Lehrzeit Heinz Heisig

PDF Heinz Heisig Lehrjahre (Zeichen 3.140)

(Zeichen 3.140)

In einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung ist (auszugsweise) ein Schreiben an das:

„Komitee ehemaliger politischer Gefangener“ vom 15. April 1946 abgedruckt, in dem Heinz (Heinrich) Bernhard Heisig seinen »Werdegang« beschreibt:

Die äußeren Daten meines Lebensweges finden Sie in den Antworten des Fragebogens. Was sie nicht aussagen, möchte ich in dem anschließenden Lebenslauf niederlegen: Ich entstammte kleinbürgerlichen Kreisen, besuchte sieben Jahre lang die Volksschule meiner kleinen westfälischen Heimatstadt und trat mit dreizehn einhalb Jahren als Lehrling in das kaufmännische Büro unseres heimischen Amtsblattes ein. Schule und Lehrstätte lenkten mein Denken in nationale Bahnen, so dass ich, nachdem ich als Neunzehnjähriger an den letzten Schlachten der Westfront teilgenommen hatte, zum Grenzschutz »Ost« übertrat, dem ich bis zum Juli 1919 angehörte. Diese Flucht vor der drohenden Arbeitslosigkeit war aber für mich in vielerlei Hinsicht heilsam, denn ich machte als Soldat des Grenzschutzes allzu nahe Bekanntschaft mit dem Militarismus. Nicht zuletzt war es der lebendige Anschauungsunterricht über die menschenunwürdige Behandlung der Deputatarbeiter auf den adligen Großgrundbesitzen, der mich von jeder Art Nationalismus kurierte.

Während der anschließenden Lehr- und Wanderjahre in allen Teilen Deutschlands vertiefte sich meine Einsicht noch, da ich im Laufe meiner Tätigkeit in verschiedenen Berufen in enge Berührung mit dem Leben des werktätigen Volkes kam und seinen Kampf um seine Sehnsüchte aus eigener Anschauung kennenlernte. Was Wunder, dass ich mich zum Sozialismus bekannte und die großen internationalen Dichter und Polemiker mir den Weg zu einer klaren und eindeutigen Weltanschauung wiesen.
( . . . )

Als ich ( . . . ) im Jahre 1930 nach Hamburg ans Waterloo-Theater kam, brachte ich ein gutes Rüstzeug mit. Ich betrachtete es als meine Mission, dem werktätigen Volk beim Kampf um die Besserung seiner sozialen Lage mit meinen Einflussmöglich-keiten zu helfen und beizustehen. Die Spielplangestaltung des Waterloo-Theaters weist das eindeutig auf, und ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass viele amerikanische, englische, russische und französische Filme ohne meine Initiative nie in Hamburg gezeigt worden wären. In den aufreibenden Jahren der Nazi-Herrschaft konnte ich meinem Ziel und meinen Absichten nur treu bleiben, weil ich, wie es gar nicht anders denkbar und möglich war, manches in Kauf nehmen musste, denn dass eine so polemisch festgelegte Spielplangestaltung allen nur denkbaren Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt war, versteht sich von selbst. Trotz der wütenden Angriffe der Nazipresse zeigte ich, wie ich heute noch mit Genugtuung feststellen kann, bis zum November 1940 amerikanische Filme. Aus dem Fragebogen ersehen Sie, welche Verfolgungen mir meine Standardhaltung und Einstellung eingetragen hat.

Was der Fragebogen nicht ausweist, sind die Fülle der kleinen Tücken und Schikanen, und hierzu möchte ich nur folgende kleine Aufstellung hinzufügen: Eine Anzeige wegen öffentlicher Zerreißung eines Hitlerbildes, Anzeige wegen Verweigerung des Hitler-Grußes, Verfahren zur Aberkennung der Betriebsführer-Eigenschaft, Verlust meiner Wohnung wegen meines Aufenthaltes im KZ., Anzeige wegen nationaler Würdelosigkeit, Anschuldigung des damaligen Kultursenators Dr. [Helmuth] Becker [1902–1962], ich führe einen „Juden- und Kommunisten-Kintopp“ usw. usw.

Zitiert nach einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, nach einem Dokument, das sich im Staatsarchiv Hamburg befindet, unter der Nummer 622, Familie Heisig. 2.4.

Tier
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Eugen (LX-60) Der gute Hirte

Hallo Eugen, gerade in der Mediathek von 3sat der Film von Robert De Niro: The good shepherd- Der gute Hirte. Ein uralter Film von 2006, den ich mir damals nicht im Kino angesehen habe. Jetzt 19 Jahre später hat mir das doch Leid getan. Denn in Minute 77 des Filmes gibt es in der Deutschen Fassung des Filmes eine Erkenntnis die von dem Schauspieler Robert De Niro vorgetragen wird. Da sagt Robert De Niro zu Matt Demon: „Wer hat Hitler an die Macht gebracht?“ Und er gibt auch gleich die Antwort. Das ist so mit rhetorischen Fragen: „Die Angestellten und die Buchhalter, die Staatsbeamten.“ Das Drehbuch hat Eric Roth geschrieben und das Zählwerk zeigt 1′ 17“ 42“ als dieser Satz gesprochen wird. Und, wußtest Du das? Und nun kommst Du, J.

Zeichnung Helga Bachmann

Creative commons.org
Foto Jens Meyer

Lubitsch im März 1922

PDF Sport im Bild März Heft 12. 1922 Amerikana

Zeichnung Helga Bachmann
Creative commons.org
cc

Briefe an Wiebeke (XLIII-43) Vermutungen über Herrn K.

Römische Zahlen

PDF Abschrift Leserbriefe Daum + Fischer

PDF (Zeichen 7.647) Briefe an Wiebeke Vermutungen über Herrn K.

Hallo Wiebeke,

Du hast natuerlich Recht. Wenn wir uns schon so lange mit der Millionaerin aus Luebars, bei Berlin, beschaeftigen, dann sollten wir uns auch mit ihrem ersten Ehegatten K. beschaeftigen. Und das geht natuerlich weit ueber das hinaus, was er selbst fuer die Oeffentlichkeit ueber sich preisgegeben hatte.

Schon bei Ilse K. und ihrem Biografen war mir aufgefallen, wie schnell Biografen gerne auf die Bewertungen der sog. »Entnazifizierung« zurueckgegriffen hatten. Dieses: „Unbelastet“ aus den Unterlagen wird gerne dazu benutzt, die Sache nicht weiter zu betrachten. Natuerlich wußten alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen, das dieses Wort „unbelastet“ in Zusammenhang mit der Zeit von 1933 – 1945 keinerlei Bedeutung hatte. Das wußten auch alle. Vor Jahren, als die gefaelschte Version von »Casablanca« ruchbar wurde, hatte ich in meiner Naivitaet angenommen, dies sei mit der Entfernung saemtlicher Nazis aus dem Film auch ein Akt der Entnazifizierung gewesen, was natuerlich falsch ist.

Nein, als K. den Major Strasser aus dem Film »Casablanca« entfernen ließ, war dies natuerlich ein voellig unpolitischer Akt gewesen. Das war, wie spaeter behauptet wurde, nur aus geschaeftlichem Interesse der Firma gewesen, bei der er nach dem verlorenen Krieg untergeschluepft gewesen war: Warner Broth. Deutschland. Am schlimmsten, so folgere ich daraus, sind immer noch die Leute, die von sich behaupten, sie seien unpolitisch, was natuerlich ueberhaupt nicht stimmt. Im Gegenteil. Durch ihre Nichteinmischung ermoeglichen sie, was sonst nicht moeglich waere. »Unbelastet« waren sie keineswegs.

Sehr schnell haben das auch die Militaerregierungen verstanden, das es in Deutschland keine »Unbelasteten« gab. Die waren bestenfalls gefluechtet, hatten vielleicht in den Gefaengnissen ueberlebt. Aber die meisten tatsaechlich »Unbelasteten« waren vertrieben und auf verschiedenste Art und Weise ermordet worden.

Fragebogen werden ausgefüllt. Hamburg. Britische Besatzungszone.

Der Fragebogen der amerikanischen / britischen Militaerregierung mit seinen 131 Fragen, wurde massenhaft gefaelscht. Gegenseitig hatten sich Taeter und Zuschauer »Persilscheine« ausgestellt, wie tapfer und erfolglos er oder sie in seinem oder ihrem Widerstand gegen die Nazis jeder und jede gekaempft hatte.

Von den sieben Hauptaetern (Hitler, Goebbels, Goering u. a.) hatten sich mehrere schon das Leben genommen. Joseph Goebbels hatte erst seine fuenf Kinder, dann seine Frau und anschließend sich selbst vergiftet. Komisch eigentlich, wo Gift in der Kriminalgeschichte doch eher ein Gelaende weiblicher Personen ist. Ihr Fuehrer dagegen, so berichteten sie, sei im Kampf gefallen: Alle anderen waren Opfer eines »terroristischen Bombenkrieges« geworden. Jetzt gab es ein »Besatzungsregime«, wie einer der Taeter (Dr. Georg Roeber) aus jener Zeit von damals 1973 in einem Buch, das der »Innenminister« herausgab, schrieb. Und diese Taeter wollten die Militaerregierungen und die neuen Machthaber nach dem Kriege zur Verantwortung ziehen? Welch ein Ansinnen!

