuft Herr R. Amok” sollte nach Fassbinders Informationen vom SWF für 150.000,00 DM produziert werden, den Vertrag erhielt Fassbinder jedoch von der Maran Film GmbH, die den Film produzierte und für ein Vielfaches der Summe an den SWF verkaufte. Siehe auch dazu: Klaus Eder in Weltwoche vom 6. 7. 1971. Maran Film ist eine nicht genannte Tochter des SWF und einer der Führungskräfte des SWF ist deren Geschäftsführer.

(2) Erst im Mai 1971 hat der SFB ein ca. 8000 qm großes Gebäude (Fünf Stockwerke mit Studios, Sendekontrollräumen, Redaktionsräumen an die Polizei vermietet. Argument der Berliner Werbefilm GmbH: Einzige Möglichkeit später zu erweitern.

 (3) Die Firma Telepool wird mit keinem Wort im ARD Jahrbuch erwähnt – also auch nicht, wie hoch der Jahresumsatz ist.

 (4) Beta kauft seit langem nicht nur die Rechte für die Fernsehauswertung sondern auch die für die Kinoauswertung und kontrolliert damit auch den kommerziellen Verleihbereich. Der Chefdramaturg Wolfgang Hammerschmidt (ZDF) wurde gekündigt, weil er sich gegen die kommerzielle Beta Film gewendet hatte, die über Scheinfirmen Starproduktionen für das ZDF organisiert. Programmdirektor Viehöver (Geschäftsführer der Beta) sorgt dafür, daß Hammerschmidt entlassen wird. Grund: “Wegen beleidigender Äußerungen gegenüber einem Vorgesetzten.” Siehe auch Die Zeit vom 12. März 1971, Fernsehen unter Beschuß von Wolf Donner.

(5) K. O. Hondrich in der Kölner Zeitschrift für Soziologie Sonderdruck (6) Siehe Kürbiskern: Fernsehen in der BRD Heft 3/1971(7) Fernsehen und Film Juni 1971(8) Weitere Beteiligungen: Europäische Rundfunk und Fernseh AG Saarbrücken 21 %; F. Billmann, Chef Europa 1, franz. Werbeunternehmen 5 %; Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer 18%; Allfunk GmbH (Rhein Zeitung, Rheinpfalz, Pfälzer Merkur, Mainzer Allgemeine, Trierscher Volksfreund, Saarbrücker Zeitung 12 %; Deutsche Fernseh und Contrast GmbH München (Oetker, Bahlsen, Rei-Maurer, Schnitzler) 19,5 %; Partia GmbH (Röchling) 6,5; Quelle Kürbiskern 3/71 (9) Alle Kapital und Verflechtungsangaben aus “Wer gehört zu wem”; Herausgegeben von der Berliner Commerzbank 1971.(10) Film 1989 Velber bei Hannover S. 40 Heft 13/69 (11) B. Engelmann Meine Freunde die Manager dtv 1970 (12) siehe 9

Literaturangaben, auf die sich der Text nicht unmittelbar bezieht, die aber trotzdem lesenswert sind: (fand ich jedenfalls 1971)

Kürbiskern 3/71 Speziell der Artikel von Horst Holzer und Conrad SchulerKritik 4, Westdeutscher Verlag Opladen – Manipulation der MeinungsbildungProkop: Soziologie des Films Luchterhand, Soziologische Texte Band 69Peter Bächlin. Film als Ware, Basel 1845 als Raubdruck bei arts lab Münster Thomas BuschFilmkritik September 1970 Helmut FärberHuffschmid, Jörg, Politik des Kapitals,  Suhrkamp Band 313

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Institut für Konzentrationsforschung an der FU, bei der Jörg Huffschmid Assistent ist, zurzeit an einer Dokumentation über die Konzentration bei Film und Fernsehen arbeitet, die ähnlich umfangreich, wie die über die Pressekonzentration werden wird Näheres: Institut für Konzentrationsforschung, 1 Berlin 31, Babelsberger Strasse 14; tel: 0311/860351

kaum empfehlenswert:

