Eine traurige Nachricht: Letzte Woche starb Klaus Kreimeier im Alter von 85 Jahren. Klaus, den ich meinen Freund nennen durfte, zählte zu den wichtigsten Medienwissenschaftlern und Publizisten in Deutschland, auch wenn er in den Institutionen der Medien wie der Universitäten nicht immer wohlgelitten war.
Er marschierte – wie er selbst sagte – aus den Institutionen raus, als andere den Marsch in sie hinein antraten. So war er für wenige Jahre Redakteur im Fernsehen des Hessischen Rundfunks, gehörte für kurze Zeit zu den linken Kadern in der Redaktion des „Spiegel“, arbeitete schon etwas länger als Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Zweimal verwehrten ihm Wissenschaftsminister in Hessen und Niedersachsen die Berufung auf Professuren, da er immer noch aus seiner längst vergangenen Zeit in der maoistischen KPD/AO als linksradikal galt.
Da er seinen Lebensunterhalt mit Radiobeiträgen, Filmkritiken und Festivalbeiträgen verdienen musste, die bei aller Qualität und auch Wirkung – ein Bericht über die Duisburger Filmwoche löste die „Kreimeier-Wildenhahn-Debatte“ um dokumentarische Formen aus – kleinteilig bleiben mussten, konnte er nicht so umfangreich und tiefgehend forschen, wie er es gerne wollte. Aber er rang seinem freiberuflichen Arbeiten sein Buch über die Ufa ab, das längst als ein Standardwerk deutscher Filmgeschichtsschreibung gilt.
Als er in Siegen spät auf eine Professur berufen worden war, konnte er endlich so forschen, wie er wollte. In dem dortigen Zusammenhang entstand die dreiteilige „Geschichte des dokumentarischen Films 1896-1945“, von der er den zweiten Band mitherausgab und zu der viele Texte beitrug. In dieser Zeit schrieb er „Traum und Exzess“, das zu den wichtigsten Büchern der frühen Film- und Kinogeschichte zählt. Ich werde Klaus und seine Frau Ute, die am selben Tag in der letzten Woche starb, in Erinnerung halten.
Du hast Recht. Der »Heilige Abend« ist so recht geeignet, sich Filme anzusehen, die man bisher vermied. So wie Georg Kreisler in seinem Lied singt: “ . . . und am Weihnachtsabend wie erquicklich, man speist mit den Verwandten, die mans ganze Jahr vermied. Nach dem Essen fuehlt man sich so gluecklich, weil man die Verwandten nun ein Jahr lang nicht mehr sieht“. (Siehe Schallplatte)
Auf diese Weise habe ich mir einen DVD Abend gemacht und mir unter anderem den Film von Reinhard Hauff von 1982 angesehen. Der Mann war immerhin einige Jahre lang Direktor meiner damaligen Filmschule dffb gewesen. Da hatte ich aber schon abgemustert.
Jetzt weiß ich endlich, der Mann mit dem Doppelnamen war nicht nur ein schlechter Schlagersänger, sondern eben auch ein noch schlechterer Schauspieler. In dem Film von Peter F. Brinkmann, so einen Buchstaben wollte ich mir immer auch dazwischen reintun, das macht die Sache so geheimnisvoll, heißt er nun Friedrich, heißt er Fritz oder gar Ferdinand? Ja in diesem LKW Film, der ihm geklaut wurde, kommt er noch einigermaßen durch, obwohl ich den Selbstversuch nach vierzig Jahren nicht mehr gesehen, noch nicht gemacht habe.
Aber in diesem Film von 1982 ist er völlig verkrampft. Der Drehbuchautor, von dessen Texten ich lange Zeit begeistert war, hat auch nicht grade eine Spitzenleistung abgeliefert. Es reicht eben nicht, keine Ideen zu haben, man muß auch unfähig sein, sie umzusetzen. (Nicht von mir. Geklaut bei Wolfgang Neuss). Einzig die Frauenrollen in dem Film sind einigermaßen gelungen.
Großartig ist die Schauspielerin Karin Baal als Stasi Mitarbeiterin. Die macht ihre Sache wirklich gut. Wie das mit dem Pässe tauschen wirklich geht, hat uns Peter Timm im Tapezierer Film »Meier« vorgeführt. Jedenfalls wenn man den »Mann auf der Mauer« nach »Funny Bones« von Peter Chelsom und vor »Leoparden küßt man nicht« von Howard Hawks gesehen hat, dann weiß man genau, in welcher Klasse der deutsche Film so spielte und leider auch spielt. Christian Petzold hin oder her.
Kein Wunder, wenn jedes Jahr die »Feuerzangenbohlenrache« von Joseph G. mit seinem Lieblingsschauspieler Heinz R. im Fernsehen läuft. J.
Günther Thews, aidskranker Kabarettist und Ex- „Tornado“ über seine letzte Kommunalwahl, einem Wunschbürgermeister für Kreuzberg und das Nichts im Berliner Zentrum. Das Interview erschien am 25. Mai 1992 in der TAZ. Die Fragen stellte Mathias Bröckers.
taz: Günther, das ist ja nun deine letzte Kommunalwahl …
Günther Thews: Na Gott sei Dank ist es die letzte. Diese Wählerei ist mir ja schon länger zutiefst suspekt, und ich habe mich schon immer gefragt, warum will einer überhaupt Politiker werden, sich hinstellen im grauen Anzug und Schlips und sagen: „Ich weiß, wo’s lang geht, ihr müßt mich wählen.“ Die Motivation für einen solch schmierigen Job ist mir ziemlich rätselhaft.
Du bist also ein klassischer Nicht-Wähler?
Die Partei der Nicht-Wähler ist ja hochinteressant: Erst mal ist es ja schon so ziemlich die größte Partei, und dann, das ist das Wichtigste, sind da alle drin: Rechte und Linke, Dicke und Dünne, Intelligente und Blöde — wenn so ein Skin aus dem Osten nicht wählen geht, ist das ein anderer Ausdruck, als wenn hier ein linker Intellektueller vier Nächte über die Frage gesoffen hat: „Geh‘ ich nun hin oder nicht?“ Der Skin bleibt zu Hause, weil er den Wahlzettel nicht lesen kann und nicht weiß, wo er sein Hakenkreuz für den Führer hinmachen muß — der kritische Linke hier hat natürlich ganz andere Gründe. Und wenn man sich dieses Spektrum anguckt, repräsentiert die Partei der Nicht-Wähler wirklich die Bevölkerung, die Nicht-Wähler sind also die eigentliche Partei der Mitte.
Aber ist einfach Nicht-Wählen nicht auch ein bißchen einfallslos?
Ich habe mir ja auch schon überlegt, ob wir nicht Alternativen haben— so wenig wie die Politiker bewegen, könnte man ja glatt auch wieder Magier, Kartenleser, Regenmacher usw. einsetzen, das heißt, wir wählen hier einen Kreuzberger Bezirks-Schamanen, der unsere Geschicke lenkt. Aber so einen wie den SPD-Kandidaten Peter Strieder? Nee, den würde ich nur wählen, wenn er wirklich macht, was ich mir vorstelle, und zum Beispiel erlaubt, daß auf Immobilienhaie mit Damenrevolvern geschossen werden darf oder für ein quasi autofreies, knastfreies, drogenverbotsfreies Kreuzberg sorgt oder hier zumindest mal lokal realisiert, was schon Willy Brandt für die ganze Welt wollte: Kinderrepubliken, also im weitesten Sinne UFA-Fabrik-ähnliche Kommunen.
Du bleibst also am Sonntag zu Hause?
Ja wie komme ich denn dazu, die Drecksarbeit der Politiker, ihre Korruption und Eitelkeit, auch noch zu legitimieren, indem ich in eine langweilige Schule gehe und mein Kreuz mache? Wenn ich mir schon dieses sogenannte Wahllokal ansehe — da habe ich aber ’ne ganz andere Wahl für’n Lokal.
Hast du denn eine Prognose?
Erinnern wir uns an unseren Freund Wolfgang Neuss: „Der Berliner ist hinterfotzig“ — also Vorsicht bei Prognosen. Viel interessanter ist doch die Frage: Warum haben eigentlich die Schimpansen keine Kommunalwahl, und warum brauchen wir so etwas? Also wenn jemand öffentlich fordern kann, die Oberbaumbrücke sechsspurig zu untertunneln, Unter den Linden achtspurig zu untertunneln, wenn man solche Visionen frei äußern darf, ohne dafür gleich einen in die Fresse zu kriegen — dann kann ich doch auch so phantastische Sachen fordern wie Bezirks-Zauberer für Kreuzberg. Ganz grundsätzlich für Demokratie und Wahlen gilt natürlich: Was soll ich mich beherrschen lassen, wenn ich mich kaum selbst beherrschen kann?
Von wem würdest du dich denn am liebsten beherrschen lassen, wenn überhaupt?
Na auf keinen Fall von Leuten wie Heinrich Lummer. Alle reden von Stolpe, aber ein Typ wie der kleine Lummer, ein echter IM, der auf Kosten der Stasi in Prag bumsen geht und bei den konspirativen Treffen bestimmt nicht nur Witze erzählt hat, der flutscht durchs Netz. Aber gucken wir doch mal, wer alles schon Kreuzberg regieren wollte: Cäsar wollte schon mal ganz Germanien beherrschen, Napoleon hat es ’ne Weile versucht, Coca-Cola hat sich jetzt einigermaßen festgesetzt, und jetzt kommt da so einer wie Striebel oder Strieder, und meint, er wüßte, wie man das macht. Also nee.
Du hast also keinen Wunschbürgermeister?
Doch. Ich wüßte einen, den wir ganz dringend importieren müßten: den Bürgermeister von Bangkok. Ein Spitzenmann, der früher General war und jetzt in der buddhistischen Tunika rumläuft und die Stadt regiert. Ein echter Erleuchteter, der sein ganzes Geld gleich an die Armen weitergibt, morgens um vier aufsteht und meditiert und dann schon mal zwei Stunden den Straßenfegern beim Saubermachen hilft, nicht als Presse-Show, sondern ganz selbstverständlich. Einer, der an seinem lächerlichen Ich nicht hängt, der die Identität als Bürgermeister nicht braucht und dem die Bevölkerung deshalb zutraut, daß er nicht korrupt ist. Und jetzt sitzt er im Knast. Da müssen wir ihn dringend rausholen und am besten als Asylant und Wunschbürgermeister gleich nach Kreuzberg einladen.
Kreuzberg — das wäre aber doch ein Abstieg, ganz Berlin scheint mir eher angemessen.
Der Senat kann ihn uns ja dann abkaufen, gegen Ablösesumme. Ich vermittle das gern, als Vermittler eines wahrhaft Unbestechlichen darf man ja ruhig ein bißchen Provision kassieren. Aber im Ernst: So ein Mann wäre ein Segen für die Stadt. Nimm nur mal den Potsdamer Platz. Der wird jetzt mit Bürohäusern betoniert, man weiß jetzt schon, es wird grauenhaft, obwohl die teuersten und besten Architekten der Welt am Werk sind. Ein Buddhist als Bürgermeister würde da sagen: Ja Mensch, seid ihr wahnsinnig, ihr seid die einzige Stadt der Welt mit einem leeren Zentrum, und das knallt ihr euch jetzt mit Autos und Beton voll??? Das Nichts in der Mitte, das leere Zentrum ist es doch gerade — nur das strahlt doch etwas aus.
Das werden unsere Christen und Sozialen nicht kapieren.
Na ja, man könnte aber doch mal zeigen, daß man nach 5.000mal „Tagesschau“ etwas gelernt hat — zwischendurch tritt ja selbst in der „Tagesschau“ ab und an die Wahrheit zutage. Aber das letzte, was unser SPD-Kandidat gelesen hat, um seine Visionen zu schärfen, ist ein Perry- Rhodan-Heft, als er im Krankenhaus lag. Wann soll sich denn die Phantasie eines Politikers entwickeln: Die gehen zur Schule, Bundeswehr, studieren Jura oder Verwaltung, sitzen dann in einem langweiligen Büro herum und sollen dann plötzlich ’ne Vision für die Stadt haben. Wo soll die herkommen, frage ich? Nicht mal ’ne bewußtseinserweiternde Pflanze nehmen sie da, sondern höchstens Schlaf- und Aufputschmittel. Deshalb müssen dringend diejenigen mit der politischen Arbeit betraut werden, die für Visionen und Phantasie hauptberuflich zuständig sind: die Künstler.
Soll dann Ben Wargin entscheiden, ob wir ’nen Jäger 90 kriegen oder nicht?
So direkt ja nun auch wieder nicht. Aber eine Art runden Tisch von allen kreativen Leuten — und die suchen sich denn irgendeinen smarten, dußligen Politiker, der ihre Beschlüsse perfekt auosführt. Der wird direkt bezahlt, und wenn er nicht spurt, fliegt er raus wie in der Bundesliga. Nun können die Künstler ja auch nicht immer viel miteinander anfangen — aber jeder hat in seinem Bereich eine Vision entwickelt und kann am runden Tisch kundtun, wie er sich die Welt als großes Kloster denn so vorstellt. Die Politiker führen dann nur noch aus. Ich glaube, daß ist unsere einzige Chance, eine Antwort darauf zu finden, wo es langgehen muß. In meinem Krimi hier habe ich gerade einen guten Satz gelesen: „Wenn du die Antwort nicht findest, mußt du selber die Antwort werden.“
Wir wissen nichts. Wir kennen keinen Adam. Da kann ich ihnen keine Auskunft geben. Der hat sich hier nicht angemeldet. Das darf ich Ihnen nicht sagen.
Zum ersten Mal erfahre ich von einem gewissen Adam in einem Brief aus Brasilien. Der gewisse Adam, so schreiben die Deutschlandflüchtlinge von 1936, ist der Mann, die treibende Kraft der Nazis, der den Hamburger Kinobesitzern ihre Existenzgrundlage genommen hat. Der dafür sorgte, dass der Führer in Hamburg etwas zu verschenken hatte. Kinokonzerne an gute Deutsche: an »Arier«.
Da ist es kein Wunder, daß sich keiner mehr an diesen Mann erinnern will. Denn geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen, verrät der Volksmund. Niemand will hören, dass die Geschenke des Führers gestohlen waren. Da halten sie fest zusammen, die guten Deutschen von damals und die Kinder der guten Deutschen von heute.
Die wollen das Diebesgut lieber behalten, als sich erinnern an die Zeiten als ihre Eltern über Nacht reich wurden. Noch die Tatsache, dass die Geschenke des Führers schon bald in Trümmern lagen, dient ihnen als Entschuldigung.
Ein Zufall führte mich 1988 auf die Spur von Jeremias Henschel und seinen Kinos. Sie haben zwar viele Menschen und viel Papier verbrannt diese deutschen Nazis, aber alles zu verbrennen, dafür reichten die Rohstoffe nicht aus. Das Gas ging ihnen aus.
