Konjunktur und Krisen der neuen »Lustbarkeit«

Leider befindet sich auf der Internet Seite der TAZ nur die Überschrift des Artikels, nicht aber der Text, den Renate Kemper damals (am 30. 04. 1992) auf Seite 25 der TAZ Hamburg veröffentlicht hatte. Dem, so hatte ich gedacht, müßte doch mal abgeholfen werden und habe den Artikel von der Papier Ausgabe dieser Zeitung abgeschrieben. (Ohne irgend wen zu fragen. Worauf ich aber auch nicht stolz bin.) Die Überschrift lautete:

Konjunktur und Krisen der neuen »Lustbarkeit«

Im Untertitel stand:

Auf dem Höhepunkt seines Kinobooms in den 20er und 30er Jahren besaß Hamburg zwar keinerlei Filmindustrie dafür aber 72 Lichtspielhäuser / Der damals erfolgreichste Hamburger Kinounternehmer, James Henschel, wurde von den Nazis enteignet.

Seit Jahren präsentiert sich Hamburg gerne als glänzender Medien- und Filmstandort. Das war nicht immer so. Im Jahre 1929 beklagte der Hamburger Regisseur Carl Heinz Boese in einem offenen Brief, daß Hamburgs Filmwirtschaft nicht mehr sei als ein „Provinzgeschäft“. Was die Filmindustrie betraf war diese Bemerkung mehr als untertrieben: In der Hansestadt existierte nur eine einzige Produktionsstätte. Mangels ausreichender Aufträge mußten die Vera – Filmwerke an der Alsterkrugchaussee zudem 1930 Konkurs anmelden.

Als Kinostadt konnte sich Hamburg jedoch sehen lassen. Auf dem Höhepunkt ihres Kinobooms zählte die Hansestadt 72 Kinos, die damals preußischen Nachbarbezirke Wandsbek und Altona nicht mitgerechnet. Neben den kleinen Vorstadtkinos prägten vor allem luxeriös ausgestattete Lichspielhäuser in den Vergnügungsvierteln St. Georg und St. Pauli die Kinowelt. Aber auch die Arbeiterquartiere Barmbek (7 Kinos), Neustadt (6 Kinos) und Eimsbüttel (5 Kinos) wiesen eine hohe Kinodichte auf.

Das attraktive Lichtspielgewerbe war in Hamburg zwischen vier Unternehmen aufgeteilt. Dem süddeutschen Konzern Emelka gehörten vier größere Filmtheater, darunter das älteste Hamburger Kino, Knopfs Lichtspielhaus am Spielbudenplatz. Die Hirschel-Gruppe betrieb vier Lichtspiele und die UFA als reichsdeutsches Filmflagschiff des rechtskonservativen Medienzars Alfred Hugenberg besaß hier sechs große Filmpaläste.

Mit dem am 22. Dezember 1929 eröffneten Ufa-Palast, Ecke Dammtorstraße/Valentinskamp, erregte der Konzern erhebliches Aufsehen. Das 2667 Plätze Kino integrierte sich in den modernen Gebäudekomplex des „Deutschlandhauses“ zu dem Tanzcafes und Büros gehörten. Die Lokalpresse bejubelte den Bau als „größtes Filmtheater des europäischen Kontinents“.

Daß hinter dem glanzvollen Projekt auch ein sozialpolitisch kalkuliertes Sanierungskonzept steckte, offenbarte Oberbaudirektor Gustav Leo bei der Eröffnung. Mit dem Kino, so Leo, sei „das Rückgrat für die Gestaltung eines neuen, an breiten Straßen hochragenden Geschäftsgebietes anstelle des hygienisch, baulich und sozial bedenklichen Gängeviertel geschaffen“.

Als führendes Hamburger Kinounternehmen etablierte sich schließlich der Henschel-Konzern mit sieben modernen Schauburgen. Betreiber waren Hermann Urich-Saß und Hugo Streit, Schwiegersöhne des Hamburger Kinopioniers James Henschel. Nachdem Henschel sich 1918 aus dem Geschäft zurückgezogen und seinen Kinopark an die UFA verkauft hatte, etablierten seine Schwiegersöhne Mitte der zwanziger Jahre durch die Übernahme älterer und den Bau moderner Theater ihre eigene Kinokette. In den Schauburgen fanden jeden Monat Filmveranstaltungen der Arbeiterbewegung statt. Neben gängiger Kinokost kamen auch sowjetische Filme wie Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin ins Programm.

