Rhythmographie (III)

Manchmal lohnt es sich, in Büchern nachzusehen. In dem »Kleines Filmlexikon« von Charles Reinert, erschienen 1946 in der »Verlagsanstalt Benzinger & Co. AG. Einsiedeln Zürich« steht auf Seite 279 unter dem Stichwort: “Rhythmographie: (in der Schweiz unter dem Namen «Detektionsverfahren» bekannt) — Bei der >Nachsynchronisation von fremdsprachigen Fen angewandtes Verfahren. Der fremdsprachige Dialogstreifen wird durch einen Oszillografen in grafischer >Amplitudenschrift auf einen Papier- oder F-Streifen aufgezeichnet (synchroner Lauf von Ton-, Bild und Oszillografenstreifen). Der neusprachige Dialog wird in exakter Übereinstimmung mit der oszillografischen Aufzeichnung der Originalsprache silbenweise auf den Papier- oder F-Streifen geschrieben. Mit optischen Signalen für die Sprecher versehen, wird dieser Streifen im Synchronraum unter dem F-Bild sichtbar vorgeführt u. bildet so für die Nachsprecher der neuen Fassung die mit dem Bild exakt synchron laufende Vorlage für die Ablesung ihres Textes.“

In dem Buch von Charles Reinert wird im Register: Filmschrifttum unter dem Stichwort Drehbuchgestaltung bereits auf das Buch von: “Abel, Viktor: Wie schreibt man einen F. 127 S. Sensenverlag 37“ hingewiesen.

Drei oder vier Dinge, die ich von ihnen weiss

PDF  Drei oder vier Dinge, die ich von ihnen weiß 2 (Zeichen19.825)

Wentorferstrasse 19-21

Meine Mutter:

Annelise, Maria, Elsa Meyer, geb. Hirte geboren am 27. Oktober 1904, gestorben am 20. Oktober 1987. Letzte Wohnanschrift: Hütten/Ecke Peterstrasse.

Mein Vater:

Rudolf Heinrich Meyer, geboren am 24. Januar 1904 in Hamburg Bergedorf, gestorben am 27. August 1979 in Hamburg. Letzte Wohnanschrift: Dorotheenstr. 184 a in 2000 Hamburg 39, Winterhude.

Meine Oma (1) (die Mutter von Annelise): Dora, Charlotta, Amalie Hirte geb. Eikens, geb. am 19. Juli 1862 in Hannover, gest. am 10. Mai 1907 an den Folgen eines Unfalls in Hamburg. Letzte Wohnanschrift: Steinstrassen Passage 1, Nummer 29, Haus 8.

Mein Opa (1) (der Vater von Annelise): Eduard, Ernst, Hermann Hirte, geb. am 12. Mai 1861 in Hannover. Gest. am 16. August 1934 in Hamburg. Von Beruf: Maurer. Später Maurermeister. Noch später: Architekt. Letzte Wohnanschrift: Bethesdastrasse 36 (Hamburg Borgfelde). (Die Angaben stammen aus den Adressbüchern von Hamburg).

Das Ehepaar Hirte hatte zehn Kinder.

Foto 1905 Familie Hirte (Im Kinderwagen Annelise)

Meine Mutter: Annelise, Maria, Else Hirte war die jüngste Tochter der Familie Hirte. Die älteste Tochter hieß Maria, Anna, Sofie, Louise Hirte. (Annelise ist das Kind im Kinderwagen. Aufnahme 1905. Die anderen vier Kinder sind bereits älter)

(Viele Kinder, viele Vornamen). Maria ist am 30. Januar 1884 geboren, gestorben am 03. Januar 1974.

Steinwegpassage Ecke Alter Steinweg. Im Keller der Cotton Club.

Die Namen der restlichen Hirte Kinder und die Reihenfolge ihres Erscheinens sind unsicher. Nur eine zehn Jahre ältere Schwester ist sicher. Sie hat nur zwei Vornamen: Leoni, Dorothea Hirte ist geboren am 10. Januar 1894 und gestorben am 28. Juli 1943 um 1.00 Uhr und 40 Minuten in Hamburg, „daselbst in Folge Fliegerangriffe gefallen.“ wie ich der Todesurkunde entnehmen konnte.

Letzte Wohnanschrift von Leonie Eikens, geb. Hirte: Eiffestrasse 505.

Zwei Söhne von ihr habe ich noch kennengelernt: Ihren Sohn Wolfgang (Wölfi) Eikens und seinen Bruder Karl Hermann Eikens. Wölfi war gerade 17 geworden und machte eine Lehre zum Autoschlosser, als ihn 1942 der Führer nach Russland schickte. Als seine Mutter 1943 “in ihrer Wohnung gegrillt wurde“, wie Wölfi sich auszudrücken pflegte, “sind mir bei Stalingrad die Füße abgefroren“ (Seine Füße hatten eine ganz glatte Haut). Der Führer hatte vergessen, seinen Kindersoldaten (volljährig wurde man erst mit 21 Jahren) Winterkleidung mitzugeben. Hatte sich was mit Blitzkrieg.

Die Kindheit meiner Mutter Annelise war schwierig. Wie schwierig, hat sie ihren Kindern oder Enkelkindern nie erzählt. Ihre Mutter war schwanger und ist beim Gardinenaufhängen in der Wohnung von der Leiter gefallen. Sie hatte eine Fehlgeburt. Sie soll im Krankenhaus verblutet sein. Annelise ist zwei Jahre alt, als ihre Mutter stirbt. Ihr Vater, mein Opa, war ein Hallodri. Darunter konnte ich mir als Kind nichts vorstellen. Was sie damit meinte, erfuhren wir erst viel, viel später. Es stellte sich heraus, dass mein Opa (1) (ihr Vater) schon lange eine Geliebte hatte, der er erzählt hatte, er habe drei volljährige Kinder. Das Gegenteil ist der Fall. Sieben seiner Kinder sind unter 21 Jahre alt, als seine Frau von der Leiter fällt. Die älteste Schwester von Annelise, Maria Else Hirte, ist bei dem Tod der Mutter dreiundzwanzig Jahre alt. Wir nannten sie Tante Ria. Tante Ria hat ihrem Enkel erzählt, dass die Familie Hirte oft umgezogen ist. Damals gab es das Ritual, dass neue Häuser zunächst von armen Familien “trocken gewohnt wurden“. Hermann war Maurer.

Immer, wenn ein Haus fertig war, zog die Familie in eine dieser feuchten Wohnungen zum “Trocken wohnen.“ Die Trocken-Wohn-Miete war günstig. Wenn die Wohnung nach zwölf Monaten trocken war, zogen sie in die nächste Feucht-Wohnung um. Als meine Mutter 1904 geboren wurde, wohnte die Familie Hirte in der Steinstraße 129. Die Anschrift führt leicht zur Verwirrung. Es gibt sie nicht, die Steinstraße 129. Vielmehr handelt es sich um die Strasse: Steinstrassenpassage Nr. 1, Haus Nummer 29, im Hinterhof Haus 8. Die Steinstrassen Passage ist heute an der selben Stelle wie 1904. In der Nähe vom Großneumarkt.

Steinwegpassage/ Ecke Alter Steinweg (Foto von 2020)

Das Vorderhaus Nummer eins steht noch. Die Hinterhäuser sind bombardiert oder abgerissen worden. Als Annelise 1904 geboren wird, wohnt Familie Hirte die Wohnung im ersten Stock “trocken“. Berufsangabe von Hermann Hirte im Adressbuch: “Mauermeister“. 1909 wird eine andere Wohnung “trocken“ gewohnt: In der Barmbeckerstr. 191. Ein Neubau, dicht am Winterhuder Marktplatz.