Dadek, die Filmwirtschaft Freiburg 1957 Herder VerlagRundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Dokumentationsreihe 1-5 herausgegeben von der ARD erschienen bei Hase und Koehler Verlag Mainz 1969 Werbefernsehen und und Presserecht. Ludwig Fröhler Hessischer Rundfunk 1965 erschienen bei Alfred Metzner Verlag FFMDie Arbeit wurde von mir im Rahmen der Seminare von Manfred Delling und Christian Geissler (“Ohne die Verblödung der Arbeiterklasse geht kein Faschismus”) an der dffb gefertigt. Beiden Dozenten bin ich zu Dank verpflichtet. Christian Geissler ist leider gestorben. Die Zitate habe ich (soweit das heute noch möglich ist, weitgehend überprüft. Das Online Archiv von Die Zeit, Artikel vorwiegend von Wolf Donner geschrieben, war dabei hilfreich. Geschrieben aber nicht veröffentlicht im 2. September 1971 Abgeschrieben  Text Jens Meyer 2. Juni 2014

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IMG_3237Fotos Jens Meyer

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Sender Freies Berlin 1970

Alle Welt tuts – der Leidensweg eines VOBO Kurzfilmes

Tieresehendichan3Schließlich bin ich Beamter Der Leidensweg eines Vobo Kurzfilmes. Wenn der Namensvetter mit 450 Kopien “startet“ (wie die Branche das so nennt), dann ist das schon was.

Pdf Volkszählungsfilm

Abseits dieser Geldmenge vollzog sich in den letzten Monaten ein anderer “Kinogroßversuch“. Mit über 80 Kopien wurde der Anti-Volkszählungsfilm “Alle Welt tuts“ in den Kinos gezeigt. Finanzierung, Produktion und Vertrieb gleicht eher einem Abenteuerroman. Wie immer wenn Linke in diesem -ihrem- Lande daran gehen, etwas herzustellen, dann gibt es diese ständigen Wiederholungen: Erstens ist kein Geld da und zweitens ist es auch zu spät, um etwas aufzutreiben. Übrig bleibt nur die Idee. Diesmal Ideenmacher Thomas Amman und Niels Bolbrinker. Der eine hat grade in einem Fernsehbeitrag gezeigt, wie leicht die Geldautomaten der Hamburger Sparkasse zu überlisten sind. Statt nun dies Wissen, wie jeder vernünftige Mensch, für sich zu behalten und in Zukunft immer über genügend Bargeld zu verfügen, was macht er? Für ein vergleichsweise jämmerliches Honorar einen Magazinbeitrag.

Die Folge: Die Hamburger Sparkasse kündigt das Konto. Beleidigt über so viel Öffentlichkeitsarbeit. Kein Konto, kein Überziehungskredit für den VOBO Kurzfilm. Ohne Geld bekommt man keinen Rohfilm, kein Kopierwerk arbeitet umsonst, keine Kamera kann gemietet werden. Es ist März und die Volkszählung steht vor der Tür. Während viele noch überlegen, ob sie sie reinlassen, sitzen Amman und Bolbrinker am Küchentisch und überlegen, wie das nötige Geld zu beschaffen ist. Am Stichtag – wir erinnern uns – es sollte der 25. Mai (1987) sein – sollen die Kopien in den Kinos laufen. Im nächsten Monat lernen sie eine Menge: Über sog. Rohfilm, “Selbstverwaltete Filmförderung“ über “kommunale“ und “Beamtenkinos“, über Bürokratie und “linke alternativ-Bürokratie“ und auch über den Beifall, mit dem man nicht rechnet.

Der “Hürdenlauf“ der Finanzierung beginnt in Hamburg. Beim “selbstverwalteten“ Hamburger Filmbüro e. V.. Seit der Gründung 1979 hat sich dieses Büro zu einem “sozialdemokratischen Musterprojekt“ entwickelt.

Kein Geschäftsführer, kein Buchhalter, keine Schreibkraft, die nicht mindestens die Fähigkeit von Politikern haben – nämlich Werbung zu machen, ohne etwas von der Sache zu verstehen. Am linken Rand der SPD – aber eben doch SPD. Fraktionszwang. Für spontane Politik ist kein Platz. Reden werden gehalten: In der Zeitung muß es stehen, am besten, wenn noch ein Bild dabei ist. Da geht es nur zuletzt um Film. Da müssen die richtigen Formulare ausgefüllt werden.