Trotz prosperierender Kinobautätigkeit klagten die Betreiber beständig über ihre ruinöse Finanzlage. Die hohen Abgaben der sogenannten Lustbarkeitssteuer belasteten vor allem in den besucherschwachen Sommermonaten die Kassen. Als von städtischer Seite keine Senkung der Steuer in Aussicht gestellt wurde, griffen die Kinobesitzer zu einem drastischen Mittel: Sie traten 1922 in einen Steuerstreik. Fünf Wochen blieben in Hamburg alle Kinos geschlossen.

Erst nachdem der Senat einer geringen Steuersenkung zugestimmt hatte, öffneten sich wieder die Pforten. Gerne hatten sich die Stadtoberen zu diesem Kompromiß nicht hergegeben, stellte die Lustbarkeitssteuer doch eine gue Einnahme für das Staatssäckel dar.

Mit der Weltwirtschaftskrise und der finanziell aufwendigen Einführung des Tonfilmes stand der Kinowirtschaft Ende der zwanziger Jahre ein erneuter Tiefschlag bevor. Gerade das Arbeiterpublikum, dem das Kino zum Theater des kleinen Mannes geworden war, mußte in Zeiten harter Rezession und Arbeitslosigkeit auf jeden Pfennig im Haushaltsbudget achten. Da blieb für den Kinobesuch – Eintrittspreise von 60 Pfennig bis 1,80 Reichsmark- nichts übrig. Die Besucherzahlen sanken rapide.

Die Umstellung auf den Tonfilm wiederum erforderte für viele Kinos eine kostenaufwendige Installation neuer Klanggeräte – Investitionen, die sich nur die finanziell stabilen Kinokonzerne leisten konnten, nicht jedoch die kleinen Eckkinos der Vororte. Viele dieser oft in Familienregie betriebenen Kleinkinos mußten Anfang der dreißiger Jahre schließen.

Ungeachtet aller Krisen und Konjunkturschwankungen überdauerte eine andere Hamburger Filminstitution die Jahrzehnte. Mit dem Ziel, den Film als Kultur- und Bildungsmedium zu nutzen, gründeten hanseatische Honorationen die Kulturfilmgesellschaft Urania.

In ihrem Kino in der Fehlandtstraße zeigte die Vereinigung belehrende Filmstreifen wie Schiller – eine Dichterjugend oder Sumatra, das Land der 1000 Freuden. Zeichnete sich Hamburgs Filmförderungspolitik jener Zeit dadurch aus, eben keine zu sein, so galt dies nicht im Falle der Urania. Mit Beharrlichkeit umwarb Urania-Leiter Lichtwarck Vertreter städtischen Behörden, um finanzielle Aufbauspritzen für seinen Kulturverein zu erhalten. Von solchen Subventionen konnte der ebenfalls nichtkommerzielle, aber der KPD nahestehenden Volks-Film-Verband nur träumen.

Auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wußte sich die Urania schnell anzupassen. Bereits eine Woche nach Bildung des neuen Hamburger Senates kam es auf Einladung Lichtwarcks zu freundschaftlichen Gesprächen zwischen der Urania und Senatsvertretern. Ein Jahr später kooperierte die Vereinigung bereits mit dem nationalsozialistischen Kampfbund für deutsche Kultur.

Heute führt die Urania als Kulturelle Film- Vortragsgesellschaft ein Schattendasein in Hamburgs Filmlandschaft. Das Kino in der Fehlandtstraße brannte Mitte der siebziger Jahre ab.

Für andere Filmschaffende in der Hansestadt verlief der politische Führungswechsel weniger reibungslos. James Henschel, Kinounternehmer der ersten Stunde wurde 1939 aus Hamburg zwangsausgewiesen, weil er Jude war. Den Schauburg-Ring seiner Schwiegersöhne Urich-Saß und Streit hatten bereits 1933 zwei ehemalige Geschäftsführer des Konzerns übernommen.

Beide traten wenig später in die NSDAP ein, der Name Henschel verschwand aus dem Handelsregister. Nachdem sich die sogenannte „Arisierung“ jüdischer Betriebe auch auf das lukrative Kinogewerbe erstreckt hatte, errang der Film in den weiteren Jahren als Propagandainstrument ohnehin nur zweifelhafte Verdienste.