Opa (1) Hermann gibt die kleinen Hirte Kinder in Pflegefamilien. Annelise ist die jüngste. Dort geht es ihr nicht gut. Die Pflegefamilien nehmen die Kinder nur, weil sie das Geld, das dafür gezahlt wird, dringend brauchen. Die Kinder finanzieren den armen Familien den Lebensunterhalt.

Am 30. März 1912 heiratet Annelises Vater wieder und zieht in die neue Wohnung Eilbecker Weg 204. Die Auserwählte heißt Auguste Bieling. Als Auguste Bieling – Auguste Hirte – wird, ist sie ein Jahr und einen Monat jünger als Hermanns älteste Tochter Maria. Auguste Bieling ist am 23. Februar 1883 geboren. Maria Hirte ist am 30. Januar 1884 geboren. In der neuen Ehe werden von 1912-1920 vier weitere Kinder gezeugt. 1913 zieht die Familie Hirte (die Zusammensetzung dieser Familie ist unklar) in die neue (feuchte) Wohnung in der Himmelstrasse 26. Ob Annelise in dieser Zeit Kontakt zu ihrem Vater hatte, blieb ihr Geheimnis.

Sie spricht darüber nie. Auch zu den Enkelkindern kein Wort. Es scheint so, als sei der Kontakt abgebrochen oder gar nicht erst entstanden. Auch Tante Ria verliert kein Wort darüber.

Maria Hirte ist Verkäuferin in einem Schokoladengeschäft. 1910 gibt es das Chocoladengeschäft von Reese & Wichmann am Jungfernstieg 12. Das wäre so eine Möglichkeit. Passend in der Hamburger Innenstadt. Da gibt es einen jungen Mann, der sehr oft Chocolade kauft. Maria merkt bald, der Mann kommt gar nicht wegen der Schokolade, sondern wegen ihr. So viel Schokolade kann ein Mensch alleine gar nicht essen.

Der Mann heisst Otto Averdieck. Otto ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei betreibt er in der Mönckebergstrasse 18. Fleißig ist er auch. Die Sprechzeiten seiner Kanzlei sind im Adressbuch angegeben. Werktags von 9.00 bis 5.00 Uhr und Sonntags von 9.00 – 2.00 Uhr.

Ob es Liebe auf den ersten Blick ist und bei wem, ist nicht überliefert. Otto ist am 16. Februar 1881 geboren und wohnt in einer Wohnung in dem Haus seiner Eltern in der Bassinstrasse 12 in Uhlenhorst. 1912 verkaufen die Eltern das Haus in der Bassinstrasse 12, um eines in der Petkumstrasse 17 zu kaufen. Das ist eine Ecke weiter. Das Haus gibt es nicht mehr. Es wurde im Krieg zerstört. (nicht im ersten, sondern im zweiten)

Als im August 1914 der Erste Weltkrieg beginnt, den man erst nach dem Beginn des zweiten Weltkrieges nummeriert, ist Otto 33 Jahre alt. Otto ist kriegsbegeistert wie alle anderen. Seine Eltern leben ihren Standesdünkel. Sie halten sich für etwas Besseres und sind gegen die Verbindung ihres Sohnes mit Maria Hirte. Sie ist ja nur die Tochter eines Maurermeisters.

Otto ist das offensichtlich Wumpe.

1916 ist Maria Hirte schwanger und Otto überlässt ihr seine Wohnung in der Petkumstrasse 17, während er in Frankreich fleißig Franzosen abschießt. Seine Eltern, denen das Haus in der Petkumstrasse 17 gehört, wohnen im selben Haus. Jeden Tag wird Maria von ihnen daran erinnert, das der Sohn etwas Besseres, als die Tochter eines Maurers verdient hätte.

Am 8. April 1916 wird Otto, Leonhard geboren. Wie alle unehelichen Kinder erhält das Kind den Nachnamen der Mutter: Hirte. Selbst der Bruder, Rudolf Averdieck, der am 21. März 1920 geboren wird, weiß davon lange Zeit nichts. Der kleine Otto erhält den Nachnamen Averdieck erst, nachdem das Paar 1918 offiziell beim Standesamt geheiratet hat.

Meine Mutter – Annelise – ist dreizehn Jahre alt, als ihre Schwester Maria sie zu sich nach Hause holt. Bis 1926 wohnen die Averdiecks in der Allee 239 in Altona. In der Strasse Allee 239 steht ein hässlicher schwarzer Kasten, in dem sie ihre erste Wohnung hatten, erzählt Tante Ria ihrem Enkel Ulrich Graumann, und der erzählt es mir nach ihrem Tod am 30.01.1974- Jahrzehnte später.

1980 bekommt die Strasse Allee einen neuen Vor- und Nachnamen und heisst jetzt Max Brauer Allee. Die Max-Brauer-Allee wird bis zum Altonaer Rathaus verlängert. Sicher ein Grund, warum ich den hässlichen schwarzen Kasten in der Max Brauer Allee nicht gefunden habe. Tante Ria meidet nach dem 2. Krieg die Viertel, in denen sie früher einmal gewohnt hatte. Vor allem, weil sie nichts mehr wiedererkennt, wie sie mir erzählt hatte. Es ist alles anders, als es früher einmal war. Nur Bergedorf ist irgendwie gleich geblieben.

Stolz berichten Erwachsene uns Kindern, das in Bergedorf nur eine einzige Bombe gefallen ist. Einige glauben sogar zu wissen, dass es so ist, weil in Bergedorf das Eisenwerk – Bergedorfer Eisenwerk – einem schwedischen Besitzer gehört. Und mit den Schweden möchten es sich weder die Engländer noch die Amerikaner verderben, so behaupten die Erwachsenen.

Jedenfalls taucht mein Opa (1) Hermann ab und niemand hat Kontakt mit ihm. In der Familiengeschichte ist er wie ein schwarzer Fleck, den man am liebsten wegradieren würde. Gäbe es doch einen Opa Radierer, man würde ihn sofort nutzen. Manchmal ist er, wenn sein Name überhaupt genannt wird, nur Opa (1) -das Schwein- . Ein bisschen Neid ist bei den Männern auch dabei. Dass eine 23 jährige Frau sich mit einem 45 jährigen, einem uralten Mann, einlässt.

1927 zieht die Familie Otto Averdieck nach Bergedorf, wo sie im Schlebuschweg 28 ein Haus gekauft haben. Im Grundbuch eingetragen ist Averdieck, Otto. Zwei Jahre wohnt auch meine andere Oma (2), Marie Meyer, in diesem Haus im Schlebuschweg 28. Ein Haus mit drei Stockwerken, in dem vier Familien und einige Einzelpersonen wohnen. Das Haus hat die Jahrzehnte überstanden. Eine der ausgebombten Familien, die hier zwangsweise untergebracht wurde, will nach dem Krieg gar nicht wieder ausziehen. Aber kein Problem. Otto ist Anwalt.

Im obersten Geschoss, in der Mansarde im Dach, wohnte in einem Zimmer noch eine Schwester meiner Mutter. Wir nannten sie Tante Buddy. Sie verließ selten das Bett. Und wenn, dann nur um neue Zeitschriften zu kaufen. Den Eindruck hatte ich. Die neuen Zeitschriften mochten alle Jungs gern. Eine hieß Praline. Die erinnere ich noch. Dort wurden Frauen abgebildet, meist wenig bekleidet. Manchmal konnte man auf halb verdeckte Busen gucken. Ich erinnere noch, dass es immer etwas streng in ihrem Zimmer roch. Das mag daran gelegen haben, dass das Zimmer im Dachgeschoss keinen Wasseranschluss hatte. Tante Buddy hatte nur eine Schüssel, in der sie sich waschen konnte. Aber wegen der vielen Vorteile hat uns Kinder das nicht weiter gestört. Es ging immer die Legende, dass sie einen Mann geheiratet hätte, der ziemlich früh im ersten Weltkrieg gefallen war und um den sie immer noch trauerte. Vermutlich ist die Geschichte ganz anders gewesen. Vielleicht hat er auch nur die Flucht vor ihr ergriffen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich sie jemals auf der Straße getroffen habe.

