Briefe an Wiebeke (XXXVI) Gesinnung erkannt

Briefe an Wiebeke (XXXVI) Die Gesinnung erkennt man an den Handlungen: Die falsche Schlange Clara.

PDF Briefe an Wiebeke (XXXVI) Die Gesinnung erkennt man an den Handlungen

Romische Zahlen am BUG

Die falsche Schlange Clara

Hallo Wiebeke,

sicher stellst Du Dir die Frage, wie es zu dieser Überschrift kommt? Und ich stelle mir umgekehrt die Frage, wie kommt eine Schlange in eine Kneipe? Das gibt überhaupt keinen Sinn. Es geht ja doch nur um einen Dialog zweier Personen, die dort aufeinander treffen. Natürlich Männer. Fragt der eine den anderen in der Kneipe : . . . schooohn . . . sch . . . lannge hier?

Diese Schlange ist natürlich nicht gemeint. Sollte eigentlich heißen: Sind sie oder bist Du . . . schon lange hier? Meine Schlange ist natürlich eine andere. Aber diese Schlange aus der Kneipe wird im weiteren Verlauf des Textes nicht wieder aufgegriffen werden. Das verspreche ich.

Es beginnt mit meiner Spülmaschine. Zuerst werden die Tassen, die allerdings bei mir Becher sind, die ich nach der Reinigung als erstes in den darüber hängenden Küchenschrank räume, natürlich alle, damit später keiner diesen berühmten Satz über mich sagen kann, den mit den Tassen im Schrank, die fehlen, den es in verschiedenen »Varianten« gibt. Manchmal werden daraus auch Latten im Zaun, oder aber die Puderung mit einem Klammerbeutel, aber meistens kommt auch ein Schrank drin vor.

Bei mir kommen die Tassen, die Becher sind, nicht in den Küchenschrank, sondern werden an Haken an einem Bord angehängt. Das mit den Tassen, die bei mir Becher sind, mache ich, wie Du weißt, seit meiner Seefahrtszeit.

In der Pantry der »MS Ceuta« wurden die Tassen auch auf diese Weise angehängt, damit sie beim Seegang nicht runterfallen. Ich hab das extra für Dich fotografiert und skaliert, damit ich es, wenn der Text fertig ist, nur noch schnell hochladen kann und nicht länger beschreiben muß, wie das nun genau aussieht.

Nun gibt es in meiner Pantry nicht so oft hohen Wellengang. Und es geht dabei eigentlich um eine andere, aber bisher ungelöste Frage. Wobei nicht eigentlich die Frage ungelöst ist, sondern eher doch die Antwort auf die besagte Frage.

Nämlich warum die Tassen, die bei mir Becher sind, wenn ich sie an die Haken gehängt habe immer noch eine ganze Weile hin und her pendeln und erst viel später zur Ruhe kommen. Die pendeln so gefühlte zehn Minuten. Ich habe es mir bisher verkniffen, die Pendelzeit der Tassen, die ja Becher sind, zu stoppen.

Eine dunkle Erinnerung flüstert mir ein, das mir ein Assi, ein »Schiffsingenieursassistent« bei der OPDR, der »Oldenburg – Portugiesischen Dampfschiffs- Rhederei«, mal erklärt hatte, das das und wie mit der Erdanziehung, oder war es die Erddrehung ― zu tun habe.

Du siehst mich also wartend. Wartend auf eine Erklärung Deinerseits. Schließlich hast du immer behauptet, Du wärst länger in der Schule gewesen als ich, obwohl ich mir da heute auch nicht mehr so sicher bin, ob das wirklich stimmt. Das länger. Vielleicht waren es ja nur Nachsitzstunden, die ja auch die Schulzeiten verlängern.

Also eigentlich geht es auch gar nicht um die Tassen, also die Becher, die an ihren Henkeln da eine Weile hin und her pendeln. Das war nur der kleine Umweg, damit das Folgende nicht so bedeutungsschwer wird. Es geht natürlich, wie fast immer bei mir, um Kino. Und natürlich um eine Frau. In diesem Falle um eine, der ich gottseidank nie begegnet bin.

Die ich aber doch, in den letzten fünfzehn Jahren, genauestens studiert habe. Ihr Leben, ihre Biografie, ihren Besitz, ihre Kinder, ihr Verhalten und so weiter. Leider habe ich kein Bild von ihr. Nur von dem Mann, den sie geheiratet hatte. In Berlin. Er hatte Segelohren.

Sein Vater, von Beruf Drucker, war von Trier nach Luxemburg ausgewandert und hatte dort die »Obermoselzeitung« gegründet. Die erste Ausgabe der »Obermoselzeitung« war am 2. Juli 1881 in Grevenmacher erschienen. Ein Ort dicht an der deutschen Grenze. Eine erfolgreiche Zeitung, die den Luxemburgern bald am liebsten war. Keine andere wurde sooft gekauft und abonniert, wie die »Obermosel«. Der Erfolg der »Obermoselzeitung« von Joseph Esslen beruhte auf seinen Berichterstattern, die er in Luxemburg überall hatte. Jedes Ereignis, sei es auch noch so klein und unwichtig, übermittelten die Berichterstatter, die dafür ein Zeilenhonorar bekamen.

Joseph Esslen, richtig Johann Peter Joseph Esslen, heiratete in Luxemburg Elisabeth Lanser, eine Luxemburgerin. Dadurch bekamen die Kinder die Luxemburger Staatsangehörigkeit. Zwei Kinder sind bekannt: Karl Friedrich und Eugen Esslen.

Karl Friedrich Esslen wurde am 16. Februar 1882, sein Bruder Eugen Esslen wurde 1884 geboren. Eugen legte am 3. August 1900 sein »Übergangsexamen« im Gymnasium Grevenmacher ab. Von wo nach wo Eugen Esslen mit 16 Jahren übergeht, habe nicht herausgefunden. 1913 kommt Bruder Eugen Esslen nach Hamburg, wohnt im Mundsburgerdamm 40 im vierten Stock und gibt als Beruf Prokurist an.

Karl Friedrich Esslen studiert in Paris. Irgendwas mit Medizin, so berichtet Wikipedia. Nach seiner Rückkehr aus Paris arbeitete Karl Friedrich als Redakteur im väterlichen Betrieb der »Obermoselzeitung«, wie sein Vater Joseph Esslen diese Zeitung genannt hatte. Aber wie kommt einer aus Grevenmacher, der in Paris studiert hatte, nach Berlin?

Eine erste Eintragung von Karl Friedrich Esslen im Scherl Adressbuch von Berlin finde ich für das Jahr 1909. Berufsangabe dort: Vertreter. Vertreter und Langeweile gehört in meiner Wahrnehmung unmittelbar zusammen. Was für Karl Friedrich Esslen irgendwie nicht stimmt, so sagt mir seine Biografie.

In Berlin ist er Generalvertreter der Firma Collan Oil, auch Collan Olja von T. Olsen aus Stockholm. Olsen hatte sich auf die Herstellung von Lederöl spezialisiert. Lederöl wurde für die Treibriemen aus Leder benutzt, mit denen damals Maschinen angetrieben wurden.

Doch der Absatz von Lederöl für Treibriemen kam nicht richtig in die Gänge und entsprach nicht den Erwartungen, die man in Stockholm und Berlin hatte. Und so gründete Esslen, zusammen mit den Brüdern Salzenbrodt, eine Firma, die aus Lederöl und einem südamerikanischen Baumharz eine wasserabweisende Schuhcreme herstellen sollte. Für ihr neues Produkt fanden sie den Namen »Collonil«, den sie im Mai 1914 registrieren liessen.

Als im August 1914 Kaiser Wilhelm zur Verteidigung des Vaterlandes rief, hatte Karl Friedrich Esslen Glück. Sein Vater war vor Zeiten von Trier nach Luxemburg aus- bzw. eingewandert und so erhielt Karl Friedrich die Luxemburger Staatsangehörigkeit. Luxemburg war nicht kriegsbeteiligt und Esslen wurde daher nicht eingezogen. Ganz im Gegensatz zu den Brüder Salzenbrodt, die in der Schuhcremefabrik seine Teilhaber waren.

Im Schlamm der Front bewährte sich »Collonil« für die Lederstiefel der Soldaten. »Collonil«, die wasserabweisende Schuhcreme war ein Verkaufsschlager geworden. Und im November 1918, als der Krieg zu Ende war, kehrten die Brüder Salzenbrodt unversehrt in ihre Schuhcremefabrik in Berlin Kreuzberg zurück. Die Umsätze waren derart in die Höhe geschnellt, das die Produktionsstätte in Berlin Kreuzberg aus allen Nähten platzte. Es fand sich nördlich von Berlin, in Mühlenbeck, ein Platz für die Schuhcremefabrik von Esslen und den Brüdern Salzenbrodt.

Bei Familie Esslen, die inzwischen aus Clara, Eva und Karl Friedrich Esslen bestand, kehrte der Wohlstand ein. Der Schuhcremefabrik wurde 1925 noch ein Wein- und Sprituosenhandel aus Trier angegliedert: Die »Karl Friedrich Esslen, Weinkellereien, Trier, Verkaufszentrale Mühlenbeck bei Berlin, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Mühlenbeck bei Berlin«. Merkwürdig finde ich nur, das das Handelsregister in Berlin einen so langen GmbH Namen akzeptiert hatte.

Und dann passierte das, was immer passiert, wenn Jemand nicht weiß, was man mit dem vielen Geld machen soll. Karl Friedrich Esslen kaufte Immobilien: In Berlin, in Wiesbaden, in Hamburg, wie wir heute wissen. Vielleicht auch noch anderswo. Nun erwies es sich jedoch als Nachteil, das Karl Friedrich Esslen die Luxemburger Staatsangehörigkeit hatte: Ausländern war der Kauf von Immobilien in einigen Landstrichen untersagt und so wurde seine Gattin Clara Esslen, die aus Berlin stammte, in die Grundbücher der Zinshäuser in Berlin als Eigentümerin eingetragen.

Zwei »Zinshäuser« in Berlin habe ich gefunden. Zwei Häuser, das eine mit 48 Mietwohnungen und das daneben mit 19 Wohnungen am Kaiserplatz (heute Bundesplatz) 11 und 12 kamen so in den Besitz von Clara Esslen.

Vermutlich ist es diese Luxemburger Staatsangehörigkeit die Karl Friedrich Esslen daran gehindert hatte, das er das in Hamburg gekaufte Kontorhaus in der Dammtorstrasse 14 nicht unter seinem Namen als Karl Friedrich Esslen ins Grundbuch eingetragen lassen konnte, sondern für den Kauf extra eine Firma, gründen mußte, die: »Hamburger Haus- & Landschaftsverwaltungsgesellschaft mbH« mit der Hamburger Anschrift: Plan 4 – 6. Im Adressbuch wird von 1921-1930 der Name W. Pusch als Ansprechpartner dieser Firma genannt. Danach verschwindet der Name Pusch und als Ansprechpartner dieser Firma taucht ab 1922 auch sein Bruder Eugen Esslen mit der Firmenanschrift Mönckebergstraße 8 im Adressbruch auf. Vermutlich identisch mit dem Hamburger Erfinder Eugen Esslen, der sich eine Pudermischvorrichtung und ein doppelschneidigen Fleischwolfmesser: Patentschift Nr. 622247 und Patenschrift Nr. 504 974 patentieren ließ.

pdfEugen Esslen Fleischwolfmesser

PDF PatenteEugenEsslenPuder

PDF EugenEsslenUSAPudermischvorrichtung

Clara Esslen lernte ich nur durch das Papier kennen, das sie und andere über sie hinterlassen haben. So habe ich erfahren, daß sie, als ihr Mann, Karl Friedrich Esslen, am 16. Juli 1930 starb, ein reiche Witwe war, die in einigen Städten Deutschlands lukrative Mietshäuser ihr Eigentum nannte. In Hamburg, Berlin und Wiesbaden habe ich solche Einträge gefunden. In Hamburg war sie Eigentümerin eines Kontorhauses geworden, das ebenfalls mit 46 solventen Gewerbemietern sehr profitabel war.

Nur ein Mieter befand sich 1931 mit RM 39.000 im Zahlungsverzug. Das Waterloo-Theater, das zwei Jahre vorher mit einem Kostenaufwand von RM 600.000,– vergrößert worden war. Statt bisher 400 Sitzplätze hatte es nach dem Einbau eines Ranges knapp 900 Sitzplätze. Die vereinbarte Jahresmiete war mit RM 60.000,– relativ hoch.

Mithilfe einer Räumungsklage gegen die Betreiberfirma: Die »Norddeutsche Filmtheater KG Manfred Hirschel« gelang es Clara Esslen, die Firma, die ihr zur Hälfte bereits gehörte, zur Insolvenz zu bringen. Das hatte den Vorteil, das der nachweisbare Wert (RM 600.000,–) des Kinos ohne weitere Zahlungen in ihren Besitz gelangen würde.

Das war auch der Grund, warum es 1931 zu dem Vergleich kam. Manfred Hirschel hatte im sogenannten »Wiedergutmachungsverfahren« zu Recht darauf hingewiesen, das kein Gericht im Deutschland 1931 ihm für eine Mietschuld von RM 39.000– ein Kino im Werte von 600.000,– als Pfand bewertet hätte.

Mit anderen Worten. Auch dieser Vergleich, der dazu geführt hatte, das die »Norddeutsche« in Konkurs ging, diente nur einem Zweck: Das Kino ganz zu übernehmen. Manfred Hirschel wurde auf diese Weise gezwungen, Teilhaber einer GmbH zu werden, die Clara Esslen aus der Erbschaft ihres Gatten übernommen hatte. Aus der »Karl Friedrich Esslen, Weinkellereien, Trier, Verkaufszentrale Mühlenbeck bei Berlin, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Mühlenbeck bei Berlin« wurde die »Waterloo Theater GmbH« die später, mit Hilfe des deutsch-jüdisch-evangelischen Anwaltes Dr. Otto Herbert Bauer ihren Sitz nach Hamburg verlegte.

Ein übrigens völlig wertloser GmbH Mantel, der den Vorteil hatte, das sein Stammkapital (RM 20.000,–) schon 1925 bei Gründung dieser Firma einbezahlt worden war und nicht, wie bei einer Neugründung üblich, beim Notar als vorhanden vorgezeigt werden mußte. Vermutlich hat sie den 50 % Anteil dieser GmbH an Manfred Hirschel zum Nennwert von RM 10.000,– verkauft.

So wichtige Sachen, das habe ich schmerzhaft gelernt, müssen immer noch mal wiederholt werden: Aus der »Karl Friedrich Esslen, Weinkellereien, Trier, Verkaufszentrale Mühlenbeck bei Berlin, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Mühlenbeck bei Berlin« die »Waterloo Theater GmbH«.

Zeitweise war Dr. Otto Herbert Bauer auch Geschäftsführer dieser Mutanten ― GmbH. Vermutlich aus dem Grunde, um dem anderen Eigentümer, Manfred Hirschel, an die Kette zu legen, denn in der Satzung dieser GmbH stand jener Satz, der sich auf wundersame Weise bei seiner Mutation verändert hatte.

Stand dort vorher, sind zwei Geschäftsführer bestellt, so ist jeder der beiden allein vertretungsberechtigt, so steht dort jetzt das genaue Gegenteil: Sind zwei Geschäftsführer bestellt, so vertreten diese gemeinsam die Firma. Ohne den Geschäftsführer Dr. Otto Herbert Bauer kann Manfred Hirschel nichts entscheiden. Der Rechtsanwalt ist Claras Kettenhund. Einer Person, die, das sollte man endlich mal schreiben, noch nie ein Kino gemacht hatte und Null Ahnung vom Kinomachen hatte.

Immerhin hatte Manfred Hirschel mit dieser Firma einen Geschäftsführervertrag bis 1955. Den hebelt Clara mit Hilfe des Rechtsanwaltes Dr. Bauer und des Filmes von Franz Seitz »SA Mann Brandt« 1933 auf klassische Weise aus. Und das geht so: Sie vermietet das Waterloo Kino an die NSDAP, als diese sich im August 1933 an der Macht stabilisiert hatte. Der Reichstag hatte gebrannt, das Ermächtigungsgesetz war in Kraft und viele Gegner der Nazis in Gefängnissen. Im März 1933 kam »SA Mann Brandt« von Franz Seitz ins Kino. Keine Auftragsproduktion der NSDAP. Als der Film mehr oder weniger gefloppt war, gefällt er auch dem gerade zum Propagandaminister Ernannten nicht mehr sonderlich.

Als die Partei, wie sie sich jetzt nennt, davon erfährt, das ein Jude der Geschäftsführer des Waterloo Kinos ist, fällt sie aus allen Wolken. In diesem Falle kann dieser hervorragende Film über die hervorragende NSDAP »SA Mann Brandt« im Waterloo Theater natürlich nicht gezeigt werden.

Nun ist es ja nicht weiter schlimm, dann verzichtet man eben auf die Einnahmen aus der Vermietung, vor allem dann, wenn man sich später auch noch zur Widerstandskämpferin gegen die Nazis etablieren will, wie Clara Esslen nach dem Krieg immer wieder anhand ihrer Nichtmitgliedschaft ungefragt erklärt hatte. Auch der höchste Bauherr ihres Führers war ja nie Mitglied der NSDAP geworden.

Nein, die hinterlistige Clara, die falsche Schlange, erkennt ihre einmalige Chance und ergreift sie. Sie bittet den Rechtsanwalt Dr. Otto Herbert Bauer, Herrn Hirschel vorzuschlagen, zeitweise formell sein Geschäftsführeramt niederzulegen. Hirschel telefoniert darauf hin mit dem jüdischen Anwalt Kurt Leo Eisner, den er im Schlichtungsverfahren als »Mitschiedsrichter« kennengelernt hatte.

Dieser rät ihm, er kenne Dr. Otto Herbert Bauer als ehrlichen Menschen, dem man vertrauen könne, Hirschel solle seinen Vorschlag folgen und das Amt zeitweise niederlegen.

Wen er aber nicht kennt, das ist Clara Esslen, die diesen Rücktritt ihres Geschäftsführers nach dem Tod von Dr. Otto Herbert Bauer, der im KZ von den Nazis umgebracht wurde, für sich noch Jahrzehnte später juristisch zu nutzen versteht.

Ebenso der »Persilschein«, den ihr der Rechtsanwalt Dr. Carl Stumme im August 1945 zur Vorlage bei der Britischen Militärregierung gefertigt hatte, der auf andere Weise zum Einsatz kam, als es ursprünglich vorgesehen war. Dr. Carl Stumme hatte diese Bescheinigung zur Vorlage bei der Britischen Militärregierung gefertigt, um eine drohende Beschlagnahme durch die Britische Militärregierung und dem Einsatz eines Treuhänders zu verhindern.

Ein Verwandter von Manfred Hirschel hatte in Hamburg überlebt und sich als Treuhänder der Militärregierung angeboten. Das galt es zu verhindern, was gelang. Als dann einige Jahre später der Restitutionsprozeß »Waterloo Kino« begann, fügte Clara Esslen eine Kopie dieses Persilscheins von Dr. Carl Stumme, von dem alle Beteiligten wußten, daß die Angaben nicht der Wahrheit entsprachen, ihrem Brief an das Landgericht bei. Dort hat er sich bis heute erhalten. Als Stumme davon erfuhr, hatte er verlangt, das dieses Schreiben als nicht erteilt zurückzugeben sei. Ein Kino mit 900 Sitzplätzen in bester Innenstadtlage zurückgeben? Nein, auf keinen Fall. Es wurde nichts zurückgegeben. Auch kein Persilschein.

Die Geschichte von Gier, Raub und Geiz hatte schon bei der Machtübergabe begonnen. Und wurde so 1945 fortgesetzt. Und wie sie damit damit durchgekommen sind! In der Hauptsache Clara Esslen. Aber es standen ihr hilfreiche Personen zur Seite: Heinrich Heisig, Dr. Carl Stumme und der später ermordete Rechtsanwalt Dr. Otto Herbert Bauer. Und Dr. Otto Herbert Bauer auch noch, als er schon lange tot war.

Die Geschichte handelt in der Hauptsache von der falschen Schlange Clara Esslen, die alle beteiligten Personen geschickt für die eigene Bereicherung eingesetzt hatte. Die Geschicklichkeit, so kann man es auch nennen, wie sie bestimmte Menschen für eigene Zwecke einzusetzen verstand und wie sie es verstand, dies in einer Weise zu organisieren, das immer andere die Arbeit für sie erledigten und sie selbst sich die Hände nie schmutzig machen mußte.

In dem Theaterstück, das sie uns vorführt, kommen vor:

1.) Ein junger Mann, aus einfachen Verhältnissen, der sich hocharbeitet vom Filmvorführer zum Kinodirektor.

2.) Ein deutsch-jüdisch-evangelischer Rechtsanwalt, konservativ aus begüterten Verhältnissen, der die Religion wechselte, aus welchen uns unbekannten Gründen auch immer, und ihr sowohl als jüdischer Rechtsanwalt, wie auch als christlicher Rechtsanwalt gute Dienste leistete. Einer der leider der irrigen Ansicht war, das er durch seinen Frontkämpfereinsatz und seinem Religionswechsel ausreichend vor einer Deportation geschützt sei, was aber nicht der Fall war. Und der für Clara in beiden Religionen und als Lebender wie auch als Ermorderter nützlich war.

3.) Dazu kam dann noch der Hausmeister Peter Lützow des Dammtorhauses, der als Zeuge dafür benannt wurde, das man keine Hakenkreuzfahne gehabt habe, bis zu dem Zeitpunkt als es verboten war, mit schwarz-weiss-roten Fahnen ein Haus zu schmücken. Wann das genau war, ist sicher dem Zeugen erinnerlich. Bestimmt nicht vor 1936.

4.) Ihre drei Kinder, obwohl am 3.6. 1918, 1.2. 1922 und 21.8.1923 geboren, die bei Kriegsende 1945 – 27, 23 und 21 (in Worten: siebenundzwanzig, dreiundzwanzig, einundzwanzig) Jahre alt sind und immer noch minderjährig: (siehe 5 Vormundschaftsgericht) 5.) Das Vormundschaftsgericht in Wiesbaden für ihre minderjährigen Kinder.

6.) Der Anwalt, der ihr den Persilschein für die Britische Militärregierung in Hamburg schreibt. 7.) Der als Arisör bekannte Funktionär der NSDAP und viele andere. 8.) Und der Nazi, der ersten Stunde, der schon vor der Machtübergabe von der Sache Adolf Hitlers überzeugt war und dies in seinem Passage Kino in Mönckebergstrasse in Hamburg auch zum Ausdruck brachte. Man beachte seine Zeugenaussage. Auch er hatte einem Juden das Leben gerettet, gab er Kund und zu Wissen.

Hier die ausgewählten 11 Dokumente des aufgeführten Theaterstückes: Dokument 1 Brief aus London von K.A. Kohn Dokument 2 Brief von Clara Esslen an das Landgericht mit Anlage Dokument 3 Bescheinigung von Rechtsanwalt Dr. Carl Stumme Dokument 4 Brief von Rechtsanwalt Dr. Kurt Eisner aus Saõ Paulo Dokument 5 Brief von Manfred Hirschel an seinen Anwalt Dokument 6 Richard Adam schreibt an das Landgericht Dokument 7 Beschluß Landgericht in Sachen Adam Dokument 8 Richard Adam der »Arisör« sagt aus und beantragt Zeugengeld Dokument 9 Gericht lehnt Zeugengeld ab Dokument 10 Hans Struckmeyer Dokument 11 Sie sind damit durchgekommen.

Dokument 1 Abschrift. [IMG_4869.jpg +IMG_4869.jpg + IMG_4870.jpg] Brief aus London von K. A. Kohn K. A. Kohn (German) [Karl Alphons Kohn] 23rd. Oktober 1946 Kreis: Hamburg

Anspruch gegen: Frau Clara Esslen d.h. Waterloo Kino, Hamburger Dammthor Strasse In Vollmacht datiert 1 ten März 1946 ausgestellt in Saõ Paulo, Brasilien, von Herrn Manfred Hirschel an Herrn Karl Alphons Kohn, 67 Chalckhill Rd. Wembley Park, Mddx.

Der Unterzeichnete K. A. Kohn möchte Anspruch erheben an Stelle von Herrn Manfred Hirschels Eigentum und Teilhaberschaft am Waterloo Kino, Hamburg, auf Grund folgender Tatsachen. Herr Hirschel, welcher jetzt in Saõ Paulo Brasilien lebt war Teilhaber des Waterloo Kino‘s, Dammthor Strasse, Hamburg. Der andere Teilhaber war eine Dame, Frau Clara Esslen und das Waterloo Kino G.m.b.H. wurde von Herrn Hirschel und Frau Esslen gegründet; jeder Teilhaber hatte einen Anteil von 50 %.

Die Führung des Kino‘s war alleinig in den Händen von Herrn Hirschel der deshalb auch einen Kontrakt hatte der ihm den Gewinn des Verkaufs von Zigaretten und Süssigkeiten zusprach. Ausser diesem hatte er einen Kontrakt mit Frau Esslen d.h. mit der G.m.b.H. als Angestellter, wonach er ein besonderes Gehalt als Geschäftsführer erhielt.

Alle diese Kontrakte sowie der Teilhaberkontrakt und der Mietsvertrag liefen bis zum Jahr 1955. Frau Esslen war Inhaberin des Grundstücks (Ich weiss nicht ob sie auch das Gebäude besass) [Grundbucheintrag 1935 K. F. Esslen u. Erben] Schon im Mai 1933 übte die Nazipartei Druck auf die G.M.B.H. aus, das Waterloo Kino zu “ariesieren“ und unter der Drohung das Kino zu schliessen zwang sie Herrn Hirschel seine Stellung als Geschäftsführer aufzugeben.

Im Februar 1934 verbot Frau Esslen Herrn Hirschel, da sie Inhaberin des Grundstückes war, das Kino oder die Büros zu betreten. Weiterhin verweigerte sie jede Zahlung und weigerte sich ihren kontraktlichen Verpflichtungen nachzukommen mit der einzigen Begründung (meistens angewandt in diesen Zeiten) dass man es ihr nicht zumuten könne einen Kontrakt mit einem Juden zu erfüllen.

Herr Hirschel war deshalb gezwungen eine gerichtliche Klage anzustrengen in Bezug auf Einhaltung und Erfüllung der bestehenden Kontrakte. Er schätzte seine Verluste in dieser Zeit auf £ 25.000. Er wurde dann vor die N.S.D.A.P. geladen sowie vor die Gestapo und die Kriminalpolizei und man drohte ihm mit Haft im Konzentrationslager.

Nach zwei Jahren der unfairsten Prozessführung von Seiten der Frau Esslen, war er gezwungen seine Rechte aufzugeben und nach Brasilien auszuwandern. Ich möchte eine weiter nötige Auskunft geben. Ein Schwager von Herrn Hirschel lebt noch in Hamburg. Sein Name ist John Streit, 14 Hegestieg, Hamburg 14. Dieser Herr ist jetzt Teilhaber der Schauburg G.M.B.H., Hamburg.

Ein weiterer Zeuge dürfte der frühere Anwalt von Herrn Hirschel, Dr. Stumme, Hamburg sein der vielleicht noch die Akten der Gerichtsverhandlung hat. Ohne Zweifel wird und kann Herr John Streit alle nötigen Auskünfte über die ganze Angelegenheit geben, über Frau Esslen und auch über einen Mann namens Heisig, welcher im Waterloo angestellt war als Herr Hirschel noch Teilhaber war und soweit ich weiss, ist dieser Heisig auch heute im Waterloo tätig. Unterschrift K. A. Kohn

Dokument 2 Brief von Clara Esslen an das Landgericht und eine Anlage [IMG_4929.jpg + IMG_4930.jpg, Seite 12 + 13 der Akte] Abschrift des Briefes von Clara Esslen an das Landgericht vom 30. Dezember 1949, K. Esslen, Dammtorstr. 14. Waterloohaus Ruf 35 44 30 Eingangsstempel Landgericht am 2. Januar 1950.