Da kommt dann auch die Rede ihres Propagandaministers J. G., die er am 28. März 1933 im Kaiserhof gehalten hatte, wieder ins Spiel. Vergleiche hinken, wie wir alle wissen, aber mir faellt dabei sofort der Bremsweg eines Oeltankers von sagen wir mal dreihundert Meter Laenge ein. Eine internationale Vorschrift sagt, dass der Bremsweg eines Schiffes hoechstens 20 Schiffslaengen ausmachen darf. Ein 300 m langes Schiff hat also einen Bremsweg von 6 Kilometern. (6000 Meter hoert sich viel länger an)

Filmgeschichtler der deutschen Filmgeschichte haben vielfach behauptet, das die Kuendigungen aus rassistischen Gruenden, die der UFA Vorstand am 29. März 1933 beschlossen hatte, auf Anweisung von Joseph Goebbels erfolgt seien. Zum Beweis wird seine Rede im Hotel Kaiserhof vom Vortage, dem 28. März 1933, herangezogen. Liest man diese Rede bei Dr. Gerd Albrecht nach, so stellt sich heraus: Das ist komplett an den Haaren herbeigezogen! Der Mann war erst ein paar Wochen im Amt und seine Macht war keineswegs stabilisiert. Im Gegenteil.

Er lobte in der Rede sogar die Filme von Sergej Eisenstein, denen man nacheifern solle, was, wenn man die spaeteren Produkte der deutschen Filmproduktion aus jener Zeit heute bewertet, keineswegs der Fall gewesen ist.

Nein, der UFA Vorstand hatte bei der Entlassung der juedischen Mitarbeiter keineswegs auf Anweisungen des Propagandaministers gehandelt. Zum Beweis dient mir der Tankervergleich: Der Bremsweg des UFA Tankers, der wie ausgerechnet, mindestens 6000 Meter beträgt.

Viktor Abel
Viktor Abel (Victor Abel)
Gerhard Goldbaum

Auch der „vorauseilende Gehorsam“, von dem Dr. Klaus Kreimeier in seinem Buch die »UFA Story« auf Seite 250 schreibt, kann es nicht gewesen sein. Viel eher ist glaublich, was Dr. Klaus Kreimeier auf Seite 247 dem Papier anvertraut: „Jedenfalls überrascht die guillotineartige Perfektion, mit der schon am darauffolgenden Tag die Direktion der Universum-Film AG als Vollstreckungsmaschine in Aktion trat und die antisemitische »Säuberung« des Unternehmens in die Tat umsetzte. Die schwarzen Listen müssen vorbereitet gewesen sein.“

Aus heutiger Sicht kann man sogar davon ausgehen, daß die Entlassung dieser Mitarbeiter, diese »antisemitische Säuberung« des Unternehmens dem Vorstand der UFA im Gegenteil wie gerufen kam. Eine günstige Gelegenheit endlich das zu vollziehen, was schon lange geplant gewesen war.

Und falls die Sache schief gehen sollte, der Minister war ja erst vor kurzem ins Amt gekommen, und sich die Dinge anders entwickeln sollten, dann konnte man sich auf jeden Fall darauf berufen, das man gezwungen worden sei. Eine Technik, die nach Kriegsende von den selben Taetern wieder massenhaft angewendet wurde. Aber soweit sind wir nocht nicht.

Zurück zu Herrn K.. Schauen wir doch mal genau hin. 1925 arbeitet er bei der Parufamet, eine Verbindung von Paramount und MGM und UFA. 1928 ist er Volontär bei der Berliner Filmgesellschaft: Deutsche First National (DEFINA). 1928 wird er bei der Firma Starfilm in der Friedrichstraße Hilfsdisponent. Ein Jahr später, 1929, steigt er auf und wird dort Disponent.

K. hat eine schnelle Aufassungsgabe: »Als sich im Fruehjahr 1933 in der Filmbranche das Geruecht verbreitete, dass den amerikanischen Firmen die Konzession entzogen wuerde, riet mir mein damaliger Chef, F. L. D. Strengholt (Frits L. D. Strengholt) nach mehrmaligen Besprechungen, eine mir von der UFA angebotene, sehr guenstige Stellung, anzunehmen. Ich schied daraufhin im besten Einvernehmen von der Metro-Goldwyn-Mayer aus.« (zitiert nach Michael Kamp, Glanz und Gloria Seite 46, DIF-Frankfurt, Lebenslauf K.).

K. ist wirklich sehr geschickt. Nein. Er hat diesen Karrieresprung gar nicht gewollt. Der wurde ihm aufgedraengt! Von seinem damaligen Chef, der ihm diesen Ratschlag gegeben hatte. Und auch gleich mehrfach. Er wurde also praktisch gezwungen, sich auf einen der frei gewordenen Arbeitsplaetze bei der UFA zu bewerben! Zur Erinnerung: Dort waren, wegen der »antisemitischen Saeuberung« viele Fuehrungsposten »frei geworden.« Wo Frits Strengholm nach dem Krieg weilte, wer weiß das schon?

Nebenbei: Die Geruechte von der schnellen Konzessionsentziehung fuer die amerikanischen Filmgesellschaften waren eben nur Geruechte. 1935 hatte die Firma MGM, mit ihrem Geschaeftsfuehrer Frits L. D. Strengholt, Filialen in Berlin, Duesseldorf, Frankfurt und Muenchen. (The film daily year book of motion pictures-1935).

»1936 hatte Hans Wilhelm Kubaschewski die Filialleitung fuer die Verleihbezirke: Berlin Stadt, Ostdeutschland, Schlesien, Sudentenland und Mitteldeutschland.« (Michael Kamp, Glanz und Gloria, Seite 46, Anmerkung 22 in Kapitel 2)

Aus anderer Quelle, der Lichbildbühne LBB vom 27. Juli 1938, Beilage zur Nr. 174 (31. Jahrgang), kann man hinzufügen, das die Filiale Berlin, deren Vorgesetzter Kubaschewski war, 27 Mitarbeiter hatte. Stellvertreter war Heinz Steckel, der es später immerhin bis ins Familiengrab der Kubaschewskis geschafft hatte. Zum Vergleich: Die Hamburger Filiale der UFA hatte nur 10 Mitarbeiter. Und nun kommst Du, J.

Hans Wilhelm Kubaschewschki . UFI Konzern und später Generaldirektor bei Warner Broth. Deutschland. (Germany)

Hallo Wiebeke, was ich uebrigens vergessen hatte zu erwaehnen: Der »Karriereknick« von K. 1943 bei der UFA, so will ich das mal nennen, war sehr zu seinem Vorteil geraten. Der Obernazi, der sein neuer Vorgesetzter wurde, hatte seinen weiteren Aufstieg bei der UFA gestoppt und in seiner Boshaftigkeit auch noch dafuer gesorgt, das seine UK Stellung aufgehoben wurde und K. zur Wehrmacht mußte. [Fritz Kaelber, seit 1942 Generaldirektor der UFA*]. Nicht so schlimm, weil er durch glueckliche Umstaende nicht an die Front, sondern in eine Schreibstube der Wehrmacht gelangte. Das hat ihm auch spaeter sehr geholfen, seine Rolle bei der UFA herabzustufen. Dieses Glueck verbindet ihn biografisch mit Dr. Alfred Bauer (dem spaeteren Direktor der Berlinale), der in dieser Hinsicht sogar zweimal Glueck hatte. Einmal vernichteten die Bomberpiloten seine Doktorarbeit in Würzburg und dann wurde auch noch seine UK Stellung bei der Reichsfilmkammer aufgehoben und so mußte der arme Mannn kurz vor Kriegsende auch noch zur Wehrmacht. Und ist aber natuerlich auch in der Schreibstube und nicht an der Front gelandet. Weil, Kameraden helfen sich, und nun kommst wieder Du, J.

*Ach ja , da kommt noch was zur Person des genannten Fritz Kaelber. Jürgen Spiker schreibt dazu (in seinem Buch Film und Kapital auf Seite 294: „KAELBER, Fritz (geb. 14. 3. 1893) (28) Seit 1919 als Verleihexperte in der Filmwirtschaft taetig. Vorstandsmitglied der Tobis-Rota, stieg, als diese mit dem Verleih Terra vereinigt wurde, zum geschaeftsfuehrenden Direktor der Terra auf. 1942 als leitender Direktor der Deutschen Filmvertriebs GmbH zugleich Vorstand der Ufa AG. Im Herbst 1943 Nachfolger Klitzschs als Generaldirektor der Ufa AG mit Mandat im Ufi-Vorstand. Seit 1.3.1933 in der NSDAP. Er hatte, wie in seinen Personalakten ausdruecklich vermerkt ist, schon vorher die Partei aktiv, inbesondere illegal in der „Ostmark“, unterstuezt.“ Und nun kommst wieder Du! J.

Ilse Kramp
Ilse und Hans Kubaschewski, (der Mann mit den Blumen ist Adrian Hoven)
Nilpferd
Zeichnung Helga Bachmann

Apropos Clara Esslen (I)

PDF Apropos Clara Esslen (Zeichen6.375 )

Eigentlich wissen wir nicht viel über Clara, die manches Mal ihren Vornamen Clara mit einem (K) versehen hatte. Vielleicht um ihrem Ehegatten Karl Friedrich Esslen ähnlich zu werden? Sie schenkte ihm drei Kinder. Die Geburtsdaten der Kinder und ihres sind sämtlich unbekannt. Aber es gibt Eckdaten. Karl Friedrich Esslen starb am 16. Juli 1930. Und daraus lassen sich andere Daten herleiten.

Zum Beispiel aus dem Schriftsatz ihres gegnerischen Anwaltes Dr. Dehn aus Hamburg erfahren wir so über Umwege, das ihre Kinder: a) Eva, Brunhilde, Klara, Elisabeth, Sieglinde Esslen b) Werner, Eberhard, Wilhelm, Erlo Esslen, c) Günther Esslen am 20. März 1950 volljährig sind. Rufnamen: Eva, Erlo und Günther!

Dr. Dehn vertritt den Mann, dem das Kino einmal gehörte und der die Frechheit besessen hatte, das ihm die Flucht aus Deutschland gelungen war. Das er nicht von den Nazis, die sie aber so gar nicht leiden konnte, ermordet worden war.