Übrig geblieben sind die »Reichs Kino Adressbücher«. Die von 1930 bis 1941. Da tauchen jene Kinos auf, deren Verschwinden dann niemand bemerkt haben will. Die Kinos des Jeremias Henschel und eine Firma gleichen Namens: Der »Henschel Film und Theaterkonzern«. Schon möglich dass das Eine mit dem Anderen zu tun hat.
Ich suche Zeugen, die etwas wissen. Ich finde welche, doch die wissen lieber nichts. Fünfzig Jahre hat schließlich niemand gefragt. Warum jetzt antworten? Die Opfer sind vernichtet, vergast, erschlagen, verhungert und nur wenige entkamen.
Es gibt Papiere. Sie sind schwer zugänglich. Auf Mikrofilmen in irgendwelchen Kellern. Schwer diese Keller zu finden. Zur systematischen Suche fehlte die Zeit.
Es ist eigentlich nicht die Zeit, die fehlt. Doch der Zeitgeist hat Anderes im Sinn. Größeres.Schließlich muß noch die Sekretärin, der Gärtner und der Schäferhund des Führers befragt werden. Ja richtig. Und Kunstmaler war er ja auch. Das ist der Stoff aus dem die Träume sind.
Die Opfer? Langweilig. Juden hatten wir schon mal, sagt der Fernsehredakteur. »SFB« hiess der Sender. »Sender Freies Berlin« zergeht mir auf der Zunge. Dunkel war in mir in Erinnerung, daß es an der dffb in Berlin die Mikrofilme zweier Tageszeitungen gab, die sich ausschließlich mit Kino beschäftigten. Die »Lichtbildbühne« und der »Kinematograph«. Ich fing mit der Lichtbildbühne an und stellte zu meinem Schrecken fest, dass sie sechsmal in der Woche erschien und auch dabei noch recht umfangreich war.
Nach drei Wochen bin ich dann soweit. Bereit aufzugeben. Keine meiner Spekulationen hatte sich bestätigt. Keine Information über den Verbleib dieser Kinos oder dieser Kinokette. Warum sollte auch eine Berliner Zeitung etwas über Hamburger Kinos bringen? Nach der Lesereise kann ich nicht einmal behaupten, das das Verschwinden dieses Henschel oder seiner Kinos etwas mit der Judenfeindlichkeit der Nazis zu tun hat.
Ich verlegte meine Suche auf Jahrestage. Die Zeit vor meinem Hiersein hat davon jede Menge. Führers Geburtstag, der Tag von Sedan, die Ermordung des Prinzen in Sarajewo, der Matrosenaufstand, Eisenstein in Deutschland, die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, die Reichskristallnacht, der Reichstagsbrand.
Und dann eben doch finde ich etwas. Ich habe Glück. Mein Glück ist, das einer dieser Kinobesitzer an dem Tag zu Grabe getragen wird, an dem der senile Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt. »Machtergreifung« haben sie es genannt und noch heute ist dieses Wort Umgangssprache deutscher Geschichte.
Bleibt nur festzustellen, das es manchmal hilfreich ist, dass Ereignisse, die nichts miteinander zu tun haben, in der gleichen Zeitung stehen. Später werden sie auf merkwürdige Weise dann wieder miteinander verbunden. »Richard Adam« und der »Henschel Filmkonzern«.
Ein 90 Zeilen Nachruf in der Licht Bild Bühne vom 30. Januar 1933.
Er beginnt mit den Worten:
„Hermann Urich-Saß zum Gedenken. Wie im größten Teil unserer Sonnabend Ausgabe mitgeteilt, ist Hermann Urich-Saß am Freitag Abend im blühenden Alter von 45 Jahren einem Herzschlag erlegen . . .“ und endet mit: “ . . . Seine Beerdigung findet heute Montag, den 30. Januar, 3 Uhr nachmittags, in Hamburg-Ohlsdorf auf dem Israelitischen Friedhof statt.“
Auf Seite eins der Lichtbildbühne ein Leitartikel unter der Überschrift:
„Die neue Reichsregierung und der Film. Es ist nicht die Aufgabe eines Fachblattes, diese tief einschneidende Entscheidung in der deutschen Geschichte nach ihrer politischen Seite zu erörtern“ . . . und weiter . . . “ . . . das rege Interesse, das die NSDAP häufig für die wirtschaftlichen Nöte des Lichtspielgewerbes bekundet hat. Hier wird jetzt Gelegenheit zum Handeln sein.“
Herr Richard Adam ist schon seit 1. Dezember 1931 Mitglied dieser Partei und wartet schon fast zwei Jahre auf seine Gelegenheit zum Handeln.
Eine seiner ersten Handlungen wird die Enteignung der jetzigen Besitzer sein. Das ist die Art seiner Partei die wirtschaftlichen Nöte des Lichtspielgewerbes zu beseitigen, indem man die Eigentümer beseitigt.
Wieder habe ich Glück. Juden beerdigen ihre Toten für alle Zeit. Nicht so wie bei den Christen, die bereits nach fünfzig Jahren die Totenruhe für beendet erklären.
Ich suche auf dem jüdischen Teil des Ohlsdorfer Friedhofs, alles fein säuberlich voneinander getrennt, die Grabstelle von Hermann Urich-Sass und schreibe einen Brief an die, die für die Grabstelle sorgen.
Kaum vorstellbar, das die Grabstelle gepflegt wird, ohne das jemand für die Pflege aufkommt. Schließlich sind wir in Deutschland. Meinen Brief mit meinen Recherchen und Fragen gebe ich zur Weiterleitung an die Jüdische Gemeinde und denke: Ende. Aus. Sackgasse.
Doch nach einigen Wochen kommen tatsächlich Antworten aus Brasilien, Mexiko und den USA. Es handelt sich um die Söhne der beiden ehemaligen Eigentümer, Hugo Streit und Hermann Urich-Sass, denen die Flucht nach Übersee gelungen ist.
Die Söhne von Hugo Streit: Carl Heinz Streit und Rolf Arno Streit geben ausführlich Antwort über den Konzern ihres Vaters und ihres Onkels. Es stellt sich heraus, das beide Herren Töchter von Jeremias (James) Henschel geheiratet haben und den Kinokonzern nach dem Kinopionier und Schwiegervater Jeremias Henschel, der sich später James nannte, benannt haben.
Bereits im ersten Brief vom 17. August 1989 weisen Carl Heinz Streit und Rolf Arno Streit darauf hin, das ein Mensch mit Namen Adam „der Obernazi“ die Enteignung der Henschel Kinos – von den Deutschen Nazis auch Arisierung genannt – maßgeblich betrieben hat.
Sie wissen, das die von den Nazis eingesetzten neuen Inhaber: Paul Romahn und Gustav Schümann, mit diesem Adam zusammen in Kiel ein Kino betreiben.
Dies haben Romahn und Schümann in dem sog. „Wiedergutmachungsverfahren“ vor dem Landgericht in Hamburg zugegeben. Leider haben sie außer dem Nachnamen keine weiteren Daten über diesen Menschen.
Die Akte aus dem Wiedergutmachungsverfahren darf ich nicht einsehen. Ich weiss nicht einmal, ob es ein Wiedergutmachungsverfahren gegeben hat. Geschweige denn eine Akte.
Ich verbringe einen Tag im Kieler Stadtarchiv ohne wirkliches Ergebnis. Das Kieler Adressbuch Jahrgang 1938/39 nennt vier Adam mit weiblichen Vornamen und elf Adam mit männlichen Vornamen. Ob der gesuchte Adam dabei ist, kann ich nicht beurteilen.
Es soll in Kiel einen Menschen geben, der alles über die Kieler Kinos weiß. Ich telefoniere mit ihm. Es macht den Anschein, als ob er wirklich jede neue Tapete kennt, die in den letzten hundert Jahren in einem Kieler Kino gewechselt wurde. Aber einen Kinobesitzer Adam. Davon weiß er nichts. Nein, nie gehört.
In seinem Buch, das einige Jahre später erscheint, sind dann auch die Tapeten der Kinos ausführlich beschrieben. Von ehemaligen Besitzern, denen die Kinos in der Nazi Zeit weggenommen wurden, keine Spur.
Ja, man hat schon davon gehört das Kinos von Juden verkauft wurden. Einer, der im Alter von 82 Jahren 1974 in Kiel stirbt, hat auch einmal so ein Kino von einem Juden gekauft. Ganz am Anfang 1935. In den Zeitungsausschnitten aus den Kieler Nachrichten ist von diesem Kino nicht zu lesen. Nur davon, wie fleißig er in seinem Leben war.
So fleißig wie seine Bienen: „Er hat die Chancen seines Lebens durch praktisches Zupacken genutzt.“ schreiben die Kieler Nachrichten am 30.04. 1974. Vermutlich war die Anzeige, die dieser Kinobesitzer am 1.1. 1936 in der Zeitung (KNN) aufgegeben hatte: „Kaiserkrone jetzt in arischem Besitz und unter arischer Leitung“ eine dieser Chancen seines Lebens, die er durch praktisches Zupacken genutzt hat.
Als ich 1993 meinen Dokumentarfilm über die Henschel Kinos fertigstelle bin ich in Sachen Adam nicht viel weiter gekommen, als sich eine Studentin der Universität Hamburg bei mir meldet, die an einer Magisterarbeit „Kino unterm Hakenkreuz“ arbeitet.
Gerti Keller findet heraus, dass der Mann Richard Adam heißt und in Hamburg ein Amt bekleidet hat. Er ist der Landeszellenleiter der Landesfilmstelle Nord der NSDAP und Goebbels direkt unterstellt. Mit diesen Daten ist es möglich im Berlin Document Center, das 1993 noch den USA unterstellt ist, die NSDAP Mitgliedsunterlagen von Richard Adam und damit auch Geburtsdatum und Wohnort herauszufinden.
Als ich nach 3 Jahren endlich im Landgericht die sog. Wiedergutmachungsakte von Manfred Hirschel vom Waterloo Theater in der Dammtorstraße zu Gesicht bekomme, fallen mir fast die Augen aus dem Kopf.
Dort taucht der Obernazi Richard Adam als Zeuge dafür auf, dass es dem jüdischen Kinobesitzer Manfred Hirschel schon vor Beginn der Nazizeit wirtschaftlich sehr schlecht gegangen ist und die übernehmenden Arier – Klara Esslen und Heinrich (Heinz) B. Heisig nichts wiedergutzumachen hätten.
Es sind zwei Anschriften von Richard Adam angegeben. Elbchaussee 99 und Kampen auf Sylt („wo ich seit einiger Zeit meinen Wohnsitz genommen habe“). Ich schreibe an Richard Adam. Die Post kommt nach einiger Zeit zurück.
Inzwischen habe ich weitere Daten über diesen Adam aus Berlin Document Center, jetzt Bundesarchiv, dem ich auch erst begründen muss, warum diese Daten gebraucht werden. Ich schreibe an das Landratsamt Westerland und bitte um eine Meldeauskunft.
Diese – so wird mir mitgeteilt- kann nicht erfolgen – wegen Datenschutz.
Auch in der Elbchaussee vom Ortsamt Blankenese wird keine Auskunft erteilt. Nicht einmal die neue Nummerierung wollen sie mitteilen. Das unterliegt dem Datenschutz – ist die flotte Antwort.
Mit viel Mühe bringe ich dann aber doch die neue Nummer heraus und sehe mir das Anwesen an, in dem ein hoher Nazi nach Kriegsende residiert hat um anschließend “in Kampen seinen Wohnsitz zu nehmen“ um dem ermittelnden Richter zu schreiben, das er “gerne als Zeuge nach Hamburg kommen will, aber man ihm vorher doch bitte das Fahrgeld in Höhe von 54,20 DM schicken soll.“
Aus Sparsamkeitsgründen wir er von einem Amtsrichtrichter in Westerland vernommen.
Weil er mit dem Auto aus Kampen nach Westerland gekommen ist, beantragt er für die “Benutzung eines eigenen Kraftwagens“ eine Entschädigung von 7,– DM. Der Antrag wird vom Gericht abgelehnt. Er hätte mit der Inselbahn kommen können, die nur 1,– DM gekostet hätte, entscheidet der Amtsgerichtsrat Dr. Petersen am 15. August 1951.
Briefe an Wiebeke (XII) Ossi Oswalda im Haus ohne Männer
Hallo Wiebeke,
wie ich auf diesen Film komme? Das ist ganz einfach: Durch den Kontakt mit Mark Lissauer aus Australien! Du erinnerst Dich an den kleinen Jungen auf dem Balkon im vierten Stock? In der Grindelalllee 116 ?
Das ist Mark Lissauer. Damals mit Vornamen Hermann. Unten war das Kino von seiner Oma. Keine richtige Oma. Für eine Oma viel zu jung. Ihre Tochter Fanny, die neben Hermann auf dem Balkon steht, ist 11 Jahre alt und Hermann ist gerade acht Jahre alt geworden.
Anhand der Plakate, die in dem Schaukasten des Kinos hängen und einem Plakat von diesem Film: “Das Haus ohne Männer“ habe ich herausgefunden, wann das Foto entstanden ist: Im Sommer 1931. Wer es gemacht hat, wußte Mark nicht mehr. Ist ja auch schon ne Weile her. Im Thalia Kino konnten schon Tonfilme gezeigt werden, aber dies war noch ein Stummfilm. Übrigens einer, zu dem ein berühmter Komponist eine Musik komponiert hatte: Paul Dessau.
Oder ist der gar nicht so berühmt? Jedenfalls hat er mal bei mir gegenüber gewohnt. Da wo er gewohnt hatte, ist jetzt eine Tiefgarage und oben drauf eine Liegewiese, die man aus bestimmten Gründen besser nicht benutzt. Hunde können offensichtlich nicht lesen, das Ihnen der Zutritt zur Wiese verwehrt wird. Aber das gehört nicht hierher.
Die Hauptrolle hatte die damals (offensichtlich sehr berühmte) Schauspielerin Ossi Oswalda, die eigentlich Oswalda Amalie Anna Stäglich hieß. Sie war in vielen Lubitsch Filmen zu sehen. Es geht die Legende, sein Drehbuchautor Hanns Kräly, der mit Lubitsch zusammen nach Hollywood gegangen ist, habe die Schauspielerin entdeckt.
Ob es eine Kopie dieses Filmes gibt, weiss ich nicht. Leider fehlt bei Filmportal.de eine Inhaltsangabe. Und im Netz habe ich auch nichts gefunden. Eine Freudin, die ich von der dffb her kenne, hat mir das Filmheft auf den Scanner gelegt, das damals zu diesem Film erschienen ist. Die Inhaltsangabe ist so lang wie ein Roman. So kommt es mir jedenfalls vor. Wer hat so lange Texte vor dem Kinobesuch gelesen?
Aber wie wir uns schon denken können: Es ist ein Liebesfilm. Natürlich einer mit Hindernissen. Im Haus ohne Männer haben sich vier emanzipierte Frauen gefunden, denen das Haus gehört und die dort zusammen wohnen. Das Wort „emanzipiert“ stand 1928 noch im Fremdwörterbuch. Nur damit keine Rückfragen von Dir kommen: Da steht es immer noch: In der Ausgabe von 2001 der Firma Duden auf Seite 263.