[Clara Esslen schreibt am 30. Dezember 1949 an das Landgericht Hamburg. Und fügt dem Brief eine Anlage bei, die ursprünglich einem anderen Zwecke dienen sollte]:

An das Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Hamburg, Hamburg 36, Dammtorwall 41 D Zimmer 308 Aktenzeichen Z 55 Betr.: Rückerstattungssache Manfred Hirschel

Die Berechtigung der Ansprüche des Herrn Manfred Hirschel wird von mir zugleich auch im Namen von Herrn Heisig vollen Umfanges bestritten. Deshalb bitte ich unter Bezugnahme auf die beiliegende Erklärung des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Stumme dem Wiedergutmachungsanspruch des Herrn Hirschel abzuweisen.

Wenngleich Herr Hirschel in seinem Schreiben v. 15.8.1949 die Richtigkeit der Angaben des Herrn Dr. Stumme über Daten und Beträge anzweifelt, so werden dadurch die Erklärungen des Herrn Dr. Stumme, der seiner Zeit der Rechtsvertreter des Herrn Hirschel war, in ihren grundsätzlichen Feststellungen keinesfalls betroffen.

Sollten jedoch die Feststellungen des Herrn Dr. Stumme für eine Abweisung des Antrages des Herrn Hirschel nicht ausreichen, bitte ich, die Akten des Prozesses heranzuziehen, der seinerzeit zu dem vor dem Landgericht abgeschlossenen Vergleich mit Herrn Hirschel führte.

Diese Akten werden die Erklärungen des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Stumme in ihren Grundsätzen bestätigen und zweifellos den Wiedergutmachungsanspruch des Herrn Hirschel als völlig gegenstandslos erkennen lassen.

In diesem Zusammenhang verdient erwähnt zu werden, dass weder Herr Heisig noch auch ich selbst der NSDAP oder einer ihrer Organisationen bzw. Gliederungen angehörten. Auch wurde zu keiner Zeit und in keiner Stellung während der gesamten Dauer des Dritten Reiches ein Mitglied der NSDAP im Waterloo-Theater beschäftigt.

Dass letztlich, abgesehen von vielen anderen antifaschistischen Massnahmen, auf die im einzelnen vielleicht noch zurückzukommen sein dürfte, auch der Spielplan des Waterloo-Theaters während er 12 Jahre eine bewusst antinazistische und internationale Gestaltung erfuhr, wie sie kein zweites deutsches Filmtheater aufzuweisen hat, ist eine Tatsache, die in ganz Hamburg und weit über seine Grenzen hinaus bekannt ist.

Dass dieser in politischer und weltanschaulicher Hinsicht stets klar eingenommene Standpunkt nicht ungefährlich war, erhellt am besten aus der Tatsache, dass Herr Heisig am 2.11.1935 von der Gestapo verhaftet wurde und in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingeliefert wurde.

Wegen seiner durch Rat und Tat erfolgten Unterstützung antifaschistischer und jüdischer Personen und Kreise stand Herr Heisig am 27.1.1937 vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht und zwar wegen “Vorbereitung zum Hochverrat“. Dass deshalb Herr Heisig und ich in der Folgezeit unseres Lebens nicht froh wurden und nachweislich unter Aufsicht der Gestapo standen, mag noch Erwähnung finden.

Dieser sowohl in politischer als auch in weltanschaulicher Hinsicht klaren Haltung verdankt es im übrigen Herr Hirschel, dass die Streitigkeiten mit ihm, die schon Jahre vor 1933 ihren Höhepunkt erreicht hatten und die bereits Ende 1931 zu einer erfolgreichen Räumungsklage führten, nicht etwa durch eine nazistische Einwirkung ihre Erledigung fanden, sondern durch einen ordentlichen Prozess vor dem Landgericht.

Der Versuch des Herrn Hirschel, den Juden Herrn Rechtsanwalt Dr. Bauer sowie einen so bewährten Antifaschisten wie Herrn Heisig und auch mich nazistischer Handlungen zu zeihen, spricht für sich selbst.

Ich will das Urteil über diese Handlungsweise getrost Ihnen überlassen in der Erwartung, dass eine gerechte Entscheidung nur eine Abweisung der unberechtigten Ansprüche des Herrn Hirschel sein kann.

Abschliessend teile ich Ihnen noch mit, dass keine weiteren Beteiligten an diesem Rückerstattungsverfahren in Frage kommen.

Hochachtungsvoll! Unterschrift K. Esslen

Dokument 3

In der Anlage zu diesem Brief an das Landgericht, 1. Wiedergutmachungskammer fügt Clara Esslen die Bescheinigung von Dr. Carl Stumme bei, die dieser zur Vorlage für die Britische Militärregierung gefertigt hatte, um eine drohende Beschlagnahme des Waterloo-Theaters zu verhindern. Heinrich Heisig, das wollte ich anmerken, hat dieses Schreiben von Clara Esslen nicht mit unterschrieben, aber später doch legitimiert.

Der Persilschein. Ausgestellt von Dr. Carl Stumme am 30. August 1945 für die Britische Militärregierung. [IMG_4931.jpg + IMG_4932.jpg, Seite 14 und 15 der Akte]

Carl Stumme, Rechtsanwalt beim Hanseatischen Oberlandesgericht, (24) Hamburg 36, Neuer Wall 44, 30. August 45.

Firma Waterloo-Theater Frau Esslen und Herrn Heisig. Hamburg 36, Dammtorstrasse.

Ich bestätige Ihnen hierdurch, dass das Waterloo-Theater keineswegs im Wege einer sogenannten Arisierung in den Besitz von Frau Esslen gekommen ist. [Falschinformation]

Vielmehr waren der inzwischen verstorbene Herr Esslen und Frau Esslen bereits im Jahre 1928 Kommanditisten der Norddeutschen Film-Theater Kommanditgesellschaft gewesen, der das Waterloo-Theater gehörte. Im Jahre 1928 hatte Frau Esslen RM. 500.000,– hineingegeben, womit der Umbau des Waterloo-Theaters finanziert worden ist. [Falschinformation]

Frau Esslen hat dann im Jahre 1931, nachdem ihr Ehemann verstorben war, als Grundeigentümer des Hauses Dammtorstrasse 14, in der sich das Waterloo-Theater befindet, eine Räumungsklage gegen die Norddeutsche Film-Theater Kommanditgesellschaft angestrengt, weil diese seit langem mit Miete in Rückstand gekommen war.

[50 % Falschinformation] ― Sie war durch ihre Erbschaft 50 % Teilhaberin dieser KG geworden. Sie hatte also Klage gegen eine Firma erhoben, die ihr zur Hälfte selbst gehörte, mit der durchsichtigen Absicht, diese komplett zu übernehmen, bzw. das Kino komplett zu übernehmen]

Die Film-Theater Kommanditgesellschaft stellte dann ihre Zahlungen ein. In der Folgezeit hat Frau Esslen eine neue Gesellschaft, die Waterloo-Theater G.m.b.H. gegründet, die am 4. Januar 1932 begann.

[Falschinformation]: Die GmbH war keineswegs eine Neugründung. Es handelte sich um einen wertlosen GmbH Mantel, mit dem ihr verstorbener Gatte Karl Friedrich Esslen einen Weinhandel in Mühlenbeck bei Berlin betrieben hatte. Das Stammkapital dieser GmbH RM 20.000,– war bereits 1925 eingezahlt worden und den 50 % Anteil dieser Firma verkaufte Clara Esslen mit Hilfe des Rechtsanwaltes Dr. Otto Herbert Bauer für RM 10.000,– an Manfred Hirschel. Dr. Otto Herbert Bauer wurde, neben Manfred Hirschel, zum zweiten Geschäftsführer dieser GmbH ernannt. Beide Geschäftsführer waren nun nur gemeinsam vertretungsberechtigt. Ohne Zustimmung von Dr. Otto Herbert Bauer war keine Entscheidung möglich]

An dieser Gesellschaft war Herr Hirschel formell mit einem Anteil beteiligt, sein Anteil mit Gewinnbeteiligung war aber an Frau Esslen verpfändet wegen der sehr grossen Schuldverpflichtungen des Herrn Hirschel gegenüber der Frau Esslen. Herr Hirschel wurde Mitgeschäftsführer neben Frau Esslen bis 1933.

[Falschinformation: Manfred Hirschel war nicht “formell“ sondern mit 50 % an dieser GmbH beteiligt. Nach Umbenennung und Verlagerung waren die ersten Geschäftsführer Dr. Otto Herbert Bauer und Manfred Hirschel. Nach dem Rücktritt von Otto Herbert Bauer ernannte sich Clara Hirschel zu Geschäftsführerin (Wohnsitz: Berlin Charlottenburg).]

Da sich gewisse Unzuträglichkeiten ergaben, gab Herr Hirschel die Kassenführung und die Erledigung aller finanzieller Angelegenheiten an den jüdischen Rechtsanwalt, Herrn Dr. Bauer, ab.

[Falschinformation. Der jüdische Rechtsanwalt war schon vor längerer Zeit zum Christentum konvertiert und wird hier in seinem “Judensein“ instrumentalisiert.]

Etwa im Mai 1934 schied dann Herr Hirschel auch formell als Geschäftsführer aus und an seine Stelle wurde Herr Rechtsanwalt Dr. Bauer Geschäftsführer. Ferner gab er seine Anteile an Frau Esslen ab auf Grund eines vor dem Landgericht abgeschlossenen Vergleichs, wobei Herrn Hirschel seine Anteile entsprechend bezahlt wurden.

[Falschinformation. Die Nazis hatten sich weder daran gestört, das Dr. Otto Herbert Bauer zum Christentum konvertiert war, noch daran, das er im ersten Weltkrieg als Freiwilliger Soldat an der Front gekämpft hatte. Sie haben ihn ins KZ Fuhlsbüttel gebracht und später in Mauthausen ermordet. Er konnte sich also 1945 nicht mehr gegen seine Instrumentalisierung durch Esslen und Heisig wehren. Und bezahlt wurde nichts.]

Meiner Erinnerung nach hat die Reichsfilmkammer nicht das Ausscheiden des Herrn Hirschel begehrt. Dass hier keine Arisierung vorlag, ergibt sich im übrigen schon daraus, dass, wie bemerkt, an die Stelle des Herrn Hirschel der jüdische Rechtsanwalt, Herr Dr. Bauer, Geschäftsführer wurde. Hochachtungsvoll Stumme [Falschinformation. Herr Dr. Otto Herbert Bauer war bei Umbenennung und Verlagerung der Firma von Mühlenbeck nach Hamburg behilflich und zum zweiten Geschäftsführer ernannt worden. Karl Friedrich Esslen starb am 16. Juli 1930. Zu seinem Nachfolger als Geschäftsführer wurde am 10. Februar 1931 der Rechtsanwalt Dr. Otto Herbert Bauer aus Hamburg im Handelsregister Berlin eingetragen. Dieses Amt übte Bauer bis zum 10. Januar 1932 aus. In seiner Amtszeit wurde die GmbH umbenannt und ihr Sitz von Berlin Mühlenbeck nach Hamburg verlegt. Seine Nachfolgerin wurde Clara Esslen, Berlin Charlottenburg.] [Seite 14 + 15 der Akte] [IMG_4931.jpg + IMG_4232.jpg] [Abschrift Anlage 1]

[Anmerkung 2023: An diesem »Persilschein« ist so gut wie alles falsch. Kein Wunder, das Dr. Carl Stumme, als er von dem Rechtsanwalt Dr. Hans Juul (Anwalt von Klara Esslen und Heinz Heisig) darüber informiert wurde, dass dieser Persilschein, der auf Begehren von Esslen und Heisig für die Britische Militärregierung erstellt wurde, im Wiedergutmachungsverfahren als Beweismittel verwendet wurde, alles versucht hat, um dieses Schreiben als nicht gegeben zurück zu bekommen. Aber in der Akte hat es die Jahre überdauert und zeigt uns auf, wie hier − mit allen Mitteln − versucht wurde, das Kino zu behalten. Und Esslen und Heisig sind damit durchgekommen.]

Dokument 4 Brief von Rechtsanwalt Kurt Leo Eisner aus Saõ Paulo Saõ Paulo 14. September 1950 bezüglich der Rückgabe des Waterloo Theaters. Dammtorstraße 14. [IMG_5010.jpg]

Rechtsanwalt Kurt Leo Eisner schreibt aus Saõ Paulo: Saõ Paulo 14. September 1950

An Herrn Rechtsanwalt Dr. Hans Dehn Hamburg 36

Sehr geehrter Herr Dr. Dehn!

Herr Hirschel hat mir Einsicht gegeben in seine Wiedergutmachungsakten betr. Waterloo Theater. Über dem diesem Verfahren zugrundeliegenden Vergleich kann ich an sich keine Angaben machen, da ich an diesem nicht mitgewirkt habe.

Dagegen glaube ich Ihnen einige wichtige Tatsachen mitteilen zu können, die sich auf die Einwendungen der Frau Esslen beziehen. Sie behauptet der Vergleich sei nicht abgeschlossen worden, weil Herr Hirschel auf Grund der Rassenverfolgungen aus der Leitung des Theaters ausscheiden musste, sondern aus ein anderen Gründen resp. weil er Geld gebrauchte seine Verpflichtungen zu erfüllen.

Dieser letzte Grund kann auf keinen Fall stichhaltig sein. Herr Hirschel hat nämlich im Jahre 1931 für sich oder und die Norddeutsche Filmtheater KG. ein Schiedsgerichtsverfahren gegen Frau Esslen gehabt. In diesem Verfahren, dessen Leitung Oberlandesgerichtsrat Dr. Prochnownick hatte, sass ich als Mitschiedsrichter.

Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich zwischen den Parteien und gleichzeitig mit einem Akkord zwischen der Gruppe Norddeutsche Filmtheater und ihren Gläubigern.

Mit der Abwicklung dieses Akkordes war ich betraut. Sämtliche Verpflichtungen der Norddeutschen und etwaige persönliche des Herrn Hirschel wurden endgültig getilgt. Die Norddeutsche hörte auf zu bestehen und das Waterloo Theater wurde von der auf Grund des Vergleiches gegründeten GmbH. übernommen.

Von dieser Zeit an konnte also Herr Hirschel keinerlei neue Verpflichtungen kontrahieren, die alten waren liquidiert, der Lebensunterhalt des Herrn Hirschel war auf Grund der Verträge geregelt.

Auf Grund dieses Sachverhaltes halte ich die oben angegebenen Behauptungen für frei erfunden.

Durch die oben erwähnte Abwicklung der Gläubiger war zwar Herr Hirschel niemals mein Mandant geworden, jedoch bin ich in näheren Kontakt mit Herrn Hirschel gekommen. Wir haben gelegentlich über seine Geschäftsangelegenheiten gesprochen und er hat mich auch ab und zu um Rat gefragt.

So erinnere ich mich, dass mich Herr Hirschel 1933 anrief, und mir mitteilte, dass er in Schwierigkeiten sei; es liefe ein antisemitischer Film im Waterloo und Herr Dr. Bauer, Vertreter Frau Esslens teilte ihm mit, die Parteileitung liesse den Film nicht aufführen, wenn Herr Hirschel Geschäftsführer bliebe. Herr Dr. Bauer hatte ihm im Namen von Frau Esslen vorgeschlagen, formell die Leitung niederzulegen ohne dass seine rechtliche Stellung und seine Ansprüche geändert würden.

Ich erinnere mich, dass ich Herrn Hirschel zugeraten habe, mit dem Hinweis, dass ich Herrn Dr. Bauer als Mann von Wort kenne. Über die weitere Entwicklung dieser Angelegenheiten kann ich . . . (fehlt im Text) vermutlich: . . . keine Angaben machen. ( . . . ) (IMG_5010.jpg)

Dokument 5 Brief von Manfred Hirschel an seinen Anwalt Dr. Dehn [IMG_5011.jpg + IMG_5012.jpg + IMG_5013.jpg] [Abschrift. Seite 70 + 71+72 der Akte]

An Herrn Dr. Hans Dehn Hamburg 36.

Saõ Paulo, d. 8. Mai 1950 Sehr geehrter Herr Dr. Dehn

Zum gegnerischen Schriftsatz vom 22. April habe ich folgendes zu erwidern: “Ich habe niemals behauptet, dass Frau Esslen oder gar Herr Heisig Mitglieder der NSDAP waren. Die Gesinnung des Herrn Heisig als Antifazist war mir bekannt, aus welchem Grunde ich ihm s. Zt. meine Interessenvertretung anvertraute und ihn von mir aus zu meinem Nachfolger vorschlug. Die Gesinnung der Frau Esslen erkannte ich nur aus ihren Handlungen. Ihr Rechtsanwalt Dr. Otto H. Bauer war kein Jude, er war Christ, in der Petrikirche getauft worden und war der Verfasser verschiedener antisemitischer Schriftsätze in den Prozessen von 1934-35.

Wenn der eingereichte Spielplan des Waterloo beweisen soll, dass Frau Esslen antinazi oder etwa projüdisch eingestellt war, so ist dies ein grosser Irrtum. Der Spielplan umfasst die Zeit vom 30. Juni bis 25. Juli 1933.

1.) Abgeschlossen wurden diese Filme noch von mir und hatte Frau E. [sslen] wie auch ihr Vertreter überhaupt keinen Einfluss auf die Programmgestaltung.

2.) In den meisten Filmen, die ja bereits vor 1933 hergestellt wurden, waren jüdische Darsteller oder Regisseure tätig.

2.) gab es zu dieser Zeit noch keine nationalsozialistischen Filme, nur einen und der wurde im Waterloo Theater vom 16 – 22. Juni 1933 gespielt. Warum beginnt der Spielplan lt. Anlage erst am 30. Juni und nicht schon am 16. Juni? Man möge dies nachholen.

Soviel ich mich erinnere und ich habe eine sehr gute Erinnerung wurde an diesem Tage, dem 16. Juni auch die Hakenkreuzfahne gehisst, wohl als Zeichen, dass das Theater an diesem Tage reinarisch wurde. Dies Programm war der einzige und ausschliessliche Anlass, wie ich meinem Schriftsatz 15.8.49 dargestellt, der zu der Niederlegung meines Geschäftsführerpostens führte.

An dieser Wahrheit werden alle Versuche der Gegenseite, die Schuld mir selbst zuzuschreiben oder meiner finanziellen Verhältnisse aus früheren Jahren 1930/31 wegen, scheitern, denn wenn ich vor der Gründung der Waterloo. Theater G.m.b.H. verschuldet war, und dies war der Fall, so beweist dies nur die Schwäche meiner Position in welcher ich mich befand, als ich meinen Anteil zeitweilig verpfänden musste und diese Schwäche hat Frau E.[sslen] auch ausgenutzt. Dass Frau E.[sslen] aber auch wiederum diese Zeit 1930/31 in ihrer Beweisführung anführt und sich hierauf stützt um sich der Wiedergutmachung zu entziehen, ist ein starkes Stück.

Meine finanziellen Verhältnisse im Jahre 1932 und 1933 waren vollkommen geordnet durch Verträge und Abmachungen sodass der Versuch, die Schwierigkeiten aus den Jahren 1930/31 als Anlass oder Grund für die Niederlegung der Geschäftsführung anzunehmen, nicht der Wahrheit entspricht.

Die Gegner haben auch nicht den leisesten Versuch gemacht, den klaren Tatbestand, niedergelegt in meinem Schriftsatz vom 15.8.1949, zu widerlegen, so dass man diesen Tatbestand als den wahren Tatbestand ansehen kann.

Frau Esslen als Grundeigentümerin hatte mir Anfang 1934 das Betreten des Büros und des Theaters verboten, andernfalls ich mich des Hausfriedensbruches schuldig machen würde. Ferner hatte sie mir jegliche Zahlung von Gehalt oder Gewinn verweigert, wodurch sie mich zwang, die unerquicklichsten Prozesse zu führen, die zu den bekannten Vergleichen führten.

Wenn Frau E.[sslen] nur ein wenig prohumano eingestellt gewesen wäre, so hätte sie alles tun müssen, um das Los der Juden in ihrem Unglück zu erleichtern und nicht, wie sie es getan hat, versucht, Vorteile hieraus zu ziehen.

Dann würde sie auch heute wenigstens den Versuch machen das begangene Unrecht wiedergutzumachen und nicht einen Kampf gegen das Wiedergutmachungsgesetz zu führen, den sie bereits seit langem, siehe Schreiben Dr. Stumme aus dem Jahre 1945, vorbereitet hatte.

[Anmerkung 2023: Manfred Hirschel bezieht sich hier auf ein Schriftstück des Rechtsanwaltes Dr. Carl Stumme. Ein Art Persilschein, den dieser Klara Esslen und Heinz Heisig im August 1945 ausgestellt hatte. Die Britische Militärregierung hatte die Absicht, das Waterloo Kino 1945 zu beschlagnahmen und einen Treuhänder einzusetzen. Esslen und Heisig besuchten Dr. Stumme und erbaten diesen Persilschein, der von Dr. Stumme zur Abwehr dieser Beschlagnahme ausgestellt wurde. Als diese Bescheinigung dann von Dr. Juul, dem Anwalt von Clara Esslen, in dem Restitutionsprozeß Verwendung fand, erfuhr Dr. Carl Stumme davon und bestand darauf, das dieser Persilschein aus der Prozessakte entfernt werden sollte, was aber nicht geschah, wie man der Akte entnehmen kann]

M.E. [Mit Einschränkungen] ist es aber gleichgültig, wie Frau E. [sslen] eingestellt ist. Maßgeblich ist, dass ohne den Nationalsozialismus respe. einer solchen Regierung ich niemals aus dem Waterloo, welches ich gebaut hatte, ausgeschieden wäre und noch heute drin wäre und dies ist doch gerade der Sinn des Wiedergutmachungsgesetzes, dass diejenigen wieder eingesetzt werden sollen in ihren Rechte, deren sie durch oder infolge des Nationalsozialismus beraubt worden sind. Da Frau E. [sslen] kräftig Beihilfe geleistet hat, weil ich ihr unsympathisch war und da es ihr persönlicher Vorteil war, mich herauszubekommen, so sind ihre heutigen Erklärungen aufzufassen.

Auf die Ausführungen der Gegner zu Seite 7 No. 6, dass die bezahlten Beträge “angemessen“ seien, möchte ich folgende Rechnung aufstellen:

Im Jahre 1921 haben Sass, Streit und ich das Theater gekauft und eine verhältnismässig hohe Summe für das Theater bezahlt. Dann haben wir 1928 das Theater für 530.000, um-resp. neuerbaut. Es hatte also mindestens einen Wert von 600.000, . Da Sass und Streit wegen anderer grosser Bauverpflichtungen austreten wollten, suchte ich einen Sozius und fand ihn in Herrn Esslen, dem Eigentümer des Hauses. Derselbe bezahlte für den 50 % Anteil 300.000, . Nach dem Tode des Herrn Esslen trat Frau E.[sslen] und Kinder an seine Stelle. Von Anfang an glaubte sich Frau E.[sslen] übervorteilt und benutzte 1932 bei Abschluss des Vergleichs die Gelegenheit meiner finanziellen Schwierigkeiten übrigens verursacht durch den Bau des Waterloo für sich eine Summe, ich glaube, es waren 150.000,— vorweg zu nehmen und sich aus der Verpfändung bezahlt zu machen. Selbst wenn der Wert keine 600.000,– sondern nur 300.000,— gewesen wäre, so kann man aus dem Vergleich ersehen, dass ich in keiner Weise angemessen entschädigt wurde. . . . ( . . . ) Hierüber müssten evtl. Zeugen vernommen werden aus Theaterbesitzerkreisen und nicht etwa der Richter Herr Dr. Kreiss und Dr. Stumme. Dies wiederum hat nur Sinn und Zweck, wenn das Gericht anerkennt das Umstände aus dem Jahre 1931 mit dem Nationalsozialismus, der erst 1933 kam, nicht das mindeste zu tun haben und mich daher nicht haben veranlassen können eine gesicherte und lohnende Position aufzugeben.

Zu III Seite 8. Erstens bin ich nicht abberufen worden, habe auch niemals meinen Posten zur Verfügung gestellt, sondern habe unter Druck mein Amt als Geschäftsführer niedergelegt, siehe wiederum mein Schreiben vom 15.8.1949. Zweitens sind alle Anspielungen auf Unehrenhaftigkeit Verleumdungen, die an meiner Person jedoch abprallen.

Ich bin fast 14 Jahre in Brasilien, habe nur grosse Vertrauensstellungen eingenommen und wen es interessiert, kann Auskunft über mich vom Internationalen Auskunftsbüro R.G. Dun & Co. erhalten, auch über meine Firma, die einen internationalen guten Namen hat.

Was die Gegner über Reichsfilmkammer unter Berufung des Zeugen Adam schreiben, dass dieser keinen Druck oder Einflussnahme auf Frau E.[sslen] ausgeübt haben und das diese erst in Januar 1936 gegründet wurde, so darf ich wohl daran erinnern, dass die s. Zt. offizielle Politik der Regierung oder deren Instanzen nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatten und dass seit dem Boykott April 1933 ein direkter und indirekter Druck von der Partei, die ja bereits existierte ausgeübt wurde, das alle Juden aus den Theatern Kinos und Presse verschwanden.

Ein weiterer Beweis dieses Drucks ist der Verkauf unseres Theaters am Nobistor. Dieses, eines der besten Volkstheater Hamburgs auf der Reeperbahn war 23 Jahre im Besitz meiner Mutter und waren mein Bruder und ich ebenfalls daran beteiligt, mussten wir bis zum 1. November 1933 verkauft haben, ohne es zu müssen oder waren meine persönlichen Umstände aus den Jahren 1930-31 auch daran Schuld?

Wir verkauften dies Theater an Frau Erna Vogt am 18. Oktober 1933 mit Genehmigung der nationalsoz. Verbandsorganisation, Reichsfilmkammer oder wie sei sich z. Zt. genannt hat. Übrigens ist in dem Frau Esslen vor Gericht abgeschlossenen Vergleich auch schon von der Reichsfilmkammer die Rede, die erst 1936 in Funktion trat? (Vergleich vom – Anmerkung handschriftlich am Rand vom 13. Mai 1935).

Ehemann der Frau Erna Vogt Herr Oscar Vogt wird sicherlich gerne bestätigen, dass wir das Theater gezwungenermassen im Oktober 1933 an ihn resp. seine Ehefrau abtraten. Gegen ihn haben wir keine Ansprüche im Wiedergutmachungsverfahren gestellt, da erstens das Theater nicht mehr existiert (Ausgebombt) zweitens das Ehepaar niemals versucht hatte, aus unserem Unglück Sondervorteile zu ziehen und sich stets einwandfrei und korrekt benommen haben, trotzdem der gezahlte Preis weit unter Wert war.

Wenn das Theater noch existieren würde, und wenn wir Ansprüche (in) gestellt hätten, so bin ich überzeugt, dass wir uns in kurzer Zeit aussergerichtlich verständigt hätten, genau so bin ich überzeugt, dass wenn ich meinen Anteil am Waterloo frei hätte verkaufen können an einen Herrn, ich heute nicht nötig hätte, lange Prozesse zu führen.

Das Gericht bitte ich feststellen zu wollen, dass meine Angaben, die nicht widerlegt wurden, als den Tatsachen entsprechend anzusehen sind und meine Ansprüche daher grundsätzlich zu bejahen sind. Ich habe schon in früheren Ausführungen dargelegt, dass es nicht glaubhaft wäre, Verträge von sich aus aufzugeben, die einem Existenz und lohnende Position geben, wenn man nicht dazu gezwungen wird, durch äußere Umstände. Diese äußeren Umstände war das Programm des Waterloo Theaters vom 16. bis 22. Juni 1933

gez. Manfred Hirschel

Dokument 6 Richard Adam schreibt ans Gericht Abschrift [IMG_5037.jpg, Seite 64 der Akte Hirschel gegen Esslen]

Brief an das Landgericht Hamburg Wiedergutmachungskammer Hamburg 37 Kampen / Sylt, d. 25.7. 1951 Aktenzeichen 1 Wik 2/50 In Sachen Hirschel L/,1 Esslen

Ihre Zeugenvorladung in obiger Angelegenheit vom 17. Juli mit dem Poststempel vom 23. Juli erreichte mich heute hier in Kampen a. Sylt, wohin ich seit einiger Zeit meinen Wohnsitz verlegt habe.

Ich bin gerne bereit, als Zeuge zu erscheinen, mache Sie jedoch darauf aufmerksam, dass mir dadurch Fahrtkosten 2. Klasse Eisenbahn DM 54.20 entstehen. Ich bitte Sie, mir diesen Betrag rechtzeitig vorher zuzusenden und zwar an die Adresse Richard Adam, Kampen a. Sylt.