Tante Ria hat mir oft fünf Mark Stücke als Taschengeld zugesteckt. Sie sprach dann immer von einem Taler. Sie hatte auch ganz viele verschiedene Münzen aus der Vergangenheit, die alle nichts mehr wert waren. Ich habe sie oft sortiert. Nach Größen, nach aufgedruckten Werten, nach eingeprägten Jahreszahlen. Sie hatte auch ein Grammophon, mit dem man mit Stahlnadeln die Schellack Platten abspielen konnte, die leicht zerbrachen. Zum Glück ist mir keine zerbrochen. Um das Haus herum war ein kleiner Garten, in dem wir oft Versteck gespielt haben. Onkel Otto, wie wir ihn nannten, war im Vorstand des Bergedorfer Briefmarkenvereins. In der Vergangenheit wusste er gut Bescheid. Er war der einzige Erwachsene, den ich kannte, der sich dazu bekannte, dass er früher, in der Nazizeit selber Nazi gewesen war.

Mein Vater.

Milchhändler Richard Schultz

Die Geschichte dieses Familienzweigs beginnt mit den Eltern meiner Oma (2) Meyer. Meine Oma (2) ist die Tochter von Paul und Margarethe Schumacher, die in Bergedorf in der Wentorferstrasse 19 wohnten. Das Haus gibt es noch. Ich habe ein Foto davon. Es ist ein kleines Haus. Eine Art Doppelhaushälfte mit zwei Eingängen. Wentorferstrasse 19 und 21. Wann der Vater von meiner Oma (2), Paul Schumacher, geboren ist, weiß ich nicht. Auch der Mädchenname von Margarethe Schumacher, meiner Uroma, und ihr Geburtsdatum ist mir unbekannt. Von Beruf ist mein Uropa, Paul Schumacher, Fuhrmann. Im Adressbuch steht, dass er 1875 in das Haus in der Wentorferstrasse 19 eingezogen ist. Dort wohnte er bis zu seinem Tode 1914. Wann er Margarete, seine Frau, kennenlernt hat, ist nicht bekannt. Nach der Heirat zieht sie bei ihm ein. Sie bekommen eine Tochter und nennen sie Marie.

Marie bleibt ein Einzelkind. Irgendwann lernt meine Oma Marie (2) meinen Opa Heinrich Meyer kennen. Der Opa war ein Fan von August Bebel, erzählt mir die Oma später. Zu dem Gespräch mit meiner Oma über August Bebel kommt es, weil sie selbst 1957 in dieser Strasse August Bebelstrasse Nr. 25 wohnt. Ich bin elf Jahre alt und interessiere mich nicht die Bohne für den Held eines Opas, den ich noch nie gesehen habe. 2020 bin ich für die Neugier alt genug und suche die Spuren dieses Opas. Unsicher. Nur eine zehn Jahre ältere Schwester ist sicher. Nachtrag: Gefunden die Daten von Oma und Opa Zwei: Opa (2), Heinrich Meyer (Opa) geboren am 15. Oktober 1867, gestorben am 21. Juni 1930, im Hamburg. Heinrich Meyer wird 62 Jahre alt. Oma (2), Marie Meyer, geb. Schumacher. geboren am 17. September 1877, gestorben am 21. Januar 1958, in Hamburg. Marie Meyer wird 80 Jahre alt.

Die erste Spur finde ich im Adressbuch von Bergedorf für das Jahr 1889. Der Eintrag lautet: Meyer, J. H. H., von Beruf: Arb., was vermutlich Arbeiter heisst. Von 1890 -1895 ist der Eintrag gleich: Meyer, J. H. H., Bleichertwiete 16, Postbote. Von 1911 an ist im Adressbuch eingetragen: Meyer, H. Postschaffner. Opa Heinrich steigt auf. 1914 zum Oberpostschaffner. Von 1922 bis 1929 ist er “Post-Betr.–Assist“, so lautet die Abkürzung im Bergedorfer Adressbuch. 1929 beendet er seine Karriere bei der Post. Ein Beamter im Ruhestand.

Mein Vater wird 1904 geboren. Sie nennen ihn Rudolf Heinrich. Auch Rudolf bleibt, wie seine Mutter ein Einzelkind. Bis 1910 wohnt Familie Meyer in Bergedorf in der Bleichertwiete 16. 1911 ziehen sie in den Kirchhofsweg Nr. 4. Rudolf ist jetzt ein Schulkind. Der Neubau der Schule Spieringstrasse 1, der ganz in der Nähe ist, wurde 1910 eröffnet. Schon möglich, dass Rudolf in die gleiche Schule gegangen ist, die auch ich später (ab 1953) besuche. Ich habe ihn nicht gefragt.

Schumacher und Schultz
Wentorferstraße 19 – 21. v.l.n.r. Paul Schumacher, Fuhrmann, Margarethe Schumacher, Johanna Schultz, Richard Schultz, Milchhändler, Vater von Richard Schultz . 1918 (?)

Als die Mutter meiner Oma, Margarethe Schumacher, 1922 stirbt, zieht Familie Meyer in das Haus in der Wentorferstrasse 19 ein. Das Haus Nr. 19 ist zwischenzeitlich an den Milchhändler von nebenan verkauft worden und gehört nun der Witwe des Milchhändlers Richard Schultz, Johanna Schultz, die in Nummer 21 wohnt.

Rudolf ist jetzt 17 Jahre alt. Volljährig wird man in dieser Zeit mit 21 Jahren. 1930 stirbt mein Opa Heinrich. Meine Oma ist nun die Witwe eines Beamten und der Eintrag im Adressbuch lautet 1931: Meyer, Wwe. Marie, Bergedorf, Wentorferstrasse 19. Bis 1935 wohnt meine Oma mit ihrem Sohn Rudolf in der Wentorferstrasse 19.

In dieser Zeit freundet sich mein Vater mit Walther Kellinghusen an. Einem Photograph, der zwei Häuser weiter, in der Wentorferstrasse 23 wohnt. Walther hat das Hobby meines Vaters, die Photographie, zu seinem Beruf gemacht. Gemeinsam üben sie sich in Porträt- und Landschaftsphotographie.

Der Vater von Walther ist Rechtsanwalt und Notar. Die Kellinghusens sind eine große Familie und wohnen seit 1886 in diesem Haus. In dem Nachlass meiner Eltern finde ich Aufnahmen beider Photographen. Sie fotografieren auf Filmen und auf Glasplatten. Die Glasplattenkameras haben die Formate 9 x 12 und 13 x 18. Auch Rudolf bestreitet seinen Lebensunterhalt mit Auftragsarbeiten und fertigt Porträts von jungen Frauen und Männern an. Bewerbungsfotos gehören auch dazu. Seine Mutter dringt darauf, das Rudolf noch einen “anständigen“ Beruf lernen soll. Das ist 1920 nicht ganz einfach.

Eine Lehrstelle bei einem Gewürzimporteur wird angeboten. Apkar Dilsizian, Import und Export GmbH. Sein Büro ist gegenüber dem Freihafen, Hohe Brücke 4, Handelsspanisch und Stenografie sind Voraussetzung für eine Einstellung. Rudolf behauptet beides zu können, was keiner überprüft und drei Monate später kann er anfangen. Die Zwischenzeit nutzt er, sich die geforderten Fähigkeiten anzueignen. Damit kommt er durch. Rudolf verdient 1921 sein erstes Geld und trägt das Gehalt in ein kleines DIN A 5 Büchlein ein. Im August 1923 ist er Millionär, im September Miliardär und in November 1923 bekommt er für den ganzen Monat Arbeit 12,50. Die Währung nennt sich Rentenmark. Bald kann er ein Foto aus dem Bürofenster, Hohe Brücke Nr. 4 machen.

