Lehrzeit Heinz Heisig

PDF Heinz Heisig Lehrjahre (Zeichen 3.140)

(Zeichen 3.140)

In einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung ist (auszugsweise) ein Schreiben an das:

„Komitee ehemaliger politischer Gefangener“ vom 15. April 1946 abgedruckt, in dem Heinz (Heinrich) Bernhard Heisig seinen »Werdegang« beschreibt:

Die äußeren Daten meines Lebensweges finden Sie in den Antworten des Fragebogens. Was sie nicht aussagen, möchte ich in dem anschließenden Lebenslauf niederlegen: Ich entstammte kleinbürgerlichen Kreisen, besuchte sieben Jahre lang die Volksschule meiner kleinen westfälischen Heimatstadt und trat mit dreizehn einhalb Jahren als Lehrling in das kaufmännische Büro unseres heimischen Amtsblattes ein. Schule und Lehrstätte lenkten mein Denken in nationale Bahnen, so dass ich, nachdem ich als Neunzehnjähriger an den letzten Schlachten der Westfront teilgenommen hatte, zum Grenzschutz »Ost« übertrat, dem ich bis zum Juli 1919 angehörte. Diese Flucht vor der drohenden Arbeitslosigkeit war aber für mich in vielerlei Hinsicht heilsam, denn ich machte als Soldat des Grenzschutzes allzu nahe Bekanntschaft mit dem Militarismus. Nicht zuletzt war es der lebendige Anschauungsunterricht über die menschenunwürdige Behandlung der Deputatarbeiter auf den adligen Großgrundbesitzen, der mich von jeder Art Nationalismus kurierte.

Während der anschließenden Lehr- und Wanderjahre in allen Teilen Deutschlands vertiefte sich meine Einsicht noch, da ich im Laufe meiner Tätigkeit in verschiedenen Berufen in enge Berührung mit dem Leben des werktätigen Volkes kam und seinen Kampf um seine Sehnsüchte aus eigener Anschauung kennenlernte. Was Wunder, dass ich mich zum Sozialismus bekannte und die großen internationalen Dichter und Polemiker mir den Weg zu einer klaren und eindeutigen Weltanschauung wiesen.
( . . . )

Als ich ( . . . ) im Jahre 1930 nach Hamburg ans Waterloo-Theater kam, brachte ich ein gutes Rüstzeug mit. Ich betrachtete es als meine Mission, dem werktätigen Volk beim Kampf um die Besserung seiner sozialen Lage mit meinen Einflussmöglich-keiten zu helfen und beizustehen. Die Spielplangestaltung des Waterloo-Theaters weist das eindeutig auf, und ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass viele amerikanische, englische, russische und französische Filme ohne meine Initiative nie in Hamburg gezeigt worden wären. In den aufreibenden Jahren der Nazi-Herrschaft konnte ich meinem Ziel und meinen Absichten nur treu bleiben, weil ich, wie es gar nicht anders denkbar und möglich war, manches in Kauf nehmen musste, denn dass eine so polemisch festgelegte Spielplangestaltung allen nur denkbaren Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt war, versteht sich von selbst. Trotz der wütenden Angriffe der Nazipresse zeigte ich, wie ich heute noch mit Genugtuung feststellen kann, bis zum November 1940 amerikanische Filme. Aus dem Fragebogen ersehen Sie, welche Verfolgungen mir meine Standardhaltung und Einstellung eingetragen hat.

Was der Fragebogen nicht ausweist, sind die Fülle der kleinen Tücken und Schikanen, und hierzu möchte ich nur folgende kleine Aufstellung hinzufügen: Eine Anzeige wegen öffentlicher Zerreißung eines Hitlerbildes, Anzeige wegen Verweigerung des Hitler-Grußes, Verfahren zur Aberkennung der Betriebsführer-Eigenschaft, Verlust meiner Wohnung wegen meines Aufenthaltes im KZ., Anzeige wegen nationaler Würdelosigkeit, Anschuldigung des damaligen Kultursenators Dr. [Helmuth] Becker [1902–1962], ich führe einen „Juden- und Kommunisten-Kintopp“ usw. usw.

Zitiert nach einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, nach einem Dokument, das sich im Staatsarchiv Hamburg befindet, unter der Nummer 622, Familie Heisig. 2.4.

Tier
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen. Der Raub (LXXV-75)

Römische Zahlen

PDF Briefe an Eugen Der Raub (LXXV-75)

Umschlag. Der Raub.

(Zeichen 2.132) Briefe an Eugen. Der Raub (LXXV-75)

