Briefe an Wiebeke (XXII) Über angebliche Pioniere und wirkliche

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Zeichen: 11.299 Briefe an Wiebeke (XXII) Über angebliche und wirkliche Pioniere, die aber leider vergessen wurden.

PDF Briefe an Wiebeke (XXII )11332 Über angebliche und wirkliche Pioniere

Hallo Wiebeke, zwei Zitate fand ich aufhebenswert und habe sie für Dich abgeschrieben. Ich weiß sogar noch wo: Das eine fängt so an:

Zitat 1: “Ich habe Coupery‘s Stimme nie gehört. Er war tot, lange bevor ich Ohren hatte.“ (Cees Nooteboom, Der Umweg nach Santiago, Seite 71), und fährt dann fort: “ . . . und ich weiß nicht, ob der Phonograph den Klang dieser Stimme aufgenommen hat.“

Zitat 2: “Die Arbeiter sollen arbeiten, deswegen heissen sie ja Arbeiter. Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt: Ins Kino gehen, Urlaub machen und was der Tätigkeiten noch mehr sind.“

Ich glaube, das Zitat 2 habe ich mir selber ausgedacht. Ich würde mir das zutrauen. Während der Corona Zeiten war ich viel zu Hause und im Netz und auch zu Hause.

Bei meinen Nachforschungen über die deutsche Tonfassung von »Im Westen nichts Neues« wurde oft der Name »Rohnstein« genannt. In einem Textbeitrag wird diesem »Konrad Paul Rohnstein« sogar unterstellt, er sei ein deutscher Pionier bezüglich der Synchronisationsarbeiten gewesen.

Dem muss ich hier mal widersprechen. So war es nicht. Ähnlich geht es mir mit einem, der später so beliebte Filme, wie »Hurra, die Schule brennt!« den Du natürlich nicht kennst, weil er 1969 ins Kino kam und Du da noch nicht reindurftest, weil Du noch nicht alt genug warst, regiemässig zu verantworten hatte.

Fehlte noch, das dieser Mensch mit Namen »Werner Jacobs«, der ebenfalls dabei gewesen sein soll, als die Deutsche Fassung dieses Filmes, die damals nicht ins Kino kam und auch später nicht, weil den Nazis die Macht übergeben wurde, ebenfalls zu einem Pionier von »Im Westen nichts Neues« umgelogen wird.

Der »PROMI«, wie ihn mein Vater noch genannt hatte, manchmal auch zärtlich: »Unser Doktor«, hatte ein großes Talent gegen Filme zu sein, die er nicht gesehen hatte. Jedenfalls ist nicht überliefert, ob sich der spätere »PROMI« den Film vorher mal angesehen hatte, bevor er die Stinkbomben und die weißen Mäuse für die Premiere des Filmes bestellte.

Da war er aber noch gar kein »PROMI«. Vielleicht ist er doch selber einkaufen gegangen. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Hanns Brodnitz berichtet in seinem Buch: »Kino Intim«:

“ . . . zumal in Parkett wie im Rang des Theaters aus kleinen Pappkartons weiße Mäuse in solcher Anzahl losgelassen wurden, daß man auf einen Ausverkauf dieses Artikels in sämtlichen Berliner einschlägigen Tierhandlungen schließen konnte . . . Keiner von den Protestlern hatte den Film gesehen, jeder begnügte sich damit, eine Parole gehorsam nachzuplappern, von deren Richtigkeit sich niemand überzeugen wollte. Es schien eisern festzustehen, daß dieser Film ein Schandfilm war.“

(Seite 91).

Weiße Mäuse sind immer noch günstig zu haben. Heute kann man sie für 1,00 Euro pro Maus bestellen.

Sieben Tage nach der Premiere, am 11. Dezember 1930 verbot die »Filmoberprüfstelle« die Aufführung dieses Films. Wer sich das Foto des Oberzensors im Netz ansieht, versteht, wer da wie entschieden hat und warum.

Werner Jacobs kommt jedenfalls für die Heldengeschichte des angeblichen »Pioniers« der Entwicklung der deutschen Synchronisation ebenfalls nicht in Frage. Das liegt schon in seiner Biografie: Geboren am 24. April 1909 in Berlin. Gestorben ist er am 24. Januar 1999.