Haus daneben: Hohe Brücke Nr. 1 (Foto vom Oktober 2020)
Blick aus dem Bürofenster Hohe Brücke Nr. 4 (Das Haus gibt es nicht mehr.)
links mein Vater Rudolf Meyer. Die anderen Personen sind mir nicht bekannt.

Am 5. Juni 1935 heiraten meine Eltern. Der Standesbeamte überreicht als Geschenk das Buch “Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Die erste gemeinsame Wohnung meiner Eltern ist in der Wentorferstrasse 84. Die Wohnung hat Zentral Heizung, was offenbar so wichtig ist, dass es in Adressbüchern eingetragen wird.

1936 wird der Freund meines Vaters, der Photograph Walther Kellinghusen, verhaftet und kommt in die Untersuchungshaft ins Bergedorfer Gefängnis. Der Vorwurf lautet, er habe gegen den § 175 verstoßen.

Annelise ist schwanger. In Bergedorf in der Brauerstrasse 163 entsteht ein Neubau. Bei der Belegung des Neubaus werden Parteigenossen der NSDAP bevorzugt behandelt. Mein Vater wird Parteigenosse und erhält den Zuschlag. Eine Wohnung zum “Trocken Wohnen“ in der Brauerstrasse 163. Annelise kennt das schon. Hat sie doch ihre Kindheit mit dem “Trocken Wohnen“ verbracht. Am 11. August 1937 bringt Annelise meine Schwester Roswitha zur Welt. Im Elim. In Eimsbüttel. Vierzig Autominuten von der Brauerstrasse entfernt.

1945, beim Einmarsch der Engländer, verschwindet das Hochzeitsgeschenk des Standesbeamten im Heizungskessel im Glindersweg 47. Gottseidank gibt es keinen Koks im Mai 1945. Bis auf einen kleinen Wasserschaden, der den Buchrücken aufgelöst hat, ist dem Buch weiter nichts passiert.

Meine Schwester berichtete mir später, unsere Mutter hatte ihr erzählt, der Vater von Walther, der ein angesehener Rechtsanwalt in Bergedorf gewesen sei, habe seinen Sohn Walther Kellinghusen im Gefängnis besucht und ihm ein Handtuch oder ein Tuch gebracht. Dieses Tuch sei eine Art Code gewesen. Das Signal dafür, das man Walther nicht helfen könne. Darauf hin hat sich Walther im Gefängnis das Leben genommen.

Die Geschichte geisterte seit Jahren durch unsere Familie. Es wurde aber niemals geklärt, ob es tatsächlich so passiert ist. Auffällig ist, das mein Vater ein Reihe von Fotos aufgehoben hat, die von Walther Kellinghusen hergestellt worden sind oder ihn abbilden. So sind diese Aufnahmen nach dem Tode meiner Eltern in meinen Besitz gekommen.

Erst vor einigen Jahren habe ich mit der Recherchen zu Walther Kellinghusen begonnen. Ich stellte ich fest. Es ist noch viel schlimmer, als bisher bekannt. Im Staatsarchiv finde ich einen Mitarbeiter, der sich speziell mit der Verfolgung der Schwulen in Hamburg jahrelang beschäftigt hat. Uwe Bollmann. Zusammen mit einem Kollegen hatte er Reihe von Veröffentlichungen gemacht. Auch die beiden Fälle Kellinghusen haben sie bearbeitet. Der Fall Walther Kellinghusen, der sich im Bergedorfer Gefängnis das Leben genommen hat. Und der Fall seines siebzehn Jahre älteren Bruders Hans-Adolf Kellinghusen, der 1933 zum Professor und stellvertretender Direktor des Staatsarchives ernannt wurde.

Lange sinne ich darüber nach, warum meine Eltern, warum mein Vater nach dem Tode seines Freundes Walther Kellinghusen niemals mehr Kontakt mit einem Familienangehörigen der Kellinghusens aufgenommen hat. Schließlich haben wir bis 1963 in Bergedorf im Glindersweg 47 gewohnt. Ich komme zu keinem Ergebnis. Aber zu einer Entscheidung.

Walther Kellinghusen ist es wert, dass man über seine Person stolpert, so wie ich über ihn gestolpert bin. Ich nehme Kontakt mit Peter Hess auf. Es soll ein Stolperstein für Walther Kellinghusen werden. Verlegt an seiner letzten Wohnanschrift in der Wentorferstrasse 23.

Auf der Suche nach Angehörigen von Walther Kellinghusen ist Peter Hess erfolgreicher als ich. Ich hatte es telefonisch probiert, ohne Erfolg. Kein Verwandter dabei, der mit Walther verwandt war oder von seiner Geschichte wusste. Peter Hess hat es mit kleinen Zetteln an den Bäumen in der Wentorferstrasse in Bergedorf versucht. Er hat einen Kellinghusen gefunden und mir seine Telefonnummer gegeben.

Walther Kellinghusen Fotograf Das Foto hat Rudolf Heinrich Meyer von ihm gemacht.
Hans Adolf Kellinghusen Das Foto hat sein Bruder Walther Kellinghusen gemacht

Ich habe dann anschließend dreißig Minuten mit diesem Kellinghusen telefoniert. Er ist Jahrgang 1937. Die Villa des Vaters hat er nach dem Krieg abreißen lassen und auf dem Grundstück, das bis zur Strasse Am Baum 8 reicht, neu gebaut. Ein großes Grundstück. Das Haus in der Mitte. Weg von der lauten Wentorferstrasse.

Nach diesem Telefonat habe ich endlich verstanden, warum meine Eltern mit dem Rest der Familie Kellinghusen nach dem Tode von Walther nichts mehr zu tun haben wollten. Merkwürdige Formulierungen lassen mich stutzen. Hinterher denke ich: Wenn dieser Kellinghusen könnte, wie er wollte, aber das kann er nicht, dann würde er diesen Stolperstein verhindern. Er spricht von der Schande, die Walther über die Familie gebracht hat. Sprachlosigkeit überfällt mich. Ein Blick in den Kalender macht die Sache nur noch schlimmer. Die Gefängnisakten sind inzwischen vernichtet.

PDF Walther Kellinghusen Zelle 5

Es steht zu vermuten, dass die Vernichtung dieser Akten dem älteren Bruder, der 1933 zu stellvertretenden Direktor und Professor des Staatsarchives ernannt wurde, Hans-Adolf Kellinghusen sehr gelegen kam, wenn er die Vernichtung der Akten nicht selber initiiert hat, was zu vermuten ist. Einen Satz sollte ich vielleicht noch einmal wiederholen: Hans-Adolf Kellinghusen, war 1915 “Hilfsarbeiter im Staatsarchiv“ (Eintrag im Hamburger Adressbuch), 1932 Archivrat im Staatsarchiv und wurde im Jahre der Machtübernahme zum Professor und stellvertretenden Direktor des Staatsarchives ernannt. 1979 starb mein Papa. Er wurde 75 Jahre alt. 1987 starb meine Mama. Sie wurde 83 Jahre alt.

Gojenberg
Heinrich Meyer (Mein Opa) auf dem Gojenberg.
Heinrich Meyer geb. 15. Oktober 1867, gest. 21. Juni 1930, Fotografiert von Rudolf Heinrich Meyer
Tiere sehen Dich an (1)

Hamburg, d. 15. Dezember 2023

Wir lügen selber ! Wie die Dänen sagen

PDF Wir lügen selber, wie die Dänen sagen (Zeichen 9.246)

Die Habgier ist weniger Ausdruck einer vorgesellschaftlichen menschlichen Natur als eines Mangels an Menschlichkeit.” (Zitat aus: Unsichtbares Komitee. An unsere Freunde. Edition Nautilus. April 2015).