Volljährig wurde man im Deutschland von 1950, wenn man das 21. Lebensjahr vollendet hatte. Dann durfte man auch wählen. Leider war es nicht möglich, das Ehepaar Esslen zu befragen, warum der Letztgeborene nur den Vornamen Günther bekommen hatte, wo doch die Erstgeborene Eva noch fünf Vornamen bekommen hatte? Woher kam diese plötzliche Sparsamkeit? Woher kam dieser plötzliche Namensgeiz, wo doch Kind eins fünf und Kind zwei vier Vornamen bekommen hatte?

Als Gatte Karl Friedrich Esslen (Weinhändler und Fabrikant von Schuhcreme – Collonil) am 16. Juli 1930 verschied, hinterließ er seiner Gattin u. a. zwei Zinshäuser in Berlin, so nannte man das damals. Belegen in Berlin – Wilmersdorf, in einer sog. gutbürgerlichen Gegend, wie man das damals nannte, am Kaiserplatz Nr. 11, ein Zinshaus mit 30 Mietwohnungen und gleich daneben am Kaiserplatz 12, ein Zinshaus mit 18 Mietwohnungen.

Sie selbst wohnte eine Zeitlang auch in jener Stadt: In Berlin – Charlottenburg in der Leistikowstraße 4. Auch eine sogenannte gutbürgerliche Gegend. Das war 1934 – 1935. Das steht so im Scherl Adressbuch von Berlin, das im Netz zu finden ist. Dieses Haus in Berlin wird ihr nicht vererbt.

Neue Informationen aus dem Jahr 2023: Clara Koglin hat die erste Zeit ihres Lebens ebenfalls in Berlin verbracht. Nach ihrer Hochzeit in Berlin 1918 mit dem Lederölvertreter Karl Friedrich Esslen aus Luxemburg wohnte sie »Am Treptower Park 34« in Berlin Treptow. Ihr Elterhaus, der Vater war der Schuhmachermeister Ferdinand Koglin, stand in der Kantstraße 2 in Berlin-Lichtenberg.

Im Jahr 1909 gab es in Berlin sieben Kantstraßen. Fehlt noch die Mutter: Luise Koglin. Manchmal im Scherl Adressbuch von Berlin auch als Louise Koglin, geb. Betke, (auch Bethge) benannt. Nachdem ihr Gatte, der Schuhmachermeister Ferdinand Koglin 1909 gestorben war, taucht Luise Koglin im Scherl Adressbuch eine ganze Weile mit der Abkürzung: »Schuhmmstrww.« auf, was vermutlich »Schuhmachermeister Witwe« heißen soll.

Später wohnte Clara Esslen auch in einer Wohnung in Hamburg: In der Beneckestraße Nr. 50 im dritten Stock. Im zweiten Stock dieses Hauses wohnte in gleicher Zeit jene Frau, die das Thalia Kino in der Grindelallee »gekauft« hatte, das bis dahin »Ranette Salfeld« gehört hatte. Nein, welch ein Zufall aber auch.

In Hamburg wurde Clara Esslen, geb. Koglin, die Erbin des Dammtorhauses, Dammtorstraße 14. Das Haus daneben Dammtorstr. Nr. – 15 erbte sie ebenfalls. Nr. 14 ist ein fünfgeschossiges Kontorhaus, erbaut 1910 von Max Wagner. Im Hof gab es ein Kino mit 900 Sitzplätzen. Ein berühmtes Kino. Das »Waterloo Theater«. Das fünfgeschossige Kontorhaus hatte 44 solvente Mieter. Ärzte, Rechtsanwalte, Firmenvertreter.

Das Kino gehörte ihr leider nur zur Hälfte, aber da es einem Juden gehörte, setzte sie alles daran, auch die andere Hälfte zu bekommen. Was ihr, mit der Hilfe guter Freunde bei der herrschenden Partei, auch gelingen sollte. In jener Zeit wohnte sie nicht in Hamburg, sondern, wie es sich gehörte, in der Parkallee 21 in Wiesbaden.

Zwei GmbHs leisten ihr als Mantel bei dieser Eroberung gute Dienste. Zwei Firmen Mäntel, die sie noch benutzen wollte. Mäntel, die eigentlich nutzlos geworden waren, weil sie keinen Wert mehr hatten. Mäntel, die ihr Gatte damals aus ihrer ehemaligen Heimat, Mühlenbeck bei Berlin mitgebracht hatte: »20.000 Reichsmark GmbHs«., die dort aber nicht mehr benötigt wurden.

Mit dem sperrigen Namen: »Esslen Weinkellereien, Trier, Verkaufsstellen Mühlenbeck bei Berlin, Gesellschaft mit beschränkter Haftung«, die sie, bei passender Gelegenheit umbenannte und nach Hamburg transportierte.

Die passende Gelegenheit ist der Beginn der Nazizeit, als man ihnen die Macht übergab, mit denen sie natürlich nichts am Hut hatte, wie sie 1949 beteuerte. Damit war sie übrigens nicht allein. Jeder »gute Deutsche« hatte mindestens zwei Juden das Leben gerettet. Und hatte keine Hakenkreuzfahne, um diese aus dem Fenster zu hängen.

Nein. Sie hatte sich sogar einen Juden als Rechtsanwalt genommen!

Und in dem Kino, das sie sich unter den Nagel gerissen hatte, hatte sie sogar, das ließ sie ihren späteren Anwalt dem Gegner und dem Gericht verlauten, der die Frechheit hatte, nach dem verlorenen Kriege sein Eigentum zurückzuverlangen, geantwortet, dass sie sogar in der Nazizeit Filme von einem »Volljuden« gezeigt hatte. Wie von dem »Volljuden Charlie Chaplin«.

Ja, ungebildet war sie auch. Aber, es hatte ihr doch keiner gesagt, das Charlie Chaplin weder ein »Voll« noch ein »Halbjude« war. Es konnte ja auch keiner wissen, das jene unsäglichen Briefe aus dem Verfahren der sog. Wiedergutmachung einmal an die Öffentlichkeit gelangen würden. Das die mal einer fotografiert. Und sie scheute sich auch nicht, eine Person in ihrer Abhängigkeit, der Mann der ihr das Kino machte, in diese Strategie mit einzubeziehen. Solange er ihr nützlich war, durfte er bleiben.

Später, als er ihr nicht mehr nützlich war, setzte sie ihn vor die Tür. Sie verkaufte »ihr Kino«, das sie übrigends nie selbst gemacht hatte an die »MGM«. Von nun an hieß es »MGM Waterloo«, denn der Ort war weiterhin modern: »Ich wollte es wäre Nacht, oder die Preußen kämen«

Hat sich was mit Direktor des »Waterloo Kinos«. Schließlich gab es ja eine Zeitung, die die Nachricht vom Verkauf des Kinos verbreiten konnte.

Auch damals gab es einen, der ihr nützlich war. Der Rechtsanwalt: Dr. jur. Otto Herbert Bauer aus Hamburg. Er war Jude und hatte sich in der Petrikirche in Hamburg taufen lassen. War zum Christentum übergetreten und evangelisch geworden.

Die Nazis hatte das aber nicht weiter gestört. Sie haben ihn deportiert und ermordet. Seine Tochter hatte sich noch ins Ausland retten können.

Wieder ein Dokument aus dem Netz: Rechtsanwalt Dr. Otto Bauer, geboren 1896, schreibt an seine Tochter in den USA: “1000 sollen deportiert werden. Auch wir gehören dazu, obwohl wir doch Christen sind. Einige nehmen sich das Leben. Wohin man mich schicken wird, das weiß niemand. Aber ich danke dem allmächtigen Gott, dass ich die Kraft aufgebracht habe, dich geliebtes Kind, vor diesem Schicksal zu bewahren.“ (Zitat aus dem Buch von Hans-Jürgen Benedict, Kein Trost,nirgends?) Otto Bauer wird zunächst ins KZ Fuhlsbüttel eingeliefert. Er kommt im September 1942 im KZ Mauthausen zu Tode. Soll man noch weiter suchen?

Nein. Ich glaube es reicht. Weitersuchen ist nicht nötig. Auch was nach ihrem Tode, die Testamentseröffnung Clara Esslen war am 30. Juni 1959, ihre Erben, die Kinder mit den vielen Vornamen, damit gemacht haben. Wer will das schon wissen? Nicht mal das Todesdatum von Clara Esslen, geb. Koglin, wissen wir.

Ihr ehemaliger Kinodirektor, Heinrich Bernhard Heisig, der von 1930 – bis zu seinem Rausschmiß 1956 »Direktor« des »Waterloo Theater« war, hat 1961 Malve Wilckens-Meierthur geheiratet. Von nun an hieß sie Malve Heisig. Malve Heisig, Keramische Unikate. Holunderweg 16 in Hamburg (Groß Borstel). 1984 ist Heinrich Bernhard Heisig gestorben. Da war er schon lange kein Kinobesitzer mehr.

Was hatte noch Gerard Philippe in der Deutschen Fassung von »Fanfan, der Husar« geantwortet, als sein Vorgesetzter herausposaunte, man habe ihm schon vier Pferde unter dem Arsch weggeschossen? Seine Antwort war: Ja, die besten sterben immer zuerst! Ob dieser Satz auch in der französischen Originalfassung gesagt wird, habe ich nie überprüft. J.

