Eine teure Flucht

Was kostet 1938 ein Pass? Im  Deutschland der Nazis? Der jüdische Kinobesitzer Jeremias Henschel und seine Gattin Frida Henschel müssen 1938 an das Finanzamt Hamburg (nennt sich damals: Der Oberfinanzpräsident, Großer Burstah im>Hindenburg Haus< heisst heute noch so) für zwei Reisepässe bezahlen:

387.397,00 RM >Reichsfluchtsteuer<

515.739,39 RM >Kaution< (falls noch Steuernachzahlungen anfallen, was    natürlich passiert ist)

404.500,00 RM >Judenvermögensabgabe<

Gesamtsumme 1.307.636,39 RM – in Worten- EineMillionDreihundertsiebentausendundsechshundertsechsunddreissig. Und neununddreissig Pfennige.

Erst nach der Zahlung dieser Beträge werden ihnen die Reisepässe für eine Übersiedlung nach Holland (zu ihrer Tochter Bianca Kahn geb. Henschel) ausgehändigt. Der Oberfinanzpräsident Hamburg (den gibt es am 8. Februar 1951 immer noch) stellt fest, der Vermögensverlust von Jeremias und Frida Henschel ist am 1. + 4. Oktober 1938 „entstanden“. Das klingt so, als wenn der Oberfinanzpräsident des Finanzamtes damals nicht dabei gewesen wäre.P1040995Ohne Titel-6 Kopie(Von links nach rechts) Frida Henschel geb. Blumenthal. Jeremias (genannt James) Henschel und ihre Tochter Bianca Kahn (geb. Henschel). Heirat mit Isidor Kahn am 5. Mai 1931 in Holland.

Frida (Frederica) Henschel, geb. am 17. Oktober 1865 in Lübeck, gest. am 16. April 1945 in Manhattan/New York. Jeremias Henschel, geb. am 5. Februar 1863 in Hamburg, gest. am 26. August 1939 in Holland. Bianca Henschel, geb. am 8. März 1890 in Hamburg. Nach der Heirat mit Isidor Kahn hieß sie Bianca Kahn. Sie betrieb maßgebend (Als Erbin von Friderike und Jeremias Henschel) nach dem zweiten Weltkrieg die Rückerstattung der Hamburger Grundstücke, die ihren Eltern gehörten und „arisiert“ (enteignet) worden waren. Ihre Vertretung hatte der (jüdische) Rechtsanwalt Dr. Herbert Pardo übernommen. Dr. Herbert Pardo war in der Nazizeit aus Hamburg nach Palästina geflohen. Nach dem Krieg kehrte er nach Hamburg zurück und übte hier wieder seinen Beruf als Rechtsanwalt aus. Seine Kanzlei befand sich in Hamburg, Grosse Allee 21. (Die Strasse wurde später in Adenauerallee umbenannt). Bereits 1949 veröffentliche er mit Siegfried Schiffner ein Buch über den Naziregisseur Veit Harlan und seinen Film „Jud Süss“. Das Buch erschien 1949 anlässlich des Prozesses gegen Veit Harlan, hat 70 Seiten und wurde vom Verlag Auerdruck GmbH, in Hamburg 1 herausgegeben. Dr. Herbert Pardo war Mitglied der SPD.

Bianca Kahn wurde 83 Jahre alt und starb am 12. April 1973 in Lugano. Ihr Ehemann Isidor Kahn ist am 17. November 1884 in Witten (Ruhr) geboren und am 3. November 1961 in Lugano verstorben.Dr.PardoUmschlagderFallHarlanBy-nc-sa_colorNilpferd7

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.