Dazwischen ist natürlich auch noch was passiert. Überliefert ist: 1928 ist er in Berlin Schüler der Oberrealschule in Steglitz und macht dort sein Abitur. Überliefert ist weiterhin: Aus finanziellen Gründen war es ihm nicht möglich, ein Studium zu beginnen. Vielleicht hatte er auch nur keine Lust?

Jedenfalls berichtet eine andere Quelle, das »Werner Jacobs« zwei Jahre lang auf Arbeitssuche war und schließlich 1930 bei der Firma »Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133, Berlin SW 68« eine Anstellung fand. Ob er sich zwischenzeitlich über die Materie »Film« Kenntnisse angeeignet hatte, ist nicht überliefert.

Auch nicht überliefert: Der Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Produktionsfirma: Universal. Die USA Premiere war am 21. April 1930, die UK Premiere in London am 14. Juni 1930. Premiere in West Germany war am 14. März 1952, berichtet imdb.com, die man auch nicht mehr ansehen kann, weil, es wimmelt nur so von Werbung.

Die erste Deutsche Erstaufführung der Tonfilmversion hat am 4. Dezember 1930 im Mozertsaal Berlin bei Gerhard Reutlas stattgefunden. Hanns Brodnitz schreibt über Gerhard Reutlas im Kapitel „Junger Mann in der Flimmerkiste“:

„Reutlas eröffnete herzklopfend am 14. Juli 1923 bei 35 Grad Hitze im Schatten mit einem Groteskenabend, den er dem dicken Fatty gewidmet hatte. Die nächsten Wochen stümperte er sich durch. Am 3. September zeigte er einen Film, der niemand interessierte. Ein gewitzter Filmverleiher hatte ihn für Deutschland um einen Pappenstiel gekauft. Der Film lief siebzehn Wochen vor ausverkauften Häusern und hieß „My Boy“, mit Jackie Coogan. Nun konnte Reutlas seine Theorien vom modernen Kino in die Praxis umsetzen. Er machte den Nollendorfplatz zur „amerikanischen Ecke“, zum Weltstadtwinkel des internationalen Spitzenfilms . . .“ (Seite 15)

Und Hanns Brodnitz weiter in dem Kapitel:

Der Krieg der weißen Mäuse:

„Reutlas hatte den Film (Im Westen nichts Neues) nach monatelangem Kampf für sein Theater endlich erworben. Die Hersteller waren in ihren Ansprüchen nach den Resultaten der Aufführung in allen Ländern maßlos, und Reutlas versuchte, die Forderungen auf ein erträgliches Maß herabzudrücken. Die von ihm übernommenen Verpflichtungen waren ungeheuer.“

(Seite 87).

Am einfachsten scheint es mir doch, das ich Dir das Buch ausleihe, bevor ich jetzt alles abschreibe. Das Buch von Hanns Brodnitz ist wirklich sehr kurzweilig geschrieben.

PDF Auszug aus HannsBrodnitz

Dagegen ist mir aus Internet Quellen folgendes Zitat voller Verwirrung in die Augen gefallen, also erst in die Augen gefallen und anschließend kam mir die Verwirrung. Und da ich Dir den Grund meiner Verwirrung nicht vorenthalten will, kommt hier die Aufklärung. Da lebt er auf, der kleine Schulmeister, der in jedem von uns und natürlich auch in mir steckt:

Die deutschen Dialoge von Im Westen nichts Neues sind das Werk eines Pioniers, Konrad Paul Rohnstein, der für Jahre eine zentrale Figur deutschen Synchronisation bleiben wird. Seine Firma Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. blieb bis 1945 eines der bedeutendsten deutschen Synchronstudios.“

Daran ist so ziemlich alles falsch. Und nun kommst Du.

Fangen wir mal vorn an: Die Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Berlin« wurde erst am 9. August 1933 gegründet. Eine OHG, die am 3. November 1933 ins Handelsregister eingetragen wurde. Man beachte den Zeitpunkt der Gründung und ziehe vermutlich, so wie ich, daraus Schlüsse, die ich aber hier (noch ) nicht ausbreiten will.