Renate Kemper

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PDF Abschrift Taz Artikel von Renate Kemper

Ein Dokumentarfilm über die Geschichte des Henschel-Unternehmens läuft im 3001: Siehe Kinotips

Kinotips: Auf den Spuren von Hamburgs Kinogeschichte fahndeten Reinhold Sögtrop und Regisseur Otto Mayer. Vom Henschel-Konzern als einstmals größtem Kinounternehmen (s. Text oben) ist nach seiner „Arisierung“ 1933 und dem Krieg nichts übrig geblieben. Der Video-Film Leute, seid vernünftig, laßt die Frau duch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg, läßt nicht nur das Bild vergangener Glanztage neu entstehen. (3001, 6.5. 21 Uhr)

Renate Kemper

Leute seid vernünftig lasst die Frau durch

Leute seid vernünftig, lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in Schauburg – Zur Geschichte eines jüdischen Kinokonzerns in Hamburg.

Video von Jens Meyer, BRD / USA / Brasilien 1994, Kamera: Dietmar Bruns, Recherchen: Reinhold Sögtrop, Jens Meyer, Reinhard Saloch, Geschichtswerkstatt Barmbek; Schnitt: Echtzeit Video Christian Lempp; Produktion: Otto Meyer Filmproduktion mit Unterstützung des Hamburger Filmbüro e. V. S-VHS, 68 Min. Farbe.

Vom 22. April 1897 bis zum 27. Januar 1933 dauerte die Geschichte der Kinobesitzer Familie Henschel in Hamburg, Berlin, Kiel und Lübeck. Als den deutschen Nazis die Macht übergeben wird, werden den Partei – und Volksgenossen viele Geschenke versprochen. Ein Geschenk davon sind die Kinos des Henschel Film – & Theaterkonzerns. Doch auch Deutsche wissen, was man verschenken will, muß man erst haben. Die Besitzer werden enteignet und mit dem Tode bedroht. Die neuen Herren haben keine lange Freude an den Geschenken ihres Führers. Englische und amerikanische Bomberpiloten machen 1943 – 44 elf Kinos des Henschel Konzerns dem Erdboden gleich. Nur ein Kino wird nicht bombardiert. Die Bomben haben Spuren im Gedächtnis der Beschenkten hinterlassen.

Als ich 1987 mit den Recherchen zu diesem Film beginne, finde ich zunächst nichts. Nicht in den Archiven, nicht in den Köpfen der Beteiligten, nichts bei ihren Söhnen und Töchtern. Alles verdrängt, vergessen, verbrannt. Nicht allen der enteigneten „arisierten“ Kinobesitzern glückte die Flucht ins Ausland. Und nur wenige Überlebende kamen nach dem Krieg zurück. Die Richter von damals, die die Enteignungen „begleitet“ hatten, waren schon wieder in Amt und Würden. Keine guten Voraussetzungen für eine Wiedergutmachung. Eines wußten die (neuen) Besitzer genau. Besser ist, wenn über ihre Rolle in jener Zeit nichts geschrieben, gedruckt oder im Fernsehen gezeigt wird. Meine Vermutung, dass die ehemaligen Besitzer Juden waren, bestätigt sich bald. Nur der Zufall hilft uns dann bei der Suche. Eine dreizehn Zeilen Meldung in der Tageszeitung Licht Bild Bühne (LBB) ist so ein Zufall. In der Samstag Ausgabe vom 28. Januar 1933 der (LBB) steht, daß ein Herr „Urich-Saß, eine leitende Persönlichkeit im Henschel Konzern in Hamburg, am 27. Januar, im Alter von 45 Jahren, einem Herzversagen erlegen ist“. Am 30. 1., am Montag dann die Ergänzung: „Seine Beerdigung findet heute um 3 Uhr statt“. Auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf, der durch einen Zaun vom Friedhof von Hamburg Ohlsdorf getrennt ist.

Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf

Hier finde ich mit Hilfe des Friedhofswärters den Grabstein von Hermann Urich-Sass, geb. am 18. Juni 1887 (5647), gestorben am 27. Januar 1933 (5693). Der Stein ist gut erhalten. Das Grab wird gepflegt. Die jüdische Gemeinde hat viele Erfahrungen in Deutschland gemacht und hält Namen und Anschriften der Angehörigen der Toten geheim. Aber die Jüdische Gemeinde verspricht, meinen Brief an die Angehörigen des Toten weiterzuleiten. Nach einiger Zeit bekomme ich tatsächlich Ant-wort. Aus Mexiko, den USA und Brasilien. Verwunderung über den verrückten Hamburger, der nach 60 Jahren nach dem Verbleib des Henschel – Film und Theaterkonzerns sucht. Vor mir hatte noch keiner gefragt.