Ich sehe Ihrer entsprechenden Nachricht entgegen.

Hochachtungsvoll Richard Adam

Dokument 7 Beschluß Richard Adam wird verlegt. [Seite 95 der Akte- IMG_5038.jpg] Beschluß in der Sache Hirschel gegen Esslen, Bevollmächtigter RA. Dr. Dehn, Hamburg, Antragsteller gegen Esslen, Bevollmächtigter RA. Dr. Hans Juul Hamburg, Antragsgegner hat das Landgericht 1. Wiedergutmachungskammer durch folgende Richter 1. Landgerichtsdirektor Dr. Joost, als Vorsitzender 2. Landgerichtsrat Dr. Warmbrunn, 3. Landgerichtsrat Engelschall am 31. Juli 1951 beschlossen:

Der Beweisbeschluß vom 17. Juli 1951 wird dahin abgeändert, daß der nach Kampen auf Sylt verzogene Zeuge Richard Adam durch Ersuchen des örtlich zuständigen Amtsgerichtes in Westerland zu vernehmen ist.

Drei unleserliche Unterschriften.

Vermutlich Joost, Warmbrunn, Engelschall.

Dokument 8 Abschrift. Richard Adam. Zeugenvernehmung in Westerland Das Amtsgericht. Westerland, den 15. August 1951. Seite 98 der Akte. [IMG_5042. jpg und IMG_5043.jpg] Gegenwärtig: Amtsgerichtsrat Dr. Petersen als Richter, Justizangestellte Unruh als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle.

In Sachen Hirschel gegen Esslen erschienen bei Aufruf 1.) f.d. Antragsteller ― niemand ― 2.) für die Antragsgegnerin ― RA. Dr. Juul aus Hamburg 3.) Nachbenannter Zeuge Adam. Nachdem der Zeuge auf die Bedeutung des Eides sowie die Strafbarkeit einer falschen uneidlichen Aussage hingewiesen worden war, wurde er, wie folgt, vernommen. z.P.: Richard Adam, 57 Jahre alt. Filmtheaterbesitzer. wohnhaft z.Zt. Kampen /Sylt.

z.S.: Ich bin vom 1932 bis 1934 xxxxxxx Landesfilmstellenleiter der NSDAP. in Hamburg gewesen. Vorher war ich privater Filmverleiher. Ich trat an die NSDAP. heran, um deren Filme verleihen zu können. Zunächst kaufte ich die Filme der NSDAP. und verlieh sie auf eigene Rechnung. Vom Jahre 1933 ab wollte die Partei den Verdienst jedoch selbst einziehen. Von dieser Zeit an konnte ich die Filme nicht mehr selbständig verleihen. Deshalb gab ich im Jahre 1934 die Tätigkeit auf. Zu der Zeit wurden die Landesfilmstellen aufgelöst. Es wurden Gaufilmstellen errichtet, die dem Gauleiter unterstanden. Von 1934 an bin dann Geschäftsführer des Reichsverbandes Deutscher Filmtheater, Abt. Norddeutschland, gewesen. Zu der Zeit handelte es sich noch um eine Organisation der Privatwirtschaft, die die Interessen der. Filmtheater zu vertreten hatte. Der Gauleiter mußte allerdings schon damals mit der Besetzung des Geschäftsführerpostens einverstanden sein. Die Partei hielt sich jedoch bis zu meinem Ausscheiden aus dieser Tätigkeit im Jahre 1936 jeder Eingriffe.

Ich hatte keine Befugnis dazu, in die Verhältnisse einzelner Filmtheater einzugreifen. Ich habe das auch nie getan. Insbesondere habe ich nie erklärt oder gar darauf gedrängt, daß der Antragsteller seine Beteiligung an der damaligen Waterloo Theater GmbH aufzugeben habe. Mir ist auch nicht bekannt, daß von irgendeiner Seite darauf gedrängt worden ist, daß der Antragsteller seinen Posten als Geschäftsführer der Gesellschaft aufzugeben habe. [IMG_5043.jpg] [Seite 99 der Akte] .

Auf Befragen des Vertreters der Antragsgegnerin: Im Jahre 1933 bestanden ausser der Landesfilmstelle der NSDAP. und des Reichsverbandes Deutscher Filmtheater keine weiteren Institute, die sich mit den Belangen der Filmwirtschaft befaßten. Ich halte es für ausgeschlossen, daß einer meiner damaligen Angestellten nach der Machtübernahme bei der Waterloo-GmbH angerufen und erklärt hat, daß der Antragsteller seinen Geschäftsführerposten niederzulegen habe. Dienststellenleiter hatte ich nicht. Ich halte es auch für ausgeschlossen, daß eine Parteidienststelle einen solchen Anruf gemacht hat. Wenn ein solcher Anruf von irgend einer Seite erfolgt wäre, so hätte Herr Heisig mich sicher darüber unterrichtet. Auf die personelle Besetzung hat die NSDAP. erst xx vom Jahre 1936 ab Einfluß genommen.

Auf die Programmgestaltung der Filmtheater ist kein Einfluß genommen worden. Sobald die Filme von der Zensur freigegeben worden waren, konnte jeder Theaterbesitzer die Filme aufführen, die er zeigen wollte. [Offenbar ist der Widerspruch, der in dieser Äusserung steckt, bis heute nicht weiter aufgefallen] Frau Esslen und Herr Heisig haben niemals bei mir darauf hinzuwirken versucht, daß etwas gegen den Antragssteller als Juden unternommen werden sollte. Es war mir damals bereits bekannt daß Herr Heisig anti-nationalsozialistisch eingestellt war und zwar sogar sehr stark.

In der ganzen Filmbranche war bekannt, daß der Antragsteller sehr stark verschuldet war. Ich bin der festen Überzeugung, daß er wegen dieser Verschuldung aus der Waterloo-G.m.b.H. auch ausgeschieden wäre, wenn die Machtübernahme durch die NSDAP. im Jahre 1933 nicht gekommen wäre. Nach Diktat genehmigt. Dr. Petersen geschl. Unruh

Dokument 9

Kein Zeugengeld

[IMG_50 46.jpg, Seite 1003 AR. 178/51] Beschluß Der Antrag des Kaufmanns Richard Adam aus Kampen/ Sylt, ihm als Zeugen eine Entschädigung von 7,– DM für die Benutzung eines eigenen Kraftwagens zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Zeuge ist am 15. August 1951 in der Wiedergutmachungssache Hirschel gegen Esslen (LG. Hamburg Wik. 2/50) vernommen worden. Er hat für die Fahrt von seinem Wohnort Kampen nach Westerland und zurück seinen eigenen Wagen benutzt und beantragt, ihm hierfür eine Vergütung von 7,– DM festzusetzen. Wie ein Zeuge zu entschädigen ist, ist in der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige geregelt. Als Reiseentschädigung wird sind nach § 8 der Geb. O. die nach billigen Ermessen in dem einzelnen Falle erforderliche Kosten zu gewähren.

Daraus folgt, daß regelmäßig das billigste Beförderungsmittel zu benutzen ist. Das wäre in diesem Falle die Kleinbahn oder der Omnibus gewesen. Richtig ist es, daß der Zeuge dann, um den Termin wahrnehmen zu können, über 5 Stunden von seinem Wohnort entfernt gewesen wäre.

Wenn der Zeuge eine Entschädigung für Zeitversäumnis verlangen würde (§ 6 Geb.O.) und dann die Gesamtentschädigung höher sein würde als der für die Benutzung eines eigenen Kraftwagens zu vergütende Betrag, so könnte er die Summe verlangen, die üblicherweise bei Inanspruchnahme eines Kraftwagens erstattet wird.

Da der Zeuge aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht beansprucht, kann er nur eine Entschädigung in Höhe der Omnibus- oder Bahnfahrkosten, die sonst entstanden wären, – das sind 1,– DM erstattet bekommen.

Westerland, d. 18. August 1951

Das Amtsgericht.

Dr. Petersen. [Amtsgerichtsrat] [Richter] Das Amtsgericht. Westerland, den 15. August 1951. [Seite 98 der Akte] [IMG_5042. jpg und IMG_5043.jpg] [Handschriftlich vermerkt: 2 x ab Protokollabschriften an den Anwälten 22. 8. 52] Warmbrunn 22.08.52 Gegenwärtig: Amtsgerichtsrat Dr. Petersen als Richter, Justizangestellte Unruh als Urkundsbeamter der Geschäft stelle.

Dokument 10 Zeuge Hans Struckmeyer 12. November 1951. Seite 111 der Akte [IMG 5074.jpg―IMG_5075.jpg] Öffentliche Sitzung. Zeugenvernehmung Hans Struckmeyer im Prozess Hirschel gegen Esslen. Anwesend: RA. Dr. Dehn RA H. Juul 14.15. Uhr Frau Esslen und Herr Heisig. Dr. Warmbrunn als Einzelrichter Manfred Hirschel ./. 1.) Waterloo Theater GmbH, 2.) Frau Klara Esslen und ihre minderjährigen Kinder, 3.) Heinrich Heisig Erschienen bei Aufruf für den Antragsteller RA. Dr. Dehn, für den Antragsgegner RA. Dr. H. Juul und Geschäftsführer Heisig sowie nachstehend benannter Zeuge.

Zeuge Struckmeyer:

Zur Person: Ich heiße Hans Struckmeyer, bin 62 Jahre alt, Kaufmann in der Filmtheaterbranche in Hamburg, ohne Beziehung zu den Beteiligten.

Zur Sache: In der Zeit vor dem Jahr 1933 war ich Vorsitzender des Verbandes Norddeutscher Filmtheater e. V., der die Belange der Inhaber von Lichtspieltheatern wahrnahm. Herr Hirschel war für seine Person nicht Mitglied, sondern sogenannter Außenseiter.

Ich war damals Mitinhaber eines Lichtspielhauses in der Mönckebergstrasse [Passage Kino, Mönckebergstrasse 17 ― 1930 ― 976 Sitzplätze] und befaßte mich außerdem mit der “Verleihung“ von Filmen. Ich erinnere mich genau, das in den Jahren etwa 1931/32 jedenfalls vor dem politischen Umschwung des Januar 1933 Herr Hirschel, den ich persönlich gut kannte, sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand.

Da er seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Filmverleihern nicht nachgekommen war, war eine Treuhandschaft eingerichtet worden, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die verfügbaren Einnahmebeträge aus der Treuhandschaft des Waterloo-Theaters pro rata unter den Gläubigern zu verteilen.

Die Grundlage der Tätigkeit war eine Vereinbarung, aufgrund deren der damalige Rechtsanwalt Dr. Eisner für die Belieferung des Waterloo-Theaters beteiligten Filmverleihern die Einnahmen in Empfang nehmen und anteilig der Forderungen verteilen sollte. So ist es auch eine Zeitlang geschehen. Aus welchem Anlaß und zu welcher Zeit Herr Hirschel seine Tätigkeit im Waterloo-Theater eingestellt hat, ist mir nicht bekannt.

Ich bin nur befaßt gewesen, wie die Schulden des Herrn Hirschel an Filmverleihern beglichen wurden, nicht aber darüber unterrichtet, wann und in welcher Weise seine sonstigen Verbindlichkeiten abgedeckt worden sind.

Allgemein kann ich nur zu der Lage “jüdischer Filmtheater“ in der ersten Zeit nach der sogenannten Machtübernahme folgendes erwähnen:

Meine Position im Verband Norddeutscher Filmtheater habe ich bis zum Sommer 1934 beibehalten. Mein Nachfolger war ein Herr Roman,

[richtig: Paul Romahn, der Buchhalter (“der Syndikus“) vom Henschel Film- und Theaterkonzern]

nach der Umorganisation im Rahmen der Schaffung einer Reichsfilmkammer wurde es Herr Adam [Richard Adam]. Auf die Abgabe von Theatern durch jüdische Inhaber oder auf Entlassung jüdischer Angestellter wurde in der ersten Zeit nach dem politischen Umschwunge nicht hingewirkt.

Wenn mir mitgeteilt wird, daß Herr Hirschel behauptet, Mitte Juni 1933 durch politischen oder rassistischen Druck aus seiner Position verdrängt worden zu sein, so halte ich die Richtigkeit des Vortragens für unwahrscheinlich.

Vielmehr ist anzunehmen, daß andere Gründe damals für sein Ausscheiden maßgebend gewesen sind. Ich weiß auch nichts davon, daß damals außer den Wirtschaftsverbänden andere Stellen Einfluß auf die personelle Besetzung der Filmtheater nahmen. Die Schauburg-Theater an denen Juden beteiligt waren, [Man beachte die Wortwahl!] haben noch lange Zeit, sicher bis in das Jahr 1934 hinein, unter Beibehaltung ihrer Leitung und ihres Personals gespielt.

Später sind Änderungen durch Verpachtung oder durch ähnliche Weise herbeigeführt worden. Ich selbst bin in der Lage gewesen, einen jüdischen Angestellten, wenn auch schließlich unter Tarnung, bis in den Krieg hinein (1943) zu beschäftigen, der zurückgekehrt ist und jetzt wieder in meinen Diensten steht. [!]

Herr Adam [Richard Adam] betätigte sich in der Zeit vor dem Jahre 1933 im Vertrieb nationalsozialistischer Propagandafilme, erzielte aber dabei, so weit mir bekannt, keine besonderen Erfolge. Später hat er sich meiner Kenntnis nach an der Arisierung eines Theaters in Kiel [Adam, Romahn und Schümann] beteiligt.

Adam [Richard Adam] war zunächst nur irgendwie in der Propaganda der NSDAP tätig und kam in das Verbandsleben erst zu einem späteren Zeitpunkt hinein. Es wäre zu meiner Kenntnis gelangt, wenn aufgrund irgendwelcher höherer Weisungen Herr Hirschel zur Aufgabe seiner Tätigkeit gezwungen worden wäre. Ich habe hiervon aber nichts erfahren. Vorgelesen und genehmigt.

Hierauf trat die besetzte Kammer, Landgerichtsrat Dr. Warmbrunn als Vorsitzender, Amtsgerichtsrat Ehrhard, Landgerichtsrat Engelschall zusammen. Die Anwälte wiederholten ihre früheren Anträge und verhandelten zur Sache. Beschlossen und verkündet: Eine Entscheidung soll den Parteien zugestellt werden. Warmbrunn Keßler

Dokument 11 Sie sind damit durchgekommen 16. Juni 1952 Seite 170 der Akte [IMG _5132.jpg] An das Landgericht Hamburg 1. Wiedergutmachungskammer

In Sachen Manfred Hirschel gegen Waterloo-Theater GmbH. (RAe. Dres. Dehn, Wiegers pp.) ./. (RA Dr. Hans Juul) schliessen die Parteien ohne Präjudiz für ihren gegenseitigen Rechtsstandpunkt und zur Erledigung aller gleich wie gearteten Ansprüche, die den Antragsteller aus seiner früheren Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Waterloo-Theater GmbH Hamburg bezw. heute noch zustehen sowie als Ersatz für die ihm zustehenden Nutzungen den nachstehend formulierten Vergleich.

1) Die Waterloo-Theater GmbH zahlt dem Antragsteller eine einmalige Abfindung in Höhe von DM 50.000,–.

2) Die Zahlung erfolgt dergestalt, dass am Montag, d. 16 Juni 1952, DM 10.000,– in bar gezahlt werden. Der Antragsteller zeigt den Empfang dieser ersten Rate zu gerichtlichem Protokoll an.

3) Die übrigen werden die restlichen DM 40.000,– in 8 Monatsraten á DM 5.000,– bezahlt, jeweils am 15. eines jeden Monats, beginnend am 15. Juli 1952.

4) Die Restschuld wird gesichert durch Depotwechsel, welche dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers in Depot gegeben werden, der jeweils Zug uKurt Leo Eisnerm Zug gegen Leistung einer Fälligkeitsrate einen dieser Depotwechsel an die Waterloo-Theater GmbH. zurückgibt.

5) Die Waterloo-Theater übernimmt die Kosten des Rechtsstreits. Für Herrn Manfred Hirschel Der Rechtsanwalt Dehn Für die Waterloo-Theater GmbH. Der Rechtsanwalt Juul.

Übrigens hat sich die loyale Haltung von Heinz Bernhard Heisig gegenüber der Grundbesitzerin Clara E. nicht ausgezahlt. Das hat Heisig spätestens gemerkt, als sie das Kino an MGM verkauft hatte und er diese Neuigkeit aus der Zeitung erfahren hatte.

Foto von Dr. Otto Herbert Bauer aus dem Buch von Dr. Heiko Morisse, Jüdische Rechtsanwälte in Hamburg, Ausgrenzung und Verfolgung im NS-Staat, S. 117

Hallo J., Deinen Brief habe ich noch nicht gelesen, jedenfalls nur bis zu Deiner Becherpendelfrage. Und weil ich gerade an was ganz Langweiligem sitze, von dem ich mich mit Begeisterung ablenken lasse, habe ich doch prompt angefangen, ueber Deine Becher nachzudenken. Hier ist die Frucht meiner Ueberlegungen: Bei Deinen aufgehaengten Bechern handelt es sich um Pendel im Sinne der Physik. Ein Pendel ist – ich zitiere – „ein starrer Koerper beliebiger Form und Massenverteilung (trifft auf Deine Becher zu), der um eine horizontale Achse (den Haken), die nicht durch seinen Schwerpunkt geht (eindeutig nicht, der liegt tiefer), unter dem Einfluss der Schwerkraft Schwingungen um seine Ruhelage ausfuehrt“. Ich zitiere weiter: „Bringt man ein solches Pendel aus seiner vertikalen Ruhelage (was ja beim Aufhaengen offensichtlich gegeben ist), schwingt es unter dem Einfluss der Schwerkraft zurueck und wird zwischen den beiden Umkehrpunkten um die tiefstmoegliche Position weiterschwingen.“ Dass diese Pendelbewegungen kleiner werden und Deine Becher schließlich zur Ruhe kommen, liegt (behaupte ich jetzt mal) an der Reibung. Dass es so lange dauert, liegt wiederum daran (behaupte ich jetzt ebenfalls mal), dass der Reibungsverlust nicht besonders gross ist: Porzellan auf Metall, zwei glatte Oberflaechen. Insofern hat die Schwerkraft schon was damit zu tun. Die zieht sozusagen von unten am Schwerpunkt deines Bechers (spaetestens hier wuerde mein alter Physiklehrer in Traenen ausbrechen :-), der aber, einmal aus seiner Ruhelage gebracht, in beide Richtungen ueber das Ziel (den Schwerpunkt) hinausschiesst, bis die gesamte Bewegungsenergie wieder in potenzielle Energie umgewandelt ist und der Becher endlich Ruhe gibt. Klingt doch plausibel, oder? Ich bin zufrieden mit mir. Wiebeke

Hallo Wiebeke,

j

a das hast Du gut erklärt. Was ich noch vergessen hatte: Ich hatte und habe den Verdacht, das Clara Esslen vielleicht die Tochter des Schuhmachermeisters Ferdinand Koglin war, der 1909 in der Berliner Kantstraße Nr. 2 seinen Laden hatte. Eigentlich kam der Verdacht deshalb auf, weil Karl Friedrich Esslen als Vertreter der Schwedischen Firma Collan Olja bestimmt bei vielen Schustern und Schuhmachermeistern vorstellig geworden ist, um ihnen sein Lederöl anzubieten und später auch mit der Schuhcreme mit Namen Collonil. Und dieser Schuhmachermeister Koglin ist der einzige Schumachermeister in dem Scherl Adressbuch von Berlin von 1909 mit Namen Koglin. Und ausserdem war er auch noch der Hausbesitzer des Hauses in Charlottenburg in der Kantstraße 2. Wie findest Du das? J.

Apropos Carl Stumme und der Persilschein: noch ein Zitat aus einem Brief vom 11. Juni 1952 [IMG_5125.jpg + IMG_5126.jpg], Originalton Dr. Carl Stumme: „Ende August 1945 erschienen bei mir Frau Esslen und Herr Heisig. Sie fragten mich, ob ich bestätigen könne, dass Frau Esslen die im Vergleich 1935 übernommenen Verpflichtungen loyal erfüllt hätte. Das habe ich nach meiner besten Erinnerung bejaht. Sie teilten mir dann mit, dass die Militärregierung, wenn ich recht erinnere, die Film-Section, beabsichtige Frau Esslen das Waterloo-Theater zu nehmen und einen Treuhänder hineinzusetzen. Das würde verhindert werden können, wenn ich eine Bescheinigung ausstellen würde.

Dazu habe ich mich bereit erklärt, weil ich der Ansicht war, dass zu einem Eingreifen der Militärregierung nach Sachlage keine Veranlassung bestände. Das Rückerstattungsgesetz war noch nicht ergangen. Man stand damals unter dem Eindruck, dass eine Rückerstattung nur infrage käme, wenn Werte unter Anwendung eines gewissen Druckes Juden entzogen worden seien. Ich bemerke ausdrücklich, dass ich die Bescheinigung nur zu dem Zweck erteilt hatte, sie der Film-Section vorzulegen.

Als ich dann einige Jahre später, wenn ich recht erinnere, durch Herrn Dr. Dehn, erfuhr, dass der Prozessbevollmächtigte von Frau Esslen und Herrn Heisig, Herr Rechtsanwalt Dr. Juul, meine damals erteilte Bescheinigung als Beweisdokument im Rückerstattungsverfahren vorgelegt hatte, habe ich Herrn Dr. Juul das vorgehalten und ihm gesagt, dass ich unter keinen Umständen damit einverstanden sein könne, dass diese nur zu einem bestimmten Zweck erteilte Bescheinigung im Wiedergutmachungsverfahren gegen Herrn Hirschel verwendet werde. Herr Dr. Juul sah das ein. Ich habe dann gemeinsam mit Herrn Dr. Juul und im Einverständnis mit dem Vertreter des Herrn Hirschel, Herrn Dr. Dehn, Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Jost aufgesucht und dieser hat mir dann auf meine Bitte die Originalbescheinigung vom 30. August 1945 mir aus der Akte zurück gegeben, damit sie nicht im Prozess verwandt wurde. Ich spreche deshalb nochmals auch bei dieser Gelegenheit die Bitte aus: diese Bescheinigung als nicht erteilt zu betrachten. Hallo Wiebeke, ja die Tasse ganz rechts ist aus dem ehemaligen Hamburger Hafenkrankenhaus entwendet worden, J. Hallo Wiebeke, ja und immer wenn man an der Deutschen Geschichte ein wenig krazt, kommt wieder etwas hervor. Den Namen Prochnownick fand ich doch sehr ungewöhnlich. Und mein Verdacht hat mich nicht getäuscht. Ich finde ihn in dem Buch: Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus auf 334, dort steht: Prochnownick, Wilhelm, 19.09. 1878 Hamburg,1943 KZ Fuhlsbüttel, 27.03. 43 Hamburg, KZ Fuhlsbüttel. Es gibt auch einen Stolpersteintext, geschrieben von Dr. Heiko Morisse aus Hamburg.

PDFZwei oder drei Dinge über Wilhelm Prochnownick

Apropos Konrad Paul Rohnstein

PDF Apropos Konrad Paul Rohnstein4355 (III)

Wikipedia hat nur geschrieben, wann dieser Mensch geboren ist. Beim Todesdatum steht bis heute (22. September 2022, 20.00 Uhr ): Unbekannt. Doch der Betreiber der Synchrondatenbank, Arne Kaul, hat es herausgefunden. Gestorben ist Rohnstein am 12. August 1973 in München. Geboren ist Konrad Paul Rohnstein am 21. Januar 1900.

Aus seiner Biografie gibt es einige sichere Daten. Er hat in Würzburg studiert und eine Doktorarbeit geschrieben und taucht im Berliner Telefonbuch von 1927 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1926) als Rohnstein, Konrad Paul, Dr. rer. pol. auf. Die Doktorarbeit wurde am 18. Oktober 1923 bewertet. Wie, konnte ich nicht herausfinden. Im Telefonbuch gibt es auch Rohnsteins Berliner Anschrift: Falkenhagener Str. Nr. 7, Berlin-Spandau. T: 22 42.

Die Doktorarbeit trägt den Titel: „Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Filmindustrie unter besonderer Beruecksichtigung des Kinematographentheatergewerbes“. Diese Doktorarbeit steht auszugsweise im Netz. Ich habe sie überflogen. Sie beschäftigt sich nicht, wie man vermuten könnte, mit den technischen Abläufen bei der Herstellung von Filmen, sondern nur mit deren Vermarktung in den Kinos.

In Berlin wurde am 16. September 1929 die „Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet und am 30. November 1929 ins Handelsregister Berlin unter der Nummer 43259 eingetragen.

Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 75.000 RM und drei Geschäftsführer: 1. Ingenieur Karl Robert Blum, Berlin, 2. Kaufmann Karl Egon Martiny, Berlin, 3. Ingenieur Walter Hahnemann, Berlin. Im Scherl Adressbuch von Berlin, Ausgabe 1931 (vermutlicher Redaktionsschluß 15. Oktober 1930) habe ich auf Seite 444 den Eintrag gefunden: „Rhythmographie G. m. b. H., Phono- u. Kinotech. Ind., SW 68, Alte Jacobstr. 133.

Die Firma arbeitet auf der Grundlage der Patente von Carl Robert Blum. Blum hatte viele Berufe. Einer davon war: Erfinder. Außerdem war er Kapellmeister und Direktor des: »Mohr’schen Conservatorium für Musik«, das bereits seit 1870 existierte.

Eine der ersten Arbeiten, die die „Rhythmographie GmbH“ (vereinzelt auch in der Schreibweise: Rhytmographie GmbH) ist die deutsche Tonfassung des Filmes: „Im Westen nichts Neues“ (All Quiet on the Western Front, USA 1930, 140/125 Min.) von Lewis Milestone, der als Stumm- und als Tonfilm in die Kinos kam. In die deutschen jedoch nicht. Das wird an anderer Stelle geschildert. (Siehe Anlage Bucher Seite 26)

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Chefdramaturg der UFA: Viktor Abel. Auf der Seite der „Vergessenen Filme“ kann man studieren, wer sonst noch daran beteiligt war, diese Synchronarbeiten im Auftrag der Filmproduktionsfirma Universal durchzuführen: Max Bing (Dialogregie), Konrad Paul Rohnstein (Assistent), Werner Jacobs (Assistent Tonschnitt), Elsa Jaque (Dialogbuch). Diese Angaben habe ich nur teilweise (Abel, Bing, Rohnstein, Jacobs) überprüft.

Einen Eintrag von Viktor Abel fand ich in den Scherl Adressbüchern von Berlin. Die Ausgabe von 1929 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1928) enthält den Eintrag: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Riehlstr. 11 (II) in Charlottenburg. 1931 taucht Viktor Abel mit gleicher Berufsbezeichnung in Berlin Zehlendorf, in der Lindenallee 4 auf. Geboren ist er am 2. Dezember 1892 in Kiev, das in jener Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte.

Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde am 9. August 1933 eine neue Gesellschaft gegründet: »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Sitz: Berlin«.

Diese wurde am 3. November 1933 unter der Nr. 78867 in das Berliner Handelsregister eingetragen: „Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co.Berlin“. (OHG) Gesellschafter sind: Kaufmann: Alfred Lüdtke, Produktionsleiter: Dr. rer pol. Konrad P. Rohnstein und Ingenieur: Erich Luschnath, sämtlich in Berlin. Zur Vertretung sind nur je zwei gemeinschaftlich ermächtigt.

Car Robert Blum Erfinder
Carl Robert Blum
Viktor Abel

PDF Buchers Seite 26

Anmerkungen (2022): Viktor Abel war nach den Nazi Kriterien Jude. Seine letzte Wohnanschrift in Berlin war: Lindenallee 4 in Berlin-Zehlendorf. (Heute: Lindenthaler Allee 4). Am 21.10 1941 wird Viktor Abel nach Lódz deportiert und dort ermordet. Kaufmann Alfred Lüdtke, Teilhaber der Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co«, ist im Scherl Adressbuch von 1927 mit dem Eintrag: »Lüdtke, Alfred, Kaufm., Cöpenick, Flemmingstr. 16, II, Postscheck=Kto 109 373« auf Seite 2086 eingetragen. Durch die Aufteilung Berlins bei Kriegsende liegt Köpenick im russischen Sektor von Berlin. Konrad Paul Rohnstein verläßt bei Kriegsende Berlin und gründet in München die »Rohnstein Film GmbH«, die sich wiederum mit der Synchronisation ausländischer Filme beschäftigt. Dort entsteht die deutsche Fassung des Hitchcock Films »Spellbound« dessen deutsche Fassung den Titel »Ich kämpfe um dich« bekommt. In Deutschland kommt er am 29.2.1952 ins Kino.