Zum Zeitpunkt der Gründung dieser Firma, war die deutsche Fassung dieses Filmes schon seit 10. Dezember 1930 in Deutschland verboten und durfte nur noch in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt werden. Die Machtübergabe an die Nazis regelte den Rest.

Das Zitat aus Buchers Enzyklopädie des Filmes, macht die Sache eindeutig: “In Deutschland gelang es den Nationalsozialisten mittels inszenierter Demonstrationen vor den Kinos, sein Verbot zu erreichen.“ Das steht beim Bucher auf Seite 26, wenn Du das noch mal nachsehen willst.

Hat sich was mit Pionier Rohnstein! Das war vermutlich der Lehrling bei der Firma, die die Deutsche Fassung tatsächlich hergestellt hatte. Der Herr Dr. aus Würzburg mit Wohnsitz in Berlin Spandau.

Da habe ich auch noch was herausgefunden, aber nicht schummeln und hinten nachsehen

Apropos Pionier: Da lob ich mir doch den Kameramann Karl Freund, “der im Alter von 15 Jahren als Filmvorführer begann“ wie der Bucher auf Seite 275 schreibt, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hatte, wie man sich in Berlin auszudrücken beliebte, als ich dort weilte. Das ist ein wirklicher Pionier gewesen. Er soll sogar die Schlusseinstellung von »All Quiet on the Western Front« erdacht und gefilmt haben. Die Amis nennen ihn sogar in den credits.

Herr Rohnstein hatte dagegen nur eine langweilige Doktorarbeit geschrieben und war bei der Firma mit dem eigenartigen Namen: “Rhythmographie GmbH“ als „Ungelernter“ angefangen. Ein Doktor ohne jede Materialkenntnis, der sich dann später hochgearbeitet hat.

Die Pioniere sind jedenfalls andere. Auch sie sind Firmengründer und gründen am 16. September 1929 eine Firma mit einem Schreibfehler. Naja, nicht Schreibfehler. Im Firmennamen: »Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung« taucht der Buchstabe H zweimal auf, in der folgenden Beschreibung: Die Verwertung von gewerblichen Schutzrechten und Anmeldungen auf dem Gebiete der Rhythmographie(!), d. h. dem Gebiet der Aufnahme und Wiedergabe von rhythmischen Bewegungsfolgen phonischer und optischer Art, gleich dreimal.

Die Pioniere finden sich eher unter den Gründern dieser Firma: Ingenieur Karl Robert Blum, Ingenieur Walter Hahnemann und Kaufmann Karl Egon Martiny und den Angestellten dieser Firma, die seit 1930 ihre Geschäftsräume in SW 68, in der Alten Jacobstr. 133 im vierten Stock haben. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, so habe ich herausgefunden, dann kommt man auch mit den digitalisierten Berliner Adressbüchern der Firma Scherl zu Rande. Man hüte sich jedoch davor, irgend welche Schlüsse zu ziehen, aus Erkenntnissen, die man meint, gewonnen zu haben. Was in dem einen Jahr so, ist im nächsten Jahr anders.

Viktor Abel wohnte seit 1928 in Berlin, denn im Adressbuch der Firma Scherl von 1929 (Redaktionsschluss 15. 10. 1928) taucht er mit Namen und Berufsangabe im Teil I (Einwohner Berlins) auf Seite 2 auf. Dort zu lesen: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Charlottenburg, Riehlstr. 11 (II) T (Und T = Telefon hat er auch: West 1249). Von dem Toningenieur, Dr. Gerhard Goldbaum, auch ein vergessener Pionier, konnte in den Scherl Adressbüchern keine Berliner Anschrift finden.

Ähnlich wie mit Viktor Abel ist es mit Carl Robert Blum. Zehn Patente habe ich auf der Seite des Deutschen Patentamtes gefunden. Dabei kam mir mein kleines Gastspiel in der Gitschinerstrasse 97 von damals (1974) zu Hilfe. Du erinnerst Dich vielleicht daran, wie mich das Arbeitsamt, Sachbearbeiter Knebel vom Arbeitsamt Steglitz, hereingelegt hatte? Durch die Kopierarbeiten, zu denen ich im Keller des Deutschen Patentamtes, in der Gitschinerstrasse freiwillig gezwungen wurde, verfügte ich über sog. Vorkenntnisse: Auslegeschrift usw.