Die Einreichfristen müssen eingehalten werden. Da muß die Richtung stimmen. Da werden Politik-Karrieren angefangen. Und wenns nicht in die richtige Richtung geht, da gibt es eine Menge Vorschriften, mit denen unliebsame Projekte und Personen beiseite geschoben werden können. Nein – kein Geld für die VOBO Film. Erstens, der Einreichtermin ist verstrichen. Zweitens, das Gremium hatte bereits einen ähnlichen Film kurz vorher abgelehnt. Wie man es gewohnt ist, zum Schluß wird die Ablehnungsbegründung auch noch solidarisch: Man würde ja privat gerne wollen . . . aber leider.

Der Vorstand – wie bei vielen Vereinen – ähnlich mutig auf die Frage, wie sich denn das Filmbüro e. V. in der Volkszählung selber verhalten wolle. Im Valentin Musäum hängt die Antwort an der Wand: “Mögn täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Schließlich kann man nicht vor der Bürgerschaftswahl für die SPD werben und hinterher die Herren in die Pfanne haun. Für Hamburg heißt die Schlußfolgerung: Wer 10 Mille Subvention haben will, muß die hohen Herren der Politik bei Laune halten. Grade machen hat auch seinen Preis. Gratisangst? Vielleicht. Zum Ausprobieren reicht der Mut nicht.

Kein Geld vom Hamburger Filmbüro e. V.. Also eine Antrag an Netzwerk Hamburg. Nur leider geht das Gerücht, die hätten zurzeit überhaupt keine Gelder frei. Zeit ist knapp, also erst mal angefragt, ob das Gerücht stimmt. Dafür sind die “Alternativ-Banker“ wieder zu fein. Sie bestehen auf einem Antrag.

In drei Wochen trifft sich der Vergabeausschuß, der über den Antrag befindet. Netzwerk Berlin hat mehr Geld. Manfred Herold mit Berliner Wohnsitz übernimmt die Verhandlungen. Geld ist da. Zuständig, so befindet der Netzwerkgutachter in Berlin ist zunächst einmal Hamburg. In sechs Wochen tagt der nächste Vergabeausschuß “Netzwerk Berlin“. Die “Berliner Abteilung“ übersendet der “Hamburger Filiale“ einen Fragenkatalog. Der sieht so aus, wie 1980 Fragebögen ausgesehen haben. Wie denn die Produzenten politisch einzuschätzen seien, ob Hamburg das Projekt unterstützen würde, wenn es Geld hätte und ähnlich hypothetische Fragen. Die Volkszählung findet doch auch in Berlin statt? Der Einwand zieht nicht. Konzepte werden verschickt und begutachtet. Hamburg begutachtet und verweist mangels Masse nach Berlin zurück.

Nach 6 Wochen hin und her, findet der “Antragsannehmer“ von Netzwerk Berlin das Konzept sei sehr schlecht und ausserdem sei es ja viel zu spät für den Film. Aber: nach ihm gehe es ja nicht. Inzwischen auch das Ergebnis des Landes NRW in Mühlheim. Auch hier – wie in Hamburg – die formale Begründung. Man würde ja gerne den Film fördern, aber man könne nicht. Die Einreichfristen wären verstrichen. Welche Kinos in Berlin denn diesen Kurzfilm zeigen werden?

Der Verleih in Hamburg war in der Zwischenzeit fleissig. Es gibt zehn: Bali, Filmkunst 66, Filmbühne, Sputnik, Movimento, Eiszeit, Notausgang, Xenon, Graffiti, und Kino im Kob. Die sollen die Leute von Netzwerk anrufen. Machen sie aber leider nicht. Hin und her. Sitzungen, Anhörungen. Dann die erste Finanzhilfe. Ein Verein aus Kreuzberg spendet 1.000,00 DM. Auch Netzwerk Berlin ist inzwischen so weit, es kommen 4.000,00 DM.