Kurt Tucholsky hat in seinem Sudelbuch schon alles über die derzeitigen Spekulanten geschrieben: Text 340: ”Danke – wir lügen selber! wie die Dänen sagen.”

Das erste Konzept für die Umnutzung des Montblanc Simplo Geländes stammt vom Februar 1987. Geschrieben von Peter Jorzick für die Lawaetz Stiftung, bei der er damals beschäftigt war. Die Förderung örtlicher Beschäftigungsinitiativen. Vierzehn Seiten mit einer Kostenschätzung. Sechs DM pro qm sollten die Flächen kosten. Als Nettonutzfläche gibt das Konzept 5.000 qm an. Fünf Häuser zwischen Schanzenstrasse und Bartelsstrasse. Das Gelände war verschlossen. Wer es besichtigen wollte, mußte an einem Pförtner in der Bartelsstrasse vorbei. An dem kamen nur die Arbeiterinnen und Arbeiter vorbei, die hier arbeiteten. In der Schanzenstrasse war noch ein Eingang. Da durften nur die Angestellten von Montblanc rein. Es brodelte im Viertel. Herr Kurz hatte bekundet, er wolle sein Phantom der Oper auf dem Gelände unterbringen, wo bis dahin der Laden von 1000 Töpfe untergebracht war.

Das gehörte der Stadt und wurde von der Sprinkenhof verwaltet. Das konnte man dem Gebäude auch ansehen. Ich kramte meinen schwarzen Hochzeitsanzug heraus mit den spitzen schwarzen Schuhen und wir verabredeten uns vor 1000 Töpfe zum Sektumtrunk, um den anderen Bewohnern zu zeigen, wie es wäre, wenn hier bald das Phantom der Oper gespielt würde. Jedenfalls entstand ein ordentlicher Trubel anschließend. Dieser hatte zur Folge, dass auch im Rathaus Unruhe einkehrte. Ein Wegzug von Montblanc würde den Druck zusätzlich verstärken. Besetzungsgerüchte breiteten sich aus. Die Stadt entschloß sich für die Ausgabe von Beruhigungspillen an die Bevölkerung.

Wir vom Kino kamen zur rechten Zeit und waren am rechten Ort. In der Oelkersallee hatten wir in einem Nebenraum des Oelkerscafes mit dem Duckenfeld im Oelkerscafe angefangen. Jeweils Sonnabends, Sonntags und Montags zeigten wir dort mit 21 Sitzplätzen seit 1983 Filme. Filme, die im örtlichen Kinoprogramm keine Plätze gefunden hatten. Sechzehn Millimeter war unser Format. Ich arbeitete als Maschinenschlosser bei Blohm & Voss.

Damals konnte man schon absehen, daß dies nicht mehr lange gehen würde. Der Neubau von Schiffen bei Blohm & Voss. Wir bauten nur noch Kriegsschiffe. Und das, so beschloss ich, macht auf Dauer keinen Spass. Ein Kino macht da viel mehr Spass. Wir waren erst zu zweit. Der Maschinenschlosser ohne Perspektive und der Pförtner vom Bodelschwinghaus. Um an die örtlichen Fördertöpfe für öffentliche Mittel zu kommen, brauchten wir noch einen Dritten. Den wir fanden. Ein ehemaliger Sozialpädagoge, der sich auf Kinderbetreuung auf dem Land spezialisiert hatte. Montblanc war für uns der richtige Ort. Ein Kino mitten in der Stadt. Am Mittwoch, d. 29. März 1989 trafen wir uns beim Planerkollektiv mit Joachim Reinig in der Paulinenallee 32. In 2000 Hamburg 50. Von 15.00 – 18.00 Uhr.

Peter Jorzick wollte zunächst nur seinen Freund Ulf von Kieseritzky mit der Umbauplanung von Montblanc beauftragen. Doch wir hatten schon schlechte Erfahrungen mit ihm gemacht. Beim Umbau des Bürogebäudes der Zeise Propeller Fabrik zu einem Filmhaus. Mit dem Planerkollektiv hatten wir keine schlechten Erfahrungen gemacht. Also wurde das Vorderhaus in der Schanzenstrasse von der Gemo K geplant (Haus 1), und die Häuser 2/3/4/ und 5 vom Planerkollektiv. Joachim Reinig schied vorher aus. Und unsere Ansprechpartnerin war Elinor Schuees und später (während ihrer Schwangerschaft) Karin Hänisch. Eine erste Besichtigung des Geländes fand im März 1988 statt. Ich zeichnete mir einen Übersichtsplan in mein Notizbuch. Für ein Kino kam nur das Gebäude zwei in Frage. Hätte man es abgerissen, dann würde man dort keinen Neubau genehmigt bekommen. Also wurde beschlossen, das Gebäude zu entkernen, die Aussenwände mit Zugankern zu versehen, damit sie während der Bauarbeiten nicht umfielen.

Von der oberen Etage solte nur die Fassade stehen bleiben. Dann sollte das neue Betondach auf eine verlorene Schalung gegossen werden. Nach der sog. “Anhandgabe” an Peter Jorzick wurde der Komplex am 5. Januar 1990 gekauft, habe ich meinem Notizbuch anvertraut. Ein Bauausschuss wurde gegründet, der sich am 4. April 1990 beim Planerkollektiv traf. Mit dabei GEMO K (Ulf von Kieseritzky), Elinor Schües und Karin Hänisch (Planerkollektiv) Rainer Zwanzleitner (Satz und Repro), Edith Mandelkow (Hotel), Wolfgang Meins (Rechtsanwälte), Andreas (Hapkido) und ich vom Kino.

Unsere Themen: Baufortschritt, Freimessung Asbest, Ausschreibungen, Auftragsvergabe, Antrag auf Fördermittel (ASE), Gift im Anbau, Mittelspannungsanschluß, Auflagen des Amtes für Denkmalschutz, Auftrag für Heizungsanlage vergeben (200.000,00 DM ohne neuen Kessel an Heiner Farchau vergeben.)

Der erste Tag im Kino war der erste Mai 1991. Noch im April wußten wir nicht so recht, ob bis dahin alles fertig würde. Doch dann erblickte die Leinwand das Licht des Projektors. Drei Tage war freier Eintritt. Das Hotel und die Gaststätte wurden schon im März eröffnet. Die Verwaltung wurde von einer neugegründeten GmbH übernommen, die zu 50 % der Stadt und zu 50 % der Handswerkskammer gehörte. Das lief mehr oder weniger gut.

Wir gründeten den Verein der Nutzer, den Schanzenhof e. V., in der alle Mieter Mitglied wurden. Auch die Volkshochschule. Eine bunte Mischung aus allem Möglichen. Im Gebäude eins (Später auch Haus A genannt), die Volkshochschule, die Rechtsanwälte, die Gruppe Arbeit und Gesundheit, das Satz und Repro Kollektiv, das Institut für Sozialgeschichte, Aktiv Reisen, die Wissenschaftliche Stiftung.

Im Haus 2 (später auch Haus B genannt) das Stadtteilkino mit 98 Sitzplätzen. Im Haus 3 (später auch Haus C genannt) der Jugendclub-Kinderzentrum KIZ, die Stadtteiletage mit ihrem Versammlungsraum, der Meditationsraum von Hapkido. In Haus drei die Ambulante Drogentherapie – Palette, Das Atelier von Serena Kahnert, die Freie Ambulante Pflegegruppe. Im Haus 5 (später auch Haus E genannt) in der Bartelsstrasse das Hotel Schanzenstern und die Gaststätte Schanzenstern, die Journalisten, Filmer und die Heilpraktikerinnen von Alchemilla.