Männern wird der Zutritt verwehrt: Eva, Elisa,Tamara und Marianne sind berufstätig und sorgen für sich selbst.
Eva wird von Ossi Oswalda gespielt. Sie ist selbständig und gut situiert.
Dann gibt es noch Friedel. Friedel hat völlig andere Ansichten vom Leben. Sie ist glücklich verliebt und mit Lothar verlobt. Doch dann gerät sie in Not. Sie wird verdächtigt 500 Mark (RM) unterschlagen zu haben.
Und dann kommt es zu allen möglichen Verwicklungen. Am Ende sind aber alle wieder glücklich und zufrieden. Der letzte Satz im Programmheft zeigt es: Es ist beabsichtigt „Das Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten“.
Zur Biografie von Ossi Oswsalda schreibt Filmportal.de an anderer Stelle:
“Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag“
Das ermuntert mich natürlich dazu, mal weiter zu suchen und ich denke bei mir, schon wieder so eine Geschichte aus Deutschland: Irgendwo kratzt man und was kommt hervor? Genau. Das, was man schon vermutet hatte.
Aus dem: „Illustrierter Film Kurier“: (Nummer 1003) mühevoll abgeschrieben. Hat sich was – mit markieren und einfügen (!!):
Das Haus ohne Männer:
Manuskript: Kurt J. Braun, Regie: Rolf Randolf, Photographie: Alfred Hansen, Titel: Max Ehrlich, Bauten: Heinrich Richter, Personen: Eva = Ossi Oswalda, Friedel = Iwa Wanja, Elisa = Ida Renard, Tamara = Valeria Blanka, Marianne = Jbolya Szekely, Ralf = Livio Pavanelli, Lothar = Hans Brausewetter, Der Nachtwächter = Fitz Kampers, Der Direktor = J. v. Szöreghy, Der Tanzmeister = Bruno Arno, Die Köchin = Trude Lehmann. Zeit und Ort der Handlung: Der Film spielt heute und morgen in einer Großstadt und ihrer Umgebung. Produktion: Olympia Film G.m.b.H., Berlin. Verleih: „DERUSSA“ . Deutsch-Russsische Film-Allianz A. G., Berlin SW 348, Friedrichstr. 8.
Leipzig*Hamburg*Frankfurt a. M.*Düsseldorf*Königsberg i. Pr.
Inhalt:
“Wenn eine Frau von der Liebe enttäuscht ist, so wird sie zur Männerfeindin – bis zu nächsten Liebe. Da haben sich vier moderne Mädels ein Haus eingerichtet, das kein Mann betreten darf. Tagsüber sind alle vier beruflich so sehr in Anspruch genommen, daß sie froh sind, die Abende ganz unter sich zu verbringen.
Hauptbedingung: nur möglichst wenig mit den Männern zusammenkommen, mit denen man schon im Laufe des Tages genug Ärger hat! – Die Führerin dieser Vier ist Eva, gutsituiert, hübsch und überaus selbstständig. In derselben Stadt lebt ein junges Mädel, Friedel, die ganz andere Ansichten vom Leben hat, denn sie ist glücklich verliebt und verlobt. Diese Friedel gerät eines Tages in den Verdacht, fünfhundert Mark unterschlagen zu haben.
In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Lothar, ihren Verlobten, in der Hoffnung, daß er ihr helfen werde. Aber als sie ihn aufsucht, erwartet sie der zweite Schlag. Sie überrascht Lothar mit einer fremden Dame, ihn, von dessen Treue sie bis dahin fest überzeugt war. Friedel flüchtet, ohne daß Lothar sie über das Mißverständnis aufklären und ihr sagen kann, daß er mit jener Dame eben Friedels Angelegenheit in Ordnung bringen wollte.
Sie flüchtet in das „Haus ohne Männer“, in das man sie schon so oft eingeladen hat. Dort nimmt man sie auf, beruhigt sie, verwöhnt sie. –
Lothar versucht vergeblich, mit Friedel in Verbindung zu treten, um ihr zu sagen, daß er selbst schließlich bei seiner Bank fünfhundert Mark unterschlagen hat, um Friedels Fehlbetrag zu ersetzen und sie vor polizeilichen Recherchen zu schützen. Er selbst hofft, das Geld bis zur nächsten Revision längst von seinem Gehalt ersetzen zu können.
Aber er kann Friedel nicht sprechen, sie wird von ihren neuen Freundinnen vor dem „Treulosen“ bewahrt. – Da sie darunter mindestens ebenso leidet wie Lothar, entschließt sich Eva als die Chefin des Hauses eines Tages, diesen ominösen Lothar aufzusuchen und ihm beizubringen, daß er seine Nachstellungen aufzugeben habe. Das geschieht – nur passiert Eva ein kleiner Irrtum. Sie verwechselt Lothar, den sie nicht kennt, mit seinem besten Freund Ralf – und sie ist überrascht, einen charmanten Mann kennen zu lernen, der ganz anders ist, als sie erwartete. –
Das Unvermeidliche kommt. Es bleibt nicht bei dem ersten Zusammentreffen- sie sehen sich öfters – und plötzlich entdeckt Eva mit Schrecken, daß sie sich in den vermeintlichen Bräutigam ihrer kleinen Freundin verliebt hat. –
Inzwischen hat Lothar übrigens die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen. Er hat eines Nachts seine Friedel in dem Haus ohne Männer aufgesucht, ist unter allerlei Abenteuern zu ihr vorgedrungen, und sie haben sich wieder versöhnt. Davon hat Eva keine Ahnung. Sie sieht nur, daß dieser Flirt mit dem vermeintlichen Lothar nicht weitergehen darf. Sie will es ihm klarmachen. Statt einer Antwort lockt dieser entsetzliche Mensch sie auf ein Motorboot und entführt sie für zwei Tage. –
Inzwischen droht Friedels neues Glück wieder in Trümmer zu gehen: die Kassenrevision bei Lothars Bank findet unerwartet früh statt. Die Freundinnen aus dem „Haus ohne Männer“ springen ein. Alle legen zusammen, der Fehlbetrag wird gedeckt, alles wäre in Ordnung, wenn – wenn Eva noch da wäre.
Aber die ist für zwei Tage verschwunden. Sie sitzt ganz allein auf einem Motorboot mit Ralf und wehrt sich energisch gegen den Gedanken, daß sie diesen Mann liebt. Aber schließlich – die Einsamkeit- und er ist so nett und sie ist doch auch nur eine Frau. Also als die zwei Tage vorbei sind, kommt Eva zurück und erklärt ihrer kleinen Freundin Friedel kategorisch, daß es zwar skandalös sei, aber sie liebe den Mann und könne ohne ihn nicht mehr leben!
Zu ihrem Erstaunen ist Friedel gar nicht unglücklich – im Gegenteil: Sie präsentiert ihren richtigen Lothar – und reichlich spät kommt Ralf dazu, sich seiner Eva endlich vorzustellen und den kleinen Irrtum aufzuklären. –
Es ist beabsichtigt, das „Haus ohne Männer“ anderweitig zu vermieten.“
(aus dem Film Kurier, geschrieben von Herman Weist, Berlin Charlottenburg)
Filmportal.de zählt 54 Filme zwischen 1916 und 1943, in denen Ossi Oswalda mitgespielt hat. Einige davon, die unter der Regie von Ernst Lubitsch entstanden sind, werden auch heute noch hin und wieder gezeigt. Ob es von dem Film “Haus ohne Männer“ noch eine Kopie gibt, ist unklar. Und ob sich eine Suche nach diesem Film wirklich lohnt, weiss man erst, wenn die Suche erfolgreich war.
Biografie aus Filmportal.de:
“Ossi Oswalda (bürgerlich: Oswalda Amalie Anna Stäglich) wurde am 2. Februar 1898 in Niederschönhausen geboren. Als sie vier Jahre alt war, starb der Vater, sodass sie fortan bei ihrer taubstummen Mutter aufwuchs. Bereits als Kind erhielt Oswalda Tanzunterricht und ging schließlich nach Berlin, wo sie als Chortänzerin bei einem Theater arbeitete.
Dort erregte sie 1916 die Aufmerksamkeit des Schauspielers und Drehbuchautors Hanns Kräly, der sie zum Film brachte: Auf seine Empfehlung hin gab sein Freund und Weggefährte Ernst Lubitsch ihr eine Rolle als Lehrmädchen in „Schuhpalast Pinkus“ (1916), zu dem Kräly das Drehbuch mitgeschrieben hatte und in dem er selbst eine zentrale Rolle spielte. Im Jahr darauf bekam Oswalda ihre erste Hauptroller in Lubitschs „Wenn vier dasselbe tun“, der ein Publikumserfolg war.
In den nächsten Jahren avanciert Ossi Oswalda zum Star von Lubitschs frühen Komödien. Sie spielte die Herzogin in „Prinz Sami“ (1917), die Tanzmaus in „Das Mädel vom Ballett“ (1918) und die Diva in „Meine Frau, die Filmschauspielerin“ (1919). Zuweilen trug sie in Lubitschs ganz auf sie zugeschnittenen Filmen nicht einmal einen Rollennamen, sondern hieß schlichtweg „Ossi“, etwa in „Ossi’s Tagebuch“ (1917), „Ich möchte kein Mann sein“ (1918) und in dem Klassiker „Die Austernprinzessin“ (1919). Bis 1920 drehten die beiden insgesamt 13 gemeinsame Filme (oft nach Drehbüchern von Kräly, der auch zum Ensemble gehörte).
Die letzte Zusammenarbeit war der Film-Sketch „Die Wohnungsnot“ (1920), der heute als verschollen gilt. Nur vereinzelt arbeitete Oswalda während der Lubitsch-Jahre mit anderen Regisseuren, so etwa mit Adolf Gärtner bei dem Stuart-Webbs-Krimi „Der Hilferuf“ (1916) und mit Georg Jacobi bei dem Melodram „Das Schwabemädle“ (1918).
Von Kritik und Publikum wurde sie während dieser Phase als eine Art Nachfolgerin der 1916 verstorbenen Dorrit Weixler wahrgenommen. So schrieb der Kritiker Georg Popper 1920: „Ossi Oswalda als Backfisch ist so entzückend, so naiv-übermütig und spielt ihre etwas schablonenhafte Rolle so reizend, daß der Verlust, den die deutsche Filmindustrie mit dem Tode Dorrit Weixlers, der ersten und bisher unübertroffenen Backfischdarstellerin, erlitten hat, bei weitem wieder wettgemacht wird.“
Andererseits stieß Oswaldas oft etwas schrilles und überdrehtes Spiel manche Kritiker ab: „Ein Ossi-Oswalda-Film“, so Béla Balázs 1920, sei „an einer Reihe roher, bochesquer Geschmacklosigkeiten zu erkennen“. Unzweifelhaft ist, dass sie zusammen mit Henny Porten und Asta Nielsen eine der ersten großen Diven des deutschen Films war.
1921 gründete Oswalda die Ossi Oswalda-Film GmbH, geleitet von ihrem damaligen Ehemann Baron Gustav von Kocrzian. Bis 1924 produzierte sie fünf Filme, alle mit und unter der Regie von Victor Janson, der schon in einigen Lubitsch-Filmen ihr Partner war. Zugleich vollzog Ossi Oswalda in den 1920er Jahren einen Image-Wandel vom frechen Mädchen zum „Berliner Girl“, mit mondänen Attitüden und verzückten Tanzeinlagen in extravaganten Kostümen.
1925 kam sie bei der Ufa unter Vertrag, womit eine überaus produktive und erneut sehr erfolgreiche Phase ihrer Karriere begann: Bis 1929 wirkte sie in rund 20 Filmen mit, darunter „Die Fahrt ins Abenteuer“ (1926) mit Willy Fritsch, „Gräfin Plättmamsell“ (1926) mit Curt Bois, Carl Boeses „Ossi hat die Hosen an“ (1928) und Conrad Wienes „Die Vierte von rechts“ (1929). „Der Dieb im Schlafcoupée“ (1929) war ihr letzter Stummfilm. Auf der Bühne sah man sie 1929 in einer Leo-Fall-Operette, gefolgt von einem Auftritt bei den Wiener Festwochen in „Der Graf von Luxemburg“, unter musikalischer Leitung von Franz Léhar.
Im Tonfilm konnte Ossi Oswalda jedoch nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen.
Nur zweimal stand sie für deutsche Tonfilme vor der Kamera: als Messerwerferin in „Der keusche Josef“ (1930, Regie: Georg Jacoby) und als Varieté-Tänzerin in dem Kriminaldrama „Der Stern von Valencia“ (1933).
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 emigrierte Oswalda mit ihrem jüdischen Ehemann Julius Aubenberg in die Tschechoslowakei und lebte in Prag. Dort entstand 1943 nach einer Vorlage von ihr die Gesellschaftskomödie „Čtrnáctý u stolu“ („Fourteen at the Table“). Danach wurde es still um den einstigen Stummfilmstar. Verarmt und von der Öffentlichkeit abgeschieden, starb Ossi Oswalda am 17. Juli 1947 mit nur 50 Jahren in Prag.“
Hallo Wiebeke, Du willst wissen, wie das damals war? Zu Zentral Film Zeiten? Na, am besten schreib ich den Text, der damals in Medium, der Zeitschrift der Evangelen (Das waren die vom Gemeinschaftswerk GEP – der evangelischen Kirche) veröffentlicht wurde, noch mal ab. (Ich hatte den geschrieben). Hier kommt er, in Originallänge, vermutlich habe ich, trotz mehrfachem Gegenlesen, noch ein paar neue Schreibfehler untergebracht. Damit meine ich, die, die vorher noch nicht drin waren, J.
Abschrift aus: Medium 6. Juni 1982. 12. JahrgangDer Traum von einer Sache Für einen neuen Zentral Film Verleih von Jens Meyer (Seite 35 -38)
Die Beteiligten des Konfliktes trafen sich am 14. April 1982 vor dem Landgericht Hamburg um Viertel vor 12 Uhr. Der Vorsitzende C. des Vereins Zentral Film Verleih Hamburg e. V. wollte mithilfe des Landgerichts Hamburg eine Mitgliederversammlung verbieten lassen, zu der ein Viertel der Mitglieder eingeladen hatte. Er befürchtete, daß er auf dieser Mitgliederversammlung nicht wieder gewählt werden würde. Eine Stunde wurde verhandelt. Der Richter genoß sichtlich die Vorstellung: Linke, die mithilfe der Klassenjustiz ihre Konflikte klären lassen. Nebenbei: das gleiche Gebäude, in dem auch der Film von Axel Engstfeld Von Richtern und anderen Sympathisanten spielt.
Gerichtskosten nach einer Stunde: 1.250 DM. Dazu: Die Kosten für zwei Rechtsanwwälte, vor dem Landgericht darf sich niemand selber vertreten. Insgesamt der Monatslohn eines Mitarbeiters in dem finanzschwachen Betrieb Zentral Film Verleih (ZFV) gegen die anderen beiden Vorstandsmitglieder als Privatpersonen. Das Gericht soll eine einstweilige Verfügung gegen eine Mitgliederversammlung am 18. 4. (1982) aussprechen.