Ich danke Horst Urich-Sass, Beverly Hills / Mexico City, Norbert J. Kobler, Los Angeles, Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit, Belo Horizonte Brasilien d. 18. Oktober 1994.

Adolf Hitler verläßt um 12 Uhr 40 die Reichskanzlei dem damaligen Sitz des Reichspräsidenten in der Wilhelmstrasse.in Berlin.

Jetzt – zehn Jahre später- im August 2004 – nehme ich die Kontakte wieder auf. Meine damaligen Gesprächspartner: Norbert Kobler (Sohn des Hamburger Schauspielers Julius Kobler), Horst Urich-Sass (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hermann Urich-Sass), Rolf-Arno Streit (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit, Carl Heinz Streit (ebenfalls Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit) sind verstorben. Damit bin ich auch von meinem Versprechen entbunden, das ich dem Sohn des Kinobesitzers Horst Urich Sass in Beverly Hills gegeben hatte. Über den Selbstmord seines Vaters nichts zur veröffentlichen, so lange, bis er und seine Frau Ciedra Urich Sass verstorben sind. An dieses Versprechen habe ich mich gehalten.

Hermann Urich Sass muß 1933 geahnt haben, was passieren wird. Er hat sich am 27. Januar 1933 das Leben genommen. Als er am Montag, den 30. Januar 1933 um 3 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf beerdigt wird, hat der Reichspräsident Paul von Hindenburg um 12.30 Uhr die Macht an Adolf Hitler übergeben und ihn zum Reichskanzler ernannt.

Doch jetzt gibt es Zugang zu den damals verschlossenen Archiven. Die zutage kommenden Dokumente, beweisen, was schon immer vermutet wurde. 1938 wurden viele Juden beraubt. In einer bisher nicht genannten Dimension. 1930 gab es in Hamburg viele Kinos. Allein die Firma Henschel hatte 12 Kinos mit durchschnittlich 1200 Sitzplätzen pro Kino. 1930 betrug die Gesamtanzahl der Sitzplätze 50 Tausend. Die Enteignung im großen Stil begann 1933 mit der Machtübergabe an die Nazis. Nur rund 20 Tausend Sitzplätze verblieben bei Kinounternehmern, die schon vor 1932 aktiv gewesen waren.

Der Text des Schauburg Schlagers (gemacht für Werbezwecke 1925) „Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg, das Fräulein Tochter, der Herr Sohn und der Papa und all die anderen Verwandten sind schon da.“ Der Text wird 3 x wiederholt. Die Schallplatte mit dem Lied hat Reinhard Saloch von der Geschichtswerkstatt Barmbek 1990 gefunden. Gespielt von Paul Godwin mit seinen Jazz Symphonikern (1925)

John Hansen: Vor fünfundzwanzig Jahren

Abschrift aus dem Film Kurier vom 16. August 1930

John Hansen: Vor fünfundzwanzig Jahren Hamburg im August (1930)

Im Herbst 1906 wurde ich vom Militär entlassen und eröffnete am 25. Dezember 1906 mit meinem Vater Albert Hansen zusammen auf unserem Grundstück unser Hansen-Kino, Altona, Schulterblatt 49.