Das moderne Tonsytem 2 von CRB

 Das-moderne-Tonsystem 1 von CRB

Apropos Viktor Abel (IV) Westböhmisches Tageblatt

Abschrift aus der Westböhmische Tageszeitung, Nr. 209 , Pilsner Tageblatt vom 31. Juli 1950, Seite 3. Überschrift Frauen suchen Gold — Am laufenden Band. – Können sie auf den schwarzen Strich sprechen.

PDF Abschrift Frauen suchen Gold

„Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!“ „Wie bitte?“ Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute! Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!!“ Immerzu sagt das eine schöne blonde Frau und blickt dabei finster ins Ungewisse und sieht und hört mich nicht. „Kinder, wißt ihr das Neueste, Walters Onkel kommt heute!“

Ich fliehe, in frommer Scheu vor dem Wahnsinn, und kombiniere: es wird ihr was zu Kopf gestiegen sein, vielleicht enttäuschte Liebe. Man steht das jetzt so oft: Frauen phantasierend durch die Straßen laufen. Da stockt mein Fuß.

Wieder sitzt da eine Frau und redet in einem fort: „Bleibt doch noch hier, zu euren Männern kommt ihr früh genug, ob ihr sie früher oder später ärgert, bleibt einerlei!“ Aha, denke ich, meine Kombination stimmt also: Die Liebe ist daran schuld. Aber der Blick dieser Frau ist eigentlich gar nicht so verstört. Sie schaut fast munter und keck mich an, und wie ich genauer hinsehe, entdecke ich befreit die wohlbekannten Züge Lotte Werkmeisters. „Ja aber, gnädige Frau?“ „Augenblick, bin gleich fertig, ich muß das erst richtig raus haben: Bleibt doch noch hier, zu euren Männern kommt ihr noch früh genug. Nachher spreche ich auf den schwarzen Strich.“ „Wie bitte?“ „Wir sprechen auf den schwarzen Strich.“

Und dann wird Frau Werkmeister auf einmal ganz menschlich: „Tja, es ist oft die rrreinste Filigranarbeit, lassen Sie sich unser Rhythmonom, dieses Ding mit dem schwarzen Strich, mal zeigen.“

Nun stehe ich mit Viktor Abel, der als Produktionsleiter der Warner Bros. Film hier unumschränkter Herrscher ist, und mit Dr. Rohnstein, seiner linken und rechten Hand, vor dem „Rhythmonom“ und betrachte den senkrechten schwarzen Strich, an dem langsam auf einem hell erleuchteten Band die Worte „Mäuschen=mit=dem=Grübchenknie“ Vorüberziehen. Da stehen nun drei solcher Rhythmonome, vor jedem steht ein Sprecher, hier Gustav Wallauer, da Ilse Baerwald, dort Peter Ihle, auf jedem Rhythmenband kommt ein schöner Text angefahren, und jeder spricht nun sein Verslein, jedes Wort in dem Moment, da es über den schwarzen Strich gleitet. Und es entsteht das schönste Dreigespräch.

Und ein Mikrophon nimmt getreulich alles auf und liefert es zum Tobis. „Tja“, flüstert mir Lotte Werkmeister ins Ohr, „das ist Sprechkunst am laufenden Band.“ Und wissen Sie, wozu das alles? Ganz einfach. Hier wird zu einem fertigen amerikanischen Tonfilm, „Goldsucher auf dem Broadway“ heißt er — Frauen suchen da das Gold —, der deutsche Text gesprochen.

Damit aber die deutschen Worte genau auf die Mundbewegungen der amerikanischen Darsteller im Film passen, hat man schon dementsprechend übersetzt. Zum Beispiel ein Schlager: „Keeping the wolf from the door“ im Deutschen: „Ich bin ein Wolf, sieh dich vor.“ Also fast gleich in der Lautbildung. Oder es sagt einer im Film: „can you imagine.“ Im deutschen Text heißt das: „Denken Sie mal an.“ Da hat man genau dieselbe Lippenbewegung. Probieren Sie’s vorm Spiegel aus. Und da fällt auch zeitlich beim deutschen „Sie“, und das ma von „imagine“ genau auf das i vom deutschen „Sie“, und das ma von „imagine“ genau auf das ma vom deutschen „mal“. Im Redefluß ist nämlich die Mundstellung bei i und a ziemlich dieselbe. Jeder kann sich da denken, daß das Uebersetzen ein schweres Stück Arbeit ist, denn der deutsche Text muß außerdem noch denselben Rhythmus wie der amerikanische haben.

Der Text (oder auch die Noten für den Schlager) wird dann mit Hilfe eines sog. Rhythmographen auf das Rhythmenband geschrieben, genau in dem Abstand, wie es die Sprache im Film erfordert, und er wird — wie schon erwähnt — in demselben Moment gesprochen, wo er über den schwarzen Strich gleitet. Der Kapellmeister muß mithin genau so dirigieren, wie die Noten über den schwarzen Strich hinweggeben. Das stellt freilich an die Kunst der Sprecher und des Orchesters ungeheure Anforderungen, aber das Ergebnis ist überraschend. Da das Rhythmenband im Rhythmonom synchron — das heißt gleichzeitig — mit dem Film läuft, deckt Sprache und Musik genau mit den Bewegungen im Film.

Ich habe den Film auf der Leinwand gesehen, und entfernt hinter einem Vorhang hörte ich die Schauspieler vor dem Rhythmonom dazu sprechen und war erstaunt, auch nicht das geringste Abweichen des Tons vom Bilde feststellen au können. „Wieviel Prozent hat der Film?“, frage ich den Tonregisseur Zander. „Es wird alles gesprochen.“ Also 100 Prozent Ton, wie man das so schön sagt, 100 Prozent Geräusch, 100 Prozent Musik natürlich, 100 Prozent Farbe und 100 Prozent Bild, macht zusammen 500 Prozent. Moderne Mathematik! Und 100 Prozent Lotte Werkmeister.

Man läßt den Wiedergabapparat laufen, um das Ergebnis einer Tagesarbeit sich anzuhören. Da kommen natürlich die Szenen in willkürlicher Reihenfolge, dazwischen mal Schlager. Auf einmal aber gellt eine Frauenstimme grauenhaft, erschütternd durch den Saal: „Herrgott, ist das Weib dumm!!“ Bei dumm hebt sich die herzzerreißende Stimme und will sich vor Entsetzen fast überschlagen. Und schmunzelnd, mit herabgezogenen Mundwinkeln, hört sich Lotte Werkmeister ihr köstliches Produkt an. Und Lotte selbst hat mir auch noch was zu sagen: „Nehmense das von vorhin nicht so genau: zu euern Männern kommt ihr früh genug, ob ihr sie früher oder später ärgert, bleibt einerlei. Wissen Sie, ich ärgere meinen Mann nicht, wir verstehen uns blendend. Was hat man denn sonst schon von dem bißchen Leben? Nun ja, is doch wahr! Stimmt’s nicht?“

Viktor Abel
Carl Robert Blum (Der Erfinder)
Rhythmonom von Carl Robert Blum

Als die Kinos noch Paläste waren

Leider hat die Taz von diesem Artikel von Otto Meyer, der am Sonnabend, d. 10. Februar 1990 in der Taz Hamburg erschienen ist, nur die Überschrift auf ihre Seite gestellt. Der Text fehlt. Diesem Uebelstand wollte ich schon lange mal abhelfen und habe dies nun getan und zwar ohne jemanden zu fragen, worauf ich aber gar nicht stolz bin: (Seite 28 Kulturmagazin taz Hamburg Samstag, 10. Februar 1990)

Als die Kinos noch Paläste waren

Am Freitag, den 27. Januar 1933 stirbt im Alter von 45 Jahren an Herzversagen ein Mann, der in Hamburg Kinogeschichte schrieb: Hermann Urich-Sass. Die Stadt hat ihn heute beinahe vergessen. In der Tageszeitung Licht Bild Bühne fand sich damals ein kurzer Nachruf, der mit den Worten endet: „Ein vergängliches Menschenleben ist nicht mehr – aber sein Werk lebt!“

PDF Abschrift Als die Kinos noch Paläste waren

Der Autor irrte. Dafür sorgten die neue Zeit und die neuen Herren, die am Tage der Beerdigung des Toten die Macht übernahmen. Aber noch darf die „Illustrierte Tageszeitung des Films“, wie sich das in Berlin erscheinende Blatt selbst nennt, in der Montagsausgabe vom 30. Januar 1933 über den Mann berichten, der in nur sieben Jahren Norddeutschlands größten Kinokonzern aufgebaut hatte. Mit einem Jahresumsatz von 6 Millionen Reichsmark gehörte die offene Handelsgesellschaft des Hermann Urich-Sass und seines Teilhabers Hugo Streit zu den größten Steuerzahlern der Stadt Hamburg.

„Henschel Film- und Theaterkonzern“ nannte sich das Unternehmen – ein Name mit Tradition. Denn Hermann Urich-Sass und Hugo Streit hatten sich eingeheiratet in eine Familie von Kinobesitzern. Schwiegervater James Henschel gehörte zu den Kinopionieren in Hambrug.

Seit 1908 (1906) betrieb er im Belle-Alliance-Theater (Schulterblatt 115) die „Vorführungen lebender Photographien“. Der 1.100 Quadratmeter große Saal war mit seinen 1.200 Sitzplätzen zeitweise das größte Kino beider Städte Hamburg und Altona. Ebenfalls zur Henschel-Familie gehörte das Lessing-Theater am Gänsemarkt – am selben Ort steht heute der Ufa-Schachtelpalast. Auch das Passage Theater und das –Waterloo-Theater in der Dammtorstraße 14 wurden von James Henschel betrieben.

Die neuen Familienmitglieder hatten das Gewerbe bei der Ufa gelernt. Urich-Sass und Streit waren dort bis 1926 als Direktoren in Norddeutschland angestellt, noch unter Hugenbergs Leitung. Ihr erstes eigenes Kino war die Schauburg am Hauptbahnhof (nach dem Krieg: „Die Barke“).

Der Raum war noch gemietet, doch schon kurz darauf begann der Henschel-Konzern Kinos neu zu bauen, die alle bisherigen Dimensionen weit hinter sich lassen. Im Februar 1927 wird an der Ecke Circusweg/Reeperbahn ein Haus mit 1.556 Sitzplätzen eröffnet. Architekt Carl Winand, Baukosten: etwa 500.000 Reichsmark, Bauzeit 4 Monate. „Ein geräumiger Vorraum führt zur Empfangshalle. Von hier aus ist der Zuschauerraum zu betreten. Breit angelegte Treppen führen zum Ranggeschoß. Notausgänge in genügender Anzahl nach dem Circusweg. Zu beiden Seiten der Bühnenwand ist eine Oskalyd Orgel mit Fernwerk von der Firma Furtwängler und Hammer aus Hannover eingebaut. Die Bühnenwand zeigt vor der Bildfläche einen Raum für Vorspiele“ – so ist in der Festschrift nachzulesen, die 1937 „unseren Besuchern“ überreicht wird.

Ein Jahr später folgen weitere Neubauten: die Schauburg Hammerbrook mit 1.100 Sitzplätzen, die Schauburg Wandsbek mit 1.100 Sitzplätzen, die Schauburg Nord mit 975 Sitzplätzen und die Schauburg Hamm mit 1.520 Sitzplätzen .

Neben den neuen Häusern, die Eigentum des Henschel Konzerns sind, werden weitere Kinos (City-Theater, Burg Theater, Helios Theater in Altona) angemietet und unter dem Markennamen „Schauburg“ weitergeführt. 1933 ist der Henschel-Kozern vor der UFA und der Hirschel-Gruppe mit 12 Filmtheatern, 10.731 Sitzplätzen Hamburgs größter Kinobesitzer.

Nie wieder wird es in der Geschichte der Hansestadt die etwa 50.000 Sitzplätze geben, die Hamburgs Kinos im Jahre 1933 anbieten.

Zum Vergleich: Heute (1990) verfügt die Zwei-Millionen-Stadt nur noch über knapp 20.000 Kino Plätze.

In den Henschel Schauburgen laufen nicht nur die neuen Chaplin-Filme, auch der Hochbaum-Film Brüder , der den Streik der Hafenarbeiter 1897 zeigt, wird hier uraufgeführt; von der Zensur zugelassene Filme aus der Sowjetunion („Russenfilme“) sind ebenfalls zu sehen. Der Regisseur Eisenstein hält am 21. Oktober 1929 in der überfüllten Schauburg am Millerntor einen Vortrag und zeigt zwei Akte aus Panzerkreuzer Potemkin und zwei Akte aus Zehn Tage, die Welt erschütterten .

Aber nicht nur im Programm, auch in der technischen Entwicklung sind die Schauburgen Vorbild. Am 23. Januar 1929 „nachmittags präzis 13 Uhr“ wird am Millerntor zum ersten Mal in Hamburg ein Tonfilm gezeigt: Ich küsse ihre Hand Madam mit Marlene Dietrich und Harry Liedke. Die Tonpassage des Films dauerte allerdings nur zwei Minuten und zwölf Sekunden.

Die Licht-Bild-Bühne lobt nicht nur den Kino-Unternehmer, sondern auch den Menschen Urich-Sass: „Seinem bescheidenen Charakter lag es nicht hervorzutreten und nach außen hin eine Rolle zu spielen. Um so mehr trat sein Können in den Auswirkungen seiner Arbeit in Erscheinung. Streng in der Pflichterfüllung gegen andere und vor allem gegen sich selbst. Der korrekte Hamburger Kaufmann. Voll Ausdauer und Ehrgeiz und voller Vitalität, der er die Verwirklichung seiner Pläne verdankte. Ein Charakter voll Zuverlässigkeit. Ein Mann von untadeliger Gesinnung. Einer, dem Hochschätzung und Sympathien bis über das Grab hinaus bei allen sicher ist, die ihm wie wir in langen Jahren näher treten durften.“

Nach seinem Tode gründen die Erben zusammen mit Hugo Streit die Henschel KG , die die Schauburgen weiterführt. Doch eine weitere Gesellschaft wird 1933 gegründet: die Schauburg Lichtspielbetriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie haftet nur mit 20.000 Reichsmark, ihr Geschäftszweck ist die Pacht von Lichtspieltheatern. 1934 übernimmt diese Gesellschaft elf von zwölf Schauburgen.

In der Reichsprogromnacht werden die ehemaligen Henschel-Kinos von den Nazis demoliert, Joseph Goebbels hatte inzwischen als selbsternannter „Schirmherr des Deutschen Films“ festgelegt, was ein deutscher Film sei:

Deutsche Filme sollen künftig nur von Deutschen hergestellt werden. Deutsch aber ist, wer deutscher Abstammung, deutschen oder artverwandten Blutes ist. Seitdem können allein Filme als deutsche Filme anerkannt werden, die von einer deutschen Gesellschaft in deutschen Ateliers mit deutscher Idee, deutschem Autor, deutschen Komponisten und deutschen Filmschaffenden hergestellt sind. Durch jene Begriffsbestimmung des deutschen Films wird es möglich, in verhältnismäßig kurzer Zeit die jüdischen Einflüsse in der der Produktion, dem Verleihgeschäft wie dem Filmtheaterwesen auszumerzen.“

In diesem Sinne war die Henschel KG nicht mehr deutsch. Ein Nazi-Kinobesitzer aus Kiel treibt die Arisierung voran. (2022 wissen wir, wie der Nazi hiess: Richard Adam)

Auch das Waterloo-Theater entgeht ihr nicht: Dem Kino direkt gegenüber liegt ein Büro der geheimen Staatspolizei.

Hugo Streit und der Sohn von Urich-Sass verlassen das Deutschland der Nazis. Doch die neuen Besitzer haben nicht lange Freude an dem Geschenk des Führers: Nur ein einziges der Kinos hat den Krieg überstanden. Alle anderen fielen den Bomben zum Opfer. Aber auch die heutigen (1990) Hamburger Kinokaufleute denken nicht mehr gerne an diese Zeit zurück. An Hermann Urich-Sass erinnert nur noch ein Gedenkstein auf dem jüdischen Friedhof in Ohlsdorf – gewidmet, so die Inschrift „dem Pionier des Kinos, gestorben am 27. Januar 1933 – im Jahr 5693 der jüdischen Zeitrechnung.“ Otto Meyer

Hermann Urich Sass, geb. am 18. Juni 1887- gest. am 27. Januar 1933. Im Artikel wird das Alter mit 48 Jahren angegeben, das habe ich mal stillschweigend geändert, damit die Verwirrung nachläßt

Quellen: Licht Bild Bühne, Illustrierte Tageszeitung des Films, Berlin. Hamburg und seine Bauten, Hamburg 1929 Festschrift des Henschel Film- und Theaterkonzerns zur Eröffnung der Schauburg am Millerntore, Februar 1927 Hans Traub: Die Ufa, Berlin 1943 Bericht von Horst Urich-Sass (Sohn von Hermann Urich-Sass, Mexiko 1989 Bericht der Brüder Streit (Söhne von Hugo Streit), Brasilien 1989.

Belle Alliance Schulterblatt 115 vor dem 5. März 1894

Das Foto vom Haus Belle Alliance, Schulterblatt 115, stammt von der Landesbildstelle Hamburg (Belle-Alliance mit Pferdebahn). Daher kommt die Annahme, daß dieses Foto vor dem 5. März 1894 entstanden sein muß. An diesem Tag wurde die Pferdebahn von einer elektrischen Straßenbahn abgelöst. Mit anderen Worten: In dem Haus Belle Alliance war zu jener Zeit noch gar kein Kino.

PDF Als die Kinos noch Paläste Seite 1

Das Foto von der Aussenfassade des Barke Filmtheater mit der Filmankündigung von Theo gegen den Rest der Welt stammt von Roland Scheikowski. Es ist nach dem Start des Filmes am Freitag, den 26. September1980 entstanden. Erst am 8. August 1985 wurden die Filmstarts, die bis dahin immer Freitags stattfanden, auf den Donnerstag vorverlegt.

PDF Als die Kinos noch Paläste waren Seite2

Auf der Suche nach Henschel

Abschrift eines Artikels aus der Hamburger Rundschau vom 5. Dezember 1991 Nr. 50, Seite 13 von Otto Meyer

Auf der Suche nach Henschel

Die verdrängte Geschichte des jüdischen Kinounternehmers Henschel

Mit vielen Hamburger Kinos selbst ging auch deren Geschichte in den Trümmern des zerfallenden Nazi-Deutschlands unter. Eine Ausstellung im 3001 Kino in der Schanzenstraße erinnert nun an den ehemaligen jüdischen Kinobesitzer James Henschel. VON OTTO MEYER

Die Ausstellung zeigt brisante Fotos und Dokumente von 1905 bis 1938. Die Nazis und die von Ihnen begünstigten Kinobesitzer haben einen großen Anteil daran, daß keiner in der Stadt mehr weiß, wo beispielsweise das Lessingtheater stand, wie sein Erbauer 1912 hieß, wer das Waterloo Theater in der Dammtorstraße baute und wo es stand, wem das Passage Theater in der Mönckebergstraße gehörte.

Nur ganz wenige wissen, daß Hamburger Kinogeschichte in dieser Pionierzeit ohne deutsche Juden gar nicht möglich gewesen wäre. Henschel war einer von ihnen und einer der größten Kinobesitzer mit den schönsten und geräumigsten Kinos. Und James Henschel (Jeremias) war einer der ersten, der in Hamburg Kinos gemacht hat. Keine Kneipen, wie die von Eberhard Knopf, in denen gelegentlich die Leinwand runtergelassen wurde, um die Trinker ein wenig abzulenken.

„Feste“ Häuser, die ausschließlich der Vorführung von „lebenden Photographien“ dienten. Das „Helios Theater“ wurde im Dezember 1905 in Altona/Große Bergstraße Nr. 11-15 eröffnet. Ein Jahr später das „Belle Alliance“. Schulterblatt 115, mit 1.400 Sitzplätzen.

(Anmerkung 2022): Das wußte ich damals noch nicht. Es wurde nicht ein Jahr später, sondern bereits einen Monat später im Januar 1906 eröffnet.).

(2. Anmerkung von 2022): Ulrich Mott hat noch mehr neue Informationen: Das Belle Alliance Kino wurde am 28. April 1906 eröffnet. Im Staatsarchiv hat er diese Information gefunden: „Herr Henschel, Gr. Bergstr. 11 wohnhaft, zeigt dem Polizei-Amt an, daß er vom 28.4.06 ab in den Nachmittags- u. Abendstunden in dem Lokal Belle-Alliance, in welchem die erforderlichen Einrichtungen bereits getroffen sind, lebende Photographien vorzuführen beabsichtige.“ (Staatsarchiv 423-31_37 (Akten der Feuerwehr Altona).

Das führt zu folgenden Überlegungen: Da Henschels Pachtvertrag am 1. Januar 1906 begann, wurde der Ballsaal in den folgenden Monaten in einen Kinosaal umgebaut, bis das Kino am 28. April 1906 eröffnet werden konnte.Es wurde von 15.00 Uhr bis 1.00 nachts gespielt. Oft waren mehr als achttausend Besucher pro Tag im Kino. Der schlechteste Tag war der 3. Juli 1906: Die gesamte Tageskasse des Belle Alliance betrug 56 Mark – alle anderen Zuschauer hatten sich lieber den Brand der Michaeliskirche angesehen.

Henschel baute in Wandsbek das erste Filmtheater Welt, das ausschließlich für Kinozweecke bestimmt war. Für 550.000,00 Mark wurde in der Wandsbeker Chaussee das „Palast Theater“ errichtet.

(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich damals nicht. Es wurde gar nicht in Wandsbek, sondern in der Hamburger Straße in Hamburg gebaut. Der Fehler geht auf einen Artikel von Hermann Lobbes in einer Ausgabe der Lichtbildbühne (LBB) von 1930 zurück. Da hat dann immer einer vom anderen abgeschrieben. Ich auch.

Einer der gewaltigsten Saalbauten jener Zeit mit einer Gesamttiefe von 86 Metern und einem lichten Durchmesser von 70 Metern. 1916 kaufte James Henschel das Passage Theater in der Mönckebergstraße und das Lessingtheater am Gänsemarkt 46/48. Eigentlich hätten es „Grammophonautomaten-Salons“ werden sollen. Aber bei einem Besuch von James und Friderike Henschel in Paris schlug Friderike vor, doch „Ciné“ zu machen. Die lange Schlange vor einem solchen hatte beide überzeugt.

Die UFA wurde 1918 gegründet.

(Anmerkung 2022): Auch diese Angabe stimmt nicht. Die UFA wurde 1917 auf Veranlassung der Reichsregierung gegründet, die 8 Millionen als Startkapital bereit stellte. Dr. Klaus Kreimeier weist in seinem Buch: »Die UFA Story« auf Seite 462 auf einen geheimem Kontrollvertrag hin: “Den Einfluß des Reiches sicherte ein geheimer Kontrollvertrag, der in einem Schreiben des Kriegsministeriums an den Reichskanzler vom 18.4.1918 erläutert wird. Darin werden die Aktionäre Frenkel und Wassermann ausdrücklich als »Strohmänner« aufgeführt, hinter deren Zeichnungen das Reichskapital von 7 Millionen Mark »verborgen« sei. Laut Kontrollvertrag hätten sich die Gründer verpflichtet, »gegen alle Maßnahmen zu stimmen, die den Regierungsvertretern, die zu Sitzungen eingeladen werden müssen, nicht recht sind«. Das hat 1987 Wolfgang Mühl-Benninghaus herausgefunden. (Dissertation 1987 Humboldt Universität Berlin (Ost)).

Es war Ludendoff, der 1917 die Gründung einer großen deutschen Filmgesellschaft gefordert hatte. Viele Generäle waren der Meinung, sie hätten den Ersten Weltkrieg mit einer besseren Propaganda gewinnen können. Die Ufa sollte alles machen: Filme produzieren, Kinos betreiben, Kinoausstattung verkaufen. In Hamburg trat sie an James Henschel heran: „Entweder Sie verkaufen uns ihre Kinos, oder wir bauen selber Kinos und machen Ihnen Konkurrenz“, berichtete der Enkel Rolf Arno Streit. Henschel verpachtete.

(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich nicht besser. Es war alles viel komplizierter.

Die James Henschel GmbH wurde am 29.11.1919 eine Tochtergesellschaft der UFA. Fünf Theater: Das „Palast Theater“ und das „Zentral Theater“, das „Lessing Theater“, die „Harvestehuder Lichtspiele“, das „Passage Theater“ und das „Zentral Theater“ gingen an die UFA. Die Grundstücke Gänsemarkt 46/48, Hamburger Straße 5/7 und Wandsbeker Chaussee 162 waren noch bis 1938 im Eigentum der James Henschel GmbH und sind vermutlich bis heute im Eigentum der Erben von James Henschel.

(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich 1991 nicht besser. Ursache ist vor allem der angebliche Datenschutz, der seit 1972 die Einsicht in die deutschen Grundbücher verhindert.

Auch wenn die Gestapo in Zusammenarbeit mit dem Oberfinanzpräsidenten Hamburgs das „inländische Vermögen“ von James Henschel enteignet hat. Beispielhaft ist auch die Geschiche der legendären „Schauburg Kinos“. Die Schwiegersöhne von James Henschel, Hermann Urich Sass und Hugo Streit, die bereits seit 1914 gemeinsam die Geschäfte der Firma Henschel führten, wurden per Vertrag mit der UFA als Geneneraldirektoren übernommen. Auch wenn die Gestapo in Zusammenarbeit mit dem Oberfinanzpräsidenten Hamburgs das „inländische Vermögen“ von James Henschel enteignet hat. Beispielhaft ist auch die Geschiche der legendären „Schauburg Kinos“. Die Schwiegersöhne von James Henschel, Hermann Urich Sass und Hugo Streit, die bereits seit 1914 gemeinsam die Geschäfte der Firma Henschel führten, wurden per Vertrag mit der UFA als Geneneraldirektoren übernommen.

(Anmerkung 2022): Auch das wußte ich 1991 nicht besser. Nicht nur Hermann Urich Sass und Hugo Streit wurden übernommen, sondern auch das gesamte Personal der Firma Henschel. Dafür hatte sich James Henschel stark gemacht, dass alle Mitarbeiter von den Neugründung, der „J.Henschel GmbH“ übernommen wurden.

1925 schieden sie aus dieser Tätigkeit aus und gründeten den „Henschel Film- & Theaterkonzern“. Innerhalb von vier Jahren (1926-1930) wurden acht neue Kinos gebaut (Schauburg Millerntor, Schauburg Barmbek, Schauburg Hammerbrock, Schauburg St. Georg, Schauburg Nord, Schauburg Wandsbek, Schauburg Hamm, Apollo Theater). Vier weitere Kinos: Schauburg Hauptbahnhof (später Barke), Schauburg Uhlenhorst, Burg Theater, Schauburg Altona (früher Helios Theater) wurden übernommen . Am 27. Januar 1933 starb der Henschel Schwiegersohn Hermann Urich Sass.

(Anmerkung2022): Das wußte ich schon besser. Hatte allerdings dem Sohn Horst Urich Sass versprochen, das ich den Selbstmord seines Vaters erst nach seinem und dem Tod seiner Fraui Ciedra Urich Sass bekannt machen würde. An dieses Versprechen habe ich mich gehalten.

1936 flüchteten seine Söhne Horst Urich Sass, Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit nach Südamerika. James Henschel flüchtete im August 1938 zusammen mit Ehefrau Friderike nach Holland und starb dort ein Jahr später. Friederike Henschel flüchtete in die USA und ging nach New York. Die Henschels wurden der Staatsangörigkeit für „verlustig“ erklärt und das „inländische Vermögen“ nach dem Tode James Henschels 1938 beschlagnahmt. Die neuen „Besitzer“ der Schauburgen waren die ehemaligen Angestellten von James Henschel: Paul Romahn und Gustav Schümann, beides NSDAP-Mitglieder.

(Anmerkung 2022): Sie waren nicht nur NSDAP Mitglieder, sondern auch „Mitglieder“ der SA. Das wußte ich 1991 noch nicht.