Etwas am Rande der Legalität: Der Baugenehmigungsbescheid erfolgte am 21.01.1991. Grundbuchbezirk St. Pauli Nord Gemarkung Flurstück 2. 807, 836 Bauliche Anlage Nutzungsänderung und Umbau der ehemaligen Mont Blanc Produktions- und Verwaltungsgebäude in der Schanzenstr. 75 und Bartelsstrasse 12, Haus A – E, Abriß von Holzschuppen auf Flurstück 836, Unterschrift Kurpierz.

Über die Zeit als es uns gut ging, ist wenig zu berichten. Es hat mal durch die Betondecke des Kinos durchgeregnet und es hat eine Weile gedauert, bis der Schaden in der Dachfolie gefunden wurde. Aber das ist längst vergessen. Wann der Ärger genau begann?

Genau genommen mit dem Finanzsenator Herrn Wolfgang Peiner von der CDU. Aber das haben wir leider erst später begriffen. Es gab den zaghaften Versuch, das Anwesen selbst zu kaufen. Aber die Herren des Portfolios Schanzenhof haben uns nicht einmal geantwortet. Heute wissen wir auch warum.

Genau genommen ist es nur Werner Grassmann vom Abaton Kino gelungen, das Gebäude aus dem Portfolio von Wolfgang Peiner herauszulösen und es selber zu kaufen. Und das nur mit tätiger Unterstützung der Kulturbehörde. Werner Grassmann war dann selber bei Ole von Beust und hat ihn letztlich überzeugt, daß ein solcher Verkauf des Abatons kontraproduktiv ist.

In der Kulturbehörde gab es eine Referentin, Juana Bienenfeld, die geahnt hatte, welche Zukunft Kulturbetriebe unter der Spekulation haben würden: Keine. Sie hatte dafür gesorgt, dass vor dem Grundstücksverkauf das 3001 Kino einen Vertrag bekam, wo die Spekulanten erst im Jahre 2021 die Miete so erhöhen können, wie sie es jetzt schon mit den Kündigungen des Hotels und des Restaurantes Schanzenstern, der Drogenberatung Palette und der Künstleretage vormachen.

Vollmundig belügen sie Presse: Das Kino wollen sie erhalten. Nur gut, dass sie im Moment nicht können, was sie wollen. Gnade uns Gott, haben wir uns im Kino gesagt. Wenn wir es jetzt nicht schaffen, dass die Stadt das Gebäude zurückkauft, dann sind wir verratzt, wie alle anderen, die schon gegangen oder ausgezogen sind.

Es gab 2006 noch einen Gewerbehof an der Stresemannstrasse, wo ein Handwerksbetrieb ebenfalls versucht hatte, das Gebäude zu kaufen. Auch die sind gescheitert. Dann kamen diese neuen Mietverträge von der DIC aus Frankfurt. Nicht mehr 13 Seiten, wie die mit HaGG, sondern welche mit 35 Seiten, in denen stand nur, was sich alles nicht machen. Und heute wissen wir es. Fast zehn Jahre später ganz genau.

Sie unterscheiden sich in keiner Weise. Sie entscheiden, was sie reparieren und was nicht. Das Wort Instandhaltung fehlt in ihrem Wortschatz. Es ist ihnen kurz gesagt, alles scheissegal. Sie vermehren nur ihr Geld. Geld das sie uns aus der Tasche ziehen. Wenn die Steine aus den Fensterstürzen auf den Hof fallen, dann nageln sie Holzlatten davor, damit die Fenster und die Steine den Leuten nicht auf den Kopf fallen.

Wenn der Heizkessel im Alter von 35 Jahren seinen Geist aufgibt und nicht mehr elektronisch zu regeln ist, dann erzeugen sie Wärme eben ohne Regelung. Wenn die Regenwasserzisternen im Wege sind, dann werden sie einfach zerkloppt. Wenn in der Folge der fehlenden Regenwassernutzung für die Toilettenspülung die Wasserkosten unermeßlich steigen, dann überbürden sie diese einfach komplett auf die Mieter, die sie ohnehin los werden wollten. 6.000 oder 7.000 Euro kümmern sie nicht. Bent Jensen von der Schanze 75 GmbH: “Das macht wirtschaftlich keinen Sinn.“ (Die Wiederherstellung der Regenwasseranlage). Und doch wäre es mit wenig Geld so leicht zu machen gewesen. Zuerst wird das Kinderzentrum von der Jugendbehörde zum Umzug gezwungen. Es sei angeblich sinnvoll, wenn das Kiz geschlossen wird und in das Haus der Jugend am Pferdemarkt umzieht. Noch ein weiteres Projekt aus der Beckstrasse wird von der Behörde zu einem solchen Umzug gezwungen. Dann verschwindet die Heilprakterinnen Schule Alchemilla.

Die Kursteilnehmerinnen sind nicht besonders zahlungsfreudig und der Schuldenberg führt zu einem kurzfristigen Auszug. Die Umstellung in der Druckindustrie ist gewaltig und macht auch vor der Firma Satz und Repro keinen Halt. Rainer Zwanzleitner und seine Kolleginnen sind die Opfer dieser Entwicklung. Zuletzt verschwinden auch noch die Anwälte aus dem Schanzenhof. Und wenn jetzt keine Umkehr erreicht wird, dann verfällt das Gebäude weiter, während die Mieten immer weiter steigen. 30. Oktober 2015. Jens Meyer

Klostergarten Bäume gefällt
Fotos Jens Meyer

Abschrift eines Textes von David Stewart Hull (1961)

Herbert Selpin
Walter Zerlett-Olfenius (Drehbuchautor)

pdfMordSelpin Joseph Wulff

pdfMordanSelpinWürgemale am Hals

PDF Abschrift David Stuart Hull (Zeichen32.317)

(Zeichen 31.972) FalschheitenVorname Fritz! Abschrift: David Stewart Hull, Berkely USA, veröffentlicht in der Zeitschrift »Film« Heft 3 im August / »September 1963. Herausgegeben von Hans Dieter Roos und Werner Schwier. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des Artikels, der vom Autor David Stewart Hull (auch David Stuart Hull) durchgesehen und von der Redaktion der Zeitschrift »Film« gekürzt wurde. Der Aufsatz ist zuerst in der Zeitschrift „Film Quarterly“ im Sommer 1961 abgedruckt worden. „Abschrift eines Textes von David Stewart Hull (1961)“ weiterlesen

Berlin Juli 1961. Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen!

Die Aufnahmen entstanden im Juli 1961 mit einer Kleinbildkamera 24 x 36 (Akarelle).  Das Foto vom Brandenburger Tor wurde durch ein Münzfernrohr aufgenommen, das oben auf der Siegessäule installiert war. In der Gegenrichtung handelt es sich um das Hochhaus am Ernst Reuterplatz (Strasse des 17. Juni). Fotos Jens Meyer. >Was Bullrich Salz für die Verdauung  – ist Ulbricht für die Weltanschauung.< Ab da wurde Walter Ulbricht umbenannt. Walter Niemand hiess er nun. Das Foto von Walter Ulbricht ist bei Wikipedia zu finden. Der Fotograf wird nicht genannt, bzw. ist unbekannt.

Reichstag (ohne Kuppel)
Zentralbild/Kollektiv, 15.6.1961, Internationele Pressekonferenz Walter Ulbricht zum Friedensvertrag und zu Westberlin Fragen der Weltpresse zum Deutschen Friedensvertrag und zum Westberlinproblem beantwortete der Vorsitzende des Staatsrates der DDR und Erste Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, am 15.6.1961 auf einer Internationalen Pressekonferenz in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Im grossen Festsaal des Hauses der Ministerien hatten sich etwa dreihundert Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen der DDR, Westdeutschlands, Westberlins, aus sozialistischen und imperialistischen Ländern sowie aus jungen Nationalstaaten versammelt. UBz: Walter Ulbircht bei seinen Ausführungen. V.l.n.r.: Hermann Axen, Chefredakteur des „Neuen Deutschland“; Gesandter Kegel; Walter Ulbricht; Kurt Blecha
Walter Niemand

Europäischer Hof Baden-Baden (Deutschland) Jeremias Henschel

Die Fotos entstanden am 18. Oktober 1930 vor dem Hotel >Europäischer Hof< in Baden-Baden.