Waterloo Theater 25.08.1989
Foto Jens Meyer. Hamburg. Dammtorstraße 14. (Foto vom 25. August 1989)
Am 1. Januar 1933 erschien die 1. Nummer der Filmwelt . Das Filmmagazin. 30 Pfennig. Auf dem Umschlag ein Bild von Heinz Rühmann aus dem UFA Film von Max Ophüls: „Lachende Erben“. In dem Film spielt Heinz Rühman den Vertreter Peter Frank. Universalerbe des Weinhändlers Justus Bockelman. Start war am 6. März 1933. Drehbuchautor war Felix Joachimson, geb. am 05. 06. 1902 in Hamburg. Gest. am 07. 12. 1992 in Camarillo. Kalifornien, USA.

Nachtrag: Die Geburtsdaten der Kinder von Clara Esslen hat Peter O. herausgefunden: Eva Essslen ist am 3. Juni 1918 geboren. Erlo Esslen am 1. Februar 1922 und Günter Esslen am 21. August 1923. Damit ist auch geklärt wann diese Personen volljährig (21 Jahre alt) wurden. Mit anderen Worten. Es ist so wie ich bereits angenommen hatte: Bei Prozessbeginn waren alle „minderjährigen Kinder“ von Clara Esslen volljährig. (Vormundschaftsgericht). Die angebliche Minderjährigkeit wurde von Clara Esslen nur genutzt, J.

Tier

Apropos Heinrich Bernhard Heisig (I) (Waterloo Theater Hamburg)

PDF Text LZB Heinrich Heisig

In einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung ist (auszugsweise) ein Schreiben an das „Komitee ehemaliger politischer Gefangener“ vom 15. April 1946 abgedruckt, in dem Heinz (Heinrich) Bernhard Heisig seinen »Werdegang« beschreibt:

Die äußeren Daten meines Lebensweges finden Sie in den Antworten des Fragebogens. Was sie nicht aussagen, möchte ich in dem anschließenden Lebenslauf niederlegen: Ich entstammte kleinbürgerlichen Kreisen, besuchte sieben Jahre lang die Volksschule meiner kleinen westfälischen Heimatstadt und trat mit dreizehn einhalb Jahren als Lehrling in das kaufmännische Büro unseres heimischen Amtsblattes ein. Schule und Lehrstätte lenkten mein Denken in nationale Bahnen, so dass ich, nachdem ich als Neunzehnjähriger an den letzten Schlachten der Westfront teilgenommen hatte, zum Grenzschutz »Ost« übertrat, dem ich bis zum Juli 1919 angehörte.

Diese Flucht vor der drohenden Arbeitslosigkeit war aber für mich in vielerlei Hinsicht heilsam, denn ich machte als Soldat des Grenzschutzes allzu nahe Bekanntschaft mit dem Militarismus. Nicht zuletzt war es der lebendige Anschauungsunterricht über die menschenunwürdige Behandlung der Deputatarbeiter auf den adligen Großgrundbesitzen, der mich von jeder Art Nationalismus kurierte.

Während der anschließenden Lehr- und Wanderjahre in allen Teilen Deutschlands vertiefte sich meine Einsicht noch, da ich im Laufe meiner Tätigkeit in verschiedenen Berufen in enge Berührung mit dem Leben des werktätigen Volkes kam und seinen Kampf um seine Sehnsüchte aus eigener Anschauung kennenlernte. Was Wunder, dass ich mich zum Sozialismus bekannte und die großen internationalen Dichter und Polemiker mir den Weg zu einer klaren und eindeutigen Weltanschauung wiesen. ( . . . )
Als ich ( . . . ) im Jahre 1930 nach Hamburg ans Waterloo-Theater kam, brachte ich ein gutes Rüstzeug mit. Ich betrachtete es als meine Mission, dem werktätigen Volk beim Kampf um die Besserung seiner sozialen Lage mit meinen Einflussmöglich-keiten zu helfen und beizustehen. Die Spielplangestaltung des Waterloo-Theaters weist das eindeutig auf, und ich darf für mich in Anspruch nehmen, dass viele amerikanische, englische, russische und französische Filme ohne meine Initiative nie in Hamburg gezeigt worden wären.

In den aufreibenden Jahren der Nazi-Herrschaft konnte ich meinem Ziel und meinen Absichten nur treu bleiben, weil ich, wie es gar nicht anders denkbar und möglich war, manches in Kauf nehmen musste, denn dass eine so polemisch festgelegte Spielplangestaltung allen nur denkbaren Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt war, versteht sich von selbst. Trotz der wütenden Angriffe der Nazipresse zeigte ich, wie ich heute noch mit Genugtuung feststellen kann, bis zum November 1940 amerikanische Filme. Aus dem Fragebogen ersehen Sie, welche Verfolgungen mir meine Haltung und Einstellung eingetragen hat.

Was der Fragebogen nicht ausweist, sind die Fülle der kleinen Tücken und Schikanen, und hierzu möchte ich nur folgende kleine Aufstellung hinzufügen: Eine Anzeige wegen öffentlicher Zerreißung eines Hitlerbildes, Anzeige wegen Verweigerung des Hitler-Grußes, Verfahren zur Aberkennung der Betriebsführer-Eigenschaft, Verlust meiner Wohnung wegen meines Aufenthaltes im KZ., Anzeige wegen nationaler Würdelosigkeit, Anschuldigung des damaligen Kultursenators Dr. [Helmuth] Becker [1902–1962], ich führe einen ‚Juden- und Kommunisten-Kintopp‘ usw. usw.“

Zitiert nach einer Broschüre der Landeszentrale für politische Bildung, Hamburg, nach einem Dokument, das sich im Staatsarchiv Hamburg befindet, unter der Nummer 622, Familie Heisig. 2.4.

Kino Waterloo
Dammtorhaus, Dammtorstraße 14, 25.05. 1989 Foto Jens Meyer

Manfred Hirschel
Waterloo Theater Hamburg Parkett (Nach dem Einbau des Balkon)

Briefe an Wiebeke (XXXIII-33) Goldglanz

Briefe an Wiebeke (XXXIII) Goldglanz

Romische Zahlen am BUG

Hallo Wiebeke, die Zeiten ändern sich tatsächlich. Habe ich gestern bemerkt. Beim traditionellen Weihnachtstreffen der Familie. Sieben große Tafeln Schokolade der Firma Lindt, die mit Nüssen und 300 Gramm schwer hatte ich (der Opa) mitgebracht. Sieben Kinder wurden erwartet, aber es kamen nur fünf. Den anderen Kindern war ein Familientreffen wahrscheinlich zu langweilig gewesen. Erst nachdem alle Kinder nach der Bescherung auch vom Gemüse genascht hatten, kam Opa mit seiner Schokolade zum Einsatz. Ein alter Trick, wie man sich in das Gedächtnis der Kinder einschleichen, einschleimen kann.

Einem Onkel von mir war dies auf diese Weise vor 70 Jahren geglückt. Allerdings nicht in der Weise, in der er sich das selber vorgestellt hatte. Er war Mitglied der Gewerkschaft, welcher, weiss ich nicht, wohnte in Barmbeck und arbeitete bei der GEG, bzw. der Produktion, wie die Firma hieß. Wir Kinder nannten ihn Onkel Guschi. Vermutlich hieß er Gustav. Die Gewerkschafter hatten damals eine eigene Schokoladenfabrik. Meistens machten sie BABETTE Schokolade, aber manchmal auch Sarotti. Ich glaube, der genannte Onkel war in der Wurstfabrik der GEG.

Nach dem Genuss einer dieser Gewerkschaftprodukte, die er aus der GEG mit nach Hause gebracht hatte, wurde mir ziemlich schlecht und ich mußte mich, wie es vornehm genannt wurde: erbrechen. Kotzen, haben wir es genannt. Ob es die vergammelte Schokolade oder die vergammelte Wurst war, habe ich damals nicht herausfinden koennen. Jedenfalls kam beides als Kotze ans Licht.

Was das mit der Zeitenänderung zu tun hat? Ganz einfach. Dazu ist wichtig, das Du weißt, auf welche Weise meine Lindt Schokoladen an die Enkel gelangt sind: Ich habe jedes Kind genötigt, die große Schokolade selbst aus einem Beutel herauszuholen, den ich in der Hand hielt. Insgesamt sind so fünf Tafeln an ihre Empfänger und Empfängerinnen gelangt. Zwei Tafeln wurden den Eltern überreicht, die mir vorher ein Gelübde ablegen mußten, das die zwei Tafeln auch wirklich den betreffenden Personen übereignet werden.

Am nächsten Tag hat die Oma mich telefonisch erreicht und mir mitgeteilt, dass drei Tafeln der Schokolade in ihrer Wohnung verblieben waren, vergessen wurden. Zwei vergessene Tafeln kann man leicht erklären: Mit dem Stress der Eltern beim Aufbruch und dem abgelegten Gelübde. Sie wußten um die Versuchung, derer sie ausgesetzt gewesen wären und haben die zwei Tafeln deswegen einfach vergessen.

Bleibt eine Tafel übrig, die von einem Kind vergessen wurde. Und in dieser Hinsicht haben sich die Zeiten tatsächlich geändert. Vor siebzig Jahren hätte kein Kind eine Schokolade vergessen. Das gab es nicht. Und nun kommst Du.

Apropos vergessen: Heute konnte man, zum ersten mal seit drei Jahren, wieder 2,5 Tage lang, Silvester Böller kaufen. Aber Raketen wie früher gibt es nicht mehr. Sie wurden umbenannt und heissen jetzt, wie auf dem Budni Kassenbon vermerkt: Com. Goldglanz. Das hättsde jetzt nicht gedacht, wa?

Übrigens bin ich mit meinen Untersuchungen, wie man mit dem Tellerwaschen Millionärin werden kann, ein Stückchen weiter gekommen.