Im Sommer 1943 hatten sich Hitlers Kino Geschenke auch für die Beschenkten erledigt. Von 12 ehemaligen Schauburgen entkam nur eines dem Bombenhagel der Alliierten. Den Schlager „Kinder laßt die Frau durch, sie will noch in die Schauburg . . . „ gibt es nur noch auf alten Schellackplatten. Die Geschichtswerkstatt in Barmbek hat sie wiedergefunden. Der Fotograf Reinhold Sögtrop, der die Henschelausstellung mit organisiert hat, hofft mit dieser Ausstellung auch noch weiter Zeitzeugen zu finden, die vielleicht noch Bilder aus der Frühzeit der Schauburgen und der Henschel Kinos haben.

Otto Meyer*

(*Manchmal muß man auch die anderen Vornamen benutzen, die einem die Eltern gegeben haben, weil man sonst keine Gelder von der Filmförderung bekommt).

PDF Stopersteine auf der Reeperbahn

PDF Auf der Suche nach Henschel Seite 2

Hugo und Sophie Streit mit der Schauburg Zeitung. Lil Dagover und Emil Jannings werden angekündigt.

PDF Eröffnung BELLE DTPortu

StaatsarchivRomahn&Schümann

Apropos Zimmermann, Hagen, Blum.

Apropos Heinrich Zimmermann

PDF Apropos Louis Hagen Carl Robert Blum

Regierungsrat Heinrich Zimmermann war Mitglied der SPD. In dem Widerspruchsverfahren um die Aufhebung des Verbotes des Filmes: “Im Westen nichts Neues“ war er der Vorsitzende der Kammer in der die Aufhebung des Verbotes durch die Filmprüfstelle erneut verhandelt wurde. Antragsteller war die Deutsche Universal AG. Die Sitzung fand am Montag, d. 8. Juni 1930 statt. Beisitzer waren: Dr. Kahlenberg (UFA), Wagner, Zoemspiel, Zäh (Studienrat). Nach der Machtübergabe an die Nazis trat Heinrich Zimmermann aus der SPD aus. Offenbar war er ein williges Werkzeug der neuen Machthaber, weswegen aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit bestand, das Amt des Regierungsrates bei der Filmprüfstelle Berlin anderweitig zu besetzen. Ein Geburtsdatum von Heinrich Zimmermann ist nicht einmal Wikipedia bekannt. Dort vermerkt ist nur die Vermutung, das Heinrich Zimmermann vor 1920 geboren sein muß. Er starb vor einer möglichen Entnazifizierung 1948.

Apropos Louis Hagen

Louis Hagen war Geschäftsführer der Firma: »Blum & Co«, an der auch der Erfinder und Direktor Carl Robert Blum beteiligt war. Der Eintrag im Scherl Adressbuch von 1931 von Berlin lautet: Gegruendet 1929, Sitz Berlin. Geschäftsfuehrer: Louis Hagen und Carl Robert Blum, Dr. Willi Matthias, Kapital 20.000, RM in Berlin W 8, Charlottenstr. 58 II .

Apropos Carl Robert Blum

Carl Robert Blum aus Berlin Schoeneberg, spaeter Berlin Marienfelde, hat eine Reihe von Erfindungen beim Deutschen Patentamt angemeldet. Elf davon habe ich in der Datei des Deutschen Patentamtes gefunden. Patentschriften sind nicht einfach zu lesen. Eine Zuordnung zu den Maschinen, die zur Herstellung von deutschen Synchronfassungen notwendig waren, war mir daher nicht möglich. Leider sind Fachleute aus der fraglichen Zeit verstorben und wurden vermutlich auch nicht befragt.

Ein längerer Bericht über die Technik, die bei der Firma »Rhythmographie GmbH« angewendet wurden, ist in einem Artikel des Kinematograph vom Juli 1930 zu finden (Nr. 160 und Nr. 166, erschien 6 x in der Woche). In der Kinotechnischen Beilage (Nr. 28 und Nr. 29) dieser Zeitung berichtet der Autor Erich Palme wie und mit welchen Maschinen eine deutsche Fassung eines fremdsprachigen Filmes 1929 hergestellt wurde.

pdf Carl Robert Blum Abschrift Patent

Das Rhytmographie-Verfahren (II)

PDF Abschrift Rhytmographie Teil (II)

Abschrift aus dem Kinematograph vom 19. Juli 1930 Kinotechnische Rundschau Nr. 29 Das Rhytmographie-Verfahren Von Erich Palme (Teil II) (Schluß)

(Der Artikel enthält ein Foto mit der Bildunterschrift: Lotte Werkmeister am Rhytmonom – in der Reproduktion unansehnlich, deswegen weggelassen)

Da es nun bei dem fortlaufenden Abspiel des Filmaktes nicht möglich wäre, Fehlstellen im „Rhytmoband“ durch handschriftliche oder Diktatnotizen sofort und, was die Hauptsache ist, genauest auf Sekundenbruchteile festzustellen, bedient man sich dazu eines weiteren Apparates, des „Rhytmographen“.

Dieser kleine Apparat besteht aus zwei Teilen, dem Schreiber und der Tastatur. Mittels Kontaktstifte, die der Stromübertragung dienen, wird der „Rhytmograph“ dicht unterhalb der Mattscheibe des „Rhytmonoms“ befestigt.

Der „Schreiber“ besteht aus einem dreigepolten Elektro-Magneten, der bei Stromdurchgang je nach Erregung des einen oder anderen positiven Poles zwei verschieden hoch angebrachte Hebel gegen ein an dem „Rhytmoband“ vorbeilaufendes Farbband kurz andrückt und so auf diesem einen Markierungspunkt aufzeichnet.

Der „Ticker“ oder die Tastatur besteht aus zwei auf einem Kontaktbrett montierten Klaviertasten, rechts schwarz, links weiß. Durch Niederdrücken der rechten Taste wird der Stromkreis mit dem Elektromagneten geschlossen, der den unteren Hebel gegen das Farbband in Bewegung setzt und so eine punktartige Markierung hinterläßt.

Damit wird der Beginn einer Fehlerstelle auf dem „Rhytmoband“ angezeigt, durch Niederdrücken der linken Taste wird der obere Hebel des „Rhytmographen“ gegen das Farbband gedrückt und so das Ende der Fehlerstelle markiert.

Der Kontrolleur hat seinen Platz mit dem „Rhytmonom“ und der Tastatur vor der Bildwand. Bemerkt er beim Ablesen des deutschen Sprachtextes vom „Rhytmoband“, daß eine Stelle mit den Lippen-bewegungen des Darstellers auf der Leinwand nicht übereinstimmt, läßt er durch ein Leuchtsignal den Projektor anhalten, den Film und damit gleichzeitig das synchron gekuppelte „Rhytmoband“ bis zur ungefähren Anfangstelle der Fehlerquelle zurückdrehen und dann erneut vorführen, wobei er sich jetzt restlos auf die kommende Fehlerstelle konzentrieren kann.

Sofort bei Auftreten derselben setzt er mit einem Fingerdruck die Tastatur des „Rhytmographen“ in Bewegung und markiert auf das genaueste den Anfang und das Ende der abzuändernden Stelle im „Rhytmoband“.

Nachträglich wird dann von den Sprachtechnikern und Manuskriptverfassern die Stelle im „Rhytmoband“ entsprechend korrigiert.

So wird Szene für Szene auf rein maschinellem Wege durchgegangen, eine Arbeit, die besonders zeitraubend und anstrengend ist, aber die Gewähr für das restlose Übereinstimmen der deutschen Sprachversion mit den Mundbewegungen der Darsteller auf der Leinwand bietet. Da die Texte vorläufig auf dem „Rhytmoband“ nur mit Bleistift aufgetragen sind, lassen sich Änderungen leicht vornehmen.

Ist der gesamte Film in dieser Art auf das genaueste geprüft, was zur gewissenhaften Kontrolle mehrfach von verschiedenen Kon-trolleuren vorgenommen wird, so kann dann an die Herstellung der einzelnen „Rollen-Rhytmobänder“ gegangen werden. Auf dem ersten „Rhytmoband“ befinden sind nämlich gleichzeitig sämtliche auftretenden Sprech- oder Gesangsrollen verzeichnet.

Das endgültige „Prüfband“ mit den feststehenden deutschen Texten kommt nunmehr wieder auf das „Rhytmoskop“, den Meßtisch, wird dort wie vorher eingespannt und etwas höher auf einer weiteren Transportrolle läuft nun eine ausfixierter Blankfilm, auf dessen Gelatineschicht nunmehr die sämtlichen Texte in genauer Über-einstimmung mit den Bleistifttext auf dem Milchband sauber mit Tusche aufgeschrieben werden.

Dieses nunmehr endgültige Textband kommt in die Kopieranstalt. Hier wird von diesem handschriftlichen Textband zuerst eine Negativkopie hergestellt und von dieser, die die Schrift weiß auf schwarzem Grund zeigt, zwecks besserer Lesbarkkeit der Schrift im „Rhytmonom“ soviel Kopien mit schwarzer Schrift auf weißem Grund, wie Sprecher in der deutschen Fassung mitwirken.

Jeder Sprecher erhält also sein eigenes Textband, auf dem jedoch nur seine zu sprechenden Texte enthalten sind, die übrigen, die für ihn belanglos sind und ihn viellleicht nur irritieren könnten, werden sauber ausgekratzt. Stichworte benötigt der Sprecher nicht, da für ihn das Stichwort durch den Richtstrich ersetzt wird. Sobald der erste Buchstabe seines zu sprechenden Wortes, resp. Satzes den Richtstrich erreicht, beginnt er zu sprechen.

Wirken in einem amerikanischen Film beispielsweise 8 (acht) Solodarsteller und Darstellerinnen, die sämtliche mehr oder minder große Dialoge zu sprechen haben, mit, sowie Chor oder Komparserie, die akustisch in Tätigkeit treten, so werden für die deutschen Sprach-fassungen genau so viel Sprecher und Specherinnen, ebenso starker Chor oder Komparserie, engagiert.

Jeder einzelne Sprecher nimmt nun vor einem „Rhytmonom“ Aufstellung, in welchem sein Textband synchron mit dem Bildfilm abläuft. Jeder Sprecher liest nun unabhängig vom Bild auf der Leinwand oder seinem Dialogpartner am Nebenapparat seinen Text von kontinuierlich vorbeilaufenden Textband laut ab.

Er kann sich restlos auf seinen Text konzentrieren, das Bild auf der Leinwand ist für ihn vollkommene Nebensache, die Kontrolle der genauen Übereinstimmung der Sprecher mit den Lippenbewegungen der Darsteller nimmt der Ton-Regisseur vor, wobei es sich jetzt nur noch darum handeln kann, darauf zu achten, daß die deutschen Sprecher nicht schneller oder langsamer sprechen, als die auf dem „Rhytmoband“ aufgezeichneten Texte am Richtstrich vorbeziehen.

Selbstverständlich ist hierzu auch eine gewisse Anzahl Proben notwendig, bis sich die deutschen Sprecher mit dem ganzen Apparat vertraut gemacht haben und ihre Texte, wenn auch auch nicht vollkommen auswendig, so doch gefühlsmäßig kennen. Ein Rollenlernen kommt nicht mehr in Frage.

Die synchrone Aufnahme der deutschen Dialoge, Lieder usw. erfolgt entweder mittels Lichttonverfahrens oder auch direkt auf Schallplatten, die selbstverständlich synchron mit dem Film laufen.

Bei ausländischen Schallplatten-Tonfilmen wird es auch erforderlich, Musik, die gleichzeitig mit dem ausländischen Dialog aufgenommen worden ist, neu zu übertragen. Dies geschieht auf dem gleichen Weg wie beim Sprechtext.

Der deutsche Komponist, der die Musikübertragung vornimmt, wird sich zuerst mal die amerikanischen Schallplatten vorspielen lassen und nach dem Gehör die Grundmelodien suchen und fixieren.

Weitere akustische Abhörproben dienen der genannten Feststellung der Instrumentierung. Der Rhythmus der einzelnen Melodien wird in diesem Falle nicht takt-, sondern mittels des „Rhytmographen“ vom Komponisten zeitmäßig festgelegt.

Hat er diese Vorarbeiten erledigt, Melodie, Rhythmus und Orchesterstimmern gefunden, so wird von ihm die neue Musik komponiert und auf dieselbe Weise auf ein Notenband übertragen wie der Sprachtext. Nur hat dieses Notenband anstatt der Bild- oder bei amerikanischen Filmen Fußeinteilung ein Notenliniensystem, in das die betreffenden Noten eingeschrieben werden.

Der Prüfvorgang, bei dem in diesem Falle natürlich auch die Original-Schallplatte mit eingeschaltet ist, erfolgt in der gleichen oben geschilderten Weise wie beim Sprechtext.

An Hand des am Bildfenster des „Rhytmonoms“ vorbeilaufenden Notenbandes dirigiert der Kapellmeister dann sein Kapelle mit derselben Genauigkeit der Übereinstimmung mit der Originalmusik und dem Film, wie dies bei der deutschen Sprachfassung der Fall ist.

Einzig und allein vorkommende Geräusche aller Art werden nach wie vor von einem besonderen „Geräuschemacher“ (ein neuer Zweig der Berufsmusiker, den der Tonfilm geschaffen hat) individuell unter genauer Beobachtung des Bildes auf der Leinwand nachsynchronisiert.

Der Vorteil dieses neuen „Rhytmographie“ – Verfahrens liegt, wie klar ersichtlich, in der auf rein maschineller Weise erzielten unbedingten Übereinstimmung zwischen Bild und Wort, resp. Musik.

Ferner sind die deutschen Sprecher vollkommen unabhängig von dem Bild auf der Leinwand. Es ist für sie ohne jedes Interesse, und deshalb können sie sich voll und ganz auf den Sprechtext konzentrieren.

Sie brauchen nicht mehr ängstlich auf die Synchronität ihres Sprechens mit dem Darsteller auf der Leinwand zu achten, das besorgt ganz mechanisch die Apparatur, vorausgesetzt, daß der Sprecher sich genau nach ihr richtet.

Aber noch ein weiterer Punkt verdient außerordentliche Beachtung, der für die Kostenfrage der Tonfilmherstellung sehr wichtig ist und vielleicht in Zukunft einige Umwälzungen in der deutschen Tonfilmproduktion mit sich bringen wird.

Auf Grund des „Rhytmographie“ – Verfahrens ist es nämlich gar nicht mehr notwendig, Tonfilme im Tonfilm-Atelier mit dem großen umständlichen und Zeit und Geld kostenden Tonfilmapparat auf-zunehmen. Zumindest kann man in Zukunft das kostspielige Mehrfach-Drehen von ausländischen Versionen deutscher Tonfilme im Tonfilm-Atelier ersparen.

Denn mittels des neuen Verfahrens ist jeder stumm aufgenommene Film, dem ein Ton- und Sprechfilmmanuskript natürlich zugrunde liegen muß, in jeder Sprache nachzusynchronisieren, und zwar mit einer Genauigkeit, die in keiner Weise die Nachsynchronisation erkennen läßt. Man läßt die Darsteller (auch in der deutschen Fassung) im gewöhnlichen Atelier ihre Rollen spielen, wobei natürlich die im Manuskript vorgesehenen Dialoge genau gesprochen werden, jedoch nicht gleichzeitig aufgenommen werden müssen.

Auf diese Art können erstens die Künstler sich bei der Aufnahme des Bildfilms wieder frei entfalten, sie brauchen nicht ängstlich mehr auf Aussprache usw. zu achten, zweitens gehen die Aufnahmen bedeutend rascher vonstatten, sind nicht mehr vom Tomixer abhängig, wodurch natürlich eine Menge Zeit und Geld gespart wird, und drittens können Schauspieler und Schauspielerinnen, deren Stimme für das Mikrophon nicht geeignet ist, trotzdem die betreffende Rolle spielen und die erforderlichen Sätze sprechen (die ja nicht gleichzeitig mit aufgenommen werden), während bei der nachtäglichen Tonaufnahme an Hand des Tonfilmanuskriptes und mittels des „Rhytmographie“ -Systems geeignete Sprecher oder Sänger die Partie übernehmen.

Die Herstellung von Auslandsversionen deutscher Tonfilme erfordert nicht mehr das Engagement einer Mehrfachbesetzung und zwei- oder dreifach Tonfilmaufnahmen heraus.(?) (unleserlich)

Der deutsche Tonfilm wird einmal aufgenommen, und zwar stumm, und die Dialoge in deutscher und fremder Sprache in beliebiger Anzahl nachträglich nach den „Rhymographie“ – Verfahren mit besonders ausgewählten Sprechern in vollkommen einwandfreier Form aufgenommen.

(Abschrift aus der Österreichischen Film Zeitung Nr. 29, vom 19. Juli 1930, Seite 6) Eine neuartige Lösung des Sprachenproblems beim Tonfilm

Bekanntlich wird seit dem Beginn der Tonfilmproduktion daran gearbeitet, zu einer zweckmäßigen Lösung des wichtigsten Problems bei der Neuerung, der Sprachenfrage, zu gelangen, um dieses Hindernis, welches sich der Internationalität des Tonfilms entgegenstellt, aus dem Weg zu räumen.

Von den bisherigen Verfahren zur Uebertragung von Tonfilmen aus einer Sprache in die andere hat sich indessen keines so recht bewährt. Nun hat Viktor Abel in Berlin unter Zuhilfenahme des Systems der „Rhythmographie“ ein Verfahren zur nachträglichen Verdeutschung ausländischer Filme entdeckt, das als die derzeit beste und für die Zukunft aussichtsreichste Methode auf diesem Gebiet bezeichnet wird.

Ueber den Vorgang bei dem von Abel entdeckten Verfahren entnehmen wir der „L. B. B.“ nachstehende Einzelheiten:

Der ausländische Film wird zunächst wortgetreu übersetzt und nach einem besonderen Verfahren auf ein Blankfilmband geschrieben.

Dieses Blankfilmband läuft synchron gekoppelt mit einem Projektor mit einem Uebersetzungsverhältnis von 1: 8, d. h. bei 24 Filmbildern in der Sekunde läuft das Blankfilmband nur drei Bilder.

Es ist dadurch also möglich, die einzelnen Artikulationen der Darsteller auf dem synchron gekoppelten Schreibband zu vermerken. Auf diese Weise wird Meter für Meter nach den Mundstellungen synchron beschriftet.

Das so beschriftete Band wird in einem besonders konstruierten Apparat, das Rhythmonom, eingesetzt und die Schauspieler sprechen den nach den eingetragenen Artikulationen ausgewählten Text dazu.

Vorausetzung ist natürlich immer, daß der Text nicht nur dem Sinne nach dem ausländischen entspricht, sondern auch die Artikulationen der einzelnen Worte der fremdsprachigen Fassung entsprechen.

Damit wird auch verständlich, warum das Blankfilmband nur ein Achtel der Geschwindigkeit hat. Es wird hierdurch erreicht, daß der Schauspieler Zeit genug hat, um den Satz, der vor seinen Augen vorbeiläuft, langsam zu verfolgen.

Das korrigierte Band wird dann mit sauberer Druckschrift abgeschrieben, in einer Kopieranstalt so oft kopiert, wie es erforderlich ist. Jeder Schauspieler erhält jetzt ein Band, auf dem nur seine Rolle zu lesen ist, da alle anderen Rollen abgeschabt sind.

Jetzt erst fängt die richtige Vertonungsarbeit an. Für jeden Schauspieler wird ein Rhythmonom in einem Tonaufnahmeraum aufgestellt.

Die Rhythmonome sind synchron gekoppelt mit dem Projektor, dem Plattenspieler und dem Tonaufnahmeapparat, wobei es selbst-verständlich gleichgültig ist, ob auf Lichtton oder auf Platte aufgenommen wird.

Die Schauspieler sind also jetzt in der Lage, ohne den Film sich ansehen zu müssen, nur nach den Bändern genau synchron ihre Rolle zu sprechen, und zwar mit jeden gewünschten Ausdruck und ohne daß ein langes Auswendiglernen oder Rollenstudium notwendig wäre.

Dieses Verfahren, welches gegenwärtig die Firma Warner Bros. in Berlin für die Uebertragung des großen Farbentonfilms „Golddiggers of Broadway“ ins Deutsche verwendet wird, zeichnet sich, wie die hierbei beschäftigten Schauspieler übereinstimmend erklärten, durch über-raschende Einfachheit aus.

Das Wichtigste bei dem Abelschen Verfahren, mit dem eine vollendete Synchronität erzielt wird, dürfte indessen darin liegen, daß mit Hilfe desselben jeder Film selbst für das kleinste Lizenzgebiert mit verhältnismäßig geringen Mitteln verwertbar gemacht werden kann, während dies bisher infolge der hohen Kosten nicht möglich war. (Österreichische Film-Zeitung vom 19. Juli 1930, Nr. 29, Seite 6)

PDF Eine neuartige Lösung des Sprachenproblems beim Tonfilm

pdf Carl Robert Blum Abschrift Patent

PDF Patent Carl Robert Blum592525

PDF Patent Otto Bothe

PDF Luedtke Rohnstein

Wie schreibt man einen Film von Viktor Abel
Carl Robert Blum (Erfinder Berlin)
Viktor Abel

Das Rhytmographie Verfahren (I)

Abschrift aus der Kinotechnischen Rundschau Nr. 28 (Beilage zum Kinematograph Nr. 160 vom 12. Juli 1930) (I)

PDF Abschrift Rhytmographie Verfahren (I)

Das Rhytmographie-Verfahren Von Erich Palme.

Der Versuch fremdsprachigen Tonfilmen einen deutschen Dialog nachzusynchronisieren, ist im letzten Jahre schon von verschiedenen Seiten gemacht worden, ohne daß das Resultat endgültig befriedigt hätte. Wenn diesen Versuchen auch der allgemeine Erfolg versagt blieb, so sind sie doch immerhin als Schrittmacherarbeit auf dem Weg zur Internationalisierung des Tonfilmes beachtenswert. Zumindest haben sie anderen, die sich mit dem gleichen Problem beschäftigen, wertvolle Anregungen gegeben.

Der ganze Vorgang gliedert sich in drei Arbeitsgruppen: 1. Die Herstellung des deutschen Dialog-Manuskriptes, 2. die Herstellung des sogenannten Rhytmobandes und 3. die Aufnahme des deutschen Sprechtextes auf den Schallträger (Lichtton und Schallplatte).

Über die Abfassung der deutschen Sprechtexte, die selbstverständlich sinngemäß mit dem Urtext der fremden Sprache übereinstimmen und Silbe für Silbe den Lippenbewegungen der Darsteller auf der Leinwand entsprechen müssen, Einzelheiten bekannt zu geben erübrigt sich. Die Arbeit wird nach einem besonderen System vorgenommen, das mit ausschlaggebend für das restlose Gelingen der Synchronisation ist.

Die erste Arbeit der Techniker besteht in der Herstellung des Textbandes. Sie wird auf einem besonders konstruierten Meßtisch, dem „Rhytmoskop“ vorgenommen, der im großen und ganzen den üblichen Filmmeßtischen gleicht.

Von einer rechts befindlichen Abwickeltrommel läuft das Filmband über eine Mattscheibe, die von unten her erleuchtet ist und die in der Mitte einen schwarzen senkrechten Strich trägt. Dieser Strich ist der sogenannte „Startstrich“.

Mittels einer Handkurbel und Zahnrades wird der Bildstreifen nunmehr in beliebiger Geschwindigkeit über die Mattscheibe geführt, während gleichzeitig ein zweites Zahnrad oberhalb des Bildbandtransportes das (vorläufig unbeschriebene) Textband, ein normales, perforiertes Filmband, dessen Emulsion entwickelt aber nicht ausfixiert ist, so daß sich eine milchig weiße Schicht ergibt, vorwärtsbewegt, und zwar ebenfalls von rechts nach links.

Die beiden Filmtransporttrommeln sind so gekuppelt, daß das milchige Textband achtmal lagsamer als das Bildband über die Mattscheibe läuft. Der Grund für diesen verlangsamten Ablauf findet später seine Erklärung.

Mit Bleistift wird nun der deutsche Sprechtext an Hand des vorliegenden deutschen Manuskriptes, das mit bestimmten Zeichen für Beginn und Ende des jeweiligen Wortes entsprechend den Lippenbewegungen der Schauspieler versehen ist, auf das Textband aufgeschrieben.

Der Startstrich über den Bild- und Textband kontinuierlich hinweglaufen, dient hier gleichzeitig als Richtmarke. An der Stelle, wo der Sprecher im Film den Mund zu Beginn eines Wortes öffnet, wird oberhalb auf dem Textband der erste Buchstabe des zu sprechenden deutschen Wortes eingetragen, dann werden beide Filmstreifen gleichzeitig weitertransportiert, bis die Stelle, wo der Sprecher die Mundstellung verändert (beim Aussprechen eines anderen Buchstabens), genau auf den Richtstrich stößt, und hier wird dann oberhalb auf dem Textband der nächste entsprechende Buchstabe eingetragen.

So entsteht nach und nach in ganz genauer Übereinstimmung mit den Mundbewegungen des fremden Sprechers der deutsche Dialog auf einem Sprechband – „Rhytmoband“ genannt, oder Akt für Akt des Films ein „lebendes Textbuch“ von dem sämtliche deutschen Texte leicht ablesbar sind. Es spielt hierbei keine Rolle, ob ein oder mehrere Sprecher oder Sprecherinnen in einer Szene mitwirken, ob es sich um Sprache oder Gesang, Schreie oder Lachen oder Weinen handelt.

Die Arbeitsmethode ist so gewissenhaft, daß sogar beim Lachen der deutsche Sprecher nicht eine Silbe „ha“ zu viel oder zu wenig lachen wird, als der fremdländische Darsteller es seinerzeit bei der Originalaufnahme getan hat.

Da nun immerhin die Möglichkeit besteht, daß bei der Abfassung des deutschen Sprechtextes, die ebenfalls halbmechanisch vorgenommen wird, hinsichtlich der Mundstellung des Originalsprechers und dem dafür eingesetzten deutschen Wort Irrtümer vorkommen können, vielleicht auch die zeitliche Länge beispielsweise eines Vokals nicht genau getroffen worden ist, erfolgt eine sogenannte Korrigierprobe des „Rhytmobandes“.

In einem „Ableseraum“ wird der Bildstreifen und das „Rhytmoband“ synchron vorgeführt. Die Vorführung geschieht mittels eines üblichen Projektors mit 24 Bilder pro Sekunde. Auf der Achse des Projektors sitzt ein Schrittgeber, der mit einem Schrittmotor gekuppelt ist, der weiterhin das „Rhytmonom“ so antreibt, daß in demselben der Textstreifen („Rhytmoband“) mit einer Übersetzung von 1 : 8 abläuft, d. h. während im Projektor 24 Bilder pro Sekunde durchlaufen, bewegt sich das „Rhytmoband“ im „Rhytmonom“ um 3 Bilder am Richtstrich, der auch hier gleichzeitig Startmarke ist, vorbei.

Das „Rhytmonom“ besteht aus einem schalldichten rechteckigen Kasten, in welchem der Transportmechanismus, sowie die Ab- und Aufwickelvorrichtung des Textbandes und eine Lichtquelle untergebracht sind. An der Stirnseite trägt dieser Kasten eine rechteckige Öffnung in horizontaler Richtung, die die Breite eines normalen Filmstreifens und eine Länge von etwa 30 Zentimeter besitzt.

Diese Öffnung ist durch eine Mattscheibe abgeschlossen, auf der sich ungefähr 10 Zentimer von links der Start- oder Richtstrich befindet. Vor dieser Mattscheibe läuft nun das „Rhytmoband“ in der oben angegebenen Geschwindigkeit von 3 Filmbildern pro Sekunde vorbei, also in einem langsamen Tempo, welches jedoch dem Ablauf des Bildstreifen im Projektor entspricht.

Beide Filmstreifen, Bildband und Textband, werden auf Startzeichen eingestellt. Während auf der Leinwand in normaler Weise das Filmbild mit den fremden Darstellern erscheint, läuft gleichzeitig synchron im Übersetzungverhältnis von 1 : 8 der Textstreifen.

Hierbei muß sich nun ergeben, daß, wenn der Darsteller im Bild den Mund zum Sprechen öffnet, der erste Buchstabe des deutschen Wortes am Richtstrich angelangt ist.

