Fotos vom 19. Juli 2016. Seit 1. Mai 1991 ein öffentlicher Durchgang, der nur von 1.00 Uhr Morgens bis 8.00 Uhr Morgens geschloßen ist.
Kategorie: St. Pauli
Fotograf Erich Andres 1988
Schanzenhof Hamburg (2011)
Mittwochs in der Bartelsstrasse
Flora neu tapeziert
Sowas kommt von sowas
Wäre es Kino, es würde mich langweilen. Immer die gleiche Geschichte. Nur mit anderen Schauspielern. Aber vielleicht endet diese Geschichte ja auch anders? Wir sind ja erst am Anfang! Oder schon am Ende? In einigen Monaten werden wir es wissen. Gelingt es uns? Oder sind wir am Ende verratzt, wie alle, die schon gegangen sind? Unser erster Satz: Spekulanten vertreiben und Fehler korrigieren! Und der zweite: Die Stadt muss es zurückkaufen! Wo sind eigentlich die, die diesen Schwachsinn angerichtet haben? Richtig: die sind längst über alle Berge. Die sind mit der Beute übern Deich gegangen. Haben die Stadt verkauft und sich selber die Taschen voll gestopft. Und die, die mit ihnen Geschäftemachen, nennen sich selber “Investoren”. Und richtig! Wer ins Wörterbuch schaut, merkt, sie haben den Namen mit Sorgfalt gewählt. Investor = Kapitalanleger! Sie legen Geld an, sonst nichts. Meistens ist es nicht mal ihr eigenes.
Sie haben mit den Hausbesitzern von früher nichts mehr gemein. Die, die sich an das Grundgesetz halten: Eigentum verpflichtet. Ihr Eigentum verpflichtet sie zu nichts. Sie sind einfach nur Kaputtbesitzer, weiter nichts. Das Haus auf dem Grundstück ist ihnen scheißegal. Um was es eigentlich geht? Um eine Fabrik und einem Kontorhaus. Früher wurden hier Füller hergestellt. Teure Füller. Nicht unbedingt die, mit denen wir schreiben gelernt haben. Füller mit Goldfedern. Überall in der Welt zu kaufen: Montblanc Füller. 1988 wollten sie eine neue Fabrik. Eine moderne. Nicht so ein verschachteltes Gebäude mit vielen Treppen, Nebengebäuden und zwei Höfen dazwischen. Das war nur mit einem Neubau zu machen. Verlust von vielen Arbeitsplätzen mitten in der Stadt.
Es gibt in dieser Zeit kluge Leute in der Stadt. Leute, die wissen, was das für den Stadtteil bedeutet, wenn so viele Arbeitsplätze hier verschwinden. Die sich Sorgen machen. Und die dann das Richtige tun. Sie kaufen Montblanc das Grundstück ab. Und bieten ihnen ein neues Grundstück in Eidelstedt an. Einen solchen Steuerzahler und Arbeitgeber möchte man gerne in Hamburg halten. Der Volkshochschule, eine ungeliebte Tochter der Schulbehörde zu dieser Zeit, hatte man grade in St. Georg das Gebäude unter dem Arsch verkauft.
Hier war sie richtig. Ein Kino, nicht so wie die Popcorn Buden mit der Einheitsware. Ein Hotel, nicht so wie das Atlantic. Ein Restaurant, nicht so wie eines, dass man sich nur einmal im Jahr leisten kann. Ein Platz für Jugendliche, nicht so wie die geschlossenen Heime für die Widerspenstigen, die Benachteiligten, die nie eine Chance hatten. Ein Platz für Künstler, wo auch mal die Instrumente etwas lauter sein können. Ein Ort, wo denen geholfen wird, die mit ihren Süchten nicht mehr klar kommen. Insgesamt, eine Art gesellschaftlicher Reparaturwerkstatt, wo alles das bearbeitet wird, was sonst nirgends bearbeitet wurde. Wo Menschen, die zerstört wurden, geholfen wird. Und und und. Das geht 16 Jahre gut. Dann machen die Herren, es sind meistens Herren, alles zunichte. Und loben sich selber für ihre guten Taten. Von denen sie doch wissen, das es keine guten Taten sind: Eine Milliarde für drei Pakete haben sie im “Portfolio”. Am 8. November 2006 um 13:48 Uhr verkünden sie stolz: „PRIMO-Portfolio erfolgreich am Markt platziert”. Nur um die Milliarde, die es nur “fast” ist, an anderer Stelle in der Elbe zu versenken. Wie das geht?