Auch die Firma, die die Geräte des Erfinders Carl Robert Blum, manchmal auch Karl Robert Blum, herstellte, ist hier zu nennen. Wenn Pionier, dann schon alle: H. W. Müller & Co, Werkstatt für Elektro- und Feinmechanik, SW 48, Besselstr. 21.

Auf der Seite der »vergessenen Filme« steht über Max Bing: “Der Dialogregisseur Max Bing (1885-1945) war in der Hauptsache beim Rundfunk tätig. Er arbeitete vor allem als Hörspielregisseur.“

Und natürlich, und eigentlich zuallererst der Mann, der als Fachmann die Synchronisationsarbeiten geleitet hat: Viktor Abel.

Auch zu Konrad Paul Rohnstein gibt es neue Erkenntnisse und Vermutungen, die sich aus den Nachforschungen ergeben die anhand der ins Netz gestellten Adressbücher möglich waren:

Im Adressbuch von Berlin 1922 gibt es einen Rohnstein, A., Kaufm., unter der Anschrift, Falkenhagener Str. 7 im Straßenverzeichnis von Berlin Spandau. Das ist natürlich noch keine besondere Neuigkeit.

Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus. (Adressbuch 1922, Scherl Teil IV Seite: 1163) In den Folgejahren: 1923/24/25/26 wiederholt sich dieser Eintrag.

Doch 1927 auf Seite 2814 findet sich ein andrer Rohnstein in dem selben Haus: Falkenhagener Str. 7.

Ein Mensch, der scheinbar sehr stolz auf seinen Namen ist und sorgsam darauf achtet, dass im Adressbuch auch alle seine Titel genannt werden: Rohnstein, Paul, Dr. rer. pol. (Adressbuch 1927, Teil IV, Seite 2814).

Aus der Tatsache, das Konrad Paul Rohnstein, dieser eitle Fatzke, sich auch in das Adressbuch von 1924, Redaktionsschluss 15. 10. 1923, mit seinem gerade erst erworbenen Titel (Dr. rer. pol.) in Berlin Spandau, mit der Anschrift Freiheit 2, II Stock, T (Telefon) 445 um den Sohn, des Kaufmannes Alfred Rohnstein handelt.

Wie wäre es sonst möglich, das dieser die Wohnung von Alfred Rohnstein in der Falkenhagenerstr. Nr. 7- 1927 einzieht? Das kann also nur ein naher Verwandter von Konrad Paul Rohnstein sein.

Und wo bleibt nur die Biografie und das Foto von Walter Lindemann, geb. 4. August 1887, gest. 8. Januar 1971, das mir die Enkelin von Walter Lindemann vor drei Monaten schicken wollte?

Du erinnerst Dich an diesen mutigen Polizeioffizier aus dem Amt Ritzebüttel, Cuxhaven? Der, der die Nazis nach Hause geschickt hat. Wenn ich doch Verbindung mit Walter Lindemann aufnehmen könnte, und mich über die faule Enkelin, die immer davon schreibt, das sie auf Panels sitzen würde, bei ihm beschweren könnte, das wärs doch ? Oder J.

PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.

Ernst Seeger von der Filmoberprüfstelle
Lewis Milestone

PDF BuchumschlagHannsBrodnitzKinoIntim

Plakat My Boy

Apropos Konrad Paul Rohnstein

PDF Apropos Konrad Paul Rohnstein4355 (III)

Wikipedia hat nur geschrieben, wann dieser Mensch geboren ist. Beim Todesdatum steht bis heute (22. September 2022, 20.00 Uhr ): Unbekannt. Doch der Betreiber der Synchrondatenbank, Arne Kaul, hat es herausgefunden. Gestorben ist Rohnstein am 12. August 1973 in München. Geboren ist Konrad Paul Rohnstein am 21. Januar 1900.

Aus seiner Biografie gibt es einige sichere Daten. Er hat in Würzburg studiert und eine Doktorarbeit geschrieben und taucht im Berliner Telefonbuch von 1927 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1926) als Rohnstein, Konrad Paul, Dr. rer. pol. auf. Die Doktorarbeit wurde am 18. Oktober 1923 bewertet. Wie, konnte ich nicht herausfinden. Im Telefonbuch gibt es auch Rohnsteins Berliner Anschrift: Falkenhagener Str. Nr. 7, Berlin-Spandau. T: 22 42.