Hat der Darstelller auf der Leinwand seinen Satz beendet, was ja aus den Lippenbewegungen und Mundstellungen ersichtlich ist, muß auch gleichzeitig der deutsche Satz am Richtstrich des „Rhytmonoms“ vorbeigezogen sein.

Die verlangsamte, in Wirklichkeit jedoch genau der Geschwindigkeit der Filmvorführung entsprechende Vorführung des Textbandes, hat den Zweck, dem deutschen Sprecher, der nun den deutschen Text vom „Rhytmoband“ abzulesen und zu sprechen hat, genügend Zeit zur Vor-bereitung auf die kommenden Worte zu geben, deshalb auch die Länge der von hinten her erleuchteten Mattscheibe, die dem Sprecher gestattet, den kommenden Text, bzw. den Schluß seines Satzes schon rechtzeitig zu erkennen.

So wie die einzelnen deutschen Buchstaben unter dem Richtstrich vorbeiziehen, muß er sie aussprechen. Auf die Technik dieses Ablesens und Sprechens des deutschen Textes vom „Rhytmonom“ werde ich später noch zurückkommen.

Im „Ableseraum“ wird nun also nach oben beschriebenem Vorgang die Synchronität des deutschen Textes mit dem Bild kontrolliert und werden evtl. Fehler in der Übersetzung oder dem Zeitmaß festgestellt. Diese Arbeit ist die wichtigste an dem ganzen Verfahren. (Schluß folgt.)

Viktor Abel
Carl Robert Blum

Abschrift: ‚Im Westen nichts Neues‘ bedingt zugelassen

Zwei Meldungen aus dem Kinematograph vom 11. Juni 1931/18. Juni 1931 1) Im Westen nichts Neues 2) Rhythmographie

PDF Zwei Meldungen aus dem Kinematograph 1931

Unter der Überschrift:

„Im Westen nichts Neues“ ist am Montag, dem 8. Juni (1931) erneut der Filmprüfstelle Berlin vorgeführt und von einer Kammer unter dem Vorsitz des Regierungsrats Zimmermann besichtigt worden. Beisitzer waren die Herren Dr. Kahlenberg, Wagner, Zoemspiel und Studienrat Zäh. Der Antrag wurde gestellt auf Grund der Novelle zum Lichtspielgesetz vom 8. April (1931). Der Antrag wurde von dem Rechtsanwalt Dr. Frankfurter begründet (Im Auftrag der Universal Film AG).

Antragsteller: Deutsche Universal A. G.

Als Vertreter der Herstellerfirma Universal waren anwesend: Generaldirektor Al Szekler sowie die Herren Spiegel und Bruck. Nach zweistündiger Beratung hat die Kammer folgende Entscheidung gefällt:

Der Bildstreifen wird zur Vorführung im Deutschen Reich zugelassen, darf jedoch nur von gesetzgebenden Körperschaften des Reiches und der Länder in geschlossenen Veranstaltungen der nachstehend genannten Organisationen vorgeführt werden, zu denen nur Mitglieder dieser Organisationen und deren Familienangehörigen Zutritt haben und deren Vorstände einen ordnungsgemäßen Verlauf der Veranstaltungen gewährleisten:

1) Verbände und Vereinigungen ehemaliger Kriegsteilnehmer, die Kriegsbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen,

2) Verbände, Arbeitsgemeinschaften und andere Vereinigungen, die dem Zweck des internationalen Friedens dienen,

3) Berufsverbände, Berufsvereinigungen, Standes- und Bildungsvereinen.

Ausgeschlossen sind Vereine, die sich zum Zwecke der Vorführung des Bildstreifens bilden. Vor Jugendlichen darf der Bildstreifen auch im Rahmen der vorstehend bezeichneten Veranstaltungen nicht vorgeführt werden .

Rhythmographie Arbeiten Am 18. Juni 1931 berichtet der Kinematograph: Rhythmographie Arbeiten.

Die Rhythmographie – G.m.b.H. hat die englische Version des Trenker Filmes „Der Sohn der weißen Berge“ für Universal fertig gestellt. Ebenso die deutsche Fassung des amerikanischen Tonfilmes „Auferstehung“. Für Radio Pictures wird die deutsche Fassung von „Cimarron“ hergestellt. Von „Fra Diavolo“ mit Tino Pattiera bringt Rhythmographie eine englische Fassung heraus. (18. Juni 1931 Nr. 139 ) (erscheint sechs mal wöchentlich)

Dramaturg Viktor Abel
Erfinder Carl Robert Blum

Interview mit den Streit Brüdern in Belo Horizonte

PDF InterviewStreitbelohorizonte

Carl Heinz Streit 1990 Belo Horizonte
Carl Heinz Streit (Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit) Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990
Rolf Arno Streit
Rolf Arno Streit. Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit. Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990.

SRolf Arno Streit: ”Mein Großvater Jeremias genannt James Henschel war der Erste in Hamburg, der Kinos gemacht hat. Er ist auf folgende Weise auf diese Idee gekommen.In Paris, so hat er gehört, gibt es einen Grammophon-Laden, dass heisst Leute konnten in den Laden gehen, sich . . . wie heisst das? . . . Telefone an die Ohren legen und konnten dann eine Musik wählen, die sie bekommen haben durch die . . . durch das Grammophon. Übertragenen. Das wollte er in Hamburg auch machen und deshalb sind sie dann in Paris gewesen, wo dieser . . . wo dieses Grammophongeschäft existierte und sich mit dem Inhaber darüber zu unterhalten . . . Auf dem Wege dorthin sind . . . stehengeblieben an vor einer riesigen Schlange von Menschen, die alle in ein sogenanntes Cine gehen wollte. Das war eine Neuigkeit für meine Großeltern und . . . da wurden eben die ersten Filme vorgeführt. Dann sind sie zu dem Grammophonmann gegangen und sind nachher in ihr Hotel gegangen und haben geschlafen.

Meine Großmutter-Frida Henschel – hat zu Madam . . . zu meinem Großvater gesagt, weißt du James ich hab es mir überlegt, wir machen nicht Grammophon, wir machen Kinos. Und das war die Idee, das mein Großvater der Erste in Hamburg war, der Kinos eröffnete. So ist auch der Henschel Film und Theaterkonzern nach ihm benannt worden.“

Frage: Das erste Kino war das Belle Alliance Kino? Das war ein sehr großes Kino?

Rolf Arno Streit: „Das kann ich nicht genau sagen, wie groß es war. Auf jeden Fall war das das erste Kino – richtige Kino – in Hamburg . . . Hamburg Altona . . . wenn ich mich nicht irre.

Frage: Der Großvater hat dann mit Ende des Krieges alle Kinos verkauft, sie haben erzählt an die Ufa. Können sie mal sagen, warum er die Kinos verkauft hat?

Rolf Arno Streit: “Die Ufa ist an meinen Großvater herangetreten . (LkW Geräusch) . . . Die Ufa ist an meinen Großvater herangegangen und hat ihm gesagt, entweder verkaufen sie uns ihre ganzen Kinos, oder wir machen ihnen Konkurrenz . . . das war der . . . da hat mein Großvater sich entschlossen, seine Kinos an die Ufa zu verkaufen . . . hat sich für das Geld, das er bekommen hat, sofort Häuser gekauft . . . Immobilien . . . und ist dadurch . . . durch die Inflation schadlos herausgekommen. Zu dem Entschluß von meinem Großvater, die Kinos zu verkaufen mußte die Ufa damit einverstanden sein, daß seine Schwiegersöhne -nämlich unser Vater Hugo Streit und unser Onkel Hermann Urich-Saß . . . also seine Schwiegersöhne Direktoren der Ufa wurden für Norddeutschland, was geschah“.

Frage: Bis wann waren Hugo Streit und Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa?

Rolf Arno Streit: “Die waren Direktoren bis . . . ungefähr 1926 . Ein ganz genaues Datum kann ich nicht sagen, aber . . . Mitte der 20iger Jahre ist es wohl gewesen.“

Carl Heinz Streit: Das ist aber richtig. Ich mein, ich erinnere das auch nicht mehr so genau.

Hilde Streit: (zu ihrem Mann): Du weisst es noch besser.

Rolf Arno Streit: “Ja, durch die ganze Wiedergutmachungsgeschichte . . . bin ich wieder da . . . irgendwie erinnert worden. Das ist ja auch nun schon viele Jahre her.“Hilde Streit:. Jetzt ist leise . . . Carl Heinz Streit: Das kommt aber immer wenn der Omnibus kommt. Hilde Streit: Ja überall, kommt immer . . . bei uns viel mehr noch.Frage: 1918 wurde die Ufa gegründet und die Ufa trat an ihren Vater heran und er hat seine Kinos verkauft. Können sie das noch mal erzählen?Rolf Arno Streit: ”Ja . . . nachdem . . . ist schon . . . Carl Heinz Streit: ”Nein, wenn das Licht angeht.“ Rolf Arno Streit: „Also . . . nach dem Kriege 14/18 ist die Ufa an meinen Großvater herangetreten und hat ihm gesagt, wir bauen hier Kinos, oder sie verkaufen uns ihre Kinos, und da ist mein . . . hat mein Großvater den Entschluss gefasst, seine Kinos zu verkaufen . . . mit der Bestimmung, dass mein Vater und mein Onkel . . . Hugo . . . Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa werden von Norddeutschland, was geschah, außerdem war mein Großvater mit 5 % über viele Jahre an allen Ufa Einnahmen beteiligt . . . und späterhin . . . auch mit 2,5 % für alle . . . von allen Kinos, die noch erbaut worden sind später von der Ufa . . . Mein Großvater selbst hat seine . . . hat die Inflation überstanden durch Ankauf von Immobilien . . . das Geld, was er damals von der Ufa bekommen hatte, hat er sofort angelegt in Immobilien und dadurch ist er aus der Inflation schadlos herausgegangen:“ Frage: Wissen sie noch welche Kinos das waren, die ihr Großvater dort verkauft hat? Rolf Arno Streit: “Ich kenn einige . . . weiß ich . . . das . . . zum Beispiel das Lessingtheater, das Passage Theater, das Harvestehuder Lichtspiele und einige andere . . . ich entsinne die Namen nicht mehr genau. Auf jeden Fall . . . vielleicht sechs Kinos, die mein Großvater der Ufa verkauft hat“. Frage: Das Waterloo Theater gehörte das auch dazu? Rolf Arno Streit: ”Das Waterloo Theater gehörte dazu, ja. Das hat mein Großvater erbaut. Das war damals das vornehmste Kino in Hamburg.“ Frage: Und dann hat ihr Vater Hugo Streit und Hermann Urich Sass . . . haben sich selbstständig gemacht und haben neue Kinos aufgemacht. Wann war das?

Rolf Arno Streit: ”Sie waren, wie gesagt, Direktoren der Ufa bis 1925 oder 1926 . . . und haben sich dann selbstständig gemacht und haben die erste . . . das erste Kino . . . gekauft, die Schauburg Hauptbahnhof . . . die damals anders hieß . . . der Name ist mir entfallen . . . das ist die spätere Barke gewesen. Am Hauptbahnhof. Dadurch . . . Nach und nach haben sie andere Kinos gebaut . . . im ganzen waren . . . bestand der Henschel Film und Theaterkonzern . . . wie er sich nannte . . . aus 12 Kinos. Schauburg Hamm, Schauburg Hammerbrook, Schauburg Wandsbek, Schauburg Harburg und diverse andere . . . die mir im Moment nicht einfallen. Auf jeden Fall waren es zwölf Großkinos und der Konzern war dadurch . . . der größte Konzern in Hamburg . . . was die Theaterbranche . . . die Kinobranche anbelangt“. Frage: Sie hatten mir erzählt, sie haben auch mal eine Eröffnung miterlebt . . . von der Schauburg am Millerntor (1927) . . . das war ja ein sehr großes Kino und zur Eröffnung ist Henny Porten gekommen . . . können sie da noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: ”Ja ich kann darüber erzählen, aber ich weiß, ob es die Schauburg Haupt . . . Schauburg Millerntor war . . . es kann irgend eine andere Schauburg gewesen sein. Alle Schauburgen wurden eröffnet mit irgendeiner Sensation, so auch eine . . .  (LKW Lärm) . . . so auch eine Schauburg mit der Henny Porten. Die Henny Porten kam in Hamburg an . . . am Hauptbahnhof. Es waren viel mehr Menschen dort . . . als seiner Zeit der Reichspräsident Ebert ankam, das schrieben die Zeitungen . . . später. Andere Schauburgen wurden eröffnet mit anderen Filmschauspielern unter anderem auch einmal durch einen Ball bei . . . Sarasa . . . bei . . . in . . . dem Saal . . . ich komm nicht auf den Namen . . . (vermutlich Sagebiel) . . . auf dem größten Saal in Hamburg. Da wurden dann die Leute gefilmt, entweder die getanzt haben oder selbst gesprochen haben und dieser Film wurde vorgeführt in den Schauburgen und die ganzen Leute die gefilmt wurden, haben sich natürlich die Filme angeguckt. Das war ein gutes Geschäft. Nicht nur eine gut Idee, sondern auch ein gutes Geschäft . . . Es wurden auch andere eröffnet mit Emil Jannings, soweit ich erinnere und durch andere Sensationen . . . ich kann nicht auf die ganzen Sachen eingehen, weil die Erinnerung mir nicht die . . . Carl Heinz Streit: (der ältere Bruder) ”Lucie Englisch war auch einmal da.” Rolf Arno Streit: ”Lucie Englisch ja . . . sprich du mal weiter. Carl Heinz Streit: ”Ja ich weiß ja nicht so viel wie du. Du hast doch die ganze Wiedergutmachung betrieben. Dadurch bist du mehr im laufenden.” Frage (an Carl Heinz Streit): Sie haben doch auch mal im Henschel Film und Theaterkonzern gearbeitet? Ein Jahr lang . . . ? Carl Heinz Streit: “Ja in der . . . in dem Booking Department . . . wie heisst das auf Deutsch? Programmation gearbeitet . . . Aber ganz kurze Zeit nur. Frage: Was gab es da für Filme . . . wissen sie das noch? Carl Heinz Streit: “Boh ! . . . an die Filme kann ich mich nicht mehr erinnern. (lacht) Rolf Arno Streit: “Es gab zum Beispiel . . . es wurde in den Schauburgen gezeigt. Der erste Tonfilm mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich, der hiess „Ich küsse ihre Hand Madam“. Es waren aber nur einige Minuten, die der Ton herausgekommen ist, nämlich das Lied, ich küsse ihre Hand Madam wurde gesungen von Marlene Dietrich mit dem Harry Liedtke zusammen . . . (Richard Tauber war der Sänger – Länge: 2 Minuten 38 Sekunden). Das war eine Sensation. So fing der Tonfilm in Hamburg an. Später natürlich kamen andere Filme wie zum Beispiel: „Der letzte Mann“ mit Emil Jannings. Das war ein . . . erfolgreicher Film und auch der „Blaue Engel mit Marlene Dietrich . . . Carl Heinz Streit : “ . . . und Emil Jannings“. Rolf Arno Streit: “Ja und Emil Jannings. So nun erzähl du mal wieder was (zu seinem Bruder).“ Carl Heinz Streit: “Dann wurde aufgeführt der Film . . . ich weiß nicht mehr den Namen . . . aber es war dieser Schwarze . . . , der sich als Schwarzer verkleidet hat . . . Al Jolson . . . der Jazzsinger“. Frage: Das war der erste Tonfilm denn auch . . . der erste richtige Tonfilm.

Carl Heinz Streit: “Das war der Tonfilm, der nicht mehr über Grammophon ging. Die ersten . . . die ersten Tonfilme wurden mit Platten bedient. Nachher kam der optische Film. Das war der erste mit Al Jolson“.  Frage: Die Schauburgen – also die Schauburg Hamm und die Schauburg Millerntor . . . das waren ja alles Neubauten . . . das muss ja ne enorme Stange Geld gekostet haben. Wissen sie da irgendwie . . . wieviel das gekostet haben mag? Carl Heinz Streit: “Nein“. Rolf Arno Streit: “Das waren einige Millionen. Ich glaube, mein Großvater – James Henschel- hat das Anfangskapital zur Verfügung gestellt. Vielleicht wurden nachher auch Bankkredite aufgenommen. Ich kann das nicht genau sagen. Aber auf jeden Fall war das ein Großunternehmen und die meisten Kinos sind erbaut worden durch den Verdienst, der schon bestehenden Kinos (Moped im Hintergrund) . . . Die meisten Kinos sind erbaut worden, durch den Verdienst der schon bestehenden Kinos. Die ganzen Schauburgen, bis auf einigen . . . bis auf einigen . . . wurden vom Henschel Film und Theaterkonzern selbst erbaut. Also es waren eigene Grundstücke.“ Frage: Dann waren es . . . wenn ich das so richtig recherchiere . . . dann waren es imgrunde nur zwei . . . zwei große Filmtheaterbetriebe in Hamburg . . . das war der Henschel und die Ufa. Die müssen doch in starker Konkurrenz auch gestanden haben? Rolf Arno Streit: “Ja, solange sie nicht den Ufa Palast gebaut hatten, war das . . . gab es keine große Konkurrenz . . . aber nachdem der Ufa Palast . . . ich glaube es war im Jahre 19 und . . . Ende 1920 . . . vielleicht 1929 . . . oder 28 . . . ich weiß nicht genau . . . da wurde es natürlich eine Konkurrenz. Aber die hat dem Henschel Film und Theater Konzern auch nichts ausgemacht . . . er ist . . . er ist sehr solide geblieben . . . bis zum Ende . . . bis zum Anfang der Nazizeit . . . Da wurde der Henschel Film und Theater Konzern sehr stark betroffen . . . und . . . es wurde ein . . . ein . . . ein Programm gegen die Theater ausgeübt“. Frage: Wann hat das begonnen . . . das man gegen den Henschel Film und Theater Konzern . . . Rolf Arno Streit: “Mit Anfang der Nazizeit . . . 1933 . . . Da wurde der . . . Henschel Film und Theaterkonzern gestempelt als jüdisches Unternehmen . . . und dadurch sind die . . . Besucher ziemlich heruntergegangen . . . .1936 . . . ich glaube mich nicht zu irren . . . (gemeint ist vermutlich der reichsweite Pogrom in der Nacht vom 9/10 November 1938) . . . in der Kristallnacht wurden die Kinos geschändet . . . und zerstört . . . zum Teil, dann haben sie . . . dann haben sich die Nazis davorgestellt und haben keine Juden mehr . . . keine Ar . . . keine Besucher mehr hereingelassen. Dadurch hat der Konzern natürlich sehr stark gelitten.” Frage: Der Henschel Konzern war eine OHG zwischen Hermann Urich – Sass und Hugo Streit und das gab es eine Phase wo . . . ihre . . . ihre Väter das wohl schon voraus gesehen haben . . . sie hatten mir erzählt, er wär . . . der Hugo Streit wär zusammen mit dem einen Geschäftsführer nach Berlin gefahren und wollte das verkaufen . . . das Kino. Können sie darüber was sagen? Rolf Arno Streit: “Ja mein Vater . . . Hugo Streit ist mit Romahn . . . der damals . . . Prokurist gewesen ist, von den Schauburgen nach Berlin gefahren, um mit der Ufa zu verhandeln . . . k . . . önnen wir mal einen Augenblick Schluß machen? ..zu Carl Heinz:. Weshalb ist Papa nach Berlin gefahren? Achso ja . . . kann ich weitermachen . . . Mein Vater ist mit Romahn nach Berlin gefahren, um mit der Ufa . . . (lauter LKW) um mit der Ufa zwecks Verkauf zu verhandeln, die Ufa war interessiert daran, die Kinos zu übernehmen . . . in dieser . . . selben Zeit . . . in diesem selben Zeitabschnitt starb Hermann Urich Sass . . . und Romahn wurde benachrichtigt von dem Tode von Hermann Urich Sass . . . aber sollte nicht stören . . . störend auf die Verhandlungen meines Vaters mit der Ufa wirken . . . Das geschah aber doch aus irgendeinem Grunde, der mir entfallen ist . . . ich glaube durch die Zeitung . . . ich weiß es nicht genau . . . und mein Vater hat die Verhandlungen abbrechen müssen . . . daraus ist nichts . . . leider nichts geworden“. Frage: Das ist ein historisches Datum in zweierlei Hinsicht. Am 27. Januar starb Hermann Urich Sass und am 30. Januar . . . wurde er beerdigt . . . Rolf Arno Streit: „Am 30 . . . wurde Hermann Urich Sass beerdigt, das war an dem Tag als Hitler zum Reichkanzler ausgerufen wurde . . . von Hindenburg . . . später wurde er der sogenannte Fü . . . Führer im möchte lieber sagen Verführer, denn er hat die ganze Welt verführt und sechs Millionen Juden ermordet . . . aber das gehört nicht zu . . . (LKW Geräusch) . . . Soll ich wiederholen. Anfangen mit Hermann Urich Sass, das er starb?“ Frager: Ja Rolf Arno Streit: Mein Vater war mit Romahn dem Prokuristen des Henschel Konzerns in Berlin um mit der Ufa zwecks Verkauf der Kinos zu verhandeln. Während der Verhandlungen ist Hermann Urich Sass gestorben. Das sollte meinem Vater aber nicht mitgeteilt werden, um die Verhandlungen nicht . . . mit der Ufa nicht zu stören . . . und Romahn wurde benachrichtigt, aber er konnte es leider nicht verschweigen, wahrscheinlich hat mein Vater es aus der Zeitung erfahren . . . und ist dann zurückgekommen und die Verhandlungen wurden abgebrochen . . . inzwischen ist der Nazismus weiter gegangen, die Theater wurden weiter geschädigt und die Ufa war nicht mehr interessiert an einem Kauf der Kinos . . . . Später wurde mein Vater gezwungen die . . . nein später wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet . . . in dem mein Vater der alleinige Gesellschafter war und die Kommanditisten die Erben des verstorbenen Hermann Urich Sass . . . Später wurde mein Vater gezwungen, die Sachen zu verkaufen . . . oder zu realisiseren, damit . . . die Kinos . . . wie heisst das auf gut deutsch? (An Carl Heinz Streit ) Carl Heinz: “arisiert“. Rolf Arno Streit: “Arisiert worden sind . . . arisiert wurden“. Carl Heinz Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt“ Rolf Arno Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt, das waren Romahn und Schümann . . . die nachher als die Inhaber des Henschel Film und Theaterkonzerns fungierten. Gezahlt haben sie nichts dafür. Dafür hat schon die Partei gesorgt, daß den Juden kein Geld zugefügt worden ist. Und wenn . . . das entsinne ich nicht . . . .ein ganz kleiner . . . Betrag . . . der überhaupt nicht . . . dem Unternehmen entsprach . . . ” Frage: Die Schauburg Lichtspieltheatergesellschaft Romahn und Schümann GmbH . . . wurde ja 1933 schon gegründet mit 20.000,– RM. Nun hab ich mich so gefragt, wie kann man denn mit 20.000,– RM ein Gebäude übernehmen das schon allein 500.000,–RM gekostet hat? Rolf Arno Streit: „Ich glaube sie irren, das war nicht 1930, sondern . . . 1934 oder 1935 . . . Das war nicht 1930. 1930 gehörte doch der Henschel Film und Theater Konzern . . . Frage: Nee 1933 . . . Rolf Arno Streit: Ja 1933 . . . gehörte der Henschel Film und Theater Konzern . . . wurde der Henschel Film und Theater Konzern . . . nach dem Tode von Hermann Urich Sass . . . in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt . . . wie ich bereits beschrieben hatte . . . gesagt hatte . . . Aber ich glaube . . . die Gesellschaft Romahn und Schümann wurde gegründet . . . 1935 . . . oder 1936 . . . das war nicht 1930. Frage: Also ich hab nur die Handelsregister Eintragung und danach ist es schon 1933 passiert. Die Gründung selber und die Eintragung ins Handelsregister. Der Widerspruch ist nur der, das man mit so wenig Grundkapital . . . sag ich mal . . . mit 20.000,– RM so teure Kinos dann später übernehmen kann . . . Rolf Arno Streit: “Ja das weiß ich nicht ganz genau, wie die Sachen gewesen sind, ich weiß nur, daß Romahn und Schümann, die ja kein Geld hatten . . . die erste Zeit meinem Vater Zuwendungen gemacht hatten. Das wurde auch von den Nazis so vorgeschrieben, daß die Juden . . . eben die Geschäfte übergeben mußten, das war ein Zwang . . . es lag ein Zwang dahinter . . . ich glaube nicht . . . daß man . . . das Romahn und Schümann . . . ich weiß das Romahn und Schümann kein Geld hatten um das Unternehmen zu kaufen . . . Deshalb ist vielleicht die Eintragung gewesen . . . 20.000 Mark . . . das war eine Schein . . . eine Schein . . . wie nennt man das auf Deutsch? . . . .Eine Schein . . . Sache.“ Frage (An Carl Heinz Streit) Sie haben ja noch in Berlin lange im Filmverleih gearbeitet? Können sie darüber noch was sagen? Carl Heinz Streit: „Ja ich hab bei der Universal Films gearbeitet . . . wo ich nachher . . . in Brasilien auch angestellt wurde.“ Frage: Universal ist ja eine amerikanische Firma, hat die auch . . . Juden entlassen schon . . . zu der Zeit oder . . . Carl Heinz Streit: Es war eine vollkommen amerikanische Firma und der Präsident seinerzeit, als ich anfing bei der Universal war Carl Laemmle . . . das war ja auch ein Jude . . . die waren in ganz Südamerika . . . in ganz Südamerika vertreten durch den Direktor . . . der vorher in Deutschland . . . Direktor für ganz Europa war . . . Al Szeckler * . . . und als ich in Rio de Janeiro ankam, hat der mich sofort angestellt . . . bei der Universal Films . . . da hab ich gearbeitet als . . . zuerst als Buchhalter, nachher wurde ich versetzt nach Belo Horizonte . . . wo ich die Filiale geleitet habe . . . als Direktor für den Staat Minas Gerais und da hab ich lange gearbeitet . . . zweiunddreissig Jahre . . . in der Universal Films“. Frage: Kommen wir noch mal zurück zu der Zeit . . . sie sind ja aus Deutschland . . . mußten aus Deutschland flüchten . . . das sie mal erzählen, wann das war und wie das so im Einzelnen vor sich gegangen ist. Carl Heinz Streit: “Wir sind 1936 ausgewandert. Sind zuerst in Rio de Janeiro angekommen und von da aus nach Buenos Aires gegangen . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro viel besser als Buenos Aires . . . (Lkw Geräusche) . . . willst du nichts erzählen von Sass . . . Hilde Streit: “ . . . das der gestohlen hat . . . Carl Heinz Streit: . . brauchst ja keinen Namen zu nennen . . . sind einem Betrüger in die Hände gefallen“ . . . Carl Heinz Streit: “Das gehört nicht dazu“. LKW Geräusche . . . Frage: Können wir gerne haben. Können ja von irgend einem Mann erzählen . . .Hilde Streit: “Der lebt vielleicht gar nicht mehr” Carl Heinz Streit: “Wo sind wir nun?” Frage: Wir sind noch gar nicht ausgewandert. Sie sind immer schon in Argentinien, aber wir sind eigentlich noch in Deutschland. Carl Heinz Streit: “Naja denn wollen wir noch mal. Also wir sind 1933 ausgewandert . . . mit der . .wir sind nach Brasilien gekommen mit der Monte Pascia (?Schreibweise). Rolf Arno Streit: “Wir sind nicht 1933 ausgewandert.“ Carl Heinz Streit Hilde Streit: “1936 . . . 1936 sind wir ausgewandert . . . sind in Brasilien angekommen . . . sind ungefähr einen Monat in Rio de Janeiro geblieben . . . von da aus nach Argentinien Buenos Aires . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro bedeutend besser. Sind wir also . . . nach Brasilien zurückgekommen und . . . da wurde ich sofort angestellt bei der Universal . . . wo der der Direktor der vorjährige Direktor für Europa war . . . Al Seckler . . . da hab ich . . . hab ich ca 40 Jahre gearbeitet bei der Universal.“ Frage: Wie war das.? Das war ja nicht ganz einfach ein Einreisevisum für diese Länder zu bekommen: Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war die . . . man hat sich immer den Kopf zerbrochen wohin . . . denn wir wollten und konnten nicht in Deutschland bleiben . . . unter der Naziherrschaft und da kam dann ein Mann zu uns und sagte, er könnte uns Geld rüberbringen nach (lacht) Brasilien und . . . ich will diese ganze Geschichte nicht genau auslegen . . . denn die ist vergessen . . . relativ . . . und auf jeden Fall haben wir das Geld . . . was unser Vater uns gegeben hat . . . nicht ausgezahlt bekommen . . . in Brasilien . . . und der Mann hat dann gesagt . . . das ist versehentlich nach Argentinien überwiesen worden . . . dann sind wir dann alle zusammen nach Argentinien gefahren, wo er dann auch immer wieder die Ausrede hatte . . . es ist noch nicht angekommen. Wir waren vielleicht zwei drei Wochen . . . vier Wochen in Argentinien . . . und da bis dahin das Geld nicht überwiesen wurde . . . wußten wir dass wir einem Betrüger in die Hände gefallen sind. Uns gefiel Rio . . . wie eben schon beschrieben von meinem Bruder . . . uns gefiel Rio besser . . . und deshalb sind wir nach Rio abgefahren und von Rio aus haben wir dann dem Man geschrieben . . . wie das nun ist mit dem Geld . . . daraufhin antwortete er . . . wenn ihr noch mal über die Geschichte fragt oder überhaupt schreibt . . . dann wißt ihr ja, daß ihr noch Eltern in Deutschland habt . . . an die ich mich rächen könnte.” Frage: Sie waren ja schon in Holland, wenn ich das so richtig entsonnen habe und haben ihr Frau nachgeholt nach Holland zum heiraten und haben dadurch das Visum bekommen. Können sie das noch mal erzählen?“ Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war folgende. Ich habe meiner Frau die Ehe versprochen, bevor ich Deutschland verließ und wir sind damals nur als . . . als Touristen . . . mit einem Touristenvisum in Brasilien angekommen für die Zeit von einigen Wochen, wir blieben da ungefähr ein halbes Jahr und es war nicht möglich eine Legalisation zu erwirken aus verschiedenen Gründen . . . die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall . . . habe ich dann meinem Onkel (Anmerkung 2014:  Dr. Isidor Kahn, verheiratet mit Bianca Kahn geb. Henschel, einer Tochter von Jeremias Henschel, Wohnort Den Haag), der Konsul von Portugal war und in Holland lebte geschrieben, ob er mir helfen kann. Er sagte mir ja . . . er schrieb mir ja, das kann ich machen . . . aber du musst selbst hier herüberkommen, dann wird alles erledigt. Naja ich will nicht weiter darüber reden . . . dass nichts erledigt wurde. (lacht) aber es kam ein Freund meiner Eltern nach Holland um zu hören . . . wie es in Brasilien aussieht, denn er hatte ein Einreisevisum von Brasilien bekommen in Antwerpen von dem Generalkonsul von Brasilien . . . und da hab ich ihn gefragt . . . wie haben sie das gemacht . . . da sagt er einen ganz kleinen Betrag hat er eingezahlt was er in Brasilien wiederbekommen würde und dadurch hat er das sogenannte Kapitalistenvisum bekommen und . . . ist reingekommen . . . und ich hab mir sehr bedankt bei diesem Mann, denn ich bin zwei Tage später nach Antwerpen gefahren und hab dort den Vizekonsul nach dem . . . nach diesem Kapitalistenvisum gefragt und der hat mir dann den Rat gegeben zu heiraten wieder hinzukommen und er würde mir dann das Kapitalistenvisum geben.