In dem Sinne, dass ich die Wohnanschriften der Famlie Kramp in der fraglichen Zeit herausgefunden habe. Wieder mit Hilfe des Scherl Adressbuches von Berlin. Ziemlich unwahrscheinlich was da von Biografen immer wieder erfunden wurde. Sogar angeblich seriöse Quellen (Munzinger) werden dadurch unglaubwürdig. Munziger schreibt, sie sei in Neukölln geboren, also im Süden von Berlin, wo doch die Familie Kramp im Norden von Berlin ihren Wohnort hatte. Berlin Rudow, oder Berlin Neukölln ist der Geburtsort von Ilse Kramp? Ziemlich unglaublich.

Die Wohnungen, in denen die Familie Kramp in den Berliner Adressbüchern der Firma Scherl auftaucht, befinden sich mehr im nördlichen Teil von Berlin. Kaum zu glauben, dass eine Pianistin, ihre Mutter, weite Reisen unternimmt um einer Nebentätigkeit als Stummfilmbegleiterin nachzugehen. Ilse war als Name in meiner Kindheit verpönt. Unser Reim: Ilse bilse, keiner willse, kam ein Koch, nahm sie doch! Auch der Beruf des Kochs war verpönt. Wer eine Klassenarbeit mit einer fünf nach Hause brachte, dem wurde empfohlen: werd Bäcker, oder auch: werd Steineklopfer. Damit waren aber nicht die Steinmetze genannt, die die Grabsteine mit Buchstaben versehen, sondern die Menschen, die die Straßen gepflastert haben.

Die Anschriften des Briefträgers, im Scherl Adressbuch von 1918, nennt er sich Hermann Kramp mit der Berufbezeichnung: »Ob. Postschaffn.« und ist verortet in Berlin N 65, in der Transvaalstr. 18 im vierten Stock. 1931 findet er sich wieder auf Seite 1741 des selben Scherl Adressbuches als: Kramp, Hermann, Postsekr., im gleichen Bezirk: N 65 in der Glasgower Str. 6. Diese Strasse wird auch in dem Spiegel Artikel von 23. Januar 1957 genannt. Die Hausnummer wird in dem Spiegel Artikel nicht genannt.

Dort hat auch Ilse Kramp gewohnt, bis sie 1938 die Ehe mit Hans Wilhelm Kubaschewski eingegangen war und mit ihm die Wohnung im Bezirk NW 87, in der Händelallee 14 bezogen hatte. Der Scherl vermerkt als Besonderheit mit einem Versal T, das die Wohnung ein Telefon (T) hat. Die Telefonnummer wird dort aber nicht genannt. In diesem Haus gibt es auch ein Büro: Die „Filmtheater Betriebsgesellschaft Kramp & Co“, ebenfalls mit einem Telefon. Der Eintrag befindet sich in dem Adressbuch der Firma Scherl von 1939 auf Seite 351.

Auf dem Grabstein sind dann alle wieder versammelt. Der Stein von oben nach unten gemeisselt: Ilse Kubaschewski, Hans W. Kubaschewski, Hermann Kramp (Vater), Maria Kramp (Mutter), Erich Kramp (Bruder), Gerda Kramp (Schwester) und ein Heinz Steckel, wer immer das auch ist. Der vermutlich Letztgestorbene hat diesem Steinmetz die entsprechenden Anweisungen hinterlassen. Doch in welchem Kino Ilse sozialisiert wurde, hat Ilse offensichtlich mit ins Grab genommen. Nur damit Du nichts falsch verstehst: Die Bezeichnungen: Vater, Mutter, Schwester und Bruder sind natürlich nicht auf dem Grabstein mit eingemeisselt.

Vergessen hatte ich den sauberen Gatten von Ilse: Der angebliche „Fillialleiter“ der UFA, der immerhin Vorgesetzer von 34 Angestellten der Berliner „Filiale“ war. Während die Hamburger UFA „Filiale“ nur zehn Angestellte hatte, wie die Lichtbildbühne vom 27. Juli 1938 preisgibt. In dem Buch von Curt Riess: „Das gabs nur einmal“ schreibt dieser über Kubaschewski, das Pg Kubaschewski politisch und charakterlich einwandfrei gewesen sei, was man vor allem deswegen bezweifeln kann, weil Curt Riess das gar nicht wissen kann, weil er in dieser Zeit im Ausland weilte. Nicht ohne Grund weilte er dort. Als Jude war er vor den Nazis aus Deutschland geflüchtet. Bleibt nur anzumerken, das Adolf Eichmann „seine“ SS Leute ja auch gelobt hatte, das sie bei der Ermordung der Juden „anständig“ geblieben seien.

Als jedenfalls Hans W. Kubaschewski 1952 den Auftrag gab, die Nazis aus dem Film »Casablanca« zu entfernen und aus dem Widerstandskämpfer Viktor Laslo den Strahlenforscher Viktor Laslo zu machen war Pg. Hans Wilhelm Kubaschewski schon Generaldirektor der Warner Bros. Deutschland.

PDF Abschrift Leserbriefe Daum + Fischer

Die Kombination von Ilse und Hans war übrigens sehr einträglich. In den Biografien von Ilse Kubaschewski tauchen die Geldquellen aus ihrer Anfangszeit auf: Die Abfindung als Chefdisponentin der Firma Siegel in Höhe von 100 TRM, die ihr der „Reichsbeauftragte für die deutsche Filmwirtschaft“ Max Winkler von der Cautio verschafft hatte. Nur damit Du nicht nachgucken mußt: Die Cautio war die Tarnfirma des Propagandaminsters Joseph Goebbels. Gezahlt wurde, als Joseph Goebbels den Filmverleih von Siegel mit Hilfe von Max Winkler in den UFI Konzern eingliederte. (Anmerkung 2. Januar 2023: In dem Buch von Michael Kamp, das er mir freundlicher Weise als PDF geschickt hat, gibt es dazu eine ganz andere Version. Danach kam eine Abfindung von 43.000 RM keineswegs von der Cautio, sondern von der Firma Siegel Film. Also heisst es wieder: noch mal nachkratzen.)

Eine erste Spur fand ich in einem Filmbuch aus dem falschen Berlin: Ostberlin. Jener Staat der 1948, mit Stalins Hilfe den Versuch unternommen hatte, durch eine Blockade zu erreichen, sich den Westteil Berlins einzuverleiben. Schon allein durch diesen Versuch und seine einseitige Sichtweise war jedes Buch aus der DDR eine Waffe im Kampf der Systeme. Auch wenn es nachprüfbare Fakten gab, hörte man im Westen nicht gerne, wenn ein Horst Knietzsch in seinem Buch „Film gestern und heute“ zum Thema Amerikanischer Filmverleih folgendes schrieb:

„Anfänglich nahmen es einige amerikanische Offiziere der für das zivile Leben verantwortlichen Militärbehörden recht genau mit Filmlizenzen. Der Krieg gegen das faschistische Deutschland wirkte in ihnen noch nach. In den 131 Paragraphen ihrer Fragebogen blieb so mancher Faschist, mancher faschistische Förderer oder Nutznießer des Hitlerregimes hängen, der geglaubt hatte, über das lukrative Filmgeschäft wieder zu einer günstigen wirtschaftlichen Ausgangsposition gelangen zu können.“ ( . . . ) Aber bald lockerten sich ihre politischen Grundsätze beträchtlich. Amerikaner und Deutsche machten bei der Lizenzverteilung einträgliche Geschäfte. Auf diese Weise wurden die Grundlagen für manchen Großverleih in Westdeutschland gelegt. Erstaunliche Karrieren zeichneten sich ab. Zu den Vertrauten der amerikanischen Militärbehörden gehörte Hans W. Kubaschewski, der schon vor dem Krieg mit Filmverleihern der USA verbunden war. Dann hatte er den Posten des Berliner Filialleiters der faschistischen Deutschen Film-Vertriebs-GmbH bekleidet, die zur UFA gehörte. Zusammen mit einem gewissen Walter Klinger aus Hollywood verlieh Kubaschewski nach 1945 die ersten Filme, vor allem Reprisen aus der Produktion vergangener Jahre. Der erzielte Gewinn ging in die Millionen. Kubaschewski war klug genug, sich nicht selber einen Filmverleih aufzubauen. Das tat seine Frau. Er mit seinen guten Verbindungen knüpfte die Beziehungen und gab die richtigen Tips. Später wurde er der Verantwortliche des Warner-Brothers-Verleih und dann, von 1959 bis zu seinem Tode, Direktor der Bavaria in München. Ilse Kubaschewskis Gloria-Verleih entwickelte sich zu einer der größten Verleihfirmen in Westdeutschland.“

Wie wenig souverän man mit diesen Quellen aus der DDR umgehen konnte, zeigt ein Buch, das 1973 in der BRD erschienen ist. Geschrieben hat es Dr. Klaus Kreimeier, der mein Dozent an der dffb war, der sich damals streng auf dem Boden des Marxismus-Leninismus, Ausgabe Maosedong, bewegte. Ich hab das Buch aufbewahrt. Ich war mit vielen Sachen damals nicht einverstanden und habe diese Stellen, was sonst nicht meine Art war und ist, mit Bleistift unterstrichen, manchmal sogar mit Kugelschreiber.

Hier findet sich in seinem Kapitel: »Tabuala rasa? Klassenkämpfe in den Westzonen« auf Seite 46 das Zitat aus dem Buch von Horst Knietzsch, aber so zitiert, das man nicht erkennen kann, woher es eigentlich stammt. Man könnte vermuten, es stammt aus dem Buch von Peter Pleyer und nicht von Horst Knietzsch, den man im Westen offensichtlich nicht zitieren konnte. Und doch, wenn man es heute überprüft, der Mann (Horst Knietzsch) hatte Recht und zwar noch mehr als er selber herausgefunden hatte. Der Beweis stammt aus einem Buch, das mit Förderung eines BRD Innenministers entstanden ist. Da muß man allerdings sehr genau hinauschauen, um zu erkennen, was damals passiert ist. Ich versuche mal eine Art Übersetzung.

