Gibt es in Hamburg eine Kurt Tucholsky Strasse ?

Vermutlich nicht. Es hat nur zu einem Tucholsky Ring gereicht. Und der Text, den ich in der Gesamtausgabe (Drei Bände) im Band 2 auf Seite 972 finde, ist vermutlich nicht auf der Internet Seite der Friedrich Ebert Stiftung (Der hat in Hamburg zwei Straßen bekommen) zu finden. Eine Buchbesprechung ( Von 1927). „Gibt es in Hamburg eine Kurt Tucholsky Strasse ?“ weiterlesen

UFA in Hamburg wird abgerissen

Gast Störzeile: Deutsche Tradition

Pdf-Leserbrief-Gast-Störzeile

Ich weiß gar nicht, was diese jungen Leute haben, die Sonntag morgen vor der Ufa demonstrieren wollen. Da regen sie sich auf, daß der neonazistische Freundeskreis Filmkunst bei der Ufa Filme zeigt (siehe taz von gestern). In den 80ern im Passage Kino (als es noch der Ufa gehörte), dann im Ufa-Palast (als sie noch nicht abgerissen war) und dieses Jahr mehrmals im City Kino. Die jungen Leute (sie nennen sich Antifaschistische Aktion) sind empört. Dabei ist das die lange Tradition der Ufa: National, konservativ, rechtsradikal und eben auch faschistisch. Seit ihrer Gründung am 18. Dezember 1917, übrigens ein Dienstag. Wenn sie 1997 achtzig Jahre alt wird, dann hat sie eine ganze Reihe deutscher Persönlichkeiten in ihrer Ahnengalerie:

Angefangen von General Ludendorff, über den deutsch-nationalen Medienzar Alfred Hugenberg, weiter zu Dr. Joseph Goebbels. Schon lange vor der Nazizeit (1929) lehnte die Ufa es ab, einen amerikanischen Hetzfilm wie Im Westen nichts Neues bei sich synchronisieren zu lassen. Stattdessen wurde der Reinertrag des Filmes Der Weltkrieg 1927 an die Hindenburg-Stiftung überwiesen. Auch Bertelsmann hatte nicht viel Glück mit der Ufa und den deutschen Kommunisten war die Geschichte der Ufa immerhin so peinlich, daß sie den neuen Namen DEFA fanden.

Im Westen jedoch fand niemand die Sache peinlich. Im Gegenteil. Der Name und die Firma waren eine Menge Geld wert. Die Aktiengesellschaft Ufa war sehr wertvoll. 1972 zahlte der selbsternannte „Kino-König“ Heinz Riech für das Aktienpaket mit einem Nominalwert von 12,5 Millionen immerhin fast 40 Millionen. Das war ihm die Sache wert: der „gute“ Name, die „deutsche“ Tradition der Firma. Andere verlieren viel Geld, wenn sie sich von ihrem Namen befreien wollen (ich denke da an die PDS) und werden trotzdem beim alten Namen gerufen. Und wieder andere sind eben stolz auf diese Ahnengalerie. Also, was wollen die jungen Leute? Schließlich hat die Ufa die Filme, die jetzt im City Theater laufen, Jud Süss und Triumph des Willens, vor (leider gar nicht) langer Zeit selber hergestellt. Und es muß doch einem ehemaligen Nazikonzern erlaubt sein, an seine eigene Tradition zu erinnern!“ (Leserbrief von Jens Meyer, erschienen am 3. November 1995, in der Taz Hamburg)

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Filmportal.de

Filmportal.de schreibt über Unsichtbare Feinde: Die Übernahme durch die Cautio:

Filmportal.de schreibt über Unsichtbare Feinde: Die Übernahme durch die Cautio:

1937 wurde er zum „Reichsbeauftragten für die Deutsche Filmwirtschaft“ ernannt. Mit der Tobis, dem zweitgrößten Filmkonzern nach der Ufa, gelang der erste Coup des verdeckten Aufkaufs. Aufgrund der komplizierten Besitzstruktur bei der Tobis und der um jeden Preis zu verheimlichenden Schlüsselrolle der Regierung war dies die Nagelprobe: eine, so Daniel Otto, „feindliche Übernahme ohne bekannten Feind“. Der Plan bestand darin, jene Anteile an der Muttergesellschaft Intertobis, die sich in Besitz dreier holländischer Banken befanden, durch schrittweisen Aufkauf in „deutsche Hand“ zu bringen. Zur Tarnung bediente sich Winkler des holländischen Finanzinstituts Hollandsche Buitenbank, und sukzessive wurde von 1934 bis 1939 die Intertobis über die Hollandsche Buitenbank in den Reichsbesitz überführt. So wurde diese verschleierte Verstaatlichung Mitte der 1930er Jahre zur gelungenen Generalprobe – zur Ouvertüre für die Gleichschaltung der gesamten deutschen Filmindustrie.“ . . . “

In den Jahren 1936-39 steuerte Goebbels Ministerium erst 65 Mio. Reichsmark zum Aufkauf der Firmenanteile bei, dann von 1940-44 noch einmal 120 Mio. Reichsmark. Die Investitionen sollten sich lohnen. Dank dieser enormen Summen und der geschickten Vorgehensweise Winklers hatte die Cautio zum Ende des Geschäftsjahres 1940/41 vierzehn Filmgesellschaften unter Kontrolle: Tobis Tonbild Syndikat, Ufa, Film-Finanz GmbH, Terra Filmkunst, Tobis Filmkunst, Wien-Film, Bavaria, Ostmärkische Filmtheater Betriebe, Deutsche Lichtspielbau, Tobis Sascha Filmverleih, AB-Film AG Prag, Elektafilm Prag, Continental Paris, N.V. Internationale Tobiscinema Amsterdam.

Die Nazis hatten ihr Ziel erreicht, und am 10. Januar 1942 folgte schließlich die Vereinigung aller mittelbaren und unmittelbaren staatlichen Filmfirmen zu einer Holding: der Ufa-Film GmbH, genannt UFI. Die UFI, so Daniel Otto, bildete die Krönung und gleichzeitig den Abschluss von Winklers Neuorganisation der Filmwirtschaft für den NS-Staat: „Bewähren konnte sich Winklers UFI allerdings nicht mehr: Nach Fertigstellung verblieben bis zum Untergang des ‚Dritten Reiches‘ kaum mehr als drei Jahre.

Nach 1945 begann die Zerschlagung* der UFI durch Abbau und Ausverkauf. Und wer bot sich zur Entflechtung des komplizierten Machwerks Besseres an als ihr Konstrukteur, der Bürgermeister a.D. Dr. h.c. Max Winkler? So wurde die junge Bundesrepublik die einundzwanzigste Regierung, der er getreu seinem Beamtenkodex seine Dienste offerierte.“ Filmportal.de (Abgerufen am 3. Oktober 2021).

(*) Kleine Anmerkung: Eine Zerschlagung war das mit Sicherheit nicht. Sondern das genaue Gegenteil, wie an anderer Stelle ausgeführt.

Nachruf Werner Esser Geb. 1948

Erschienen im Tagesspiegel vom 16.10.2015 Nachruf auf Werner Esser (Geb. 1948)Er hätte wohl gesagt:Die letzten fünf Monate war ich glücklich.“