Foto eins (von oben): Das jüdische Kinobesitzer Ehepaar Frida und Jeremias (genannt James) Henschel (von links nach rechts).

Foto zwei: Das jüdische Kinobesitzer Ehepaar Frida und Jeremias Henschel mit ihrer Tochter Bianca Henschel.

Foto drei: Sophie Streit (geb. Henschel. Tochter von Frida und Jeremias Henschel), Frida Henschel, Jeremias Henschel und der Kinobesitzer Hugo Streit (Henschel Film und Theaterkonzern OHG), der  mit Sophie Streit verheiratet war. Alle Personen sind geborene Hamburger.

Die Ausnahme  ist Frida Henschel (geb. Blumenthal), die in Lübeck geboren ist. Sie hatten alle die deutsche Staatsangehörigkeit, bis die Nazis an die Macht kamen. Jeremias und Frida Henschel flüchteten zunächst  zu ihrer Tochter nach Den Haag, wo diese mit dem Rechtsanwalt und Konsul von Portugal Dr. Isidor Kahn verheiratet war.

Dort starb Jeremias Henschel. Frida Henschel flüchtete anschließend nach Mexiko und starb später in New York. Bianca Henschel heiratete und überlebte den Holocaust als Bianca Kahn.

Die Fotos stammen von Rolf Arno Streit (Enkel von Frida und Jeremias Henschel), dem die Flucht nach Belo Horizonte in Brasilien gelang.Hugo Streit (Teilhaber des >Henschel Film- & Theaterkonzerns OHG) auf dem Hamburger Flughafen (Deutsche Luft Hansa).

Er steht vor einem Flugzeug der Firma >Junkers<, die ihn nach London bringen soll. Dort besucht er im >Alhambra< Kino die Premiere der amerikanischen Originalfassung (Die Tonfassung) des Filmes von Lewis Milestone >All quiet on the western front< (Im Westen nichts Neues), der später in zwei seiner Hamburger Kinos >Schauburg< wochenlang gezeigt wird.

Die weissen Mäuse waren Herrn Goebbels offensichtlich ausgegangen. Die UFA, unter deutschnationaler Führung von Alfred Hugenberg, hatte sich geweigert, die  Tonfassung  dieses Filmes  deutsch zu synchronisieren und in ihren Kinos zu zeigen.

Der Autor des Romanes (Im Westen nichts Neues) kam aus Osnabrück, der Vater des Produzenten des Filmes kam aus Laupheim bei Ulm. Der Film lief in London in zwei Kinos: Dem >Alhambra< und dem >Royal Cinema< im Londoner Westend.

In Deutschland wurde der Film verboten und durfte später nur noch in sog. geschlossenen Vorführungen gezeigt werden. Nach der Machtübergabe an die Nazis am 31. Januar 1933 wurde er endgültig verboten. Vermutlich, weil die Kriegsvorbereitungen nicht gestört werden sollten.

Erst am 14. März 1952 gelangte der Film, der ursprünglich eine Länge von 140 Minuten gehabt hatte, in einer gekürzten Fassung mit neuer Synchronisation in die westdeutschen Kinos.

Die erste deutsche Synchronfassung von „All Quiet on the Western Front“ (Im Westen nichts Neues) wurde von der Firma: „Rhythmographie GmbH, Alte Jacobstr. 133 “ 1930 in Berlin hergestellt.

Die Leitung der Synchronarbeiten hatte der ehemalige Ufa Chefdramaturg Viktor Abel. Viktor Abel war nach  Nazidefinition Jude und war am 2. Dezember 1892 in Kiev geboren, das in dieser Zeit zum Russischen Kaiserreich gehörte. Am 21.10. 1941 wurde er nach Lodz deportiert und dort ermordet. Die Filmgeschichte hat ihn vergessen.

Belle Alliance
Hamburg Altona. Belle Alliance. Vorführung Lebender Photographien und Kaiser-Café Postkarte vom Mai 1906

Friedrichstrasse 225 Gedenktafel für Karl Wolffsohn

Gedenktafel201701-02-1Wer die Gedenktafel für Karl Wolffsohn in der Friedrichstrasse 225 sucht, sollte sich nicht täuschen lassen. „Friedrichstrasse 225 Gedenktafel für Karl Wolffsohn“ weiterlesen

Vom Nachttisch geräumt: Im Banne der roten Hexe von Werner Dütsch

Greta Garbo

 

 

 

 

 

 

PDF Im Banne der roten Hexe

Vom Nachtisch geräumt: Werner Dütsch “Im Banne der roten Hexe -Kino als Lebensmittel“ (Verlag Königshausen & Neumann Würzburg). Manches Mal begegnen mir Bücher, nach deren Lektüre ich das Gefühl habe, dass sie mir schon lange gefehlt haben. Deren Fehlen mir aber bis dahin gar nicht aufgefallen war. Ein solches Buch ist das von Kurt Scheel: “Ich & John Wayne“ (Edition Tiamat, Verlag Klaus Bittermann, Berlin 1998 vergriffen). (**)

Und ein solches ist auch das von Werner Dütsch “Im Banne der roten Hexe – Kino als Lebensmittel“ (Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg-2016-auch dieses Buch ist vergriffen) (*). Das Wort vergriffen klingt positiv. Bekomme ich doch den Eindruck: Alle gedruckten Bücher wurden an die Leserin gebracht, auf welche Weise auch immer. Oft ist es jedoch nur die geringe Auflage, in der ein solches Buch auf dem Markt gelangt. Werner Dütsch schreibt, wie er als Kind gelernt hat, mit dem Kino umzugehen. Eben Kino als Lebensmittel. Schon an den Filmtiteln erkenne ich, Werner Dütsch ist ein paar Jahre älter als ich. Da gibt es viele mir unbekannte Filme und einige, mit denen ich meine Kindheit verbracht habe, fehlen dagegen.

Besonders vermisst habe ich das Fehlen von “Bambi“ und später Burt Lancaster, wie ihm Gary Cooper in “Vera Cruze“ die Geschichte vom verlorenen Zinnsoldaten erzählt. Weiterhin scheint es Unterschiede zu geben, was die Aufmerksamkeit von Kindern erregt, besonders die zwischen den Kindern, die katholisch und jenen die evangelisch oder gar ohne jede Religion aufgezogen wurden. Alle Sorten Kinder beherrschen die Abgrenzung gegen die Erzieherwelt mit ihrem Empfehlungen, aber die katholisch erzogenen Kinder, so kommt es mir vor, haben es doch viel einfacher, als die evangelisch Erzogenen. Schon mehrfach sind mir Menschen im Leben begegnet, denen die Klassifizierungen des katholischen Filmdienstes als Kinder in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Ein ehemaliger Freund von mir (katholisch erzogen) wusste immer ganz genau, welche Filme seine Neugier erregten. Die Filme von 1 bis 2 E wurden sofort aussortiert (Egal was). Interessant wurde es für ihn immer erst ab Nummer: (2EE = Für Erwachsene mit erheblichen Vorbehalten). Richtig Interessant die Filme, die ab Nr. 3 und 4 klassifiziert wurden (3 = Vom Besuch wird abgeraten, 4 = Abgelehnt. Der Film zersetzt Glauben und Sitte).