Wie jeder Verein hat auch dieser Organe. Manche Organe sind meistens nicht wichtig. Höchstes Organ: Die Mitgliederversammlung, hier hat der Vorsitzende eine unsichere Mehrheit. Diese unsichere Mehrheit möchte er mithilfe von Neuaufnahmen gerne sicher machen. Doch im Vorstand ist der Vorsitzende in einer Minderheit. So macht er einen Fehler: In einer Vorstandssitzung werden nicht seine Kandidaten aufgenommen, sondern die der anderen beiden Vorstandsmitglieder. Werner Koch + Elfriede Schmitt. Ein langjähriger Machtkampf dreht sich. Erstmals ist der Vorsitzende Christian Lehmann dabei, einen Machtkampf zu verlieren. Was macht er? Wir lasen es schon.
Auch ich bin nicht unbeteiligt. Einmal habe ich von 1976 bis 1980 dort gearbeitet – im Anfang als „freier“ Mitarbeiter, wie alle anderen auch für 650,00 DM netto gleich brutto. Das ist bitter, wie schnell auf dem Landgericht drei Monatslöhne vom Vorsitzenden verbraten wurden. Auch menschlich bitter, wenn es sich um jemanden handelt, der über lange Zeit in seinen Worten immer die Sache obenan gestellt hat, der immer Gegner der Klassenjustiz gewesen ist.
Der
Hintergrund
Fünf Personen stehen derzeit auf der Lohnliste des Verleihs, davon leben vier ausschließlich vom Verleih – keine Nebeneinkünfte. Vier Personen weigern sich, mit dieser fünften Person weiter zusammenzuarbeiten. Das hat viele verschiedene Gründe. Einer ist jedenfalls der: Die vier verstehen unter Zusammenarbeit etwas anderes als die fünfte Person. Sie wollen wirklich zusammen arbeiten. Und sie wissen, wovon sie reden, denn seit dem letzten großen Mitarbeiterwechsel im August 1980 haben sie ihre Versuche unternommen, mit der fünften Person zusammen zu arbeiten. Sie möchten nicht noch einmal ähnliche Versuche wie in den letzten zwei Jahren machen.
Viel Papier wird beschrieben: Grundsatzpapiere, persönliche Erklärungen. Man trifft sich mit früheren Mitarbeitern des ZFV, befragt sie nach ihren Erfahrungen, gründet einen Beraterkreis, der stellvertretend auch die Konflikte innen klären soll. Die Glaubwürdigkeit von bedrucktem Papier nimmt immer mehr ab. Der Konflikt mit C. bindet immer mehr Kräfte. C. will den Verleih nicht verlassen, bringt seinerseits auch immer Papiere ein, auf denen er erklärt, auf welche Weise die anderen mit ihm zusammenarbeiten sollen. Im Mai 1981 kommt es zur ersten harten Auseinandersetzung.
Anlaß der Film Gorleben – Der Traum von einer Sache. Sichtveranstaltungen finden statt. Immer wieder Diskussionen: Ist das ein Film für den ZFV? C kategorisch: „Noch nie habe ich der Aufnahme eines Filmes in den ZFV zugestimmt, wenn ich schwerwiegende politische Bedenken hatte.“ Die Ausschließlichkeit, mit der ein einzelner hier seine Meinung den anderen Verleihmitarbeitern aufdrücken will, bringt viele andere Sachen ebenfalls zum Ausbruch. Kein anderer von ihnen nimmt sich das Recht heraus, keine Fehler zu machen, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. C. hat dafür eine andere Wortwahl. Es gibt auch Unterschiede in der Bewertung des Verleihs: Vier sehen in der Verleiharbeit eine Hilfstätigkeit für die (linke, aufgeschlossene) Öffentlichkeit. C. hat eher die Vorstellung: das Verleihprogramm als politisches Glaubenbekenntnis.
Dazu
kommen die Probleme der Arbeitsteilung, die es mit C.
gibt. Seit 1980 konzentriert
sich C.
auf den Bereich Filmverkäufe an andere Verleiher und
Fernsehanstalten. Mit den Routine-Verleiharbeiten hat er nur noch
wenig zu tun. Auch dieser mangelnde Kontakt mit den eigentlichen
„Kunden“ macht ihn in den Augen der anderen unglaubwürdig. Er
ist leider auch der einzige, der behauptet, dennoch gut informiert
zur sein. Die Begründung für
diese Selbstüberschätzung findet er in seiner zehnjährigen
Erfahrung.
Erinnerung
an 1978
Es war
keine schlechte Zeit, wir hatten viel Spaß an der Arbeit, sonst
hätten wir es nicht für so wenig Geld gemacht. Für eine Stunde
vorm Landgericht mußte ich drei Monate arbeiten. Mehr Geld war nicht
da. Glaubenssatz aus dieser Zeit: Der Verleih ist politisch enorm
wichtig. Deswegen: Nicht jeden Konflikt ausfechten, nicht alles zu
Ende diskutieren. Viele Sachen zudecken, verdrängen.
Erinnerungen
an 1970
Nicht
meine. Die Filmemacher Cooperative gab es. Einer, der
heute nicht mehr dabei ist (Alfred Hilsberg), machte einen
Sonderverleih auf: mit den wenigen Filmen, die ausdrücklich
politisch sein solten. Man könnte auch sagen, er hat sie geklaut.
Die Prügelei geistert noch heute durch die öffentlichen
Erinnerungen. 1971 die Sozialistische Film Coop, 1972 dann der
Zentral Film Verleih. Mit vielen Filmen, die heute niemand
mehr kennt. Die industrielle Reservearmee von Helma Sanders.
Dann später, vielleicht 1973/74, die Frage, die alle linken
Akademiker bewegt. Woher kommt die Revolution? Aus den Stadtteilen
oder aus den Betrieben? Wer hat recht?
Auch im
Verleih zwei Meinungen: mal gewinnt der Film aus dem Kalletal für
die Arbeitsplätze bei Demag, mal der Rockerfilm aus Frankfurt.
Ökonomische Grundlage des Verleihs auch in dieser Zeit eher die
Filme, die C. nicht liebt. Das erfahre ich erst viel später.
Ich habe losen Kontakt zu diesem Verleih. Bin selber auf der
Arbeiterwelle in die dffb (Deutsche Film- und
Fernsehakdamie Berlin) geschwappt. Lerne viel und bin
wißbegierig. Zusammen mit anderen aus dem Medienzentrum in Berlin
mache ich einen Filmkatalog, zwei verschiedene Umschläge: „Film
im Klassenkampf“ und „Filme der Arbeiterbewegung“.
Unterschiedliche Titel, aber sie meinen das gleiche. Die Jusos und
die Falken kaufen den Katalog mit dem zweiten Umschlag. Wir schicken
den Katalog nach Hamburg. Sie haben am Karl Muck Platz 9 (heute
Johannes Brahms Platz 9) viel zu kritisieren. Vor allem, daß viele
wichtige Filme aus dem ZFV fehlen. Sie wollen für die nächste
Auflage viele Verbesserungsvorschläge machen. Wir warten vergeblich.
Die Zeit
der selbsternannten kommunistischen Arbeiterparteien. Aus dieser Zeit
auch meine Parteifeindlichkeit. Der Verleih hat mit diesen Parteien
auch wenig am Hut. Das macht ihn mir sympathisch. Dennoch treten sie
nach außen immer geschlossen auf. Innere Widersprüche werden
rausgehalten, dringen nicht an die Öffentlichkeit. Sie sprechen mit
einer Stimme.
Sie sind
ein Kollektiv, es gibt keinen Chef, sie entscheiden alles gemeinsam,
sagen sie. Sie erledigen die anfallenden Arbeiten gemeinsam, eine
Arbeitsteilung im klassischen Sinne gibt es nicht, sagen sie. Sie
sind weder von Bonzen noch von Parteien abhängig. Der Verleih zeigt
in seinen Filmen ein widersprüchliches Bild. Es ist bunt. Daß
dieses bunte Bild nur auf unterschiedliche Gewinner verschiedener
Machtkämpfe zurückgeht, weiß ich nicht. Sie machen viele
Versprechungen.
Das
Kollektiv 1976 in Berlin bei den Festspielen: Vier Personen wollen
mich anwerben. Ich sage zu im Herbst nach Hamburg zu kommen. Erst
später wird mir klar, warum sie alle wollen, daß ich nach Hamburg
zum Verleih komme. Sie wollen mich als Bündnispartner für ihren
internen Konflikt benutzen.
Ich denke, man kann als Filmemacher von den Verleihen nicht immer nur fordern, man muß auch selber mit zufassen, wenn es nicht vorangeht. Im Oktober bin ich da, drei Leute (Alfred Hilsberg, Uwe Emmenthal und Nobert Huhn) sind schon weg. Verwirrung bei mir. Fragen an die Dagebliebenen. (C., + K. J.)
„Wir haben uns aus inhaltlichen Gründen getrennt“, ist die einzige Erklärung.
Das erklärt nicht viel. Aber was solls, von der alten Crew ist nur noch einer da. Die anderen sind nicht mehr wichtig für mich, sie haben aufgehört – erledigt. Eins macht mich stutzig: Es sind genau die Leute weg, mit denen man immer zu tun hatte, wenn man einen Film bestellt hat, der dann auch den Lieferschein unterschrieben hatte. Der Mitarbeiter für „übergeordnete“ Anfragen war noch da. Einer von den Ausgeschiedenen hat morgens immer nur Zeitung gelesen, wollte sich hier selbst verwirklichen, höre ich. Später höre ich auch die andere Version. Mir ist das eigentlich ziemlich egal. Sie haben aufgehört, also sind sie nicht mehr wichtig.
1976 habe ich von diesem Verleih auch noch ein anderes Bild:
Die klopfen immer viel Sprüche, müssen ungefragt überall was sagen, und wenn man dann einen Film bestellt hat, dann kommt er nicht rechtzeitig. Schuld sind sie niemals sie selber, sondern immer „unsolidarische Vorspieler“. Oder noch schlimmer. Es kommt etwas, das hat mit Film nicht mehr viel zu tun – das Bild kann man vor lauter Kratzern nicht erkennen, der Ton ist kaum zu verstehen. Das, denke ich, ist meine erste Aufgabe in Hamburg, das zu ändern. Ich denke, Unzuverlässigkeit, hat mit links nichts zu tun. Ich denke, schlechte Kopien ebenfalls nicht. Ich versuche zu ändern und ernte viel Beifall, aber wenig praktische Unterstützung.
Die
anderen sagen: Zeitmangel. Aber täglich werden nur ca. vier Filme
verschickt und vier entgegen genommen. Keine ‚Schwierigkeit für drei
Leute, da die Arbeiten auf dem laufenden zu halten, Filme zu
reparieren, Klammerteile zu bestellen.
Einen Film habe ich mitgebracht von der dffb. (Meinen Abschlußfilm von der dffb Mit uns nicht mehr). Über Arbeit und eigene Erfahrungen in meinem ehemaligen Beruf als Maschinenschlosser.
Das
frühere Kollektiv hatte, so lese ich, diesen Film schon einmal
abgelehnt. Ich erinnere nur, daß er einige Wochen in Hamburg lag und
dann nur nach bösen Drohungen zurückgeschickt wurde. Kommentarlos.
C., immer noch Germanistikstudent, ohne eigene Berufserfahrung außerhalb des Verleihs, erklärt mir seine Haltung in der Gewerkschaftsfrage. Auf welche Weise das ZFV-Kollektiv bisher Gewerkschaftsfunktionäre kritisiert habe.
Ich mache einfach Druck, keine langen Diskussionen. Das ist meine politische Haltung, die in diesem Film ausgedrückt wird, und wenn die hier nichts zu suchen hat, dann habe ich hier auch nichts verloren. Der Film kommt in den Verleih. Nach vier Jahren habe ich genug. 1980 verschwinde ich von der Lohnliste des ZFV. Dazwischen viele Versuche einer guten Zusammenarbeit. Viele Versuche sich wenigstens nicht ins Gehege zu geraten.
Viele Fehler, die ich mitgemacht habe oder nicht entschieden genug bekämpft habe. Viele gute Leute, die im Verleih enttäuscht worden sind, die ich stärker hätte stützen können in ihren Konflikten mit C.. Aber oft lag eben die Wahrheit dazwischen. Der Hauptfehler aus meiner ZFV Zeit sicher: so eine Art unbewußtes Zentral Komitee für die Bewegung zu sein. immer wieder Entscheidungen darüber zu fällen, welche Filme notwendig und wichtig seien und dabei nur auf sich selbst, aber niemals auf die Kraft der sogenannten Benutzer unserer Filme zu vertrauen.
Andere Verleiher redeten oft davon, daß dieser und jener Film oft ausgeliehen wird, wir mit unserer befangenen Ideologie hatten dafür nur immer einen Spruch parat: „Ihr seid ja nur auf die Kohle scharf.“ Und die „Branche“ Film ist korrupt genug. Da wird ständig über Geld geredet. Inhalte außer ihren eigenen Kontoauszügen haben die kaum noch im Kopf. Alois Brummer ist da ein gutes Beispiel. Es gibt allerdings auch vornehme Leute im Geschäft. Wenn sie über wichtige Inhalte reden, über das, was sie den Leuten als Botschaft bringen wollen, dann denke ich oft: Klappern gehört zum Geschäft. Oder auch vornehmer mit Godard:
„Die
Kunst der Massen ist eine Idee der Kapitalisten.“
Dieses
Jahr in Oberhausen bei der Diskussion „20 Jahre
Oberhausener Manifest“ habe ich das auch wieder gedacht. Die
Gefahr in diesem Bereich, entweder reich zu werden und alles zu
vergessen oder Konkurs zu machen oder aber zum Heiligen zu verkommen,
ist besonders groß. Wir bekommen einen Brief von der
Verleihgenossenschaft in München. Da steht etwas von den
Gralshütern der richtigen Verleihpolitik. Sie haben recht gehabt.
Doch damals bin ich sauer auf diesen Brief.
Inzwischen ist aus dem Popelverein von 1972, in der jeder Mitarbeiter 60 DM pro Monat einzahlen mußte, ein Betrieb mit einem Jahresumsatz von 400.000 DM geworden. 40 Jahre unter- und unbezahlter Arbeit stecken drin. Vier von Alfred Hilsberg und A.R. und A. K., vier von mir (Jens Meyer)., drei von Klaus Jötten. (?), zwei von T. (Thomas Thielemann), zehn von C.. Wenn man sich jetzt von C. trennt, so wie man sich von 20 anderen getrennt hat, aus „inhaltlichen“ Gründen, warum sollte man sich nun nach so vielen Jahren privatrechtlich trennen?
Haben wir
nicht viele Jahre diesen Verleih als „Instrument der Bewegung“
bezeichnet? Der Verleih ist schließlich niemals eine
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für frustrierte Akademiker gewesen.
Oder etwa doch? Wer hat mich solange so gut täuschen können?