Also meine Frau ist dann nach Holland gekommen zusammen mit meinen Eltern und ihren Eltern und da wurde geheiratet in Holland . . . in Haag . . . übrigens wo auch die Prinzessin Juliana geheiratet hat . . . aber das nur nebenbei . . . auf jeden Fall sind wir dann zwei drei Tage später nach Antwerpen gefahren um das Visum zu erhalten aber der Vizekonsul sagt mir . . . es tut mir furchtbar Leid . . . ich kann ihnen das Visum nicht mehr geben, denn es kommt kein Mensch mehr nach Brasilien rein . . . kein Deutscher . . . oder kein Jude ich weiß das nicht mehr genau . . . Hilde Streit: kein Deutscher. . . auf jeden Fall . . . ein Deutscher nicht wahr . . . es war gesperrt . . . vom Außenministerium . . . da hab ich zu dem Vizekonsul gesagt . . . hören sie mal zu ich bin da in einer fürchterlichen Lage, ich kann in Holland nicht bleiben, ich kann nicht nach Deutschland rein, wo ich sofort ins Konzentrationslager gekommen wäre, also was soll ich machen . . . er sagte, ich kann ihnen leider nicht helfen . . . da sagte ich dann . . . kam ich auf die gute Idee und bat ihn mich vorzustellen dem Generalkonsul . . . was geschah . . . dem Generalkonsul habe ich meine Geschichte erzählt . . . und dieser gute Mann hat uns glücklicherweise das Kapitalistenvisum gegeben zusammen mit einem Brief ans Aussenministerium und mir eine Kopie übergeben von diesem Brief . . . in dem unsere Geschichte beschrieben wurde . . . das er keine andere Möglichkeit hatte, als mir das Visum gegen die Anordnung des Ida Maraties (Schreibweise ?) . . . also des Aussenministeriums zu erteilen . . . Aber die brauchte ich nicht, denn wir sind glatt in Rio angekommen . . . Somit fing unsere Geschichte in Brasilien an. Frage: Sie hatten mir gesagt . . . es hätte auch so die Möglichkeit gegeben, daß sie mit einer Ausnahmegenehmigung nach Deutschland für drei Tage fahren und hatten dafür einen bestimmten Ausdruck genannt. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: ”Das ist ein . . . ich weiß nicht mehr genau wie das hieß . . . auf jeden Fall war das . . . wurde das Leuten . . . auch Juden erteilt . . . (lautes LKW Geräusch) . . . Frage: Einfach noch mal von vorne . . . diese Ausnahmegenehmigung . . . Rolf Arno Streit: “Diese Einreisegenehmigung für zweidreivier Tagen wurde Juden auch gegeben, um zum Beispiel die Eltern zu beerdigen oder irgend welche . . . aus irgendwelchen Anlässen und diese hab ich mir auch erhofft zu erhalten . . . aber hab sie nicht erhalten . . . bin von dem Konsul in Amsterdam (Hilde flüstert vor: gewarnt worden . . . gewarnt worden) . . . nicht gewarnt worden . . . erstmal rübergerufen worden . . . da hat er mir dann gesagt . . . das es leider nicht möglich ist . . . ich soll . . . die Einreisegenehmigung ist nicht bewilligt worden . . . und da hab ich gesagt zu ihm . . . das könnten sie mir doch auch am Telefon gesagt haben . . . und darauf hin gab er mir keine Antwort . . . also ich bin wech gegangen . . . verärgert . . . und er ist mir nachgelaufen . . . der Konsul . . . Hilde: das war ja deutscher Boden, nech . . . das Konsulat . . . Rolf Arno Streit: „Konsulat war Deutscher Boden . . . da kam der . . . da kam mir der Konsul nachgelaufen ich soll um gotteswillen nicht nach Deutschland einwandern ohne diese Genehmigung, denn ich käme sofort ins Konzentrationslager . . . na daraufhin haben wir dann in Holland geheiratet . . . wie ich schon gesagt habe . . . ” Frage: Hätte man denn mit dieser Genehmigung den Nazis eigentlich trauen können? Rolf Arno Streit: “Das kann ich ihnen nicht sagen (lacht), weil ich das nicht erlebt habe . . . aber ich weiß von Leuten, die rübergegangen sind und wieder rausgekommen sind . . . zwei drei Tage um Eltern zu beerdigen . . . oder irgendwas, aber ich hätte es gewagt, wenn ich das bekommen hätte. In Deutschland geheiratet zu haben . . . wäre für mich einfacher gewesen . . . als in Holland . . . bei meiner Tante, bei der ich gelebt habe. Frage: Sie sind dann zu dritt aufm Dampfer von Amsterdam ? oder von Antwerpen . . . Hilde Streit: zu zweit zu zweit . . . Rolf Arno Streit: “Zu zweit sind wir gefahren . . . denn mein Bruder war ja schon hier. Carl Heinz Streit: ”Ich war ja drüben geblieben.“ Rolf Arno Streit: “Wir sind gefahren mit einem deutschen Dampfer . . . mein Vater hat uns eine Passage geschenkt mit der Monte . . . sie cerra campus (Schreibweise ?) Rolf Arno Streit: „ si cerra campus war das auch nicht . . . Hilde Streit: Nee das war ein sehr schönes Schiff . . . das war das schönste an der ganzen Reise . . . Rolf Arno Streit: „Cap Norte . . . das war die Cap . . . Cap Norte . . . das war die Cap . . . wir sind mit der Cap Norte wieder nach Brasilien gefahren.“ Frage: Nen Hamburg Süd Schiff ne?Rolf Arno Streit: “Hamburg Süd Schiff“ Hilde Streit: „Das schönste von der ganzen Reise .“

Rolf Arno Streit: “Das war ein Schwesternschiff der Cap Polonio . . . und dann sind wir drüben abgekommen . . . wieder hier in Rio . . . und dann ging die Arbeit los . . . das war nicht einfach . . . ich persönlich habe Klavier gespielt abends für eine . . . für einen Club . . . nicht jeden Abend aber Sonnabend und Sonntag auf jeden Fall . . . und einmal die Woche und dann hab ich eine Anstellung bekommen als Aufseher in einer Eimerfabrik . . . da waren Ratten . . . die Eimer wurden teilweise gemacht aus . . . Hilde Streit: Marmeladen . . . Marmeladendosen . . . also großen Marmeladengefässen und die Ratten, die haben sich dabei . . . davon . . . dadurch ernährt . . . aber wenn die Maschinen zur Mittagszeit abgestellt wurden  . . . dann liefen mir die Ratten über die Füsse . . . (lacht) . . . das entspricht der Wirklichkeit . . . aber ich bin dort geblieben . . . einige Monate, bis ich dann den Entschluß gefasst habe, wieder rüberzufahren . . . nach Europa . . . also nach Holland, um zu heiraten . . . weil ich immer meine Versprechungen im Leben gehalten habe und so auch diese . . . nun sind wir sehr glücklich verheiratet schon über 50 Jahre . . .

Hilde Streit: “Dreiundfünfzig“ . . . (lauter LKW).

Frage:. Die fünfzig Jahre sind nicht mehr drauf.

Rolf Arno Streit: “Wir haben schon unsere goldene Hochzeit hinter uns und sind schon dreiundfünfzig Jahre verheiratet. Gottseidank geht es uns heute gut . . . wir sind glücklich . . . wir haben zwei Kinder . . . leider ist eine gestorben . . . ..

Pause Kassettenwechsel

Rolf Arno Streit: “Mein Vater und mein Onkel betrieben auch die Scala am Schulterblatt, das war ein Tanzlokal . . . das größte Tanzlokal von Hamburg . . . dazu gehörten auch die . . . das eine Ballhaus Filmzauber und ein Ballhaus Uhu und noch andere, die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall war das ein Zweigunternehmen von den Schauburgen . . . Frage: Sind sie da mit ihrer Frau auch Tanzen gewesen? Hilde Streit: “Ne wir waren . . . da waren wir noch gar nicht verheiratet.”Frage: Man kann ja auch tanzen, ohne verheiratet zu sein. Rolf Arno Streit: “Wir haben uns da sehr gut amüsiert . . . als junge Leute . . . aber mit meiner Frau war ich nie da, denn da . . . damals war das schon nicht mehr möglich . . . ich glaube, die sind auch später abgestossen worden . . . das entsinne ich aber nicht mehr genau. Auf jeden Fall haben wir jungen Leute uns sehr gut da in der Scala amüsiert. Obwohl wir noch nicht achtzehn Jahre alt waren . . . und eines Tages . . . fällt mir grade ein sind wir . . . bin ich mit verschiedenen Freunden dahin gegangen und da sagte ein Mann von der Kapelle, es kommt Jung-Jerusalem . . . und das hat der Freund mir wiedererzählt . . . ich sag, was hat er gesagt? Jung-Jerusalem . . . also Antisemitismus . . . das war vor der Nazi Zeit . . . da kam dann mein Onkel Hermann Urich-Sass hinein und dem hab ich das erzählt . . . der ist dann raufgegangen zur Kapelle hat gesagt wer hat gesagt ist Jung Jerusalem . . . .da wollte sich erst keiner melden und da hat er gesagt, ich entlasse die ganze Kapelle, wenn ich nicht sofort weiß, wer das gesagt hat. Da hat er sich gemeldet. Und den hat er sofort rausgeschmissen. Der ist dann zu Gericht gegangen und wollte sein Gehalt haben . . . das nicht bezahlt worden ist . . . da musste ich als Zeuge . . . vor Gericht treten um zu beweisen . . . also um zu  . . . auszusagen . . . um auszusagen, daß er das gesagt hatte und er hat es auch zugegeben . . . aber er wollte sein Gehalt haben . . . da hat der Richter gesagt . . . er entschuldigte sich damit . . . er wollte einen Spaß machen , . . . da hat der Richter gesagt . . . wenn sie einen Spaß machen wollten . . . dann müssen sie auch die Konsequenzen dafür bezahlen . . . und wir haben den Prozess gewonnen. Hilde Streit: ”Aber denn hat er gesagt, wie alt du bist“ . . . Rolf Arno Streit: „Dann fragte er mich noch, wie alt ich bin, da hab ich mein Alter gesagt, sechzehn Jahre oder fünfzehn Jahre . . . sechzehn Jahre war ich wohl und da sagt er . . . ja dagegen ist doch die Oberschulbehörde wahrscheinlich angegangen, dass sie mit sechzehn (lacht) Jahren sich schon in solchen Lokalen aufhalten. Dann habe ich zu ihm gesagt, ich bin geschickt worden von meinem Vater . . . (lacht) der der Inhaber der Scala war, um nachzusehen, ob da alles in Ordnung ist. Hilde Streit: ” . . . der hat davon gar nicht gewußt” Rolf Arno Streit:” . . . mein Vater aber wußte gar nichts davon, denn er war sehr strenge . . . im Gegensatz zu Hermann, der viel mehr Verständnis für solche Angelegenheiten hatte (lacht)..und..ich weiß nicht mehr genau, wie das ausgelaufen ist . . . auf jeden Fall mein Vater hat mich nicht bestraft, weil wir ja den Prozess gewonnen haben . . . Ja das war alles, was ich über die Tanzlokale berichten kann . . . da war glaub ich noch ein Lokal Filmzauber und auch der Faun . . . der hatte den selben Eingang . . . also Nebeneingang . . . vom Lessing Theater . . . da waren sie auch . . . der war auch . . . der gehörte auch zu den sogenannten Freudenhäusern . . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Wissen sie noch was aus ihrer Jugend, was da so berichtenswert wäre? Carl Heinz Streit: “Mit der Scala möchte ich noch bemerken, daß . . . und abends in die Scala war das Wort, das sie gebraucht haben als Propaganda . . . das ist . . . die Scala bestand auch in Berlin . . . die Berliner . . . sind dagegen an gegangen und da haben sie es umbenannt. Anstatt und abends in die Scala und wieder in die Scala . . . .aber sonst aus Berlin wüßte ich nichts mehr zu berichten”. Frage: Mußten sie nun auf den jüngeren Bruder immer aufpassen? Carl Heinz Streit: “Nein (lacht) ich war in Berlin und er hat in Hamburg gelebt . . . ne ganze Zeit lang.”Frage: Ja aber vorher doch Carl Heinz Streit: “Vorher? nein wir haben uns immer sehr gut verstanden” Rolf Arno Streit: “Ich hätte mir auch nicht reinreden lassen von meinem älteren Bruder . . . aber wie mein Bruder eben gesagt hat . . . betont hat . . . wir waren immer nicht nur Brüder sondern auch Freunde und haben alles gemeinsam erlebt und . . . ” Frage: Sie hatten mir erzählt, sie waren dann später bei zwei Konkurrenzfirmen ja eigentlich eingestellt als . . . Rolf Arno Streit: “Also ich war bei der Columbia angestellt als Direktor für . . . für den Staat Minas Gerais und hab dort gearbeitet etwa 14 Jahre . . . da wurde mir ein Angebot gemacht von der United Artists mit höherem Gehalt . . . zu United Artists gegangen “(lauter LKW) . . . Frage: Ich glaub, das müssen wir ganz nochmal haben . . . das müssen wir noch mal von vorn haben. Rolf Arno Streit: “Also ich war circa 14 Jahre Direktor bei der Columbia . . . Columbia Pictures of Brazil . . . für Minas Gerais . . . später war ich Direktor bei der United Artists . . . auch für Minas Gerais . . . weil sie mir ein größeres Gehalt geboten hatten . . . und daraufhin bin ich dann . . . in eine Firma . . . zu einer Firma gegangen, die brasilianische Filme vertrieben hat . . . Sie sind zu mir gekommen und haben mich gebeten, die Sache zu übernehmen, was ich auch getan hab . . . weil ich dort etwas mehr verdient habe . . . ich bin immer nach . . . ich war immer ein guter Rechner . . . so ist es mir auch diesmal passiert. . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Sie waren in der gleichen Zeit auch bei der Konkurrenzfirma . . . sie haben sich doch wahrscheinlich mit ihrem Bruder immer um die Kinotermine streiten müssen, wer nun die besten Kinotermine bekommen hat . . . Carl Heinz Streit: Nein . . . der Hauptkunde hier in Belo Horizonte . . . Hilde Streit (über den LKW Lärm . . . Jetzt gehts los, jetzt kommen die alle zurück. Dies ist hier an sich ruhiger, denn dahinten wohnen die armen Leute, die haben alle keine Autos . . . ” Carl Heinz Streit: ”Nein wir haben uns immer sehr gut verstanden und der Hauptkunde hier in Belo Horizonte war die Cineteatro Minas Gerais, der Hauptinhaber ist ein gewisser Luciano . . . gewesen, der vor kurzem . . . vor vier Wochen gestorben ist . . . ist der . . . einer der reichsten Männer der Welt . . . der Welt nicht, von Brasilien. . . man schätzt ihn auf über drei Billionen Dollar . . . die er hinterlassen hat . . . aber er hat auch . . . man sagt ihm nach . . . er hätte noch dreissig uneheliche Kinder . . . Hilde Streit: ”Die streiten sich nun alle mit den ehelichen”. Carl Heinz Streit: ”Ja ja . . . ehelichen sind zwei Kinder und eine . . . ein angenommenes Kind . . . also drei haben das Hauptrecht, die kriegen schon den . . . die . . . Departe . . . ” Hilde Streit: “Teil den Teil der Mutter, die vor drei Jahren ungefähr gestorben ist . . . ” Frage: (zu Carl Heinz Streit) Können sie noch mal sagen, bei welcher Firma sie im Verleih tätig waren. Carl Heinz Streit: “Bei der Universal Pictures . . . die hat hier gehiessen Universal Film SA . . . da war der Konzern von Carl Laemmle. Carl Laemmle war . . . die Universal Pictures in den Staaten die ausserdem das größte Atelier in Los Angeles haben . . . ich glaub, sie haben das selbst gesehen, das Atelier . . . es war das größte der ganzen Welt . . . ” Rolf Arno Streit: “Also bei den Filmfirmen war das so das jedes Jahr eine neue Produktion herauskam. Bei der Columbia waren es meistens so etwa fünfzig Filme, die die Filmtheaterbesitzer . . . haben abnehmen müssen. Es wurde dann zur Hauptsache mit Festpreisen gemacht und immer zweidrei Filme prozentual vermietet. Das heisst die Filmfirma war beteiligt an dem Umsatz der Theater mit fünfzig . . . sogar sechzig Prozent . . . oder ein Film wie zum Beispiel ich komm nicht mehr auf den Namen . . . auf jeden Fall Großfilme (Hundegebell) wurden auch vermietet bis zu siebzig Prozent. Das war natürlich Wucherei, aber die Leute konnten nicht anders, sie mußten es machen . . . da hat da . . . zu diesem Zweck haben wir Fiskale geschickt . . . Fiskale . . . die Übersetzung sind . . . Schrecker ? Hilde Streit: Fiskale ist auf der ganzen Welt . . . ist das richtig . . . nein Kontrolleure . . . Kontrolleure das ist es . . . die haben mit einer Zahluhr die Zahl der Besucher feststellen . . . und das war immer ne sehr unangenehme Sache, denn die . . . naja ich will darüber lieber nicht sprechen . . . es hat keinen Zweck . . . auf jeden Fall haben die Kompanien sehr gut verdient, sowohl an den Filmen, die zu Festpreisen vermietet wurden oder eben prozentual . . . das war unser Hauptberuf . . . die Festpreise festzusetzen . . . denn es gab Kinos . . . die hatten fünfhundert Plätze und wenig Einwohner und im Gegensatz zu anderen großen . . . die hatten eben viel mehr Besucher . . . und da wurden die Festpreise natürlich viel höher . . . gemacht . . . Haben sie sonst noch irgendwelche Fragen zu stellen? Frage: Ja, wie viele Kinos im Bereich waren. Rolf Arno Streit: “Es waren wohl . . . nicht Kinos . . . Plätze meinen sie . . . also Städte . . . Städte ja . . . das waren so annähernd hundert Städte, die wir von Minas Gerais . . . bearbeiten mußten . Carl Heinz Streit: “Ich glaub es waren mehr sogar”. Hilde Streit: ”Hunderzwei.” Carl Heinz Streit: “Es waren so hundertundsechzig meiner Ansicht nach“. Frage: Und wieviel Kinos gab es so in jeder Stadt? Kann man das so . . . Carl Heinz Streit: In den kleinen Städten ein Kino.  Rolf Arno Streit: “Wenn es zwei gab, dann wurde uns . . . viel . . . das sehr erleichtert . . . denn wenn der eine nicht zahlen wollte, dann ist man zum anderen gegangen und der hat dann überboten und der hat dann die Filme bekommen. Frage: Kann man sagen, daß es ungefähr zwei bis dreihundert Kinos . . . Carl Heinz Streit:” . . . In Minas Gerais? viel mehr . . . ”Rolf Arno Streit: “Sogar in . . . nur in Belo Horizonte gab es so annähernd . . . Carl Heinz Streit: “zwanzig . . . ”Rolf Arno Streit:” . . . zwanzig bis fünfundzwanzig Kinos . . . das ist Minas Gerais der zweitgrößte Staat von Brasilien . . . ich möchte sagen . . . das es so groß war . . . so groß ist wie Deutschland . . . Hilde Streit: “Größer . . . ” Carl Heinz Streit: “Ich glaube noch größer”. Frage: Die Bundesrepublik hat heute noch . . . ich glaube noch 3100 Kinos . . . wieviel? dreitausendeinhundert . . . in Deutschland? . . . Ja jetzt . . . in der Bundesrepublik. Rolf Arno Streit: ”Ja also ich kann es nicht genau sagen, wieviel es hier gibt, aber sicherlich nicht dreitausend . . . aber vielleicht sogar dreivierhundert . . . ich weiß es nicht genau, die wir zu bearbeiten hatten, ich sprech nicht von Brasilien sondern von nur vom Staate Minas Gerais . . . ” Frage: Sie sind nach dem Kriege 1952 wieder nach Deutschland gekommen um die Wiedergutmachung durchzusetzen. Können sie da mal nen bißchen was erzählen, wie das so passiert ist alles . .