Der amerikanische Offizier, der damit beauftragt wurde, die Leute wieder mit Filmen zu versorgen war Sergeant Walter A. Klinger. Walter A. Klinger war am 12. Mai 1912 in Wien geboren und arbeitete ab 1929 für die Firma Warner Bros..

Erst in Wien und anschließend in Berlin. Walter Klinger war Jude. Bei der Machtübergabe an die Nazis 1933 flüchtete er aus Deutschland und heiratete 1935 in Wien Hertha Bley. Als im März 1938 die Deutsche Wehrmacht in Österreich einmarschierte, flüchteten sie nach Trinidad, wo Walter Klinger für Warner Bros. tätig war.

Als 1940 Frankreich kapitulierte, wurden die Klingers als unerwünschte Ausländer in Trinidad interniert. 1940 wurde dem Ehepaar Gelegenheit gegeben, Bürger der USA zu werden. Walter Klinger war zu diesem Zeitpunkt 28 Jahre alt und wurde Soldat der US Armee. 1946 schied er aus der Armee aus und ging zuruck zu Warner Bros. und arbeitete in deren Lateinamerika Abteilung. Walter Klinger starb am 15. März 2003 in Camarillo in Kalifornien. Was dazwischen so passiert ist, muß ich erst noch herausfinden. Sei versichert, Du erfährst es zuerst, J.

Nilpferd
Zeichnung Helga Bachmann

Cinema Feroviar

Zwei Fundstücke Cinema Feroviar in Bukarest

PDF Calin Hentea Cinema Feroviar

Das Foto habe ich vom Trödler. Der Text kommt aus dem Netz und ist geschrieben von Calin Hentea und wurde von einer Suchmaschine übersetzt. Das Foto vom Abriss ist ebenfalls von Calin Hentea und schon gehts los:

Ich weiß nicht mehr, wie alt ich war, wo und was mein erster Film war. Sicher ist, dass ich auf dem Boulevard Dinicu Golescu wohnte, gegenüber dem Eingang zum Nordbahnhof, und meine Großmutter nahm mich, noch bevor ich lesen lernte (sie flüsterte mir die Untertitel zu), vor allem ins Kino Feroviar. Es war einmal, in den 60er Jahren, an der Kreuzung zwischen Calea Griviţei und Buzeşti. Halle mit Balkon, knarrende Holzstühle, der Geruch des Bodens nach Kerosin und diskrete Typen mit extra Ticket am Eingang (aber ich hatte nichts mit ihnen zu tun).

In der Ecke war der Buchladen Ion Luca Caragiale, wo ich die Hardcover-Reihe von Dumas‘ Romanen und die historischen aus der Sammlung „Cutezătorii“ kaufte. Neben dem Feroviar-Kino gab es jedoch ein Fotostudio, in dem Fotos (ein Leu pro Stück) von fast allen ausländischen Schauspielern verkauft wurden, die wir in den Filmen gesehen haben. Wie viele Eiscremes habe ich im Austausch gegen ein Foto der „Corsican Brothers“ oder „Winnetou“ aufgegeben . . . was im Laufe der Jahre zu einer wunderschönen Sammlung geworden ist. Ergänzt wurde es, je nach dem für das Eis vorgesehenen Budget, am Buffet im Nordbahnhof, wo es Kaugummis (lame) mit kleinen Schwarz-Weiß-Bildern von „The Saint“ (der berühmten Samstagabend-Serie mit Roger Moore) gab, als das ganze Land auf der Straße verödet war), aber auch in Farbe, ebenfalls im Format 4,5 x 7 cm, mit verschiedenen Schauspielern.

Ich kehre zum Kino Feroviar zurück, von dem ich viele Jahre lang nur die Ruinen der Außenmauern gefunden habe, und jetzt nicht einmal diese. Welche Filme habe ich dort gesehen, besonders nachdem ich in der Schule eine Zehn bekommen hatte. Gérard Barray (von dem 2010 ein junger Verkäufer in einem großen Pariser Fachgeschäft am Boulevard Saint Michel nichts gehört hatte) war mein absolutes Idol: „Die drei Musketiere“, die Serie mit „Pardaillan“, die Serie mit „ „Scaramouche“, die Serie mit „Surcouf“, die Serie mit „San Antonio“ . . . worüber können wir noch reden. Ich mochte Jean Marais vor allem in der „Fantomas“-Reihe, aber in „Der Bucklige“, auch wenn er gut gekämpft hat, war es, als wäre er zu-ich-weiß-nicht-wie. Als Student durfte ich selbst mit meiner Mutter an der Hand weder in die Serie mit „Angelika, Marquise der Engel“ noch in „Moll Flandern“ eintreten.

Ich weiß nicht, warum und wie, aber meine Eltern haben mich weder ins Marna-Kino, das gleich um die Ecke in der Buzeşti-Straße war, noch ins Dacia-Kino mitgenommen, wo viele Jahre später Mircea Daneliuc mit filmen würde Gheorghe Dinića und Coca Bloos „Ehebett“. Die „Eisenbahn“ war bereits nur noch eine traurige Ruine.

Es war eine ganze Welt da draußen, direkt neben dem Matache-Platz, wo meine Großmutter lebende Hühner kaufte, sie hinter dem Block köpfte, sie selbst „rupfte“ (d. h. ihre Federn rupfte) und dann eine klare Nudelsuppe kochte, wie sie konnte nur in wenigen Haushalten in Siebenbürgen ist sie heute kaum noch zu finden. Heute haben die Bagger diese Orte betreten. Die meisten Ruinen, die vor dem Angriff der Bulldozer fotografiert wurden, wirken unhygienisch, erbärmlich, zigeunerhaft . . . , aber andererseits war es eine Welt, die vielleicht sauberer und ehrlicher war, als wir uns vorstellen konnten. Einige Häuser, die nicht wissen, ob sie vergeben und restauriert werden, zeugen weiterhin von einem Stil, einem Adel, einem Charme, einer längst vergangenen Geschichte.

Scham und traurig. Calea Griviţei, Ecke Buzeşti und mit dem Labyrinth um den Matache-Platz, hätte eine Innenstadt, eine Fußgängerzone, ein kommerzielles, festliches, modisches, böhmisches Vieux-Village sein können, wie es Bukarest nicht hat und verdient hätte.“ (Calin Hentea) (4. November 2011)

Foto von Calin Hentea
Zeichnung Helga Bachmann

Briefe an Wiebeke (XLVIII-48) Über angebliche Pioniere und wirkliche, die aber leider vergessen wurden.

Romische Zahlen am BUG

Zeichen: 11.299 Briefe an Wiebeke (XLVIII) Über angebliche und wirkliche Pioniere, die aber leider vergessen wurden.

Briefe an Wiebeke (XLVIII) 11332 Über angebliche und wirkliche Pioniere

Hallo Wiebeke, zwei Zitate fand ich aufhebenswert und habe sie für Dich abgeschrieben. Ich weiß sogar noch wo: Das eine fängt so an:

Zitat 1: “Ich habe Coupery‘s Stimme nie gehört. Er war tot, lange bevor ich Ohren hatte.“ (Cees Nooteboom, Der Umweg nach Santiago, Seite 71), und fährt dann fort: “ . . . und ich weiß nicht, ob der Phonograph den Klang dieser Stimme aufgenommen hat.“

Zitat 2: “Die Arbeiter sollen arbeiten, deswegen heissen sie ja Arbeiter. Der Unternehmer heißt Unternehmer, weil er etwas unternimmt: Ins Kino gehen, Urlaub machen und was der Tätigkeiten noch mehr sind.“

Ich glaube, das Zitat 2 habe ich mir selber ausgedacht. Ich würde mir das zutrauen. Während der Corona Zeiten war ich viel zu Hause und im Netz und auch zu Hause.

Bei meinen Nachforschungen über die deutsche Tonfassung von »Im Westen nichts Neues« wurde oft der Name »Rohnstein« genannt. In einem Textbeitrag wird diesem »Konrad Paul Rohnstein« sogar unterstellt, er sei ein deutscher Pionier bezüglich der Synchronisationsarbeiten gewesen.

Dem muss ich hier mal widersprechen. So war es nicht. Ähnlich geht es mir mit einem, der später so beliebte Filme, wie »Hurra, die Schule brennt!« den Du natürlich nicht kennst, weil er 1969 ins Kino kam und Du da noch nicht reindurftest, weil Du noch nicht alt genug warst, regiemässig zu verantworten hatte.

Fehlte noch, das dieser Mensch mit Namen »Werner Jacobs«, der ebenfalls dabei gewesen sein soll, als die Deutsche Fassung dieses Filmes, die damals nicht ins Kino kam und auch später nicht, weil den Nazis die Macht übergeben wurde, ebenfalls zu einem Pionier von »Im Westen nichts Neues« umgelogen wird.

Der »PROMI«, wie ihn mein Vater noch genannt hatte, manchmal auch zärtlich: »Unser Doktor«, hatte ein großes Talent gegen Filme zu sein, die er nicht gesehen hatte. Jedenfalls ist nicht überliefert, ob sich der spätere »PROMI« den Film vorher mal angesehen hatte, bevor er die Stinkbomben und die weißen Mäuse für die Premiere des Filmes bestellte.

Da war er aber noch gar kein »PROMI«. Vielleicht ist er doch selber einkaufen gegangen. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Hanns Brodnitz berichtet in seinem Buch: »Kino Intim«:

“ . . . zumal in Parkett wie im Rang des Theaters aus kleinen Pappkartons weiße Mäuse in solcher Anzahl losgelassen wurden, daß man auf einen Ausverkauf dieses Artikels in sämtlichen Berliner einschlägigen Tierhandlungen schließen konnte . . . Keiner von den Protestlern hatte den Film gesehen, jeder begnügte sich damit, eine Parole gehorsam nachzuplappern, von deren Richtigkeit sich niemand überzeugen wollte. Es schien eisern festzustehen, daß dieser Film ein Schandfilm war.“

(Seite 91).