Fragen, die zur Zeit nicht beantwortet werden können. Ein Brief von
Arbeit und Film (Gernot Steinweg-Frankfurt): Sie warnen vor zwei
Konkurrenzverleihen, sie haben recht. Der „Markt“ ist nicht groß
genug. Aber sie meinen es anders. Wir sollen C. den Verleih
überlassen, wie immer.
Es
beginnt im November 81 eine Grundsatzdiskussion. Ich breche fast
zusammen. Lese von mir akzeptierte Definitionen in unserem
„1978-Hauptkatalog“. Das steht als Definition für Frauenfilme
folgendes: „Arbeiterinnen und Angestellte in der BRD und in
anderen Ländern, ihre Arbeitsbedingungen, Leichtlohngruppen,
Abtreibungsverbot, und Abhängigkeit von Männern, ihr Kampf für die
Stärkung der Arbeiterklasse.“ Mir wird übel vor mir selber.
Vier Filme sind aufgeführt. Frauen existieren in einem linken
Verleih vor allem: 1. entweder als ausgebeutete Arbeiterin am
Fließband mit der Doppelbelastung oder 2. als arme Frau, die
mit der Klassenjustiz-und dem § 218-in Konflikt kommt.
Ein Film wird uns angeboten. Ohne Liebe ist man höchstens geschickt. (vergleiche Medium 2/82; d. Red.) – ein Dokumentarfilm über die Arbeit einer Hebamme. C. fordert eine Grundsatzdiskussion, er findet den Film zwar auch gut, aber er gehöre wohl „eher in einen bürgerlichen Verleih“. Der Film kommt trotz erheblicher Widerstände in den Verleih. Eine Grundsatzdiskussion soll trotzdem kommen. Alle „Hauptamtlichen“ sollen dabei sein. Schon damit sie sich später nicht rausreden können, da bin ich nicht dabei gewesen, das müssen wir noch mal diskutieren. Schließlich ist das ein Filmverleih und kein Diskussionsclub, der mit Diskussionen die ökonomische Grundlage des Verleihs stabil erhält. Frist 31. März 82 (1982).
Bis dahin
wollen wir alle Schwerpunktbereiche des ZFV ausführlich
diskutieren und für die nächste Zeit festlegen. Kein
Festivalbesuch, keine Filmanschaffungen, keine Reisen – vor allem
keine Reiseprotokolle. Alle halten sich daran. Nur C. hat
schon nach 14 Tagen drei Reisen fest abgemacht und fährt auch trotz
Drohungen und Verwünschungen der anderen nach Berlin, Finnland und
in die Schweiz.
Sachzwänge
lassen sich immer schaffen, sagen seine Gegner. Seine Lober dagegen:
Das war notwendig, hätte er diese Reisen nicht gemacht, hätte er
damit dem ZFV schweren Schaden zugefügt. Ich erinnere mich:
die alte Diskussion: Die Sache ist wichtig und nicht, auf welche
Weise man zum Ziel kommt. Ich dagegen und auch die
Lohnlistenmitarbeiter: „Eine Sache, die innen falsch ist, kann
nicht außen richtig sein“, oder anders: „Beides ist
wichtig – das Ziel und auch der Weg.“
Das
wird, wenn das zwischen dem weißen medium-Karton gedruckt ist und
gelesen wird, sicher Schnee von gestern sein. Ein Bericht aus dem
Innern
des Wals.
Das war
Vergangenheit und nun
Wie wird der neue Zentral Film Verleih arbeiten? Wie wird er innen aussehen? Welche Filme wird er in Zukunft verleihen wollen? Auf welche Weise will er mit anderen Filmverleihen und den Benutzern der Filme besser zusammenarbeiten als in der Vergangenheit? Da haben viele Leute Wünsche und Hoffnungen, aber auch: schon eine Praxis, die sich in Teilen bewährt hat. Was gut war in der Vergangenheit, soll auch in Zukunft so bleiben: Eine Verleih, der partei- und bonzenunabhängig arbeitet. Auch die 15 Bereiche sollen weitgehend erhalten bleiben.
Die
dogmatische Ausgrenzung sogenannter
„unpolitischer“ Filme wird in Zukunft unterbleiben. Es
wird im zukünftigen Verleih auch viele Filme geben, die nicht nur zu
Schulungskursen oder Seminaren verwandt werden können, sondern
Filme, in denen das Leben dieser Menschen auch vorkommt. Filme, in
denen Menschen
auftauchen und nicht nur Funktionen.
Einige
dieser Filme sind schon im Verleih. Zu nennen sind
z. B. Das höchste
Gut einer Frau ist ihr Schweigen, Ohne Liebe ist man höchstens
geschickt, Geschichten von Flüsterpferd, Der Traum von einer Sache.
Das
„De-Facto-ZK-des ZVF“ ist
als aufgelöst zu betrachten. Wir entscheiden in Zukunft nicht mehr
alleine, ob ein Film notwendig ist oder nicht. Benutzer und
Filmemacher sollen sich an den Entscheidungen beteiligen und auch die
Möglichkeit bekommen, ihre Entscheidungen durchzusetzen. Sollte es
bei der bisherigen Rechtsform des Vereins bleiben, dann ist das mit
einer entsprechenden Satzung und Zusatzverträgen auch möglich.
Einige
Filmemacher haben wir dafür auch schon begeistern können. Sie
arbeiten bereits jetzt am neuen Konzept und der neuen Praxis mit.
Auch mit einigen Spielstellen haben wir schon gesprochen. Es wäre
schön, wenn nach dem Abdruck dieses Artikels noch mehr Filmemacher
und Benutzer/Spielstellen ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklären
würden.
Das hört
sich nun zwar ziemlich groß nach Bundeskonferenz an, soll es aber
nicht werden. Ganz neu sind wird auch nicht. Da genügt oft schon ein
Hinweis: „Wir brauchen einen Film für unsere Veranstaltungen, der
so und so aussehen soll. Es wäre gut, wenn ihr so was mal anschaffen
könntet.“
Oder
mehrere Spielstellen wenden
sich an den Verleih, um einen Film aus dem Ausland in die BRD zu
holen. Damit werden wir in Zukunft anders als in der Vergangenheit
umzugehen wissen. Wir wissen in Zukunft nicht mehr alles, und
vorrangig auch nicht mehr alles besser. Wir geben in Zukunft
Hilfestellungen, wir wollen Kraft und Mut geben, wer das braucht.
Aber wir wollen auch beides zurück. Wir wollen Instrument sein und
selber dabei leben. Wir lassen uns nicht einteilen: hier Politik, da
Leben in zwei getrennten Bereichen.
Wir
wollen keine damit Zeit verschwenden, indem wir so lange reden, bis
ihr der gleichen Meinung seid wie wir. Wir wollen euch nicht
überreden. Unterschiedliche Meinungen in verschiedenen Filmen
bleiben unterschiedlich. Wir
sprechen darüber, aber nicht mit einer Stimme. In der Vielfalt liegt
unsere Kraft. Wir
wollen nicht
auf fahrende Züge aufspringen und immer in verschiedene Richtungen
ein Zeitlang mitfahren, mit Lokomotivführern, die die Fahrpläne
auch nicht besser kennen, als wir selber. Manchmal wissen wir selber,
was zu tun ist, manchmal wissen es andere.
Aber ihr
und wir – wir machen unterschiedliche Erfahrungen, und die Summe
unserer und eurer Erfahrungen wird der neue Verleih sein. Wir wollen
keine Satzungsänderungen, um mit Leuten zu kämpfen. Wir sind
manchmal ratlos.
Aber
wir geben unsere Köpfe nicht an der Garderobe ab, und unseren Bauch
haben wir auch immer dabei. Denn was soll das nutzen, wenn wir nichts
zu fressen haben? Wir sind keine Ersatzkirche und auch keine
Ersatzkirchenvertreter. Wir wollen
das alles mit euch zusammen
erreichen.
Mit euch,
die ihr euch morgens um fünf aus dem Bett quält, und mit euch, die
ihr euch an Fernsehredakteuren abarbeiten müßt, mit euch, die ihr
um 9 Uhr die Auseinandersetzung mit dem Arbeits/Sozialamt führt, mit
euch, die ihr um 10 Uhr in eurem Unisemiar sitzt.
Auch mit
euch Filmemachern, die ihr euer Leben mit „Anträge-Formulieren“,
„Geld-Besorgen“ verbringt. Auch mit euch, die ihr eure Filme vor
zehn Leuten zeigen müßt, weil nebenan ein Fußballspiel läuft. Es
gibt allerdings auch welche, mit denen wir nicht zusammenarbeiten
wollen. Aber die wissen das selber, brauchen auch keine Filme und
lesen diese Zeitschrift sowieso nicht.
Laßt
uns zusammen anfangen. Wir wissen noch nicht alles. Aber wir haben
nicht nur Wünsche und Hoffnungen, sondern auch eine Praxis. in den
theoretischen Schriften stand jedenfalls nicht . . . laßt
euch vereinigen.
Wie
wir das nun innen konkret laufen? Wie wird der neue Verleih arbeiten?
Der Verleih hat zunächst
drei Mitarbeiter, die ökonomisch vom Verleih abhängig sind: W.K.,
E. S., A.R.
Dann einen weiter Mitarbeiter, der noch anderswoher Geld bekommt: Schorsch (K.G.W.). Falls der Verleih seine Rechtsform behalte) n sollte, dann wird durch zusätzliche Verträge eine derartige Machtzusammenballung wie bei C. vorgekommen, aus-geschlossen. Die Rechte der unterschiedlichen Interessengruppen wie Verleihmitarbeiter, Filmemacher, Spielstellen werden in einem Statut berücksichtigt. Falls es zu Interessenkonflikten kommen sollte. werden diese mithilfe von unabhhängigen Schiedskommissionen geklärt: nicht wie in der Vergangenheit mit Machtzusammenballung, ökonomischen Machtmitteln oder Landgerichtsurteilen. In Konfliktfällen bei Filmanschaffungen sollen Minderheiten nicht Filme verhindern können, sondern nur umgekehrt Minderheiten sollen ebenfalls die Möglichkeit bekommen, bestimmte Filme anzuschaffen. Nicht Ausgrenzung, sondern Vielfalt. Nicht Landgericht.
Zu den
Organen des Verleihs
Oberstes
Organ: Mitgliederversammlung,
Genossenschafterversammlung, Anteilseignerversammlung oder wie immer
auch das Kind heissen wird.
Zweimal
im Jahr findet eine solche Versammlung statt. In ihr wird von den
Verleihmitarbeitern und dem Kassenmenschen Rechenschaft über das
vergangene Halbjahr abgegeben. Hier wied die gemeinsame Richtung für
das nächste Halbjahr angegeben. Die MV
beauftragt einen Vorstand. Der Vorstand vertritt in Rechtsgeschäften
den Verleih nach außen. Außen kann sein: Postscheckamt, Bank u. a.
. Dies ist seine einzige Funktion. Diese Tatsache führt nicht dazu ,
daß die übrigen Mitglieder oder Mitarbeiter mit dem Argument
erpresst
werden, der Vorstand hafte etc. . Seine Wählbarkeit wird zeitlich
begrenzt. Mindestens
ein fester Verleihmitarbeiter
soll Mitglied des Vorstandes sein.
Verleihbesprechung.
Diese VB ist das entscheidende
Organ für Entscheidungen zwischen den halbjährlich stattfindenden
Versammlungen aller Mitglieder/arbeiter. Dieses Organ gibt sich eine
Geschäftsordnung, in dem der
Teilnehmerkreis beschrieben
ist.
Das sollten sein: der Vorstand, die festangestellten Mitarbeiter, die Teilzeitmitarbeiter sowie jene unbezahlten Mitarbeiter, die zeitlich begrenzt bestimmte Projekte des Verleihs betreuen. Kein Teilnehmer dieser Besprechung beansprucht für sich oder andere ein Vetorecht bei Entscheidungen. Es gilt das Konsensprinzip. Können wir auf diesem Weg zu keiner Entscheidung kommen, so stimmen wir ab. Stimmberechtigt ist der in der Geschäftsordnung genannte Teilnehmerkreis. Die Sitzungen finden wöchentlich statt.a Das sollten sein: der Vorstand, die festangestellten Mitarbeiter, die Teilzeitmitarbeiter sowie jene unbezahlten Mitarbeiter, die zeitlich begrenzt bestimmte Projekte des Verleihs betreuen. Kein Teilnehmer dieser Besprechung beansprucht für sich oder andere ein Vetorecht bei Entscheidungen. Es gilt das Konsensprinzip. Können wir auf diesem Weg zu keiner Entscheidung kommen, so stimmen wir ab. Stimmberechtigt ist der in der Geschäftsordnung genannte Teilnehmerkreis. Die Sitzungen finden wöchentlich statt.
Alle
vier Wochen (jeden 4. Sonntag) finden Beraterversammlungen
statt. Welche genaue Funktion diese Beraterversammlung haben könnte,
darüber solltet ihr euch den Kopf zerbrechen.
Einige
von uns denken, es sollte eine Meinungsbörse sein für Gespräche
zwischen Verleihern, Benutzern der Filme und Filmemachern. Andere von
uns haben die Vorstellung, daß man diesem Beratergremium die Auswahl
der neuanzuschaffenden Filme übertragen sollte. Was wir gemeinsam
verhindern wollen, sind Abstimmungsmaschinen. Vor allem keine
Verwaltungsbürokratie. Und die Sache soll auch nicht zu einem
Diskutier Verein verkommen, in dem Leute die Finger heben, deren
Fingerheben in jeder Hinsicht für sie folgenlos bleibt.
Bisher
alles noch veränderbar. Diskussionsansätze. Aber wir können auch
nicht zwei Jahre mit der Umsetzung unserer Vorstellungen warten.. Der
Büroalltag des neuen Verleihs wird folgendermaßen praktiziert.
(jetzt auch schon teilweise):
Alle Verleihmitarbeiter sollen in gleicher, praktischer Weise Zugang zu allen Informationen des Verleihs haben. Um dieses Ziel zu verwirklichen, müssen künftige Informationsvorsprünge/Machtansammlungen verhindert werden. Dazu werden zunächst die sogenannten Routinearbeiten wie Filmberatung und Disposition der Filme (telefonisch/schriftlich), Versand und Kontrolle der Kopien, Katalogbestellungen, Anschriftenkartei u. a. auf alle anwesenden Mitarbeiter in einem wöchentlichen Rythmus gleichmäßig verteilt (Rotationsprinzip). Auch die restlichen anfallenden Arbeiten, die weniger termingebunden sind, wie Filmabrechnungen, Erstellung und Versand von Informationsmaterial, Sichtvorführungen und Filmbegleitungen, Einsatzstatistiken u. a. werden wöchentlich gleichmäßig verteilt. Im dritten Bereich sind die Arbeiten zu verteilen, die über längere Zeiträume zu bearbeiten sind, wie Kontoführung, Rechnungsabbuchung, Lohnbuchhaltung, Steuererklärung u. a.. Diese Arbeiten werden im viertel-jährlichen Rythmus auf alle Mitarbeiter gleichmäßig verteilt. Außer den genannten Arbeiten wird der Verleih unentgeltlich arbeitende „Projektmitarbeiter“ (wie in der Vergangenheit auch) für einzelne Aufgaben haben.