Hallo Eugen, ja bei Pabel gabs im Fenster ein Buch, da mußte ich sofort daran denken, wie oft Du Dich schon darüber beschwert hast, das über den Raub, der da nach 33 bei uns statt gefunden hat, immer nur gelabert wird. Hier wird nicht gelabert und darüber kann man schon mal froh sein. Das Buch ist von Cord Aschenbrenner, hat den Titel »Der Raub« und handelt von der Enteignung und Vertreibung der Jüdischen Geschäftsleute vom Neuen Wall in Hamburg. Und ist erschienen im Wachholz Verlag. Herausgegeben von Dr. Jörg Herrman und Dr. Stephan Linck: Im Auftrag der Evangelischen Akademie der Nordkirche. Das Lektorat hat Evelin Schultheiß aus Kirchwalsede gemacht. Das Buch ist rundum gelungen. Durch seine Herausgabe und vor allem durch den gewählten Titel: „Der Raub“ komme ich drauf, was mich an den bisherigen Darstellungen immer so gestört hat. Die Lücke. Und diese Scheinheiligkeit. Die Namen der Täter und der Zuschauer verheimlichen. Und immer so tun, als sei der Faschismus ein Import. Nun sollte man bei einer Veröffentlichung, die von einer der beiden deutschen Staatskirchen unterstützt wird, daran denken, das auch die Anhänger Martin Luthers ein Interesse daran haben könnten, die Rolle, die ihre Kirche bei der Enteignung und Vertreibung der jüdischen Geschäftsleute hatte, ebenfalls zu untersuchen. Das ist hier leider nicht der Falll, J.

Hallo Eugen, nein. Wie die Haltung der Evangelen in Hamburg zu der Enteignung Jüdischen Geschäftsleute am Neuen Wall war, wird nicht berührt. J.

Hallo Eugen, ob es auch komische Sätze in dem Buch gibt? Ja, einen habe ich gefunden, bei dem ich spontan lachen mußte. Auf Seite 106 formuliert Aschenbrenner über die Biografie einer Jüdischen Familie: „Seine Frau und er bekamen eine Tochter“. Wie er das wohl gemacht hat, so ganz ohne Gebärmutter? Ich habe sofort an den amerikanischen Film denken müssen. An den mit Arnold Schwarzenegger. J.

Hallo Eugen, ja vorne und hinten im Buch sind sehr schöne Karten. Vorne die Orte und Namen der geraubten Geschäfte und hinten eine Welt– und eine Europakarte mit den Wegen ins Exil, der Deportation und der Rückkehr. J.

Hallo Eugen, ja, das die Lektorin Evelin Schultheiß dem Autor Cord Aschenbrenner das Wort »Goodwill« nicht abgewöhnen konnte, ist ein Fehler gewesen und ist mir in seiner Vieldeutigkeit auf den Sack gegangen. Es stört und vernebelt in mehrfacher Hinsicht. Das Wort kommt im Deutschen Handelsgesetzbuch erst seit 2009 zur Anwendung. Der fragliche Zeitraum der Enteignungen ist ein anderer. Und nun kommst wieder Du, J.

Hallo Eugen, Du findest das nicht so schlimm komisch, dass ER auch das Kind – die Tochter – bekommt? Es gab ja auch die Formulierung: Sie schenkte ihm eine Tochter, oder sie schenkte ihm ein Kind. Die Formulierung ist aus der Mode. Aber nicht weil die Kinder heute gekauft werden und nicht verschenkt werden. Und nun kommst wieder Du. J.

Tier Nilpferd
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen (LXVII-67) Deutsche Fundstücke

PDF Briefe an Eugen Deutsche Fundstücke

Admirals Palast Berlin
Admirals Palast Berlin. Hier fand die deutsche Erstaufführung des Filmes Die Mörder sind unter uns statt. Foto Jens Meyer.
US Filmoffizier Peter van Eyck
Ernst Wilhelm Borchert

Hallo Eugen, ich hab mir gestern in der ARD-Mediathek noch mal „Die Mörder sind unter uns angesehen“ und festgestellt, das der Hauptdarsteller alle Gründe hatte, der NSDAP in allen ihren Gliederungen beizutreten, der Karriere Förderung wegen. Nur in einer Szene im Film, als er das junge Mädchen vor dem Ersticken bewahrt ist er überzeugend. Der Mörder, so finde ich, ist auch eine Fehlbesetzung. Da springt einem der Spießer sofort in die Augen. Der Kameramann hat gute Arbeit geleistet. Manchmal sind die zerfallenden Ruinen mir ein wenig zu malerisch fotografiert, so wie sie da auf Zuruf zerfallen. Die eine Ruinenszene sieht sehr nach einer schlechten Studioaufnahme aus. Vor allem wegen der nicht erklärbaren Beleuchtung. Und warum die Russen den neuen Schluß, den mit dem Gericht, besser fanden, als den ursprünglichen, ist mir schleierhaft. Rückwirkend waere der andere Schluß vielleicht besser gewesen, J.

Friedel Behn-Grund
Kameramann Friedel Behn-Grund

Hallo Eugen, ja was aus der Verhaftung geworden ist, ist irgendwie nicht überliefert. Vermutlich haben sie ihn nicht lange in Haft behalten, J.

Hallo Eugen, wie der Arbeitstitel des Filmes war? Also wenn die Überlieferung geklappt hat, dann war der ursprüngliche Titel: „Der Mann, den ich töten werde“, oder auch „Der Mörder, den ich töten werde“. Und wenn ich der Oma meines Sohnes genau zugehört habe, dann haben die Russen beim Einmarsch genau das gemacht. Die haben keine Fragebögen verteilt, sondern einfach geschossen. Da waren sicher auch viele Unschuldige dabei, wie die Oma meines Sohnes (nicht meine Mutter) ihrem Enkel berichtet hatte. Manche wurden erschossen, weil sie eine Tätowierung in der Achselhöhle hatten, und nun kommst wieder Du, J.

Tier Nilpferd
Zeichnung Helga Bachmann
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