Das Theater wurde unter den Klängen eines elektrischen Pianos eröffnet. Es war damals natürlich schwer, einen geübten Vorführer zu bekommen, d. h. ein mir empfohlener Vorführer verstand vom Vorführen nur etwas mehr als ich – und ich selber hatte gar keine Ahnung. Wir mußten uns die Sache daher selbst ausklügeln. Es kam natürlich auch bei den ersten Vorführungen vor, daß hin und wieder mal ein Film über Kopf oder in Spiegelschrift eingesetzt wurde. Auch das Filmkleben machte zuerst große Schwierigkeiten, aber durch die Pannen wird man klug und so eignete ich mir von der Pike auf die technischen Kenntnisse an. Ich habe später auch viele wissenschaftliche oder Reisevorführungen, wie zum Beispiel Shackleton, Swen Hedin usw. in Sälen zeigen können. Mein Vater war lange Jahre erster Vorsitzender des Hamburger Kinobesitzervereins. Auch unternahm er viele Agitationsreisen, um die Kinobesitzer in ganz Deutschland zusammenzuschließen. Die Filmbeschaffung war zu Anfang sehr schwer, da es sehr wenige Filmfabrikanten gab. Zuerst kauften wir einige 1000 Meter und jeden Tag wurde das Programm etwas anders zusammengestellt; es kehrten natürlich immer dieselben Bilder wieder. Ich habe dann, um Neuheiten zu beschaffen, mit einigen anderen Kollegen meine Filme ausgetauscht. Auch das war auf die Dauer unhaltbar und so fuhren wir schließlich nach Berlin und schlossen mit der Firma Greenbaum wöchentlich ein Programm von ca. 1500 Meter, also 8 – 10 Filme ab. Zuerst ging es sehr gut, und wir waren doch die ersten, die überhaupt wöchentlich wechselten. Bald jedoch war das Lager erschöpft und wir bekamen immer wieder dieselben Filme. So gründete ich daraufhin einen Ring von norddeutschen Kinobesitzern und übernahm den Vorsitz und den Einkauf der Programme. Es wurde jede Woche ein Programm von ca. 1500 Meter gekauft, das der Reihenfolge nach von den Mitgiledern (Mitgliedern?) gespielt wurde. Hernach hatten wir noch Theater, die von uns mieteten. Da das Verlangen nach Neuheiten größer wurde, führte ich den zweimaligen Programmwechsel ein. Dieser Ring wurde später dann durch die Fabrikantenvereinigung aufgehoben, da sie nur noch an Verleiher liefern wollten. Ich habe später nochmals einen großen Teil der Hamburger Theaterbesitzer zu einem Hansen-Ring vereinigt, bei dem wir gemeinsam unsere Filme für eine bestimmte Wochenzahl abschlossen. Dieser Ring wurde während des Krieges * aufgelöst. In Hamburg haben wir übrigens einen Kegelklub “Flimmerfritzen“ gegründet, der nur aus Kinobesitzern besteht und dessen Vorsitzender ich bin.

J o h n H a n s e n, P r o g r e ß – F i l m

*Es handelt sich vermutlich um den ersten Weltkrieg.

Eintrag im Altonaer Adressbuch von 1910: Hansen, Alb., Theater lebender Photographien, Schulterblatt 49. (Aus einem späteren Eintrag geht hervor (E), dass Albert Hansen Eigentümer des Grundstücks ist. 1930 ist Willy Heidtmann als Mitbesitzer des Grundstückes eingetragen.

Norddeutschland Am 23. November 1937 findet sich in der LBB folgende Meldung:

„Nr. 45. Eintragungen im H a n d e l s r e g i s t e r A l t o n a. 12. November 1937. Erloschen : A 2721: Hansen-Kino John Hansen und Willy Heidtmann in Altona (Schulterblatt 49). Die Gesellschaft ist aufgelöst. Die Firma ist erloschen.“

Tiere sehen Dich an (1)
Wassertum Schanzenpark

Fotos Jens Meyer

Liebeserklärung an Hamburg

Von Hanns Brodnitz

Abschrift: Aus Film Kurier (16. August 1930)

Als mich die Ufa im Oktober des vergangenen Jahres mit der künstlerischen Oberleitung des im Bau befindlichen Ufa-Palastes betraute, flitzte ich mit dem nächsten FD-Zug nach Hamburg, um die Psyche des Publikums zu analysieren. Ich war auf schreckliches vorbereitet: so hatte man mir es geschildert: steif bis zum Exzeß, abhold jeder Belebung des Tempos, eingefroren in eine Tradition einer konservativen Kunstanschauung, die beinahe reaktionär sein mochte, dickhäutig, applausfeindlich, unempfänglich für Weltstadtrhythmus und sonstige Manifestationen des Zeitgeistes. Nur Oliver*, der Chefkonstrukteur, Finanzier und Erbauer des ganzen Komplexes, glaubte im Kampf gegen ein Heer von Miesmachern an die Existenzberechtigung seines ungewöhnlich kühnen Projektes. Sollte sein sonst so sicherer Instinkt für neuzuschaffende Konzentrationspunkte in Großstädten diesmal auf falscher Fährte sein? Olivers Fanatismus steckte mich an. Diese Stadt mit dem Januskopf, in der Innenstadt harmonisch gedämpft, im Hafen brodelnd von Unruhe, diese Mischung aus stolzer Abgeklärtheit, lautloser Soigniertheit (*) und dem sich überall überschlagenden Temperament der Reeperbahn, dieses grandiose Menschenarsenal aller Klassen, Zonen, Nationen, immer in Bewegung, immer im Wechel (Wechsel?), immer im Schwung, Menschen auszuspeien, zu verladen irgendwohin wie die unzähligen Tonnagen der Frachtdampfer, diese Stadt, besessen von dem Ehrgeiz, sich erneut an die Spitze der europäischen Häfen zu stellen, schien mir die rechte Folie für ein Haus, das heute auf dem europäischen Festlande außer dem Paramount-Paris, keine ebenbürtige Konkurrenz hat. Das Hamburger Publikum, herrlich diszipliniert, ein Muster an demokratischer Gesinnung und urbaner Weltanschauung, ist mit unserer Absicht bewundernswert mitgegangen.