Das sind
beispielweise Herstellung deutscher Tonfassungen ausländischer
Filme, Rundreisen mit neuen Filmen, Herstellung von
Hintergrundmaterialien für bestimmte Einsatzbereiche, Verbesserung
des dezentralen Beratungsnetzes zusammen mit ähnlich arbeitenden
Verleihgruppen in der BRD. Auch in diesem Bereich sind wir für
Anregungen offen und für Angebote dankbar. Und im Gegensatz zu
früher werden wir sie nicht jahrelang wohlwollend prüfen, bis
niemand mehr davon weiß.
Im
Verlauf unserer Auseinandersetzungen sind wir immer wieder auf
ähnliche Fälle von Privatisierungsversuchen innerhalb des linken
Ökonomie Bereiches gestoßen. Der Witz, in dem ein Kollektivmitglied
ruft:
“Chef,
kannste ma kommen, hier will jemand
was über unser Kollektiv wissen“,
gehört für den Zentral Film Verleih
Hamburg e. V. jedenfalls der Vergangenheit an.
Text: Jens Meyer Mai 1982/neu abgeschrieben im Februar 2021
Die Sache war damit natürlich noch nicht zu Ende. Siehe Bemerkungen 2021. Nach fast 40 Jahren sollten auch die Namen der damals Beteiligten genannt werden: A. H. = Alfred Hilsberg; A. K. = Anne Kubina; A. R. = Andrea Rudolphi; C. L. = Christian Lehmann (Ehemals Vorsitzender der ZFV e.V.), K. J. = Klaus Jötten; D. L. = Detlev Lehmann; E. S. = Elfriede Schmitt; S. F. = Sabine Fischötter, J. M. = Jens Meyer; K. G. W. = Klaus Georg Wolf; N. H. = Norbert Huhn; T. T. = Thomas Thielemann; U. E. = Uwe Emmental; W. M. = Wolfgang Morell; W. K. = Werner Koch
FÜR BERTHOLD, den ich in der dffb kennenlernte. Berthold Podlasy war Mitautor und Schauspieler in unserem dffb Film von 1971: »Deine Freizeit gehört dir noch nicht«. Eine Gruppenarbeit von Michael Mosolff (kein dffb Student, Gasthörer), Martin Streit, Berthold Podlasly und mir. Ein Still aus einer Filmkopie, wie man das heute nennt. Wir haben einfach Foto gesagt. Denn wenns nicht still gewesen wär, wärs ja verwischt worden.
Kuchekäschtle. Wir mochten uns. Martin Streit und ich. Später kam noch Berthold Podlasly dazu. An Martin denke ich manchmal. An Berthold auch. Wir hatten eine ähnliche Biografie vor der dffb. Waren auf der Proletenwelle in die Akademie gespült worden. Wir wollten viel und schnell lernen, um damit weg von den Proleten zu kommen. Viele Mitstudenten wollten grade dahin, wo wir grade von weg wollten. So haben wir uns zusammengetan. Ich erinnere mich an einen Grundkursfilm mit einer langen Kamerafahrt. Der Film hatte den Arbeitstitel >Inga<*, so hieß die Frau, mit der ich damals verheiratet war. Etwas besseres war uns zu dem Zeitpunkt nicht eingefallen. Inga arbeitete als Pädagogin in einem Jugendfreizeitheim. Das sollte auch unser Film behandeln. Er ist sehr lang geworden und sollte den Zusammenhang von Arbeit und Freizeit darstellen. Eine lange Kamerafahrt sollte um einen Häuserblock stattfinden. Auf der einen Seite ein Regierungsgebäude, auf der gegenüberliegenden Seite ein Jugendfreizeitheim. Unsere Kamerafahrt sollte optisch den inhaltlichen Zusammenhang von beiden Einrichtungen zeigen. Zehn Minuten, eben so lange, wie eine 120 m Kassette in einer 16 mm Kamera (Arri BL) reichte. Die Wirkung, die wir uns davon erhofft hatten, trat beim Publikum aber nicht ein.
Die beste Geschichte, die sich immer wiederholt hatte und die Martin Streit mir immer und immer wieder erzählen mußte war die, von der Autobahn, die bei Magdeburg über die Elbe querte. Er war Besitzer eines alten Buckel Volvo mit Schweizer Kennzeichen. Und er war Besitzer eines Schweizer Passes, weil er in der Schweiz geboren und aufgewachsen war. Manchmal, aber eher selten, sprach er auch so, wie die da sprechen. >Kuchekäschtle<** hat mir immer besonders gut gefallen. Die Geschichte mit dem Buckel Volvo, der Autobahn und der DDR ging so. Dazu muß man wissen, daß wir beide (Martin und ich) den DDR Sozialismus, den real existierenden, wie sie ihn nannten, nicht sehr mochten.
Das war in der dffb mehrheitsfähig. An der Magdeburger Autobahnbrücke gab es eine Geschwindigkeitsbegrenzung. 30 Std/kmh waren ausgeschildert. Ohne jeden ersichtlichen Grund. Das Schild diente vorwiegend der Devisenbeschaffung des Arbeiter- und Bauernstaates. Und jedes Mal wenn Martin an diese Stelle kam, beschleunigte er auf die Höchstgeschwindigkeit, die der Buckel Volvo noch schaffte. (Hundertzwanzig km/h). Hinter der Brücke lagen die Volkspolizisten, wie sie genannt wurden, auf der Lauer und stoppten den Buckel Volvo in freudiger Erwartung auf das viele Westgeld, dass sie jetzt kassieren würden.
Aber Martin hatte nie >Devisen< bei sich. Sie mussten ihn jedes Mal laufen lassen, notierten seine Schweizer Anschrift und sein Kennzeichen. Geld haben sie nie bekommen. Irgend wann haben sie sich das nicht mehr gefallen lassen und er musste jedes Mal das Flugzeug nehmen, wenn er nach >Westdeutschland< Berlin verlassen wollte. Den Buckel Volvo haben sie nicht mehr reingelassen. Und den Schweizer Bürger auch nicht.
Vermutlich waren ihnen die Verwaltungskosten zu hoch geworden. Er hat nach der dffb viele Filme fürs Fernsehen und bei anderen Filmen die Kamera gemacht. Wir haben uns nicht aus den Augen verloren. Selbst an dem Tag, als er sich eine Überdosis gab, haben wir noch miteinander telefoniert. Ob die Geschwindigkeitsbegrenzung an der Magdeburger Autobahnbrücke noch besteht, weiß ich nicht. Ich fahre immer mit der Bahn nach Berlin und zurück. In dem Heft >dffb volljährig< von 1984, wo vorne das Bild einer Schauspielerin und das von Heinz Rathsack zu sehen ist, antwortet Martin Streit auf die Frage, ob er noch Utopien habe. (Wenn möglich, ausführlich beschreiben): >Ich möcht‘ einer gewesen sein wie Petersen einmal einer sein wird.***<
Ps: * Der fertige Film trägt den Titel: >Deine Freizeit gehört dir noch nicht< Im Vorspann sind die Filmemacher genannt: Berthold Podlasly, Michael Mosolff, Martin Streit und ich (Jens Meyer). Natürlich alphabetisch geordnet, wie sich das gehört.
** Kuchekäschtle = Küchenschrank
*** Gemeint hat Martin Streit vermutlich den Wolfgang Petersen, dessen dffb Abschlußfilm den Titel trug: >Ich werde dich töten, Wolf<. Auch der zweite aus unserem Grundkurstrio, Berthold Podlasly, hat sich umgebracht. So bin ich der Übriggebliebene dieses Trios. Auch dieser Satz kommt aus dem Kino: >Die Besten sterben immer zuerst< Und aus welchem Film ist dieser Satz? Hah, da kommt ihr nie drauf! Da könnt ihr lange raten! Huch, ich hatte ganz vergessen, ihr habt ja jetzt Maschinen, die für euch suchen! Na, dann mal los!
Jens Meyer 4. November 2018
Und hier ist des Rätsels Lösung: Sie stammt aus der deutschen Synchronisation von „Fanfan, der Husar“ (Fanfan la tulipe) von Christian-Jaque und wird dem Schauspieler Gérard Philipe in den Mund gelegt. Das ist seine Antwort auf den Satz seines Vorgesetzten, der behauptet hatte, man hätte ihm im Krieg schon vier Pferde unter dem Arsch weggeschossen. 26. Oktober 2021.
Wer könnte ein Interesse daran haben, Zahlen zu publizieren, die zeigen, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen private Gewinne gemacht werden? Die Filmwirtschaft, die selber durch Verkauf kaum verkäuflicher Filme an die Fernsehanstalten große Profite machen? Redakteure der Rundfunkanstalten, die dann ihren Job verlieren? Die Parteien, die doch als Kontrollorgane in den Fernsehanstalten sitzen, aber selber energisch daran arbeiten, möglichst oft dem Volke vom Bildschirm herabzulächeln?
Fotos Jens Meyer
Zeitungsverleger wie Springer, die schon seit Adenauer versuchen, für sich einen privaten Kanal herauszuholen? Herausgeber und Verleger Augstein, der mit Argusaugen auf Bertelsmann und Springer guckt, selbst aber seit langem (zusammen mit Gruner & Jahr) an einer Gesellschaft beteiligt ist, die privates Fernsehen betreiben soll? Die Fernsehzeitschriften, die uns jede Woche unsere Fernsehlieblinge vorführen? Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder, die nicht wissen, wie Filme durch das Fernsehen produziert, auf die Berlinale gelangen? (1)
Oder gar die Jahrbücher von ARD und ZDF, die wie das ARD-Buch auf 333 Seiten Kunstdruckpapier-Vierfarbendruck so wichtige Informationen verbreiten wie (Chronik des SFB):”Der Intendant des SFB Franz Barsig, der zu einem Jahresurlaub an der Ostsee weilt, wird mit einem Herzinfarkt in ein Lübecker Krankenhaus eingeliefert.” (12. 08. 1969). Dass ein gewisser Hans Peter Krüger (3. Hörfunkprogramm) wegen “einseitiger, tendenziöser Moderation” gekündigt wurde, findet man nicht. Dafür erfährt man, wie viel Minuten Kultur, Sport, Dokumentation usw. jeder Sender der ARD zur Verfügung gestellt hat, wie hoch die Postgebühren, wie teuer die Sendeminute ist – schweigsamer wird das ARD-Jahrbuch schon bei den Bilanzen der Werbetöchter, eine Seite (von 333) ist schon fast zu viel – auch das ZDF Buch ist voll von den kulturpolitischen Betrachtungen (“Fernsehen in der Zukunft-neue Aufgaben” usw.)
Dennoch: 1969 Bruttoumsatz (Werbefernsehen/Rundfunk), ARD 546 Mill Bruttogewinn 265 Mill Nettogewinn 116,9 Mill. 400 Millionen Mark gehen weg für Provisionen, Gema, Eigenkosten, Postleitungskosten (obwohl die Werbeprogramme zu einer Zeit laufen, in der man auch ohne Werbefernsehen den Sender nicht abstellen würde). Die Industrie bezahlt rund 30 % des Fernsehens – beim Zweiten deutschen Fernsehen sogar 50 % (mit Industrie sind nicht die Warenproduzenten gemeint, sondern die Großkonzerne). Die Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien vom Großkapital ist nicht so hoch, wie die der Zeitungen, dennoch aber beträchtlich. Zudem muss damit gerechnet werden, dass Bilanzen durch geschickte Buchhalter gemacht werden, die es verstehen, Gewinne zu verstecken. Dennoch geraten wenige Informationen an die Öffentlichkeit: z. B. eine Meldung von “Hör Zu”, dass die Berliner Werbetochter des SFB („Sender Freies Berlin“) das Hotel am Studio (inklusive Tankstelle, Bowlingbahn, zwei gut gehenden Restaurants, ein Autogeschäft), das sich kaum als Studio betreiben lässt und deshalb als Hotel betrieben wird, gekauft hat. (Hör Zu 17. April 1971). Preis für das “Ausweichgrundstück” ca. 8 Millionen Mark. Haushaltsausgleich für den SFB aus dem ARD Topf 20 Millionen . (2)
Auch unsere kritischen Filmzeitschriften (Filmkritik, Fernsehen + Film) beschäftigen sich kaum mit dem Fernsehen als Schlüsselindustrie auf dem Mediensektor – Befürchtungen, der Spielraum Filmkunst könne sich weiter verengen, bei Angriffen auf Töchter, mögen eine Rolle spielen. Coproduktionen zwischen Film und Fernsehen könnten unmöglich werden, wie sie z.B. die Tochter des Bayrischen Rundfunk Telepool praktiziert, die aus dem Verkauf mehrerer Filme (Resnais, Moorse) so hohe Profite machte, dass sie davon die nächsten Filme finanzieren konnten. (3)
Oder die Beta Filmgesellschaft – Monopoleinkäuferin für das ZDF – für Spielfilme – auch sie erscheint (ähnlich wie DEGETO der ARD in Frankfurt) mit keinem Wort in dem ZDF – Jahrbuch. (4)
Werbetöchter oder Produktionsgesellschaften (Bavaria Atelier GmbH, Studio Hamburg GmbH, Taunus Film GmbH) haben als GmbH den Vorteil, keine Bilanzen veröffentlichen zu müssen. Die Anstalten können mit ihnen den Grundsatz umgehen, keine Profite zu machen, die der Anstalt nicht zugute kommen und nicht durch Zuschußgeschäfte ausgeglichen werden.
Man darf annehmen, dass es hier eine Dunkelziffer von Betrieben gibt, die kaum durch Kapitalverflechtung, als durch personelle Verflechtung mit dem Fernsehen verbunden sind, oder Zulieferer, die dem Fernsehen nominell nicht gehören. Für den Produktionsbereich des Fernsehens kann gelten, was für den Konsumbereich immer als unmöglich erklärt wurde – Umgehung der Rechtskonstruktion öffentlich-rechtlich-Bemühungen aus dem nichtkommerziellen Kinobereich (Arsenal-Abaton-Ostertor). Filme auch dem Fernsehen nachzuspielen – bringen von Seiten der Anstalten immer wieder den Hinweis auf die ausschließlichen Fernsehrechte (Heinz Ungureit: ”Wir haben lediglich die Fernsehrechte”) ein. Was keine Profite bringt, ist unmöglich. Zudem werden kapitalistische Marktmechanismen übernommen: Für das Wort “Deutsche Erstaufführung” müssen die Fernsehteilnehmer hohe Preise bezahlen – der Gebrauchswert der Ware Filme ändert sich nicht – da das Recht auf Erstaufführung so teuer ist, muss denn auch das Fernsehen (Summe der Teilnehmer) strikt darauf achten, dass nicht kleinere Gruppen den Film schon vorher sehen können. Mit dieser Praxis werden monatelang Kopien von Filmen für den nichtkommerziellen Bereich blockiert, wie das z.B. bei den lateinamerikanischen Filmen der Freunde der Kinemathek e. V. passiert ist. Das Fernsehen handelt damit nicht im Interesse der Mehrzahl der Fernsehteilnehmer und unterscheidet sich in nichts von den Praktiken der Filmmonopole.