Weiße Mäuse sind immer noch günstig zu haben. Heute kann man sie für 1,00 Euro pro Maus bestellen.

Sieben Tage nach der Premiere, am 11. Dezember 1930 verbot die »Filmoberprüfstelle« die Aufführung dieses Films. Wer sich das Foto des Oberzensors im Netz ansieht, versteht, wer da wie entschieden hat und warum.

Werner Jacobs kommt jedenfalls für die Heldengeschichte des angeblichen »Pioniers« der Entwicklung der deutschen Synchronisation ebenfalls nicht in Frage. Das liegt schon in seiner Biografie: Geboren am 24. April 1909 in Berlin. Gestorben is

t er am 24. Januar 1999.

Dazwischen ist natürlich auch noch was passiert. Überliefert ist: 1928 ist er in Berlin Schüler der Oberrealschule in Steglitz und macht dort sein Abitur. Überliefert ist weiterhin: Aus finanziellen Gründen war es ihm nicht möglich, ein Studium zu beginnen. Vielleicht hatte er auch nur keine Lust?

Jedenfalls berichtet eine andere Quelle, das »Werner Jacobs« zwei Jahre lang auf Arbeitssuche war und schließlich 1930 bei der Firma »Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133, Berlin SW 68« eine Anstellung fand. Ob er sich zwischenzeitlich über die Materie »Film« Kenntnisse angeeignet hatte, ist nicht überliefert.

Auch nicht überliefert: Der Zeitpunkt der Auftragserteilung durch die Produktionsfirma: Universal. Die USA Premiere war am 21. April 1930, die UK Premiere in London am 14. Juni 1930. Premiere in West Germany war am 14. März 1952, berichtet imdb.com, die man auch nicht mehr ansehen kann, weil, es wimmelt nur so von Werbung.

PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren sie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.

Die erste Deutsche Erstaufführung der Tonfilmversion hat am 4. Dezember 1930 im Mozertsaal Berlin bei Gerhard Reutlas stattgefunden. Hanns Brodnitz schreibt über Gerhard Reutlas im Kapitel „Junger Mann in der Flimmerkiste“:

„Reutlas eröffnete herzklopfend am 14. Juli 1923 bei 35 Grad Hi

tze im Schatten mit einem Groteskenabend, den er dem dicken Fatty gewidmet hatte. Die nächsten Wochen stümperte er sich durch. Am 3. September zeigte er einen Film, der niemand interessierte. Ein gewitzter Filmverlei

her hatte ihn für Deutschland um einen Pappenstiel gekauft. Der Film lief siebzehn Wochen vor ausverkauften Häusern und hieß „My Boy“, mit Jackie Coogan. Nun konnte Reutlas seine Theorien vom modernen Kino in die Praxis umsetzen. Er machte den Nollendorfplatz zur „amerikanischen Ecke“, zum Weltstadtwinkel des internationalen Spitzenfilms . . .“ (Seite 15)

Und Hanns Brodnitz weiter in dem Kapitel:

Der Krieg der weißen Mäuse:

„Reutlas hatte den Film (Im Westen nichts Neues) nach monatelangem Kampf für sein Theater endlich erworben. Die Hersteller waren in ihren Ansprüchen nach den Resultaten der Aufführung in allen Ländern maßlos, und Reutlas versuchte, die Forderungen auf ein erträgliches Maß herabzudrücken. Die von ihm übernommenen Verpflichtungen waren ungeheuer.“

(Seite 87).

Am einfachsten scheint es mir doch, das ich Dir das Buch ausleihe, bevor ich jetzt alles abschreibe. Das Buch von Hanns Brodnitz ist wirklich sehr kurzweilig geschrieben.

PDF Auszug aus Hanns Brodnitz

Dagegen ist mir aus Internet Quellen folgendes Zitat voller Verwirrung in die Augen gefallen, also erst in die Augen gefallen und anschließend kam mir die Verwirrung. Und da ich Dir den Grund meiner Verwirrung nicht vorenthalten will, kommt hier die Aufklärung. Da lebt er auf, der kleine Schulmeister, der in jedem von uns und natürlich auch in mir steckt:

Die deutschen Dialoge von Im Westen nichts Neues sind das Werk eines Pioniers, Konrad Paul Rohnstein, der für Jahre eine zentrale Figur deutschen Synchronisation bleiben wird. Seine Firma Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. blieb bis 1945 eines der bedeutendsten deutschen Synchronstudios.“

Daran ist so ziemlich alles falsch. Und nun kommst Du.

Fangen wir mal vorn an: Die Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Berlin« wurde erst am 9. August 1933 gegründet. Eine OHG, die am 3. November 1933 ins Handelsregister eingetragen wurde. Man beachte den Zeitpunkt der Gründung und ziehe vermutlich, so wie ich, daraus

Schlüsse, die ich aber hier (noch ) nicht ausbreiten will.

Zum Zeitpunkt der Gründung dieser Firma, war die deutsche Fassung dieses Filmes schon seit 10. Dezember 1930 in Deutschland verboten und durfte nur noch in geschlossenen Veranstaltungen gezeigt werden. Die Machtübergabe an die Nazis regelte den Rest.

Das Zitat aus Buchers Enzyklopädie des Filmes, macht die Sache eindeutig: “In Deutschland gelang es den Nationalsozialisten mittels inszenierter Demonstrationen vor den Kinos, sein Verbot zu erreichen.“ Das steht beim Bucher auf Seite 26, wenn Du das noch mal nachsehen willst.

Hat sich was mit Pionier Rohnstein! Das war vermutlich der Lehrling bei der Firma, die die Deutsche Fassung tatsächlich hergestellt hatte. Der Herr Dr. aus Würzburg mit Wohnsitz in Berlin Spandau.

Da habe ich auch noch was herausgefunden, aber nicht schummeln und hinten nachsehen

Apropos Pionier: Da lob ich mir doch den Kameramann Karl Freund, “der im Alter von 15 Jahren als Filmvorführer begann“ wie der Bucher auf Seite 275 schreibt, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hatte, wie man sich in Berlin auszudrücken beliebte, als ich dort weilte. Das ist ein wirklicher Pionier gewesen. Er soll sogar die Schlusseinstellung von »All Quiet on the Western Front« erdacht und gefilmt haben. Die Amis nennen ihn sogar in den credits.

Herr Rohnstein hatte dagegen nur eine langweilige Doktorarbeit geschrieben und war bei der Firma mit dem eigenartigen Namen: “Rhythmographie GmbH“ als „Ungelernter“ angefangen. Ein Doktor ohne jede Materialkenntnis, der sich dann später hochgearbeitet hat.

Die Pioniere sind jedenfalls andere. Auch sie sind Firmengründer und gründen am 16. September 1929 eine Firma mit einem Schreibfehler. Naja, nicht Schreibfehler. Im Firmennamen: »Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung« taucht der Buchstabe H zweimal auf.

PS: Ach, was ich noch vergessen hatte. Schnell waren s

ie ja bei der Ufa. Ich hab schon mal wieder in dem Buch meines ehemaligen Dozenten, Klaus Kreimeier, nachgesehen. Da schreibt er auf Seite 519 seines Ufa Buches: Am 28. März 1933, übrigens ein Dienstag, redet Herr Goebbels in einer Kneipe, im Kaiserhof, zu den »Spitzen der deutschen Filmindustrie« und einen Tag später beschließt der Vorstand der UFA die jüdischen Mitarbeiter der UFA rauszuschmeissen. Mein ehemaliger Dozent nennt es »vorauseilender Gehorsam« Und da hat er ja Recht, der Gute.

Die Pioniere finden sich eher unter den Gründern dieser Firma: Ingenieur Karl Robert Blum, Ingenieur Walter Hahnemann und Kaufmann Karl Egon Martiny und den Angestellten dieser Firma, die seit 1930 ihre Geschäftsräume in SW 68, in der Alten Jacobstr. 133 im vierten Stock haben. Wenn man sich ein wenig Mühe gibt, so habe ich herausgefunden, dann kommt man auch mit den digitalisierten Berliner Adressbüchern der Firma Scherl zu Rande. Man hüte sich jedoch davor, irgend welche Schlüsse zu ziehen, aus Erkenntnissen, die man meint, gewonnen zu haben. Was in dem einen Jahr so, ist im nächsten Jahr anders.

Viktor Abel wohnte seit 1928 in Berlin, denn im Adressbuch der Firma Scherl von 1929 (Redaktionsschluss 15. 10. 1928) taucht er mit Namen und Berufsangabe im Teil I (Einwohner Berlins) auf Seite 2 auf. Dort zu lesen: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Charlottenburg, Riehlstr. 11 (II) T (Und T = Telefon hat er auch: West 1249). Von dem Toningenieur, Dr. Gerhard Goldbaum, auch ein vergessener Pionier, konnte in den Scherl Adressbüchern keine Berliner Anschrift finden.

Ähnlich wie mit Viktor Abel ist es mit Carl Robert Blum. Zehn Patente habe ich auf der Seite des Deutschen Patentamtes gefunden. Dabei kam mir mein kleines Gastspiel in der Gitschinerstrasse 97 von damals (1974) zu Hilfe. Du erinnerst Dich vielleicht daran, wie mich das Arbeitsamt, Sachbearbeiter Knebel vom Arbeitsamt Steglitz, hereingelegt hatte? Durch die Kopierarbeiten, zu denen ich im Keller des Deutschen Patentamtes, in der Gitschinerstrasse freiwillig gezwungen wurde, verfügte ich über sog. Vorkenntnisse: Auslegeschrift usw.