Die Doktorarbeit trägt den Titel: „Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Filmindustrie unter besonderer Beruecksichtigung des Kinematographentheatergewerbes“. Diese Doktorarbeit steht auszugsweise im Netz. Ich habe sie überflogen. Sie beschäftigt sich nicht, wie man vermuten könnte, mit den technischen Abläufen bei der Herstellung von Filmen, sondern nur mit deren Vermarktung in den Kinos.

In Berlin wurde am 16. September 1929 die „Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet und am 30. November 1929 ins Handelsregister Berlin unter der Nummer 43259 eingetragen.

Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 75.000 RM und drei Geschäftsführer: 1. Ingenieur Karl Robert Blum, Berlin, 2. Kaufmann Karl Egon Martiny, Berlin, 3. Ingenieur Walter Hahnemann, Berlin. Im Scherl Adressbuch von Berlin, Ausgabe 1931 (vermutlicher Redaktionsschluß 15. Oktober 1930) habe ich auf Seite 444 den Eintrag gefunden: „Rhythmographie G. m. b. H., Phono- u. Kinotech. Ind., SW 68, Alte Jacobstr. 133.

Die Firma arbeitet auf der Grundlage der Patente von Carl Robert Blum. Blum hatte viele Berufe. Einer davon war: Erfinder. Außerdem war er Kapellmeister und Direktor des: »Mohr’schen Conservatorium für Musik«, das bereits seit 1870 existierte.

Eine der ersten Arbeiten, die die „Rhythmographie GmbH“ (vereinzelt auch in der Schreibweise: Rhytmographie GmbH) ist die deutsche Tonfassung des Filmes: „Im Westen nichts Neues“ (All Quiet on the Western Front, USA 1930, 140/125 Min.) von Lewis Milestone, der als Stumm- und als Tonfilm in die Kinos kam. In die deutschen jedoch nicht. Das wird an anderer Stelle geschildert. (Siehe Anlage Bucher Seite 26)

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Chefdramaturg der UFA: Viktor Abel. Auf der Seite der „Vergessenen Filme“ kann man studieren, wer sonst noch daran beteiligt war, diese Synchronarbeiten im Auftrag der Filmproduktionsfirma Universal durchzuführen: Max Bing (Dialogregie), Konrad Paul Rohnstein (Assistent), Werner Jacobs (Assistent Tonschnitt), Elsa Jaque (Dialogbuch). Diese Angaben habe ich nur teilweise (Abel, Bing, Rohnstein, Jacobs) überprüft.

Einen Eintrag von Viktor Abel fand ich in den Scherl Adressbüchern von Berlin. Die Ausgabe von 1929 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1928) enthält den Eintrag: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Riehlstr. 11 (II) in Charlottenburg. 1931 taucht Viktor Abel mit gleicher Berufsbezeichnung in Berlin Zehlendorf, in der Lindenallee 4 auf. Geboren ist er am 2. Dezember 1892 in Kiev, das in jener Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte.

Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde am 9. August 1933 eine neue Gesellschaft gegründet: »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Sitz: Berlin«.

Diese wurde am 3. November 1933 unter der Nr. 78867 in das Berliner Handelsregister eingetragen: „Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co.Berlin“. (OHG) Gesellschafter sind: Kaufmann: Alfred Lüdtke, Produktionsleiter: Dr. rer pol. Konrad P. Rohnstein und Ingenieur: Erich Luschnath, sämtlich in Berlin. Zur Vertretung sind nur je zwei gemeinschaftlich ermächtigt.