Ökonomische Macht und politische Herrschaft Nimmt man vorhandene Tendenzen innerhalb des Fernsehens zusammen, so kann man für die Zukunft davon ausgehen, dass sich das kapitalistische Demokratie Prinzip durchsetzt, das der Soziologe K. O. Hondrich schon 1969 so beschrieben hatte: “Ökonomische Macht und politische Herrschaft fallen tendenziell zusammen, das Machthaber dabei persönlich in politische Herrschaftspositionen drängen, ist nur der Sonderfall, in der arbeitsteiligen Gesellschaft genügt es, wenn die politisch Herrschenden die Interessen der ökonomisch Mächtigen wahrnehmen.” (5)Das Mittel bildet die Zensur, die so lange sie nicht als Teil einer langfristigen Strategie begriffen wird, idealistisch bleibt. So schrieb Wolf Donner in “Die Zeit” vom 30. Juli (1971) (Bildstörung) einen Artikel über mehrere politische Konflikte in den Rundfunkanstalten: Konflikt 1: Das beim Bayrischen Rundfunk produzierte Jugendmagazin “Bildstörung”, das in größeren Abständen seit 17. April 1970 von Jugendlichen journalistisch betreut wurde. Die letzte Sendung (nicht gesendet) war Anlass, das unliebsame Magazin endlich los zu werden. Argument des BR “Nicht sendefähig” – ein Argument, das wohl die Angestellten vom BR trifft, die das Magazin technisch gemacht haben. Was als Spielwiese gedacht gewesen war (“Diskussion mit Prominenten”) wurde mehr, wurde politisch relevant und der (bayrischen) CSU unliebsam. Auch bei “IN” (Jugendmagazin des Radio Bremen) sind Absetzungen von Beiträgen, Umdisponierung häufiger geworden, während der Beat Club weiterhin ungeschoren bleibt. In Bayern schaltet sich das Fernsehen bei der Produktion aus: Zoom drei ist für Bayrische Jugendliche nicht geeignet. Wer nun annimmt, dass es sich bei Fällen politischer Zensur um Einzelfälle handelt, sieht sich getäuscht – Der Redakteur von ZOOM (SWF) Wolfgang Drescher wird gekündigt, gleichfalls gehen muss Elke Baur. Grund: Die politisch nicht ausgewogenen Sendungen. (6) Solche Konflikte zeigen, wie unvollkommen die Strategie der herrschenden Klasse auf diesem Gebiet noch ist. Ruhe und Ordnung werden wie bei Monitor, Panorama, ZDF-Magazin usw. auch hier bald einziehen. Ohne Konflikte kann der Intendant nur sein, wenn er dafür sorgt, dass die richtigen Leute, die richtigen Meinungen vertreten. Bei jeder kontroversen Sendung riskiert der Journalist seine ökonomische Grundlage, Folge: er zensiert sich selbst. Leichtsinnsakte: freie Mitarbeiter zu beschäftigen- solche Fehler macht er nur einmal. Peter Merseburger, 1969 zu Studenten der dffb (Malte Ludin, Dieter Stoll) beauftragt einen Film über die Septemberstreiks zu machen: ”Sie können alles sagen, was nicht den Staatsvertrag mit dem NDR verletzt”, war schon bald nicht mehr bereit, diese Zusage einzuhalten.
Auch der geschickte Claus Hinrich Cassdorff hatte im Dezember 1970 in einer Veranstaltung in der dffb von dem großen Freiheitsspielraum innerhalb der ARD und speziell bei Monitor getönt, auch als sein Angebot, doch mal einen Film für Monitor zu machen, aufgenommen wurde (Vier Studenten der dffb) – war er bereit. Thema: SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin). Sendetermin (sein Vorschlag): Eine Woche vor den Wahlen in West Berlin. 2/3 des Materials waren bereits gedreht, da bekam Claus Hinrich Cassdorff plötzlich kalte Füße – der kalte Wind kam (so kann man annehmen), wahrscheinlich von den Kollegen aus Bonn und Berlin. Schnell annullierte er den Auftrag und ließ sich von dem Kontaktredakteur Michael Stoffregen-Büller einen neuen Film aus dem gleichen Material machen. Die veränderte Funktion des Beitrages rechfertige die Sendung: relevante Stellen überdecken mit einem üblen Antikommunismus Kommentar, anschließend ein Beitrag über die neuen Nationalsozialisten eine Gleichung, die selbst liberalen Journalisten nicht mehr einleuchtet.
Anmerkung 2014: (Ich hab noch mal nachgesehen. Die Wahlen waren am 14. März 1971 in West Berlin. Die SEW erreicht 2,3 %). Wahlen scheinen die Sender überhaupt sehr zu verunsichern, besonders der SFB (der das Wort Frei im Namen führt) entwickelt große Angst vor Änderung der bestehenden Machtverhältnisse, sodass er sogar im dritten Programm (das von Arbeitern sowieso nicht gesehen wird) darauf achtet, dass das Bild von der Herrschenden Klasse nicht demoliert wird.
Als ebenfalls im März 1971 im dritten Programm (SFB-RB-NDR) ein Film über die westberliner Mietersituation von Hans Mosczala gesendet wurde, schaltete sich der SFB aus. Bedenklich daran ist, dass dieser Sender in einem von der SPD regierten Land sendet. Aber der Arbeitervertreter Franz Barsig (SPD) hatte schon früher gezeigt, das er fest entschlossen ist, die Arbeiter vor dem Sozialismus zu schützen.
1970 hatte er den Redakteur des dritten Hörfunkprogrammes (30 % bestreitet der SFB) Hans Peter Krüger gekündigt, Grund einseitige tendenzielle Moderation – zu links -, aber selbst die herrschende Justiz in Form des Arbeitsgerichts, musste ihm bescheinigen, dass er allzu ungeschickt vorgegangen war. (Anmerkung 2014: Ist zwar ne Wiederholung, aber das hatte die Generation vorher auch schon gemacht: Wiederholen)
Da er den Redakteur Krüger so nicht los wurde, schickte er Krüger eine Änderungskündigung. Erklärte Franz Barsig in einem Brief an Erika Runge vom 26. April 1970 (Kürbiskern Heft 3/71 S. 440), die zusammen mit anderen Journalisten, eine Teilnahme an einer Fernsehdiskussion abgelehnt hatte, das es bei dem SFB keine politische Zensur gäbe (“trotz der Eingriffe in die Literarische Illustrierte, Schnitte an Malatesta, Strafversetzung von zwei Jugendredakteuren, also: ” . . . das es trotz all dieser und noch andrer Maßnahmen beim SFB keine Zensur gäbe.”
Auch andere Intendanten sind noch nicht genügend geübt im Umgang mit Kündigungen: Franz Mai (Intendant Saarländischer Rundfunk) wollte seinen Programmdirektor Literatur-Hörfunk Arnfried Astel in die – Wüste schicken – auch seine Gründe für die Kündigung schienen dem Arbeitsgericht allzu fadenscheinig, wie die des Berliner Kollegen (der noch im Januar vor der Programmkonferenz der ARD getönt hatte: ” . . . und nun wünsche ich ihnen einen fröhlichen Abend, die Linken sind ja alle im Gefängnis.”)
Eine Solidaritätsadresse für Arnfried Astel, unterzeichnet von fünfzig namhaften Publizisten landete in der Kommandozentrale des SR. Anlaß der Kündigung auch in diesem Fall: “Einseitige Moderation”. Grund ein Artikel von Astel in der FR.. Mai: “ . . . weitergeben von vertraulichen Informationen” bei der zweiten Kündigung (die erste wurde vom Arbeitsgericht für nicht rechtskräftig erklärt) ein Artikel in einer Resozialsierungszeitschrift für Häftlinge. Mai:“Aufforderung zum Aufruhr”.
Die Ungeschicklichkeit mit der hier politische Zensur ausgeübt wird, unterscheidet sie von den Intendanten der restlichen ARD Anstalten und Karl Holzamer vom ZDF. Selbst Peter Scholl Latour (als er noch beim WDR war), der lange als “relativ“ liberal galt, hat eine Sendung über „Floh de Colonge““Profitgeier” weniger spektakulär vom Programm verschwinden lassen-
Kurz: die Männer in den anderen Anstalten vertreten die Interessen der Herrschenden sehr viel geschickter und mit sublimeren Formen der Unterdrückung, keinesfalls darf aus weniger Konfliktfällen geschlossen werden, dass bei anderen Sendern der generelle Freiheitsspielraum wesentlich größer sei. Wer Zusammenhänge begreift, der darf nicht nur einfach die Fälle politischer Zensur im Fernsehen addieren, sondern er kann sie gut als Zeichen einer langfristigen Strategie interpretieren. Dazu gehört auch, was sich Herr Hammerschmidt (Intendant Südwestfunk Baden Baden) für die ARD ausgedacht hat und jetzt (zwar modifiziert) von der Programmkonferenz als Grundsatzpapier verabschiedet wurde. Wichtigste Proklamation des Papiers: Der Pluralismus muß sich in jedem Beitrag (Meinung) niederschlagen, nicht mehr nur im Gesamtprogramm, angegriffene (systemimmanente Kritik) Politiker, sollen in jedem Fall innerhalb der Sendung Gelegenheit zur Gegendarstellung bekommen (siehe auch dazu: Manfred Delling in Filmreport 9/10 1971 vom 30. Mai 1971) (7)
Die langfristige Machtübernahme der Konzerne wird im Fernsehen vorbereitet – die Helfershelfer in den Rundfunkanstalten werden sich dagegen wehren, von irgend jemanden gekauft zu sein – oder mit ihnen zu kooperieren, das wird man ihnen auch schwer nachweisen können. Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf das Interesse des ganzen Volkes, bescheinigen sich die Herrschenden immer wieder selbst, das sie ja nur das täten, was die Mehrzahl will. Für die Vorbereitung einer solchen Machtübernahme genügt es jedoch, daß sie objektiv die Interessen der ökonomisch Mächtigen und politisch Herrschenden wahrnehmen. Fragt Monitor Chef Claus Hinrich Cassdorf Andre Costellani auf dem Höhepunkt der Währungskrise (einen der größten Finanzspekulanten) in der Sendung vom 10. Mai (1971): ”Haben nicht die großen Geldinstitute eine besondere Verantwortung?” Und der Geldschieber ungarischer Abstammung mit amerikanischen Paß kann diese Frage mit “gutem Gewissen” mit ja beantworten- oder Fritz Berg (BDI): ”Wie ist ihr Verhältnis zu Schiller?” Fritz Berg Antwort: “Mein Verhältnis zu Schiller war und ist gut!”
Die Interessenvertreter der ökonomisch Mächtigen (CSU-CDU-ZDF) und seit der Globalsteuerung auch die SPD arbeiten daran, die totale Meinungsfreiheit der Großunternehmen nun auch (wie in der Einheitspresse) im öffentlich rechtlichen Fernsehen einzuführen oder nicht zu verhindern – In der FR vom 5. August 1971 schrieb Hans Joachim Noack zur Machtübernahme der CDU im ZDF: ”Außer Galgenhumor hat die SPD nichts zu bieten.”
In vergangenen Jahren ging es immer nur darum, einzelne Sendungen (Panorama, Report, Monitor), oder Redakteure (Merseburger, Fest, Kogon, Paczensky, Proske) vom Fenster verschwinden zu lassen, jetzt sind die Herrschenden inzwischen dazu übergegangen, das Übel an der Wurzel zu packen und die Schaltstellen der Macht mit den richtigen Leuten zu besetzen. Der Rationalisierungseffekt ist ungeheuer.
1) Es brauchen kaum noch Filme für das Archiv gemacht werden! (kostensenkend)
2) Man braucht nicht jedes Mal, vorher oder hinterher beim Intendanten zu intervenieren und spart so durch Arbeitsteilung so wichtige Leute wie den schleswig holsteinischen (“Ich bin selbst lange Zeit Journalist gewesen”) Will Rasner, der sich jetzt der eigentlich politischen Arbeit widmen kann. In diesem Zusammenhang erschien im Spiegel “Es ist soweit” vom 19. Juli 1971 ein Artikel über die Machtübernahme der CDU im ZDF. Spiegel: “Über den Verwaltungsrat” (Stimmenverteilung CDU 5, SPD 4 Stimmen) “bekommen wir das ZDF in den Griff” (Ministerpräsident Helmut Kohl). Erste Maßnahme: Rudolph Woller (CDU), (Spiegel: “militant konservativ”) wurde neuer Chefredakteur beim ZDF. (Kohl: ” . . . im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat.”) (Kohl ist Vorsitzender des Verwaltungsrates). Gleichzeitig engagierte der CDU Sender (In Zusammenhang mit der Kontroverse um das ZDF Magazin) “zur Beruhigung der Redakteure und der Öffentlichkeit”, einen Mann aus dem rechten Flügel der SPD: Fritz Schenk soll Comoderator für den Altfaschisten Löwenthal werden. Die aufsässige Redaktion konnte dieser Schritt nicht beruhigen, man glaubt kaum: ”das Schenk den liberalen Gegenpol zum rechten Löwenthal darstellt. Der Juso Bundesvorstand nannte das Kind (in einem Brief an Wehner und Wischnewski) “Löwenthal-Double” mit Namen. Laut Spiegel “sind in den Redaktionen des ZDF weitere Umbesetzungen geplant, die der CDU – noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1973 – entscheidenden Einfluß auf das Mainzer Programm sichern sollen: (Anmerkung 2014: Die Wahl fand 1973 nicht statt. Es gab stattdessen ein Mißtrauensvotum, das scheiterte (es fehlten zwei Stimmen, eine davon war gekauft, wie sich später herausgestellt hat) und vorgezogene Neuwahlen 1972. (Die Rolle des MfS der DDR bei dem Mißtrauensvotum und dem Stimmenkauf wäre einen Extra Beitrag wert)
“Chefreporter und Kohl Intimus Karl Heinz Rudolph löst den liberalen und parteilosen Heute Chef Rudolf Radke ab“. Hauptabteilungsleiter (Politik und Zeitgeschehen Volker von Hagen (CDU) wird neuer Studio Chef in BonnFriedrich Novotny (CDU) übernimmt in Mainz die Innenpolitik. Bilanz Moderator Wolfgang Schröder wird zum Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Soziales befördert.” Ende des Zitates (Spiegel).Doch die CDU blieb auf Angriffe nicht untätig: ” . . . es handelt sich um eine linke Kampagne, die Genossen sitzen im ZDF dick drin,” tönte es kurz darauf aus deutschen Ländern. Ist schon mal ein Redakteur in Deutschland wegen starken Rechtskurs seinen Posten losgeworden, fragt man sich. Der sichtbare Teil des Manipulationsnetzes wird größer, niemand kann jedoch ein Interesse daran haben, ihn so zu vergrößern (auch Augstein nicht), dass sich an der Höhe der eigenen Profitrate etwas ändern könnte. In der gleichen Nummer des Spiegel steht ein längerer Artikel über Marktverflechtungen bei den neuen audiovisuellen Medien. (Bildplatte, EVR, VCR) – hier werden zwar die schon bestehenden Konzernverflechtungen (Bertelsmann, Quelle, Springer usw.) der Programmhersteller und die Gerätefabrikanten (Telefunken, Philips, RCA, Bosch usw.) beschrieben, vergessen wird jedoch die eigene Verflechtung – auch von den Aktivitäten Augsteins für ein privates Fernsehen (ein Projekt Adenauers, das heute besonders von den Landesregierungen in Saarbrücken und München gestützt und gefördert wird) ist nichts zu finden. Auch nicht darüber, daß es in Saarbrücken bereits eine Aktiengesellschaft (Grundkapital 3,05 Mill.) für die privaten Kanäle (Gigaherzbereich, Kabelfernsehen) gibt, bei der Augstein-zusammen mit Gruner und Jahr, Burda 18 % des Aktienkapitals in Besitz haben (Freie Rundfunk AG -FRAG)- und an der außerdem der Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer mit 18 % beteiligt ist. (8)
Lassen wir uns nicht täuschen – wirtschaftliche Verflechtung, Aufteilung noch nicht vorhandener Märkte (politische Zensur und Machtpolitik der Herrschenden durch Besetzung der wichtigen Schaltstellen im Mediensektor), das sind nur verschiedene Seiten einer Strategie mit dem Ziel der totalen Manipulation zum Nutzen der Großkonzerne. Und wer erstaunt ist über die Länge der bekannten Zensurfälle, dem helfen selbst die Liberalen zur Verlängerung dieser Liste. H. G. Ossenbach wurde bei Hessischen Rundfunk (Hessen vorn) entlassen (Wolf Donner in Die Zeit vom 12. März 1971 “Eine schleichende Zensur verunsichert die Redaktionen”). Bei der Sendung des Kulturmagazins (Titel, Thesen, Temperamente) verschwindet auf Weisung des Intendanten Werner Hess (HR) ein Film über die Wahlhilfe des Schriftstellers Siegfrid Lenz für die SPD in Schleswig Holstein. “Die Sendung analysierte die Herrschaftssprache der CDU” verlautete in der Pressestelle des HR- “Der Pressesssprecher betonte” (gegenüber der Welt vom 21. April 1971) “dass die Entscheidung des Intendanten, die Sendung nicht zu senden, nicht auf Druck der CDU zustande gekommen sei.” Zitat Ende
Zwei Zuschauerorganisationen (AFF-Aktion Funk und Fernsehen – FFM Funk und Fernsehmitgestaltung) wollen die Meinungsfreiheit im Fernsehen wieder herstellen. Aber was oberflächlich wie mehr Meinungsfreiheit aussieht, ist doch nur der verlängerte Arm des Großkapitals in Form der CSU. Meinte Wolf Donner in der Zeit vom 12. März d. J. (1971). 80 % der Mitglieder kommen aus Bayern. Im Bayernkurier (Herausgeber F. J. S. = Franz Josef Strauss) wurde denn auch die Aktion- als “Aktion gegen Manipulation” freundlich vorgestellt.- welche Manipulation gemeint ist, weiß wer Information und Stil der Kommentierung des Bayernkurier kennt.