Rolf Arno Streit: “Nein ich bin das erste Mal nach Deutschland gefahren . . . geflogen . . . 1949 . . . um die Wiedergutmachung zu regulieren . . . und hab mit Romahn und Schümann ein Abkommen getroffen, das Sass . . . Urich-Sass, also die Erben Urich-Sass . . . ein Drittel von allem was vorhanden war . . . auch was sie nachher an . . . an Wohnungen gekauft haben oder . . . gebaut haben . . . und ein Drittel Hugo Streit . . . die Familie und ein Drittel Romahn und Schümann zusammen. Das war eine aussergerichtliche Einigung . . . wenn sie das nicht gemacht hätten, dann wäre ich natürlich zu Gerichtsjustiz gegangen und hätte vielleicht mehr vielleicht weniger erfahren . . . aber es war ein günstiges Abkommen für beide Teile. Denn die Romahn und Schümann haben sich meinem Vater gegenüber bei der Ausreise . . . bei seiner Auswanderung anständig gezeigt . . . sie haben ihm Zuwendungen gemacht . . . die sie nicht nötig gehabt hätten . . . und da hat mein Vater zu mir gesagt . . . wenn du rüber fährst und die Sache in Ordnung bringst . . . berücksichtige dass . . . dass sie anständig gewesen sind . . . was ich auch getan habe . . . wir hätten natürlich alles haben können . . . übernehmen können . . . aber es war schon richtig so . . . (LKW Geräusch) . . . hinzukam, daß niemand von unseren Familien wieder nach Deutschland zurück gehen wollte, um die . . . um das Unternehmen zu führen . . . deshalb hab ich das so gemacht und das war auch im Einverständnis mit meinem Vater und meinen . . . den Urich-Saß Erben geschehen. Frage. Sie haben dann auch für den Manfred Hirschel noch ein Telefongespräch mit der Klara Esslen geführt über das Waterloo Theater . . . Können sie darüber noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: “Ja das Waterloo Theater gehörte irgendwie Manfred Hirschel . . . der ist verheiratet gewesen mit meiner Tante . . . der Schwester meines Vaters . . . und der bat mich als ich rüberging auch mal mit der Frau Esslen, die das Kino irgendwie bekommen hatte, wie weiss ich heute nicht mehr und mich mit der zu unterhalten zwecks Wiedergutmachung und diese Frau ist mir unverschämt gekommen und da hab ich das dann meinem Onkel geschrieben, dass ich leider für ihn nichts tun kann, denn ich hab genug mit meinen Sachen zu tun und außerdem ist sie unverschämt gewesen . . . hat mir gesagt . . . vorgelogen . . . Sachen, die ich nicht glaubte und mein Onkel, der hat später selbst die Sache durchgeführt und hat auch eine Entschädigung bekommen . . . Wie die gewesen ist, weiß ich nicht . . . ” Frage: Wenn sie heute beide an Deutschland denken . . . was . . . welche Gefühle haben sie da? Rolf Arno Streit: “Es war einmal sehr schön . . . sehr schön . . . wir sind in Deutschland geboren worden, waren Deutsche und obwohl schon in früheren Zeiten . . . ein Antis . . . ein gewisser Antisemitismus herrschte   . . . aber als dann die Nazis kamen . . . nicht wahr..und dann der Durchbruch des Antisemitismus gewesen ist . . . da war . . . da waren wir froh als wir draußen waren. Carl Heinz Streit: „Das was geschehen ist, das kann man nicht mehr vergessen. War zuviel und deswegen sind die meisten auch nicht wieder zurückgegangen nach Deutschland. Hilde Streit: „Nein, ich glaub, sehr wenige zurück gegangen nach Deutschland.“ Carl Heinz Streit: “Sehr wenige” Rolf Arno Streit: “Sehr wenig Leute . . . Juden sind zurückgegangen nach Deutschland. Einige, die nichts hier werden konnten sind zurückgegangen um dort Stellung zu bekommen . . . was vielleicht auch möglich gewesen war, aber die meisten sind hier geblieben, weil sie hier ihre zweite Heimat gefunden haben . . . . Hilde Streit: ”Wir sind zum Beispiel eine der wenigen, die überhaupt noch Deutsche geblieben sind, die anderen sind alle keine Deutschen mehr. Fast alle. Von unseren Bekannten bist du wir und Einsturz aus . . . ” Rolf Arno Streit: “ . . . naja aber es gibt natürlich diverse Deutsche, die wir nicht kennen, die auch Deutsche geblieben sind . . . also deutsche Juden . . . sind Deutsche geblieben. Aber wenig. Wir haben das Recht, das brasilianische Recht erworben durch unsere Anwesenheit von über fünfzig Jahren hier und wir haben ausserdem noch die Möglichkeit nach Deutschland zu reisen . . . ohne Visum und so weiter . . . Carl Heinz Streit: “Wir haben ausserdem brasilianische Kinder . . . ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet . . . wir haben so gut wie die selben Rechte (lauter LKW) eines Brasilianers Frager: Bitte noch mal ohne LKW Carl Heinz Streit: ”Wo wo soll ich anfangen?” Hilde Streit: ”Das du ne brasilianische Frau hast . . . ne Carl Heinz Streit: ”Außerdem haben wir brasilianische Kinder und ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet und dadurch haben wir die selben Rechte wie ein Brasilianer. Nur das wir nicht Präsident der Republica werden können . . . Präsident von Brasilien . . . Hilde Streit: “Man kann auch kein Briefträger werden. Irgend etwas kann man nicht werden, was sehr wichtig ist. Rolf Arno Streit: ”Auf jeden Fall haben wir sehr viel mit durchgemacht, besonders deswegen . . . besonders in den Jahren als meine Eltern noch nicht hier waren. Es wurde ja immer schlimmer und schlimmer und mein Vater wurde gehetzt von der Gestapo und hat sich geflüchtet auf Landstrassen und auch auf Böden von Freunden . . . Boden heisst das da oben . . . ganz oben . . . da hat er geschlafen . . . er hatte einen Bekannten bei der Gestapo war, der ihm gut gesonnen war und der hat ihm immer berichtet, wenn er weggehen müßte, denn es kam eine . . . Nazi . . . Nazi Razzia und die wollten ihn abholen . . . da ist er gottseidank . . . dem ist er gottseidank entgangen eben durch diesen Bekannten bei der Gestapo . . . wenn ich den Namen wüßte würde ich ihn sagen, um ihm nochmal zu danken für alles . . . das was er für meinen Vater getan hat . . . er wird aber gar nicht mehr leben . . . und dadurch hat mein Vater sich gerettet vor dem Konzentrationslager. Ja “(Autogeräusche) Hilde Streit: “Sonst ist es eigentlich leiser hier”. Frage: Sonst hört man es vielleicht nicht so, wenn man nicht darauf achtet. Hilde Streit: “Dann finde ich es immer leiser als bei uns”. Carl Heinz Streit: “Bei uns hinten hört man überhaupt nichts “ (Warum sind wir da damals nicht hingegangen?) Frage. Wie oft waren sie jetzt nach dem Kriege in Deutschland? Rolf Arno Streit: “Ich war nach dem Kriege sieben oder achtmal in Deutschland, fünfmal wegen der Wiedergutmachungsgeschichten und Hilde Streit: Wie oft waren wir da . . . Rolf Arno Streit: Das darfst du ja nicht sagen. Hilde Streit: „Warum nicht?“ Rolf Arno Streit: “ . . . (lacht) und flüstert . . . weil wir noch eine Einreise haben wollen.“Hilde Streit Achso.(lacht) Rolf Arno Streit: „Bringen sie das bitte nicht mit rein.(lacht)“ Hilde Streit: „Achja wir wollen ne Einreise haben“ Frage: Es gibt doch so Einladungen auch . . . Hilde Streit: „Ne Einladung vom Senat.“ Frage: Die haben gerade dieses Jahr wieder so ein Programm aufgelegt. Hilde Streit: „Ja eben, denn fahren wir wieder hin.“ Rolf Arno Streit: „Ja ich persönlich hab geschrieben, ich war schon in Deutschland . . . und deshalb würde mir das nicht . . . beschieden . . . aber meine Frau . . . die noch nicht in Deutschland war. (Hilde Streit lacht) wird . . . da meine Frau noch nicht in Deutschland war . . . “ Hilde Streit: „Das ist doch gar nicht mehr drauf.“ Rolf Arno Streit: „Natürlich ist das drauf“ Hilde Streit: „Achja.“ Frage: Wir legen das da nicht vor. Hilde Streit: „Das wird abgeschnitten.“ Rolf Arno Streit: „Da meine Frau noch nicht in Deutschland war, hoffe ich vielleicht durch sie meine neue Einreise zu bekommen.. (lacht) ich persönlich würde so gerne meine Spesen übernehmen, wenn der Senat sie für meine Frau übernimmt“ (LKW Geräusche) Frage. Über den Spesen war der LKW drüber . . . Ich sag . . . über den Spesen war der LKW drüber . . . Rolf Arno Streit: LKW ? Frage: Lastkraftwagen . . . ich weiß nicht wie sie das Dietmar Bruns: Camioao Hilde Streit: Camiao Er spricht ja perfekt Portugisiesch. Rolf Arno Streit: „Soll ich das wiederholen?“ Hilde Streit: „Lieber nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ist schon drauf? Ajah Haben sie sonst irgendwelche Fragen zu stelle?“ Frage: Was wir vorhin ja nicht hatten, war den Eisenstein . . . das wir darüber vielleicht noch mal reden, das der Eisenstein ja mit dem Potemkin . . . in den Schauburgen gezeigt hat und das es ja bei der Ufa mehr sone . . . nationale Ausrichtung gab . . . das man so bestimmte Filme nicht mehr gezeigt hat . . . später . . . es gab später “Im Westen nichts neues” der durfte ja bei der Ufa nicht gezeigt werden und der lief dann in den Schauburgen, wissen sie darüber irgendwas noch? Rolf Arno Streit: “Im Westen nichts neues“ war wohl einer der größten Filme, der je hergestellt wurde und ich glaube, er wurde in den Schauburgen gezeigt, aber ich kann das nicht mit Bestimmtheit behaupten . . . ich entsinne, das wir den Film gesehen haben in London . . . wir sind . . . mein Vater hatte eine Einladung bekommen nach London zur Eröffnung eines . . . des größten Theaters von London . . . ich glaub es hieß Empire Palace . . . da wurde der Film “Im Westen nichts neues” “Gone with the wind” aufgeführt Hilde Streit/ Carl Heinz Streit: „Das ist “Vom Winde verweht” Rolf Arno Streit: „Ach das ist Vom Winde verweht. Wie hieß denn der im Westen nichts neues auf Englisch?“ Frage: “All quiet at.” Carl Heinz Streit: “All quiet at the on the eastern front” . . . Hilde Streit: “Und warum durfte das nicht aufgeführt werden? Frage: Das war . . . nicht national gesonnen . . . die haben behauptet das war Gegenpropaganda. Carl Heinz Streit: Remarque Remarque. Rolf Arno Streit: “Ich glaub es war der Film, vielleicht war es auch Gone with the wind . . . ich weiss es nicht. Carl Heinz Streit: „Der kam später, den haben wir in Brasilien gesehen. Hilde Streit: „Ja den haben wir in Brasilien gesehen“ Rolf Arno Streit: „Ja also es war der Film im Westen nichts neues mit dem der . . . mit dem das neue Kino in London eröffnet wurde, da sind wir rübergefahren . . . das entsinnst du noch . . . ” Frage: Ich hab noch eine ein bißchen schwierige Frage. Wie das mit dem Antisemitismus in Deutschland los ging . . . wie ist das bei ihnen gewesen . . . ich mein mehr so das religiöse . . . war das jüdische ne Religion oder war das ne bestimmte Weltanschauung oder waren sie mehr Deutsche oder . . . Rolf Arno Streit: “Wir waren mehr Deutsche als Juden. Wir sind sehr . . . frei . . . liberal erzogen worden, aber wir waren bewußte Juden . . . wir waren wie man sagt Zweitagjuden . . . wir sind nur zweimal im Jahr in die Synagoge gegangen . . . das war zum Neujahrsfest und zum Versöhnungsfest . . . Roshoshone (Schreibweise?) war das Jahresfest und Jomkippur (Schreibweise?) war das Versöhnungsfest . . . oder ist das Versöhnungsfest das auch hier gehalten wird in Brasilien. Aber wir hatten natürlich Unannehmlichkeiten . . . in Deutschland . . . ich hatte eine ziemliche Affäre wegen eines christlichen Mädchens und . . . hatte dadurch sehr große Unannehmlichkeiten . . . (LKW Geräusche) über die ich mit nicht auslassen möchte. Auf jeden Fall . . . die Nazis waren hinter mir her und ich konnte nur durch Selbstverteidigung dem Schlimmsten entziehen . . .  Frage: Wie war das in der Familie ihres Großvaters . . . War das stärker oder weniger stark? Rolf Arno Streit: “Sie sprechen jetzt von der Religion, von der Religiösität? Meine Großmutter war eine sehr religöse Jüdin, mein Großvater nicht. Aber meine Großmutter hatte auch einen jüdischen Haushalt, es wurde dort nur koscher gegessen . . .Hilde Streit: „Haben sie erzählt mit dem Schweinefleisch? . . . “ Rolf Arno Streit: ” . . . ja und mein Großvater, der war sehr . . . sehr wenig religiös . . . und aß sehr gerne Schweinefleisch . . . das kam zweimal im Jahre vor . . . das meine Großmutter von Morgends bis Abends . . . eben an den gehobenen Feiertagen in der Synagoge gewesen ist . . . dann ist er schnell ins Restaurant gegangen und hat dort wunderbares Schweinefleisch gegessen . . . (lacht) Ja . . . Was wollen sie sonst wissen?” Wollt ihr ein bisschen stehen . . . Pause 31. 07. 1990

Rolf Arno Streit am Klavier: Aus Werbezwecken hat man einen Schlager gemacht, den Schauburg Schlager, der den Zuschauern . . . ne ich hab falsch gemacht, können wir noch mal machen?  Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist Klavier Rolf Arno Streit singt: Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch denn sie will noch schnell mal in die Schauburg.  Klavier Ende Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Propagandazwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg. Frage: Herr Streit sie hatten erzählt, als im Februar 1927 die Schauburg Millerntor eröffnet wurde da kam Henny Porten nach Hamburg, können sie das noch mal erzählen wie das war? Rolf Arno Streit: „Ja Henny Porten kam nach Hamburg um die Schauburg Millerntor zu eröffnen. Da haben wir sie abgeholt am Hauptbahnhof. Das war eine Menschenmenge unvorstellbar . . . nachher schrieben die Zeitungen, dass der Bahnhof mehr besetzt war von Menschen als bei der Ankunft von dem Reichspräsidenten Ebert. Ja und dann ist die Henny Porten . . . hat da ein paar Worte gesprochen in der Millerntor Schauburg und das war der Anfang der Schauburg.“ Frage: Wissen sie noch, wie der Film hiess in dem sie da gespielt hat? Rolf Arno Streit: Nein, das weiss ich nicht. Das weiss ich nicht. Frage: Dann sind ja auch in den Schauburgen die Filme von dem Eisenstein gezeigt worden. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: „Von Eisenstein ist gezeigt worden . . . wie ich erinnere . . . der Film . . . der Film Potemkin . . . sonst wüßte ich nicht, welche Filme dort aufgeführt worden sind.“ Frage: Wollt ich noch mal nachfragen . . . es lief ja (Flugzeug) . . . es lief ja in den Schauburgen auch der erste Tonfilm . . . dieser Ton war ja nicht sehr lang. Können sie mal sagen wie das ausgehen hat? Rolf Arno Streit: “Der Film hiess “Ich küsse ihre Hand Madam” mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich. Innerhalb des Films wurde dann das Lied gesungen . . . vom Blauen Engel ne . . . ich weiß nicht mehr genau . . . es wurde ein Lied gesungen . . . der nicht nachher wie die allgemeinen Tonfilme gespielt ist sondern durch Grammophonübertragung.“ Carl Heinz Streit: „Plattensystem Plattensystem . . . nachher kam das Optik System auf Das war der Jazzsinger mit Al Jolson.“ Frage: Wann war das? Carl Heinz Streit: „Das war gleich danach . . . ich weiss nicht mehr welches Jahr es war.“ Frage: Das war denn schon der richtige Tonfilm. Carl Heinz Streit: „Das war der richtige Tonfilm . . . der optische Tonfilm ja . . . der erste optische Tonfilm“. Frage: Das hat ja bestimmt damals auch ne Menge Geld gekostet. Wissen sie was sowas kostete . . . son Tonfilmapparatur? Carl Heinz Streit: „Die Tonfilmapparatur . . . nein das weiß ich nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ja die waren irrsinnig teuer. Wenn . . . das war die erste Schauburg, die damit ausgerüstet . . . die . . . die Tonfilmübertragung gehabt hat.“ Carl Heinz Streit: „ Die optische.“Rolf Arno Streit: „Und dann hintereinander wurden die anderen Schauburgen auch damit . . . versehen . . . Aber wie teuer das war . . . das war ein ungeheurer . . . ungeheuer teuer . . . aber wie teuer kann ich leider nicht mehr sagen. Frage: Es gab ja lange auch einen Streit zwischen den Stummfilmleuten und den Tonfilmleuten und die Stummfilmleute haben ja immer gesagt, das wär gar keine Kunst, das wär irgendwie nur . . . irgendwas anderes. Rolf Arno Streit: „Nun naja . . . die sind mit ihrer Meinung ja nicht durch gekommen denn jetzt gibt es ja nur noch Tonfilme . . . Also das glaub ich nicht, das die damit durch gekommen sind . . . Das so etwas existiert hat, das erinner ich auch . . . aber wird naürlich sofort abgeblasen

Frage: Es gab dann noch . . . den Film ”Im Westen nichts neues” über den ersten Weltkrieg . . . ein amerikanischer Film, der in den Ufa Kinos weder synchronisiert noch gezeigt werden durfte oder sollte. Und der ist ja in den Schauburgen gelaufen . . . Können sie darüber noch mal was sagen: Rolf Arno Streit: „Ja das war ein großer Erfolg . . . aber . . . viel mehr kann ich auch nicht darüber sagen. Er wurde in den Schauburgen gespielt und das weiss ich, das erinner ich, daß mein Vater uns sagte . . . es war ein ganz großer Erfolg . . .  “ Frage: Zur Premiere waren sie . . . waren sie . . . zur Premiere des Films . . . Rolf Arno Streit: „Sicher waren wir zur Premiere des Films . . . aber Einzelheiten kann ich nicht sagen . . . denn das liegt ja schon viele . . . viele Jahre zurück“. Frage: Herr Streit . . . können sie noch mal erzählen, wie sie von Rio nach Belo Horizonte gekommen . . . wann das war.Rolf Arno Streit: „Wir sind angekommen . . . das sagte ich schon im Jahre 1936 . . . mein Bruder und ich . . . Später sind meine Eltern gekommen . . . im Jahre 1938 . . . und wie bekannt ist Rio eine der heißesten Städte der Welt . . . wir haben hier im Sommer . . . Hitze . . . bis zu über 40 Grad im Schatten . . . das konnten meine Eltern nicht vertragen . . . deshalb sind wir nach Belo Horizonte übersiedelt, welches ungefähr achthundert Meter hoch liegt und dadurch . . . einen Filter . . . ein besseres Klima hat. Ich will ihnen jetzt mal kurz mal Belo Horizonte zeigen, was wir von oben hier sehen können.Hier das ist Belo Horizonte (Die sagen immer bello).“ Frage: So sah es doch 1941 bestimmt noch nicht aus . . . das war . . . Rolf Arno Streit: Das möchte ich noch mal sagen. Belo Horizonte, als wir hierher kamen 1941 . . . hat circa hundertfünfzigtausend Einwohner . . . jetzt . . . hat Belo Horizonte etwa drei Millionen Einwohner . . . also ist größer als Hamburg . . . . . . . . . . . . Pause . . . . . . Fotoansichten Carl Heinz Streit: „Dieses Foto ist aufgenommen bei dem Fotografen Bieber, der einstmals der größte Fotograf in Hamburg war. Dies ist mein Vater, dies ist mein Bruder Rolf und dies bin ich. Wie sie sehen habe ich vergessen, das Taschentuch in die Tasche zu stecken und hab dadurch von meinem Vater eine große Tadelung bekommen . . . (Wiederholung) Das hab ich ihnen dann zugedacht. Carl Heinz Streit: „Dieses hier ist die Familie Urich-Saß . . . Mein Onkel Hermann Urich-Saß, meine Tante Hedwig Urich-Saß, meine Cousine Vera . . . schon verstorben . . . mein Vetter Horst Urich-Saß und mein Vetter Jürgen Urich-Saß . . . auch schon verstorben . . . „Wiederholung Carl Heinz Streit: „Dies ist die Familie Urich-Sass . . . Das ist meine Tante Hedwig Urich-Saß . . . schon verstorben, das ist die Tochter Vera . . . auch schon verstorben . . . mein Onkel Hermann Urich-Saß verstorben . . . Jürgen Urich-Saß . . . auch verstorben . . . der einzige überlebende der Familie ist mein Vetter Horst Urich-Saß, der in Mexiko und in den Staaten lebt.“Jetzt kommt das nächste Foto Carl Heinz Streit: „Dieses sind meine Eltern, mein Vater und meine Mutter. Beide auch schon verstorben.“ Dies sind meine Großeltern Frida Henschel und Jeremias -genannt James Henschel . . .Eins ist da noch zwischen . . . ein Kinderfoto „Dies ist mein Bruder Rolf Arno Streit und dies bin ich Carl Heinz Streit . . . das ist aufgenommen vor circa . . . 70 Jahren . . . aufgenommen vor circa 70 Jahren . . . (1990) Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit (ca. 1920)Da war ich sieben . . . und mein Bruder 6 Jahre alt“. Etwas älter. Rolf Arno Streit: Mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . Der Bruder oder selbst. Rolf Arno Streit: „Jein . . . mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . der kann ja nie jünger werden . . . Gut ja . . . „Das Bild mit dem Motorrad.Aber das ist aber so klein. Geht los. Hilde Streit: „Also ich bin einmal . . . einmal in meinem Leben Motorrad gefahren hab keine Ahnung gehabt und der hinter mir gesessen hat hat immer gesagt bremsen und dann hab ich nicht gewußt, wie zu bremsen und hab immer mehr Gas gegeben . . . Frage:  Das Foto ist in Hamburg aufgenommen?. Hilde Streit: „Ja ist in Hamburg aufgenommen worden . . . aber wo kann ich nicht mehr sagen —„Rolf Arno Streit: „Bebelallee ? Wie lange muß das her sein, Hansa Strasse?“ Rolf Arno Streit: Dieses Bild ist aufgenommen auf der Hochzeitsfeier von meiner Tante Grete und von dem Onkel Hermann . . . der ist vielleicht fünfundzwanzigsechsundzwanzig Jahre alt gewesen und meine Tante war ja in den zwanziger . . . Anfang zwanzig . . . sie war die Schwester meiner Mutter . . . ist leider beim ersten Kind verstorben . . . bei der Geburt des ersten Kindes . . . Dies hier ist mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . . Dies hier ist mein Vater Hugo Streit . . . und meine Mutter Sophie Streit . . . Hier ist ein Familienbild der Familie Streit . . . das wurde aufgenommen in . . . soweit ich erinnere in den Schauburg Studien . . . es war ein Freund meines Vaters . . . der in den Schauburgen . . . in den Läden der Schauburgen Fotoateliers betrieb . . . Auf diesem Bild sehen sie die ganzen Brüder meines Vaters . . . hier mein Vater . . . hier ein Bruder Max ein Bruder Richard , Bruder Albert . . . ein Bruder John . . . das war der älteste . . . Frauen und die Kinder . . . hier ist die Schwester Grete Hirschel mit ihrem Mann . . . und hier ist noch Franz Traugott, der Prokurist meines Vater geworden ist . . . mit seiner Frau Bianca . . . die vor einigen Jahren mit neunundneunzig . . . Jahren gestorben ist . . . . Hier sind lauter . . . Frage: Den Manfred . . . ist der auch da drauf zu sehen . . . Manfred Hirschel . . . Ist der Manfred Hirschel auch da drauf zu sehen? Rolf Arno Streit: „Hier ist Manfred Hirschel . . . Dies hier ist ein Familienbild der Familie Streit.Und zwar wurde das aufgenommen . . . wenn ich mich nicht irre . . . zum siebzigsten Geburtstag meines Großvaters Jakob Streit . . . Hier sehen sie meine Eltern . . . mein Vater Hugo Streit und meine Mutter . . . hier bin ich . . . schlecht getroffen . . . hier ist Max . . . Richard . . . Albert . . . John . . . Bianca . . . und Grete . . . alles geborene Streits mit ihren Männern . . . hier sitzen die ganzen Kinder . . . also meine Cousinen und meine Cousins . . . hier ist mein Bruder noch zu sehen. ,, . . . Dies hier ist auf dem Eiffelturm . . . hier sitzt meine Mutter . . . mein Vater . . . mein Bruder Carl Heinz und ich . . . das sind die ersten langen Hosen . . . die wir in Paris von meinen Eltern geschenkt bekommen haben . . . das erinner ich noch . . . hier auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida Henschel und James Henschel . . . mit ihrer Tochter Bianca Henschel . . . aufgenommen in Wiesbaden . . . Die ist ein Familien . . . dies ist ein Bild meiner Eltern mit meiner Großmutter . . . “ LKW nochmal alles ? Frage: nur das letzte.Bild Rolf Arno Streit: „Dies ist das Bild meiner Eltern, mein Vater . . . meine Mutter . . . meine Großmutter Frida Henschel . . . und weitläufige Verwandte . . . im Hintergrund sehen sie unseren Cadillac Wagen . . . das war der erste Cadillac von Hamburg . . . und hatte Aufsehen erregt . . . hier ist noch zu sehen unser Chauffeur . . . .Ja das ist mein Vater . . . Auf diesem Bild sehen sie meinen Vater im Hintergrund ein Flugzeug . . . wo das gewesen ist, kann ich ihnen leider nicht mehr sagen .. . . dies sind meine Eltern Hugo Streit und Sophie Streit mit der Schauburg Zeitung . . . Jedes Kino . . . jedes Kino . . . also jede Schauburg hatte eine . . . hat eine . . . hat eine Zeitung bekommen . . . die gleichzeitig ein Programm von dem jeweiligen . . . Film . . . enthalten hat . . .  Hier sehen sie mein Vater Hugo Streit . . . und Hermann Urich-Saß . . . sein Kompagnon . . . die beiden haben die Schauburgen und den ganzen Konzern gemeinsam aufgebaut . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida und James Henschel . . . mein Vater . . . Hugo Streit und meine Mutter Sophie Streit . . . am Europäischen . . . vor dem Europäischen Hof in Baden Baden . . . Auf diesem Bild sehen sie unser Haus in der Rothenbaumchaussee . . . im Vordergrund stehen . . . steht die Familie . . . und hier ist der Cadillac . . . noch einmal richtig zu sehen . . . .Dies ist ein Bild aufgenommen in Rio de Janeiro . . . da sind wir soweit erinnerlich nach Petropolis raufgefahren . . . dies ist meine Frau und dies bin ich . . . Rolf . . . auf diesem Bild sehen sie mein Hochzeitsbild mit meiner Frau . . . die in Holland in Haag . . . gefeiert wurde . . . weil ich seinerzeit nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte . . . ohne Gefahr zu laufen ins Konzentrationslager zu . . . zu kommen. Da haben wir bei meiner Tante, die damals in Holland lebte . . . Bianca . . . unsere Hochzeit gefeiert . . . Zu der Hochzeit sind die ganzen Verwandten . . . auch meine Großeltern . . . James und Frida . . . auch meine Eltern und die Eltern meiner Frau herübergekommen . . . Tja . . . dies ist ein kleines Bild in Monte Carlo aufgenommen . . . ich ersehe daraus nur . . . mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . .  ein Moment . . . Alte Postkarte Cap Norte Dies ist ein Bild von der Cap Norte . . . das Schwesternschiff von der Cap Polonio . . . mit dem wir . . . meine Frau und ich nach der Hochzeit wieder zurückgefahren sind nach Rio . . . zurück bin nur ich gefahren . . . meine Frau habe ich aber mitgenommen . . . Hilde Streit: Dankeschön (lacht) . . . . . . Dies war auch ein Bild . . . hier ist der Betrüger drauf . . . das will ich gar nicht zeigen . . . Frage: Das ist auch von der Überfahrt. Rolf Arno Streit:“ . . . das ist auch der Betrüger drauf.“ Frage: Dann machen wir die Zwischenstation in Portugal noch. Rolf Arno Streit: Was ist das denn . . . Frage: Portugal. Rolf Arno Streit: „In Lissabon Sierra Campus . . . 1937 . . . Auf diesem Bild . . . soll ich anfangen . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Streit Jakob und Trude . . . .(Strassenbahngeräusche) . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Eltern auf der Cap Polonio . . . sie besuchten uns zu jener Zeit in Rio . . . sie besuchten uns im Jahre 1937 . . . nein das kann nicht sein . . . sie sind damals aus Amerika zurück gekommen . . . ich entsinne das nicht mehr ganz genau. . . Hier sehen sie meine Eltern Hugo und Sophie Streit mit den Eltern meines Vaters Trude und Jakob Streit . . . mein Bruder Carl Heinz und ich als der jüngere . . . auf dem Bild erscheine ich der Höhe wegen als der ältere . . . aber in Wirklichkeit bin in der jüngere   . . . hier auf diesem Bild sehen sie meinen Bruder mit seiner Amme . . . das bin ich . . . da . . . da arische Musiker nicht mehr für Juden spielen durften . . . spielen durften haben wir eine jüdische Kapelle gegründet . . . . den Namen Catus . . . ich war der Kapellmeister . . . dies sind alles jüdische Musiker . . . wir spielten sehr viel auf jüdischen Festen . . . privater Natur und auch . . . entsinne ich ein Henry Jones Logenball . . . Henry Jones Logenball . . . Hernry Jones Loge war eine jüddische Loge und die hat dann jedes Jahr ein großes Fest gegeben auf dem wir gespielt haben . . .  Frage: Buenos Aires steht da hinten drauf. Rolf Arno Streit: Buenos Aires . . . die haben gar nichts mit uns zu tun . . . : Ja dann sind wir durch. Frage. Das ist auch schon Buenos Aires Rolf Arno Streit: „Nein das ist Travemünde. Travemünde . . . Ah ja . . . (Hundegebell im Hintergrund) Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie wie die Menschen früher am Strand angezogen waren. Dieses Bild zeigt den Strand von Travemünde. Mein Vater im Badeanzug meine Mutter in der Badeho . . . anzug. Mein Onkel . . . alle gut gekleidet . . . hier bin ich und hier ist mein Bruder Carl Heinz Das ist 19 . . . und etwa 1913 gewesen . . . so ging man an den Strand . . . ne eben nicht . . . ich hab mich geirrt . . . es waren keine Badeanzüge . . . es waren Anzüge mit steifen Kragen . . . Eckenkragen . . . meine Mutter in einem eleganten Sommerkleid . . . mit Hut und die Amme hier mit dicken Brüsten zu sehen. Frage: Und das andere Foto . . . können wir das noch sehen?Rolf Arno Streit: „Hier sehen sie wiederum am Strand von Travemünde die ganze Familie in ihren besten Kleidungsstücken . . . „Frage. Da waren laute Kinder, wollen wir das noch mal haben ja einmal Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie die ganze Familie wie sie damals vor circa achtzig Jahren am Strand von Travemünde . . . erschienen.“ Hilde Streit: „Jetzt wenn sie in Rio sehen . . . wie die Leute da schwimmen . . . „Frage: Ich glaube, das genügt auch. Ist es alles schön Herr Kameramann? Brasilianisch wird jetzt geredet. Die Fragen stellte Jens Meyer, Kamera hat Dietmar Bruns gemacht

Das Interview mit Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit fand am 30. und 31. Juli 1990 in Belo Horizonte, Brasilien statt. Rolf Arno und Carl Heinz Streit sind die beiden Söhne des Kinobesitzerehepaars  Sophie (geb. Henschel)  und Hugo Streit, der zusammen mit seinem Kompagnon Hermann Urich Sass den Henschel Film und Theaterkonzern leitete und besaß. Das Unternehmen wurde in der Nazizeit enteignet (arisiert  nannten die deutschen Nazis das Verfahren). Die Nutzniesser hießen Paul Romahn und Gustav Schümann, ehemalige Angestellte des Henschel Film und Theaterkonzerns.

Interview Jens Meyer

Anmerkung 2017. Der Mann, der  Carl Heinz Streit in Brasilien sofort angestellt hat, war Al Szekler (in dieser Schreibweise). *Al Szekler war Direktor der Firma Universal Film SA Brasilien. Jens Meyer 2020

Belo Horizonte 31. Juli 1990. Von links nach rechts: Carl Heinz Streit, Rolf Arno Streit und seine Ehefrau Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer, geb. am 9. August 1913, gest. 1993. Foto Jens Meyer

Belo Horizonte Brasilien 1990
Hilde Streit Carl Heinz Streit
Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer. geb. 9. August 1913 in Hamburg. Gest. 1993 in Belo Horizonte (Brasilien). Rolf Arno Streit. geb. 26. August 1911 in Hamburg. gest.15. Februar 1993. In Belo Horizonte. (Brasilien)
Tier
Carl Heinz Streit 1990