Car Robert Blum Erfinder
Carl Robert Blum
Viktor Abel

PDF Buchers Seite 26

Anmerkungen (2022): Viktor Abel war nach den Nazi Kriterien Jude. Seine letzte Wohnanschrift in Berlin war: Lindenallee 4 in Berlin-Zehlendorf. (Heute: Lindenthaler Allee 4). Am 21.10 1941 wird Viktor Abel nach Lódz deportiert und dort ermordet. Kaufmann Alfred Lüdtke, Teilhaber der Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co«, ist im Scherl Adressbuch von 1927 mit dem Eintrag: »Lüdtke, Alfred, Kaufm., Cöpenick, Flemmingstr. 16, II, Postscheck=Kto 109 373« auf Seite 2086 eingetragen. Durch die Aufteilung Berlins bei Kriegsende liegt Köpenick im russischen Sektor von Berlin. Konrad Paul Rohnstein verläßt bei Kriegsende Berlin und gründet in München die »Rohnstein Film GmbH«, die sich wiederum mit der Synchronisation ausländischer Filme beschäftigt. Dort entsteht die deutsche Fassung des Hitchcock Films »Spellbound« dessen deutsche Fassung den Titel »Ich kämpfe um dich« bekommt. In Deutschland kommt er am 29.2.1952 ins Kino.

Das moderne Tonsytem 2 von CRB

 Das-moderne-Tonsystem 1 von CRB

Rhythmographie (II)

PDF Abschrift Mutterhände2733 in deutscher Fassung

Abschrift aus: Der gute Film. Mitteilungen der Filmstelle des D.=Ö. Jugendbundes vom 30. März 1934, Wien 1, Elisabethstraße 9, Verantwortlicher Schriftleiter: Dr. Ludwig Gesek, (beide Wien) (erscheint jeden Freitag) Heft Nr 70/71 Seite 2. (Gefunden auf der Seite Anno der Österreichischen Nationalbibliothek.)

“Mutterhände in deutscher Fassung. Die Cando=Filmgesellschaft hat diesen Film deutsch nachsynchronisieren lassen-Die Verdeutschung ist beispiel-gebend gelungen.

In einem großen Raum arbeiten die Künstler, die die Stimmen „nachzusprechen“ haben. Auf der Leinwand zieht der Film vorbei: gleichzeitig mit ihm, an seiner unteren Seite, ein schmales Band mit dem ausgedruckten deutschen Text. Dieses Verfahren bedeutet eine ungeheure Erleichterung für die nachsprechenden Künstler. Sie sind nicht mehr restlos abhängig von ihrem Gedächtnis, sind nicht mehr gezwungen, den größten Teil ihrer Kraft auf dieses zu konzentrieren. Zwar muß ihnen auch jetzt noch die Rolle gut im Gedächtnis sitzen. Aber sie haben mehr Kraft zur Verfügung, sich in ein ihnen fremdes Spiel, eine ihnen fremde Rolle hineinzufühlen.

Was für eine ungeheure Anforderung eine solche Einfühlung an den Künstler stellt, das wird einem ganz klar, wenn man bei einer solchen Ausnahme Zeuge ist. Selbst wenn Originalspieler und Nachspieler nicht nur dem Organ, sondern auch dem Charakter und der Wesensart nach, einander nach Möglichkeit angepaßt sind, so handelt es sich ja für den Nachspieler nicht nur um ein einfaches Nachsprechen, sondern er muß die Rolle so nacherleben, wie sie vom Original vorerlebt wurde.

Man kann wohl sagen, daß für die Frau aus dem Volke die „etatsmäßige“ Aufwartefrau keine bessere Interpretin gefunden werden konnte als Margarete Kupfer. Im Ausdruck, im Tonfall ist die Täuschung, als habe man das Original vor sich, nahezu vollkommen. Für die Rolle der jungen Fürsorgerin wählte man Victoria v. Bellasko, die als Sprecherin der „Annabella“ in dieser schwierigen Kunst debütierte. In der Erscheinung sein und zart, wird eine gewisse Herbheit und Spröde im Ton sie dem Original der Fürsorgerin vielleicht näherbringen als der irrealen Traumgestalt Annabellas. Edith Karin wurde mit der schwierigen Rolle der Vorsteherin betraut. Helene Sauer mit der der Mutter Mries. Bruno Fritz spricht den Dr. Libois.

Aber das schwierigste Problem: die Kinder! Man holte sie zum größten Teil auch hier einfach von der Straße weg: nur einige wenige sind im Atelier bereits bekannt. Staunend und bewundernd steht und hört man, was die meisterhafte Regie von Dr. Werther aus dieser kleinen Schar heraus holt! Sie sind mit einer solchen Begeisterung, mit einer solchen Hingabe und mit einem solchen Verständnis bei der Sache, daß das letzte und schwerste Bedenken am guten Gelingen weichen muß.