Als ich vor der Eröffnung die 6000 Zuschauer und die 10 000 Zaungäste sah, den Kommandeur der Schutzpolizei um ein größeres Aufgebot bat, lachte er mich glatt aus. “Sie sind hier nicht in Berlin . . . “ Nachher dirigierten 2 Beamte den ganzen enormen Verkehr ohne Schwierigkeiten. Die Hanseaten sind viel zu stolz, um eine besondere Organisation für eine reibungslose Abwicklung des Verkehrs zu benötigen, sie sind verdammt gut erzogen. Ich habe oft auf der dreißigsten Reihe des Ranges gesessen, vor mir 3000 Menschen, Kopf an Kopf. Wenn unter auf der Bühne die großen Stars des Welt-Variétés auftraten, die oft, ohne nach Berlin zu kommen, zwischen London und New York einen Abstecher nach Hamburg machten, donnerten Applaussalven durch die Luft, erschütterte ein Gelächter seltenster Vehemenz die Grundfesten des Hauses. Die sollten steif sein? Ich habe kein dankbareres Publikum gefunden bei meinen Wanderungen durch die internationalen Nörgler-Verbände. Wenn der Bühnenboden unter 72 Tillerbeinen zitterte, sprangen die Funken des elektrisierenden Rhythmus von Reihe zu Reihe bis unters Dach; als „Der Liebeswalzer“ vorbei war, trug man Fritsch und die Harvey auf Schultern durch die Straßen, und die großen Exzentriks aller Regionen fanden sich nie so belacht wie an der Alster. An einem trüben, verschlafenen Sonntag vormittag steigerte sich der Beifall für Lud Gluskin zur Raserei. Letzte Station vor Amerika. Erster Abend in Deutschland. Wie Alkaza gehört heute der Ufa-Palast zu dem Gesicht dieser Stadt. Auch er ein Bindeglied zwischen Europa und der Welt der Roxys und Capitole, ein Monument der Schaukunst größten Stils. Möge der unbezwingliche Lebenswille dieser sich immer noch ins Gewaltige reckenden Stadt mitschwingen bei der Tagung des Reichsverbandes der deutschen Lichtpieltheaterbesitzer! Wenn wir so tapfer, so unerschütterlich im Vertrauen auf unsere Zukunft sind, wie die Bewohner dieser Stadt, werden wir über alle Krisen hinweg das Banner des Filmes tragen, wie die Hansestadt Hamburg ihre Flagge über alle Meere der Erde.

*David Oliver (Generaldirektor der Grundwert AG Berlin)

[Ein Wort mußte ich nachsehen: ** Soigniertheit und habe es als Substantiv nicht gefunden. soigniert = gepflegt (dt/fr)]

Abschrift aus Film Kurier Nr. 76 vom 28. März 1928:

Hanns Brodnitz bei der Ufa.