Auch die Firma, die die Geräte des Erfinders Carl Robert Blum, manchmal auch Karl Robert Blum, herstellte, ist hier zu nennen. Wenn Pionier, dann schon alle: H. W. Müller & Co, Werkstatt für Elektro- und Feinmechanik, SW 48, Besselstr. 21.

Auf der Seite der »vergessenen Filme« steht über Max

Bing: “Der Dialogregisseur Max Bing (1885-1945) war in der Hauptsache beim Rundfunk tätig. Er arbeitete vor allem als Hörspielregisseur.“

Und natürlich, und eigentlich zuallererst der Mann, der als Fachmann die Synchronisationsarbeiten geleitet hat: Viktor Abel.

Auch zu Konrad Paul Rohnstein gibt es neue Erkenntnisse und Vermutungen, die sich aus den Nachforschungen ergeben die anhand der ins Netz gestellten Adressbücher möglich waren:

Im Adressbuch von Berlin 1922 gibt es einen Rohnstein, A., Kaufm., unter der Anschrift, Falkenhagener Str. 7 im Straßenverzeichnis von Berlin Spandau. Das ist natürlich noch keine besondere Neuigkeit.

Zehn Wohnungen gibt es in diesem Haus. (Adressbuch 1922, Scherl Teil IV Seite: 1163) In den Folgejahren: 1923/24/25/26 wiederholt sich dieser Eintrag.

Doch 1927 auf Seite 2814 findet sich ein andrer Rohnstein in dem selben Haus: Falkenhagener Str. 7.

Ein Mensch, der scheinbar sehr stolz auf seinen Namen ist und sorgsam darauf achtet, dass im Adressbuch auch alle seine Titel genannt werden: Rohnstein, Paul, Dr. rer. pol. (Adressbuch 1927, Teil IV, Seite 2814).

Aus der Tatsache, das Konrad Paul Rohnstein, dieser eitle Fatzke, sich auch in das Adressbuch von 1924, Redaktionsschluss 15. 10. 1923, mit seinem gerade erst erworbenen Titel (Dr. rer. pol.) in Berlin Spandau, mit der Anschrift Freiheit 2, II Stock, T (Telefon) 445 um den Sohn, des Kaufmannes Alfred Rohnstein handelt.

Wie wäre es sonst möglich, das dieser die Wohnung von Alfred Rohnstein in der Falkenhagenerstr. Nr. 7- 1927 einzieht? Das kann also nur ein naher Verwandter von Konrad Paul Rohnstein sein.

Und wo bleibt nur die Biografie und das Foto von Walter Lindemann, geb. 4. August 1887, gest. 8. Januar 1971, das mir die Enkelin von Walter Lindemann vor drei Monaten schicken wollte? Ja, jetzt hat sie es endlich geschickt. Danke!

Walter Lindemann (Das Foto wurde uns von Birgit Heidsiek zur Verfügung gestellt)

Du erinnerst Dich an diesen mutigen Polizeioffizier aus dem Amt Ritzebüttel, Cuxhaven? Der, der die Nazis nach Hause geschickt hat. Wenn ich doch Verbindung mit Walter Lindemann aufnehmen könnte, und mich über die faule Enkelin, die immer davon schreibt, das sie auf Panels sitzen würde, bei ihm beschweren könnte, das wärs doch ? Oder J.

Ernst Seeger von der Filmoberprüfstelle
Lewis Milestone

PDF BuchumschlagHannsBrodnitzKinoIntim

Plakat My Boy

Nilpferd Auge zu
Zeichnung Helga Bachmann

Apropos Konrad Paul Rohnstein

PDF Apropos Konrad Paul Rohnstein4355 (III)

Wikipedia hat nur geschrieben, wann dieser Mensch geboren ist. Beim Todesdatum steht bis heute (22. September 2022, 20.00 Uhr ): Unbekannt. Doch der Betreiber der Synchrondatenbank, Arne Kaul, hat es herausgefunden. Gestorben ist Rohnstein am 12. August 1973 in München. Geboren ist Konrad Paul Rohnstein am 21. Januar 1900.

Aus seiner Biografie gibt es einige sichere Daten. Er hat in Würzburg studiert und eine Doktorarbeit geschrieben und taucht im Berliner Telefonbuch von 1927 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1926) als Rohnstein, Konrad Paul, Dr. rer. pol. auf. Die Doktorarbeit wurde am 18. Oktober 1923 bewertet. Wie, konnte ich nicht herausfinden. Im Telefonbuch gibt es auch Rohnsteins Berliner Anschrift: Falkenhagener Str. Nr. 7, Berlin-Spandau. T: 22 42.

Die Doktorarbeit trägt den Titel: „Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Filmindustrie unter besonderer Beruecksichtigung des Kinematographentheatergewerbes“. Diese Doktorarbeit steht auszugsweise im Netz. Ich habe sie überflogen. Sie beschäftigt sich nicht, wie man vermuten könnte, mit den technischen Abläufen bei der Herstellung von Filmen, sondern nur mit deren Vermarktung in den Kinos.

In Berlin wurde am 16. September 1929 die „Rhytmographie Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ gegründet und am 30. November 1929 ins Handelsregister Berlin unter der Nummer 43259 eingetragen.

Die Gesellschaft hat ein Stammkapital von 75.000 RM und drei Geschäftsführer: 1. Ingenieur Karl Robert Blum, Berlin, 2. Kaufmann Karl Egon Martiny, Berlin, 3. Ingenieur Walter Hahnemann, Berlin. Im Scherl Adressbuch von Berlin, Ausgabe 1931 (vermutlicher Redaktionsschluß 15. Oktober 1930) habe ich auf Seite 444 den Eintrag gefunden: „Rhythmographie G. m. b. H., Phono- u. Kinotech. Ind., SW 68, Alte Jacobstr. 133.

Die Firma arbeitet auf der Grundlage der Patente von Carl Robert Blum. Blum hatte viele Berufe. Einer davon war: Erfinder. Außerdem war er Kapellmeister und Direktor des: »Mohr’schen Conservatorium für Musik«, das bereits seit 1870 existierte.

Eine der ersten Arbeiten, die die „Rhythmographie GmbH“ (vereinzelt auch in der Schreibweise: Rhytmographie GmbH) ist die deutsche Tonfassung des Filmes: „Im Westen nichts Neues“ (All Quiet on the Western Front, USA 1930, 140/125 Min.) von Lewis Milestone, der als Stumm- und als Tonfilm in die Kinos kam. In die deutschen jedoch nicht. Das wird an anderer Stelle geschildert. (Siehe Anlage Bucher Seite 26)

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Chefdramaturg der UFA: Viktor Abel. Auf der Seite der „Vergessenen Filme“ kann man studieren, wer sonst noch daran beteiligt war, diese Synchronarbeiten im Auftrag der Filmproduktionsfirma Universal durchzuführen: Max Bing (Dialogregie), Konrad Paul Rohnstein (Assistent), Werner Jacobs (Assistent Tonschnitt), Elsa Jaque (Dialogbuch). Diese Angaben habe ich nur teilweise (Abel, Bing, Rohnstein, Jacobs) überprüft.

Einen Eintrag von Viktor Abel fand ich in den Scherl Adressbüchern von Berlin. Die Ausgabe von 1929 (Redaktionsschluß 15. Oktober 1928) enthält den Eintrag: Abel, Viktor, Filmdramaturg, Riehlstr. 11 (II) in Charlottenburg. 1931 taucht Viktor Abel mit gleicher Berufsbezeichnung in Berlin Zehlendorf, in der Lindenallee 4 auf. Geboren ist er am 2. Dezember 1892 in Kiev, das in jener Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte.

Nach der Machtübergabe an die Nazis wurde am 9. August 1933 eine neue Gesellschaft gegründet: »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co. Sitz: Berlin«.

Diese wurde am 3. November 1933 unter der Nr. 78867 in das Berliner Handelsregister eingetragen: „Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co.Berlin“. (OHG) Gesellschafter sind: Kaufmann: Alfred Lüdtke, Produktionsleiter: Dr. rer pol. Konrad P. Rohnstein und Ingenieur: Erich Luschnath, sämtlich in Berlin. Zur Vertretung sind nur je zwei gemeinschaftlich ermächtigt.

Car Robert Blum Erfinder
Carl Robert Blum
Viktor Abel

PDF Buchers Seite 26

Anmerkungen (2022): Viktor Abel war nach den Nazi Kriterien Jude. Seine letzte Wohnanschrift in Berlin war: Lindenallee 4 in Berlin-Zehlendorf. (Heute: Lindenthaler Allee 4). Am 21.10 1941 wird Viktor Abel nach Lódz deportiert und dort ermordet. Kaufmann Alfred Lüdtke, Teilhaber der Firma »Lüdtke, Dr. Rohnstein & Co«, ist im Scherl Adressbuch von 1927 mit dem Eintrag: »Lüdtke, Alfred, Kaufm., Cöpenick, Flemmingstr. 16, II, Postscheck=Kto 109 373« auf Seite 2086 eingetragen. Durch die Aufteilung Berlins bei Kriegsende liegt Köpenick im russischen Sektor von Berlin. Konrad Paul Rohnstein verläßt bei Kriegsende Berlin und gründet in München die »Rohnstein Film GmbH«, die sich wiederum mit der Synchronisation ausländischer Filme beschäftigt. Dort entsteht die deutsche Fassung des Hitchcock Films »Spellbound« dessen deutsche Fassung den Titel »Ich kämpfe um dich« bekommt. In Deutschland kommt er am 29.2.1952 ins Kino.

Das moderne Tonsytem 2 von CRB

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Zeichnung Helga Bachmann