PDF Lüdtke RohnsteinBriefv23041934

In einer kleinen Zelle arbeitet Dr. Rohnstein, der mit Dr. Werther gemeinsam Regie führt mit seinem kleinen Stab. Die hier aufgestellte Apparatur bringt den Ton so zu Gehör, wie er bei der Vorführung zu hören sein wird. Es ist also möglich, während der Aufnahmen noch dauernd an seiner Vervollkommnung zu arbeiten, was durch Umstellung der Schallwände und Kulissen im großen Raum ermöglicht wird. Herr Dr. Rohnstein skizziert kurz den Gang der Reproduktionsarbeit, der in dem kurzem Zeitraum von drei Tagen eine für den Laien und vorstellbare Quantität von Mühe, Arbeit, Kraft und auch Geld verschlingt.

Rhythmonom vom Erfinder Carl Robert Blum Berlin

Rheostat Patent Blum
Carl Robert Blum., Berlin

PDF Vier Seiten278-281

Apropos Viktor Abel (I)

Viktor Abel taucht im Scherl Adressbuch von 1929/1930 mit der Berufsangabe Filmdramaturg und einer Anschrift in der Riehlstr. 11- in Berlin-Charlottenburg auf. 1931, ein Jahr später, ist Viktor Abel mit gleicher Berufsbezeichnung in Berlin-Zehlendorf, in der Lindenallee 4 im Scherl Adressbuch abgedruckt. 1930 gibt es in Berlin zehn Strassen mit dem selben Namen. Die Lindenallee in Zehlendorf wurde mehrfach umbenannt, heute (2022) hat sie den Namen Lindenthaler Allee. Das Geburts- und das Todesdatum von Viktor Abel habe ich wiederum mit der Hilfe einer Suchmaschine auf einer Internetseite gefunden. Geboren ist er am 2. Dezember 1892 in Kiev, das 1892 zum Russischen Kaiserreich gehörte. Viktor Abel war nach der Nazidefinition Jude. Am 21.10.1941 wurde Viktor Abel nach Lodz deportiert und dort ermordet. (Transport B, Nr. 405 -21. 10. 1941, -> Łódź).

Auf der Gedenkseite gibt es Bilder von Viktor Abel und einige Dokumente. Auf dem Umschlag des Buches von ihm: “Wie schreibt man einen Film?“ (Anleitung zur Herstellung vom Filmmanuskripten von VIKTOR ABEL ehemal. Chef-Dramaturg der «Ufa»). In den mir bekannten UFA Büchern habe ich in den Namen Viktor Abel in den Namensregistern nicht finden können. Aus dem UFA Buch „Das UFA Buch“ (erschienen bei 2001. 2. Auflage vom Juli 1994) habe ich erfahren, das Viktor Abel (Schreibweise »Victor Abel«) weitere Drehbücher geschrieben hat:

1928 »Vom Täter fehlt jede Spur«. Regie: Constantin J. David, Buch: Victor Abel, Alfred Zeisler. Uraufführung am 3. 8. 1928 in Berlin. Dort (im Ufa Buch) wird der Inhalt des Filmes so beschrieben: “Für die Kriminalbeamten ist der Mord nachts im Maschinenraum des Jahrmarktes ein einziges Rätsel. Der Tote hatte zu Lebzeiten wenig Umgang, sein Kompagnon war Phlegmatiker mit unangenehmen Eigenschaften. Es gab Streit. Liegt hier ein Motiv? Oder bei Hofer, dem heimlich Verlobten seiner Nichte? Der meinte, den Hinauswurf würde der jetzt Tote noch bereuen. Entwirrt sich der Knoten?“

1928 /29 »Die Flucht vor der Liebe«. Regie: Hans Behrendt. Buch: Victor Abel. Uraufführung am 16.09.1929 in Berlin. “Der junge Diplomat Mario verirrt sich auf einem Rummelplatz und verliebt sich in Marga, die Tochter eines Schaustellers. Natürlich kann das nicht gutgehen, denn Marios Vater hat mit seinem Sohn andere Pläne. Edelmütig verzichtet Marga, um der Karriere des Geliebten nicht zu schaden.“