Hanns Brodnitz, der neue Direktor der Ufa-Uraufführungstheater kommt von der Literatur her zum Film. „Leicht ist es nicht gewesen, vor fünf Jahren, als ich anfing. Da hatte ich gerade den Anfang einer journalistischen Laufbahn hinter mir, am „Börsen-Courier“, wo ich unter der Aegide von Herbert Ihering geschriftstellert hatte. Mit dem Mozartsaal von Meinhardt und Bernauer fing ich an. Den sollte ich nach einem Umbau herausbringen, nahezu ohne Geld. Ein Streik kam dazwischen – ich habe immer Glück mit Streiks – was war zu tun? Da hatte ich mir einen Kapellmeister angeheuert, das war Schmidt-Gentner, der damals in der Alhambra mit Begeisterung dem Kinopublikum klassische Sachen vorspielte. Mit dem raste ich in die Laubenkolonie und suchte Leute zusammen, die als Streikbrecher dienen sollten. Nach einer halben Stunde wurden mir die Arbeitswilligen vom Streikposten weggeholt. Noch in der Premiere war die Pechsträhne da. Die erste Vorstellung konnte nicht stattfinden, weil die Projektion nicht in Ordnung war. Wir mußten sogar das Geld zurückzahlen. Alle fünf Minuten wurde die Vorführung unterbrochen. Aber es ging. Von Anfang an habe ich mich darauf eingestellt mit der Tradition, das Kinopublikum sei bescheiden, aufzuräumen. Die Konkurrenz der Großstadtvergnügungen ist groß. Wer den Leuten nicht viel bietet, hat gar keine Aussicht, à la longue Geschäfte zu machen. Das Beste ist gerade gut genug, sonst kommt der Film ins Hintertreffen. Hauptsache ist eine gerade Linie. Die habe ich im Mozartsaal gehalten und im Capitol bis zuletzt. Filme von Qualität in erstklassiger Aufmachung, gute Ware für gutes Geld. Die Leitung der Uraufführungstheater der Ufa ist eine dankbare und schwierige Aufgabe. Mir erscheint vor allem wichtig, in den einzelnen Häusern die individuelle Linie herauszuarbeiten. Jedes dieser Theater muß ein eigenes Profil zeigen. Wie das im einzelnen aussieht, kann man heute natürlich noch nicht sagen. Noch steht uns ein schwieriger Sommer bevor, der zu überwinden ist. Ob Bühnenschau oder nicht, literarisch oder long run, das sind Prinzipienfragen, und mein Prinzip ist es bisher gewesen, keins zu haben. Ich habe immer Wert darauf gelegt, mein Publikum vom psychologischen Standpunkt aus zu sehen und habe die Erfahrung gemacht, daß man auf die Dauer nur mit guten Sachen wirklich Geschäfte macht.“ Anonym (d. i. Hans Feld) Film-Kurier Nr. 76, 28.3.1928. Freundlicher Weise abgeschrieben von Eva Orbanz, (weil die Fotokopien von den Mikrofilmen schlecht lesbar sind.)

Wilfried Weinke über Bücher

(erscheint in kürzerer Fassung im Herbst 2019 im Jahrbuch „exilforschung“)

Wilfried Weinke

Im Turnus von drei Jahren feiert sich die Medienstadt Hamburg auch als Stadt der Fotografie. Seit 1999 findet in der Hansestadt die „Triennale der Photographie“ statt, ein Festival unter Beteiligung der lokalen Museen, diverser Galerien und Veranstalter, ein sich über Wochen erstreckendes Ereignis, das mittlerweile internationale Beachtung gefunden hat. „Wilfried Weinke über Bücher“ weiterlesen

Wilfried Weinke Zwei Bücher

(erschien zuerst in der der „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“, Berlin Heft 7/8 – 2019)

Wilfried Weinke über die Bücher:

Roland Jaeger: Foto-Auge Fritz Block. Neue Fotografie – Moderne Farbdias. Scheidegger & Spiess, Zürich 2018, 336 S.

Erika Eschebach, Helena Weber (Hg.): Fred Stein. Dresden. Paris. New York. Sandstein Verlag, Dresden 2018. 240 S.

Beide Männer waren jüdischer Herkunft. Beide konnten in die USA emigrieren. Beide wurden professionelle Fotografen, obwohl sie ursprünglich andere Berufe ausübten oder anstrebten. Die Rede ist von dem aus Hamburg stammenden Fritz Block (1889-1955) und dem in Dresden geborenen Fred Stein (1909-1967). „Wilfried Weinke Zwei Bücher“ weiterlesen

Brief von Stinky Müller an seinen Freund Peer

Wer die Überschrift des Artikels Hamburger Kinos sagen Netflix und Co. den Kampf an“ vom 9.3.19 von Jan Haarmeyer und Volker Behrens in die amerikanische Suchmaschine eingibt, kann ihn lesen, ohne zu bezahlen. „Brief von Stinky Müller an seinen Freund Peer“ weiterlesen

Hamburg Neustadt – Regen

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