von Tatjana Wulfert

Wir bleiben drin.“ Der Spruch zieht sich über die Fassade, schwarze Buchstaben auf weißem Banner in den Ästen eines vom Sockel bis unters Dach gemalten Baumes . 1974 hatten Studenten das Haus in der Waldemarstraße 81 in Kreuzberg besetzt und ihre Losung auf die Vorderfront gepinselt. 2015 gibt es Baum und Banner immer noch: Sie blieben drin, die einst wilden und inzwischen etablierten Intellektuellen.
Werner gehörte dazu, einerseits. Andererseits hatte er nie in einer Vorlesung gesessen. Aber er kannte sich mit Wohngemeinschaften aus. Hatte damals in Düsseldorf, wo er aufgewachsen, zur Schule und in die Lehre gegangen war, fluchtartig sein Elternhaus verlassen, um in die erste WG der Stadt zu ziehen. „Du hast psychische Probleme“, war ihm wieder und wieder an den Kopf geworfen worden von seinem prügelnden Vater, seiner kalten Mutter, die wütend zu dem „linken Pack“ gelaufen war, um ihn da herauszuholen.
Daraufhin, und um nicht zum Bund zu müssen, zog er nach Berlin und entdeckte die Waldemarstraße: das riesige Wohnzimmer, die Gemeinschaftsküche, seine neue Familie. Bei der er aber nie eingezogen ist. Jeden Freitag kam er vorbei und bewachte das einzige Telefon. Nahm den Hörer ab, wenn es klingelte und rief den Verlangten, auch hoch bis in den vierten Stock. Oder er saß mit den Kindern der Bewohner auf einem Sofa und guckte die Sesamstraße. Oder zapfte, wenn gefeiert wurde, Bier für alle. Tagsüber half er in der Tankstelle um die Ecke aus, zog Reifen auf, wusch die Wagen, begann Unmengen zu essen. Und zu trinken. Er schlang, er soff, er verlor seinen Job und stand eines Tages vor der Tür einer Freundin. Sie fuhr ihn sofort ins Krankenhaus. „Er muss einen Entzug machen“, sagte der Arzt, „auf der Stelle.“
Werner rührte keinen Tropfen mehr an, nie wieder. Rauchte dafür wie ein Schlot, schüttete literweise Kaffee in sich hinein und fand Arbeit in einem Abrissunternehmen. Er mochte die Arbeit, und er hatte Glück, Glück im Spiel, gewann beim „B.Z.“-Bingo 10 000 Mark, reiste damit nach Schweden, Norwegen, Finnland. Er liebte die kalten Länder, und wenn er gekonnt hätte, wäre er bis zum Nordkap gefahren.
Aber das Abrissunternehmen ging pleite. Es blieben der Hartz-IV- Satz und die Flaschen, die er einsammelte, die Feste in der Waldemarstraße, auf denen er noch immer das Bier zapfte, das Frühstück einmal im Monat und die Geburtstagsessen mit seiner Freundin. Er dachte an seinen Bruder, den von den Eltern geliebten Sohn, der schon tot war und den er vermisste. Sein Knie schmerzte, er kam kaum noch die Treppen hoch, wurde operiert, aber es wurde nicht besser. Er fiel hin, mitten auf dem Bürgersteig. Zwei Frauen kamen vorüber. „Guck mal“, sagte eine, „das besoffene Schwein.“ Zwei türkische Männer halfen ihm auf und gaben ihm Wasser. Und als Werner glaubte, es könne nicht mehr schlimmer werden, stellten die Ärzte den Lungenkrebs fest.
Hätte ihn jemand über das Glück befragt, hätte er wohl gesagt: „Die letzten fünf Monate war ich glücklich.“
Die letzten fünf Monate lebte Werner im Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“. Er wohnte in einem hellen Zimmer, er hörte seine Jennifer-Rush- und Klassikplatten. Er wurde vom mürrischen Einzelgänger zu einem beschwingten Mitmenschen. Die Pfleger und Schwestern wandten sich ihm zu, wann immer er Schmerzen hatte, wann immer Angst.
Seit dem 1. Januar 2015 gibt es für Sozialhilfeempfänger, deren Bestattung das Amt bezahlt, keine Namenstafel mehr und keinen Trauerraum für die Abschiednehmenden. Werner starb am 1. Januar. Während seine Urne zusammen mit 20 anderen in das Grab gelassen wurde, zündeten das Pflegepersonal und alte Freunde im Heim eine Kerze für ihn an bei Kaffee und Kuchen und Jennifer Rush. Die alten Freunde ließen ein Schild für ihn anfertigen und schraubten es neben die Tür in der Waldemarstraße 81: „Hier zapfte Werner Esser, er hat uns immer gut eingeschenkt.“

Tatjana Wulfert

Anmerkung 2018: Es ist nicht alles richtig, was Tatjana Wulfert da im Tagesspiegel geschrieben hat, aber so falsch auch wieder nicht, das man es nicht veröffentlichen könnte. Zwei Nachrufe: Rainer Graff und Werner Esser auf Personen, die mit der Walde 81 etwas zu tun hatten.WernerWaldemarstrasse4Tieresehendichan1