Die “Fernsehzeitung” (Nr. 1 vom 22. Januar 1971) zitierte die AFF- Referat Massenmedien- Lothar Lorisch, 5 Köln Postfach 190 229- Nach Ansicht der “überparteilichen” Interessengemeinschaft begünstigen und betreiben die Anstalten jenen heutigen Zustand, den Lothar Lorisch treffend so beschreibt: ”Hasch und Syphilis zerfressen Gehirn und Blut unserer Jugend. Kommunen unterlaufen die Ehe. Gesetzgeber bauen Sexual-Strafandrohungen ab. Landesverräter werden begnadigt. Schleichende Sozialisierung greift nach der Macht in den Betrieben. Der Mittelstand siecht dahin.” In den Satz hatte ich damals hinter Mittelstand noch eine Klammer gesetzt, darin stand (die reichen Unternehmer)
Konzentration
Die Marktkonzentration auf dem Sektor der Film-Produktion Vertrieb – dürfen als relativ bekannt gelten. Schon 1965 hatte das Bertelsmann Imperium 80 % des Marktanteils auf dem Markt der BRD- auf diesem Sektor gehören mehrheitlich zu Bertelsmann folgende Gesellschaften:
Universum Film GmbH (UFA) Düsseldorf-West-Berlin 10.6 Mill; Ufa International München; Ufa Werbefilm Düsseldorf; Ufa Theater AG Düsseldorf (bis 1971); Mannheimer Lichtspiel Theater GmbH; Pallas Film Verleih Düsseldorf; Merkur Film Theater GmbH Frankfurt am Main; Terra Filmkunst GmbH; Constantin Film GmbH München (60 %); Bertelsmann Fernsehproduktion GmbH; Ufa Fernsehproduktion; Videophon GmbH West Berlin; Exportfilm Bischoff München; außerdem ist die Bertelsmann beteiligt an Deutsche Wochenschau; Constantin ist zugleich mit 9,0 Mill Grundkapital die kapitalkräftigste Firma auf dem Filmverleih- und Produktionssektor der BRD- seit 1968 (Filmförderungsgesetz) genauer: (Gesetz zur Qualitätssteigerung des deutschen Filmes auf breiter Grundlage) hat sie außerdem noch 9 Mill. DM an Subventionen eingestrichen um die vielen Pornos und Lümmelfilme produzieren zu können.
Die Förderung der wirtschaftlich starken (Bei 500.000,00 DM Einspielergebnis bekommt der Hersteller bzw. der Verleih 100.000,00 DM für die Fernsehrechte und 150.000,00 DM von der FFA dazu, zu Ungunsten der wirtschaftlich Schwachen nennt man Monopolkapitalismus. (9)
Hier habe ich eine Klammer 1971 rum gemacht: (warum weiss ich leider heute auch nicht mehr 2014) Klammer auf: Von 65 geförderten Filmen (68/69) waren 36 Filme von Constantin (Referenzfilme), 12 von Gloria, die einer amerikanischen Holding der California Land gehört, 3 von Cinema Service, je 2 von Alpha und Inter, je 1 Avis und Rank. (10)
Doch die Zeit der hohen Extraprofite scheint für die kleineren Firmen zumindest vorbei. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, das Bertelsmann (Gesamtumsatz 1988 (?) Gewinn 600 Mill Mark) in einem Augenblick, wo das Geschäft mit den Fernsehkonserven loszugehen scheint, zwar die Theater Ketten (Ufa Theater Kette) verkauft – die Verleih und Produktionssparte aber behält. Klammer zu.
Doch auch andere Subventionen sind vorwiegend den Großkonzernen und deren Profitmaximierung zugute gekommen. Stolz berichtete Intendant Werner Hess davon im ARD Jahrbuch 1970: Für den Rechteerwerb allein an deutschen Filmen haben die Landesrundfunkanstalten und das ZDF von 62-68 77 Millionen DM bezahlt. Und diese 77 Millionen DM mussten für die schlechten Produkte der Filmindustrie (die selbst heute noch an den unemanzipierten Zuschauerbedürfnissen vorbeiproduziert wie die Dichter Studie -Ernest Dichter International- und die folgende Infratest Untersuchung der FFA beweisen) aufgewendet werden.
Auch Werner Hess gibt zu, daß die 100 Filme zu je 100.000,00 DM vom 20. Oktober 1965 aus vier Produktionsjahren nicht einfach zu finden waren, indem er schreibt: ”Obwohl die Auswahlkommission angewiesen wurde, sehr großzügig zu werten und lediglich festzustellen, ob es irgendwelche Gründe gäbe, die die Ausstrahlung dieser Filme im Fernsehen nicht empfehlen würden, erwies sich höchstens ein Drittel aller gesichteten deutschen Produktionen als verwendungsfähig.”
Doch auch schon früher gab es Pläne (Dr. Berthold Martin CDU) “Martinplan”, wie die Zuschauer gezwungen werden könnten, weiterhin die Unternehmergewinne der Filmindustriellen zu sichern- 40.000,00 Mark sollten die Fernsehteilnehmer den Filmunternehmern für jeden fertigen Film zahlen, während die Filmhersteller in den Boom Jahren 1950- 1955 überdurchschnittlich hohe Extra-Gewinne gemacht hatten, von denen sie kaum in die eigene Branche wieder investierten.
Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.
Als einzige Ausnahme kann die damalige Firma Real Film in Hamburg gelten – die später von Fernsehen aufgekauft und in Studio Hamburg Atelier GmbH umbenannt wurde.
Auch die Bavaria Atelier Gesellschaft mbH wurde in einer Stützungsaktion von den Werbetöchtern der ARD übernommen, obwohl schon 1960 das Fernsehen mit 88 % Hauptumsatzträger des 1000 Mann – Betriebes gewesen war. Bavaria: Kapital 25 Mill- Westdeutsches Werbefernsehen GmbH Köln mit 60 %Rundfunkwerbung GmbH Stuttgart mit 25 % und die Bavaria Filmkunst GmbH mit 15 % (Kapital 7,84 Mill) die ihrerseits von einer Holding aus Commerzbank 12 %., Deutsche Bank (wahrscheinlich mehrheitlich), Agfa Geavert, Bayrische Staatsbank und Alllianz Versicherung kontrolliert wird. Studio Hamburg Kapital 2,0 Mill; Norddeutsches Werbefernsehen GmbH 80 % (NWF) und Gyula Trebitsch Hamburg 20 %; Taunus Film GmbH Wiesbaden Kapital 1,0 Mill 50 %; Werbung im Rundfunk GmbH Frankfurt Main 40 %; Karl Schulz Wiesbaden Hildegard Schulz Wiesbaden 10 %; Maran Film GmbH (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); SWF Außerdem durch Personalunion; Telepool GmbH BR (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); Beta Film München ZDF (keine Angaben im ZDF Jahrbuch); Degeto GmbH Frankfurt (Keine Kapitalangaben im ARD Jahrbuch), lediglich, daß sie einen Haushalt von ca. 20 Millionen Mark hat- wovon ausgewiesen; 16.417.554,59 Filmrechte im ARD Jahrbuch erscheinen.
Anmerkungen und Quellen
(1) Der Film “Warum läuft Herr R. Amok” sollte nach Fassbinders Informationen vom SWF für 150.000,00 DM produziert werden, den Vertrag erhielt Fassbinder jedoch von der Maran Film GmbH, die den Film produzierte und für ein Vielfaches der Summe an den SWF verkaufte. Siehe auch dazu: Klaus Eder in Weltwoche vom 6. 7. 1971. Maran Film ist eine nicht genannte Tochter des SWF und einer der Führungskräfte des SWF ist deren Geschäftsführer.
(2) Erst im Mai 1971 hat der SFB ein ca. 8000 qm großes Gebäude (Fünf Stockwerke mit Studios, Sendekontrollräumen, Redaktionsräumen an die Polizei vermietet. Argument der Berliner Werbefilm GmbH: Einzige Möglichkeit später zu erweitern.
(3) Die Firma Telepool wird mit keinem Wort im ARD Jahrbuch erwähnt – also auch nicht, wie hoch der Jahresumsatz ist.
(4) Beta kauft seit langem nicht nur die Rechte für die Fernsehauswertung sondern auch die für die Kinoauswertung und kontrolliert damit auch den kommerziellen Verleihbereich. Der Chefdramaturg Wolfgang Hammerschmidt (ZDF) wurde gekündigt, weil er sich gegen die kommerzielle Beta Film gewendet hatte, die über Scheinfirmen Starproduktionen für das ZDF organisiert. Programmdirektor Viehöver (Geschäftsführer der Beta) sorgt dafür, daß Hammerschmidt entlassen wird. Grund: “Wegen beleidigender Äußerungen gegenüber einem Vorgesetzten.” Siehe auch Die Zeit vom 12. März 1971, Fernsehen unter Beschuß von Wolf Donner.
(5) K. O. Hondrich in der Kölner Zeitschrift für Soziologie Sonderdruck(6) Siehe Kürbiskern: Fernsehen in der BRD Heft 3/1971(7) Fernsehen und Film Juni 1971(8) Weitere Beteiligungen: Europäische Rundfunk und Fernseh AG Saarbrücken 21 %; F. Billmann, Chef Europa 1, franz. Werbeunternehmen 5 %; Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer 18%; Allfunk GmbH (Rhein Zeitung, Rheinpfalz, Pfälzer Merkur, Mainzer Allgemeine, Trierscher Volksfreund, Saarbrücker Zeitung 12 %; Deutsche Fernseh und Contrast GmbH München (Oetker, Bahlsen, Rei-Maurer, Schnitzler) 19,5 %; Partia GmbH (Röchling) 6,5; Quelle Kürbiskern 3/71(9) Alle Kapital und Verflechtungsangaben aus “Wer gehört zu wem”; Herausgegeben von der Berliner Commerzbank 1971.(10) Film 1989 Velber bei Hannover S. 40 Heft 13/69(11) B. Engelmann Meine Freunde die Manager dtv 1970 (12) siehe 9
Literaturangaben, auf die sich der Text nicht unmittelbar bezieht, die aber trotzdem lesenswert sind: (fand ich jedenfalls 1971)
Kürbiskern 3/71 Speziell der Artikel von Horst Holzer und Conrad SchulerKritik 4, Westdeutscher Verlag Opladen – Manipulation der MeinungsbildungProkop: Soziologie des Films Luchterhand, Soziologische Texte Band 69Peter Bächlin. Film als Ware, Basel 1845 als Raubdruck bei arts lab Münster Thomas BuschFilmkritik September 1970 Helmut FärberHuffschmid, Jörg, Politik des Kapitals, Suhrkamp Band 313
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Institut für Konzentrationsforschung an der FU, bei der Jörg Huffschmid Assistent ist, zurzeit an einer Dokumentation über die Konzentration bei Film und Fernsehen arbeitet, die ähnlich umfangreich, wie die über die Pressekonzentration werden wird Näheres: Institut für Konzentrationsforschung, 1 Berlin 31, Babelsberger Strasse 14; tel: 0311/860351
kaum empfehlenswert:
Dadek, die Filmwirtschaft Freiburg 1957 Herder VerlagRundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Dokumentationsreihe 1-5 herausgegeben von der ARD erschienen bei Hase und Koehler Verlag Mainz 1969 Werbefernsehen und und Presserecht. Ludwig Fröhler Hessischer Rundfunk 1965 erschienen bei Alfred Metzner Verlag FFMDie Arbeit wurde von mir im Rahmen der Seminare von Manfred Delling und Christian Geissler (“Ohne die Verblödung der Arbeiterklasse geht kein Faschismus”) an der dffb gefertigt. Beiden Dozenten bin ich zu Dank verpflichtet. Christian Geissler ist leider gestorben. Die Zitate habe ich (soweit das heute noch möglich ist, weitgehend überprüft. Das Online Archiv von Die Zeit, Artikel vorwiegend von Wolf Donner geschrieben, war dabei hilfreich.Geschrieben aber nicht veröffentlicht im 2. September 1971Abgeschrieben Text Jens Meyer 2. Juni 2014