Die Produktionssumme ist damit noch nicht zusammen. Aber ein Anfang. Die Bayern Grünen sagen einen Zuschuss zu. Klausel: Alle anderen Landesverbände der Grünen sollen auch bezahlen. Die AL in Berlin wird angefragt. Jemand kennt den Kassenwart dort und winkt ab, zwecklos. Bei der GAL in Hamburg tobt der Wahlkampf. Keine Zeit für den Nebenschauplatz. Doch die “Bürovorsteherin“ setzt sich sehr für das Projekt ein. Einige Bezirke bringen 1.000,00 DM zusammen.

Auf der Suche nach weiteren Geldgebern fällt dem Verleih auch die TAZ ein. Viel Papier wird gegen die Volkszählung bedruckt, warum sollten da nicht 3.000,00 DM für Kinobilder übrig sein? Die Redaktionskonferenz schmettert den üblen Bettelversuch eines “anderen Projektes“ ab. Kein Geld für Bilder.

Die Bundesgrünen sind immer nicht erreichbar. (Bisher hat nur die Bundespost an dem Projekt gut verdient. Die Telefonkosten schnellen in die Höhe.) Schließlich findet sich bei den Bundesgrünen doch eine Ansprechpartnerin. Eine Zusage kommt. Die Kinos sollen die Kopien bezahlen. Ein ungewöhnliches Ansinnen. Normalerweise kriegen sie Geld für die “Werbefilme“, die sie zeigen. Amman und Bolbrinker haben schon mal mit der Herstellung des Kurzfilmes angefangen.

Konntens wieder nicht abwarten. Inzwischen sind 12.000,00 Mark zusammen. Ungefähr die Hälfte des benötigten Geldes. Der Verleih telefoniert mit Kinos (gewerblichen und subventionierten). Erstaunliches kommt da zu Tage. Ungesehen und ohne Papier bezahlt das Kommunale Kino in Hamburg zwei Kopien. Doch auch das andere Extrem: Der Direktor des Deutschen Filmmuseums (wie sich der Leiter des Kommunalen Kinos in Frankfurt gerne nennen läßt) hat eine andere Antwort bereit: “Leider ginge das nicht – weder zeigen, noch bezahlen. Schließlich sei er Beamter im Staatsdienst.“ Ob Beamte denn keine eigene Meinung haben dürfen und ob er den Film nicht mal wenigstens vorher sehen will? “Nein, will er nicht.“

Auch die Beteuerung, dass kein Boykottaufruf im Film enthalten ist, bringt keine Zusage aus Frankfurt. Beamte sind eben Beamte. Auch in Kiel beim Kommunalen Kino gehts ähnlich ab. Man will darüber diskutieren und meldet sich wieder. Der Verleih wartet vergeblich auf den Rückruf. Schließlich meldet sich der Verleih wieder in Kiel. Die zuständige Sachbearbeiterin ist leider in Urlaub gefahren. Eine Ansichtskopie wird geschickt. Innerhalb einer Woche sollen sie diese ansehen und bei Nichtgefallen zurückschicken. Die Woche vergeht. Keine Kopie kommt. Also wird der Film in Kiel gezeigt. Denkste. Der Stichtag ist vorüber (25. Mai 1987), die Kopie kommt zurück. Kleiner Zettel: “Film konnte leider nicht gezeigt werden. Er kam zu spät“.

Mit dem Mut ist das so eine Sache. Offener dann doch die Leute vom Cinema Quadrat in Mannheim. Ihr Büro ist direkt im Rathaus Mannheim (E5). Wenn sie den Kurzfilm zeigen, werden die Zuschüsse gestrichen. Das ist ihnen die Sache nicht wert. Das kann man akzeptieren. Lieber so, als windelweich. Die Kollektive unter den Kinos gibts ja auch noch. Der chronische Geldmangel bestimmt ihre Arbeit. In Freiburg und Stuttgart wird so richtig demokratisch entschieden. Ob man noch mal wieder anrufen kann? Der Programmausschuß tagt am Montag. Mit Freiburg klappts dann noch. Mit Stuttgart nicht.