Wir evangelisch aufgezogenen Kinder hatten es leider nicht so einfach, aber manchmal gab es auch in Hamburg Schaukästen bei den wenigen katholischen Kirchen, in denen die Empfehlungen der Konkurrenzkirche zu lesen waren. Es gibt Sätze in dem Buch von Werner Dütsch, in die ich mich sofort verliebt habe. Auf Seite 123 steht so einer. Vermutlich findet dieser sofort Eingang in meinen angehäuften Zitateschatz und ich bin von dem Vorsatz begleitet, diesen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu zitieren, was viele Freunde von mir als quälend empfinden. (Keine Freundschaft ist ohne Qual lange auszuhalten). “Als die Bücher noch Zeit hatten auf ihre Leser zu warten, erwarb ich, auch Jahre nach ihrem ersten Erscheinen, erste Filmbücher.“ (S. 123).

Angesichts der Filmbücher, die ich im Laufe der letzten fünfundzwanzig Jahre angesammelt habe, beschleicht mich heute das Gefühl, das die Zeit, in denen die Bücher noch Zeit hatten, auf ihre Leser zu warten, lange vorbei ist. Kein Mensch, außer mir, schaut sie noch an und liest sie, was ich irgendwie schade finde. Aber offenbar eignen sie sich heute mehr als Dekoration fürs Kino oder für das Foyer. Dabei sind auch solche Bücher, auf denen der kleine Werner Dütsch damals als Kind aufmerksam wurde. “Das Erinnern an ein damals ganz unsichtbares Kino wach zuhalten gelang keinem Buch so sehr wie Lotte Eisner mit Dämonischer Leinwand.

Gibt es ein Werk, das so sehr geholfen hat, verschwundene Filme herbeizuwünschen und so mitgeholfen hat, diese Filme auch wieder aufzufinden?“ (S. 123) Es gibt noch viele Stellen des Buches, die es wert wären zitiert zu werden: “Den Zoom als moralisches Problem wird es erst Jahre danach geben.“ (S.127). In einige der Sätze von Werner Dütsch kann ich mich richtig reinschmeissen: “Das galt für alle verabscheuungswürdigen Vorgänge und bei Jungens vor allem für die Selbstbefleckung mit der Aussicht auf Schwindsucht und Schwachsinn.“ (S. 129)

Ja, ja. Die Filmkritik. Die Liebe zu dieser Zeitschrift verbindet uns. Noch heute schaue ich in die Sammelbände um die Verrisse zu geniessen, mit denen sie Filme, besonders die der heimatlichen Produktion, bedacht haben. Sonja Ziemann und Rudolf Prack, der Schrecken meiner Jugend und dann das: “Eine polnisch-deutsche Überraschung: Sonja Ziemann, die es dreizehn Filme lang mit Rudolf Prack ausgehalten hat, in der achte Wochentag.“ (S. 132). Leider ist mir dieser Film damals nicht untergekommen. Und heute wollte ich ihn vermutlich auch nicht sehen.

Merkwürdig fand ich dagegen, dass eines meiner Lieblingsbücher, das von Joe Hembus (zwei verschiedene Ausgaben): “Der deutsche Film kann gar nicht besser sein“ bei ihm nicht auftaucht. Sollte er das damals übersehen haben? Oder war er schon zu tief in den Sumpf der Filmkunst in den Filmclubs abgesunken? Auch da stelle ich Ähnlichkeiten fest.

Gewundert habe ich mich auch darüber, dass meine ersten Filme, so wie “Bambi“ (oh wie habe ich da geweint, als Bambis Mutter da im Wald verbrannt war, oder eben die schon beschriebene Einstellung aus “Vera Cruz“, als dieser überhebliche Offizier sich über die Tischmanieren von Burt Lancaster mokiert und dann von Gary Cooper mit seiner Geschichte von seinem verlorenen Zinnsoldaten zurecht gewiesen wird, bei ihm nicht auftauchen. Es fehlt der Trick, den uns Truffaut in “Taschengeld“ noch mal gezeigt hat, den wir aber als Kinder schon kannten (wie man als Kind ohne Geld über den Notausgang ins Kino kommen kann). (***) Vermutlich hat auch Werner Dütsch diesen Trick gekannt und genutzt.

Nur seine Erziehung (die katholische), so vermute ich, solche Tipps, solche Straftaten (Erschleichung einer Leistung) bekannt zu machen, verbietet ihm, diese zu gestehen, denn nicht alles kann im Beichtstuhl vergeben werden.Da kann man doch mal sehen, wie lange die ganze Sache mit der Erziehung schon geht und wie lange sie anhält.

Bleibt anschließend nur die Frage, wie kommen die Kinder heute ohne Geld ins Kino? Fahrradputzen und Flaschen sammeln bringen nicht die heutig nötigen Summen in kurzer Zeit zusammen und im übrigen sammeln die altersarmen Rentner den Kindern die Flaschen weg. (Trittin ist schuld, ein bißchen jedenfalls).

Da bleiben den lieben Kleinen nur das Internet und ihre großen Festplatten. Ob sie danach noch Lust auf Kino haben, ist eher doch die Frage. Und dann werden sie sicher auch nicht auf dieses gelungene Buch von Werner Dütsch stoßen. Weil alle dort geschilderten Erlebnisse und Erfahrungen von der nächsten Generation nicht mehr gemacht werden können. Schade eigentlich. Der Verlag sollte es nachdrucken. Und dabei den einen Absatz, der zwei Mal im Buch auftaucht, eliminieren. Hamburg. d. 30. September 2016 Jens Meyer

(*) ISBN: 978-3-8260-5897-4Autor: Dütsch, Werner Erscheinungsjahr: 201619,80 EUR (**) ISBN: 3-89329-012-6Ich & John Wayne Lichtspiele (ISBN: 978-3-8260-5897-4 Autor: Scheel, Kurt Erscheinungsjahr: 1998 Preis heute (Antiquariat, z.B: zvab.com) zwischen 14,00 – 23,00 €) (***) PS: Bei nochmaligem Lesen stelle ich fest. Der Trick ist doch da. Aber leider so verschwurbelt, dass ich (und vermutlich die Kinder) ihn kaum erkennen oder gar nachmachen können. (S.20). Die Truffaut Variante aus dem Film “Taschengeld“ ist eindeutig die bessere.

Thalia Kino Die goldene Maske
Die goldene Maske im Thalia Kino Grindelallee 116 in Hamburg . Foto von John Holler (1957)
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Meckis Abenteuer beim wilden Stamm der Arbeiter

pdf Mecki beim wilden Stamm der Arbeiter

Beim Aufräumen wieder gefunden: Ein Vorwort für einen Filmkatalog, der zwar erschienen ist. Allerdings ohne das Vorwort. Die Zeit war damals (1982) noch nicht reif. MECKIS ABENTEUER BEIM WILDEN STAMM DER ARBEITER                      Die Wende: Die Wende ist schon da. Wir haben sie nur noch nicht bemerkt. Letzte Woche auf dem Arbeitsamt. Um 8.00 Uhr machen die auf. Ich bin um 8.05 Uhr an dem Nummernzieher. Meine Nummer 451. „Meckis Abenteuer beim wilden Stamm der Arbeiter“ weiterlesen

Ein Brief vom 14. August 1933 von Leopold Gonser.

PDFBrief von Leopold Gonser

„Wer die Macht hat, hat das Recht“ Ein Brief aus Lübeck

Auszug aus einem der Briefe, die Leopold Gonser (Kinopächter der Stadthallen Lichtspiele in Lübeck, zusammen mit Ernst Robert und Wilhelm Markmann) am

14. August 1933 (Lübeck) an den Verband der Norddeutschen Lichtspieltheaterbesitzer in Hamburg schrieb. „Ein Brief vom 14. August 1933 von Leopold Gonser.“ weiterlesen