1929 »Die Schmugglerbraut von Mallorca« Regie: Hans Behrendt. Buch: Victor Abel, Rudolf Katscher.“ Uraufführung am 31.07.1929 in Berlin.“Die Fischer Pedro und Andrea machen Rosita den Hof. Der dritte Interessent ist der reiche Tolomeo, Chef einer Schmugglerbande. Bei solch einer Konstellation sind Schurkenstreiche und Verbrecherjagden der Polizei vorprogrammiert. Andrea zahlt dabei mit dem Leben, während Pedro und Rosita als glückliches Paar in die Heimat zurückkehren.“

Ich hab extra noch mal in die Besetzungsliste bei Filmportal.de gesehen. Andrea ist mit einer männlichen Person besetzt. Nicht das da irgend jemand auf falsche Gedanken kommt, wie es heute modern ist. Clifford McLaglen heisst der Schauspieler, der den Andrea spielt. Auf Filmportal sind weitere sieben Filme genannt, zu denen Victor Abel die Drehbücher geschrieben hat.

Bei vier Filmen war Harry Piel Regisseur, weitere vier Filme hatten Alfred Zeisler als Regisseur. Ein Film entstand unter der Regie von Fred Sauer. Viktor Abel war offensichtlich ein begehrter, sprich, erfolgreicher Drehbuchautor. In welchen Jahren er als Chef Dramaturg für die UFA gearbeitet hatte, bleibt noch herauszufinden. Auch die vermuteten Arsierungsvorgänge der Firma: „Rhythmographie GmbH“ sind, wie heute immer gerne formuliert wird: Im Dunkel.

1929»Der Bund der Drei«. Regie: Hans Behrendt. Buch: Victor Abel, Bobby E. Lüthge. Uraufführung am 12.12.1929 in Berlin.“Inez sucht den Mörder ihrer Mutter. Als sie sich in Henr(y)i, den Sohn des vermeintlichen Mörders, einen Minenbesitzer, verliebt, gerät sie in seelische Konflikte. Schließlich wird der Minenbesitzer Ziel eines Mordanschlages , den er aber glücklich überlebt. Am Ende löst der Inhalt einer Kassette alle Rätsel. Inez und Henri werden ein Paar.“

Ich habe die Filmproduktionen der UFA bis 1934 durchgesehen, aber keine weiteren Drehbücher von Victor (Viktor) Abel gefunden, nach denen bei der UFA ein Film gedreht wurde.Das Landesarchiv Berlin verfügt über Fotos des Erfinders Carl Robert Blum. Das Deutsche Patentamt hat die Patentschriften von Carl Robert Blum ins Netz gestellt. Die Nachbearbeitung der Original Patentschriften aus der »Dunklen Vergangenheit« wurden mit schwarzen Punkten versehen. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Apropos:

Da gibt es noch ein kleines Abfallprodukt zu meinen Recherchen zur Nationalitätenfrage im Zusammenhang mit genanntem Film. Bei der Untersuchung stellte ich immer wieder fest, daß eine Herstellung dieses Filmes ohne die Beteiligung von Deutschen gar nicht möglich gewesen wäre.

Der Mann, der die Romanvorlage -heute würde man Bestseller schreiben- geschrieben hatte, kam aus Osnabrück. Der Vater des Mannes, der den Film produziert hat, kam aus Laupheim. Wir hätten jetzt endlich Gelegenheit, darauf ein wenig stolz zu sein, wäre da nicht jenes Zitat aus Buchers Enzyklopädie des Films: “In Deutschland gelang es den Nationalsozialisten mittels inszenierter Demonstrationen vor den Kinos in denen der Film gezeigt wurde, sein Verbot zu erreichen“. (Buchers Enzyklopädie des Films, Bucher Verlag 1977, Seite 26)

Rhythmonom

Das Landesarchiv Berlin verfügt über Fotos des Erfinders Carl Robert Blum:

Carl Robert Blum

Das Deutsche Patentamt hat die Patentschriften von Carl Robert Blum ins Netz gestellt. Die Nachbearbeitung der Original Patentschriften aus der „Dunklen Vergangenheit“ wurden mit schwarzen Punkten versehen. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Viktor Abel