Inzwischen hat Flebbe aus Hannover 10 Kopien gekauft. Das gibt Auftrieb. Die AG Kino hilft beim Telefonieren. Doch der amtierende Vorsitzende schaltet sich ein. Er möchte keine Bestellscheinaktion. Schließlich die Frage, was ist mit Kino Abaton im gleichen Hause? Das kann nur der Geschäftsführer entscheiden, sagen die Angestellten. Doch der ist nicht zu erreichen. Schließlich, eine Kulturveranstaltung, der Geschäftsführer des Abaton hält eine Rede. Für Filmemacher Bolbrinker ist es die Gelegenheit, den Kurzfilm anzubieten. Er findet den Film gut. Kann aber nicht allein entscheiden, das hätte nun niemand gedacht. Schließlich stimmen auch die anderen zu. Letztlich doch nur eine Formsache.

Alle Kinobesitzer fliegen an die Cote da Sur. Cannes ruft. Auf Frau Gregor vom Arsenal in Berlin hat den Flugschein schon gekauft. Sie verspricht zurück zu rufen. Der Verleih wartet – wie so oft bei den Beamtenkinos – vergeblich. Alf Boldt wäre der richtige, aber der ist noch bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen.

Auch die Filmtheaterbetriebe Kloster & Steenwerth (York, OFF, Manhattan u. a.) in Berlin melden sich nicht wieder. Die hängen am Tropf der Filmförderungsanstalt, vermutet die Berliner Kinoszene. Er hängt so direkt am Tropf, dass er denkt, die machen Schwierigkeiten. Kein Georg Kloster. Da kommen dann doch eher die armen Kinos infrage: Sputnik, Movimento, Bali, Steinplatz und richtig, die nehmen auch Kopien. Bayern ist – wie gedacht – ein wenig erfolgreicher Versuch. München ja, zunächst die beiden Freak Kinos – Werkstatt und Maxim – und dann noch ein Kino der AG Kino.

In Regensburg sind wir wider Erwarten mit einer Kopie erfolgreich (Ostentor Kino, Werner Hofbauer). Im Augsburger Stadtkino ist der Bearbeiter gerade in Urlaub. Die Weber Broth. sind nach Cannes abgeflogen. Die anderen Mitarbeiter des Klein Konzerns haben keine Kompetenz für eine Ausgabe, die 100,00 DM überschreitet.

Wir schicken drei Ansichtskopien, mit der Maßgabe, diese bei Nichtgefallen innerhalb einer Woche zurückzusenden. Die Kopien kommen zurück, aber erst am 20. August (1987) mit einem kleinen Zettel der Buchhalterin, Kopien wurden nicht angefordert, nicht gezeigt, werden also auch nicht bezahlt. Was ist mit den Franken los, hat denen der Strauß auch schon den Schneid abgekauft? Ich beginne einen kleinen Streit.

Doch nicht nur Zustimmung, denen vom Roxy Kino in Dortmund ist unser Angriff zu seicht, sie hätten gerne was schärferes. Sie schicken die Kopie wieder zurück, aber innerhalb der besagten Woche. Das geht in Ordnung. Auch beim Arsenal Kino in Tübingen passiert eigenartiges. Die Kino Gruppe begutachtet den Film, will ihn einsetzen, aber der Vorführer hat Angst, also wird er bezahlt, aber nicht gezeigt. Gleichzeitig hat auch Zimmermann (Friedrich Zimmermann, damals Innenminister, heute tot) einen Werbefilm zimmern lassen, der bundesweit gestartet wird.

Viele Kinos weigern sich, diesen in die Werbeblöcke aufzunehmen und schicken ihn an die Agentur zurück. Wenn jetzt unser kommt, dann gibt es unterschiedliche Reaktionen:

1) Die pluralistische (Wir haben nicht für die Volkszählung geworben, also dürfen wir jetzt auch nicht gegen die Volkszählung werben) bzw., beide zu zeigen, wobei sie bei ersten Geld bekommen und beim zweiten Geld bezahlen sollen. (Was sie natürlich meistens nicht einsehen). Hier bricht das vorhandene Manuskript ohne jede Zusammenfassung ab . . .

Vom Original Manuskript übertragen von Tieresehendichan3

Jens Meyer am 15. Mai 2014

Demonstrant in Hamburg
Hachmannplatz

Betrifft: Volkszählung Stichtag 25. Mai 1987