Herr Peiner von der CDU und die von der HSH Nordbank (alle noch auf freiem Fuß) machen es uns vor. Verantwortung? Kein Stück. Heute sind sie längst über alle Berge. Natürlich unter Mitnahme ihrer Abfindungen. Und die Mieter in den “Portfolios” bekommen nicht den Hauch einer Chance, die Gebäude selbst zu erwerben. Damit beginnt 2006 die Geschichte der Kaputtbesitzer. Erstes Zeichen: Die neuen Mietverträge haben nicht mehr 13 Seiten (wie die Mietverträge mit der Stadt (HaGG), sondern 35 Seiten. In denen steht nur, was sie alles nicht machen. Eben Gewerberaum. Als Mieter stellt man sich Frage, warum man eigentlich noch Miete bezahlt? Wo man doch alles andere auch noch bezahlen muss, was früher Eigentümer gemacht haben. Alles Conle like, falls den noch jemand kennt. Man muss sich wehren. Aber wehren ist anstrengend. Besonders dann, wenn die Grundbesitzer so prächtig mit den Politikern zusammenarbeiten. Als Volkshochschule bemerkt man das besonders.
Da werden leise Töne und Wohlverhalten gefordert. Und leider auch oft gewährt. Also geht man wieder auf die Suche. Hapkido, Stattreisen, Conil Reisen, Kinderzentrum KIZ, Alchemilla, Chroma Film ziehen aus. Zuletzt verschwindet auch noch das Anwaltsbüro aus dem Schanzenhof. Unter dem Motto “Jeder ist sich selbst der Nächste” übernimmt die Volkshochschule die freiwerdenden Flächen. Selbst ihr Hausmeister kooperiert (zum Leidwesen der anderen Mieter) prächtig mit den Herren von der DIC und ihren Nachfolgern: Bent Jensen und Mario Stephan. Nur einmal treiben sie es zu doll. Als sie sich auch noch an den Reinigungskosten für die Treppenhaus Reinigung bereichern wollen und eigene Leute in die Treppenhäuser schicken, die noch ein bisschen billiger arbeiten, da greift doch einer von der VHS zum Telefon. Leider ist er jetzt nicht mehr da. Er ist aus Altersgründen im Ruhestand. Einen Nachfolger von Jochen Blanken haben wir bisher nicht entdecken können. Nicht allen ist ein solcher Umzug möglich. Ein Kino kann fast nicht umziehen. Es braucht den Ort, die Anbindung, die Deckenhöhe von sechs Metern. Wo gibt es das schon? Und nicht vermietet an einen Supermarkt? Ein Hotel mit zwei getrennten Notausgängen. Wie? Umziehen? Mit einem Notstrom Dieselgenerator im Keller, wenn mal im Notfall der Strom ausbleibt?
Das Schweigen der Mieter hat noch eine andere Seite. Die Kaputtbesitzer werden immer frecher. Da wird einfach mal eine Regenwassernutzungsanlage, die über Jahre sämtliche Spülkästen in den Toiletten mit Regenwasser versorgt hat, einfach so zerkloppt. Zerstört, weil die Kaputtbesitzer nur eines wirklich wollen: Geld. Unser Geld, und möglichst immer mehr davon. Sie haben Namen, aber es ist immer die gleiche Sorte Mensch. Hier tun Namen nichts zur Sache. Sie verkaufen unseren Garten. Eine kleine grüne Oase im Großstadtdschungel. Sechzehn Jahre hatte er Zeit zu wachsen. Ein Kirschbaum, mit einem Stamm von über 80 cm. Eine Kastanie, die sich selbst ausgesät hatte, mit einem Stamm von 90 cm Dicke und einen Apfelbaum, der aus Steuergeldern angeschafft worden war. (Förderprogramm Innenhöfe der STEG). Sie werden einfach gefällt. Kein Hahn kräht danach. Holz für den heimischen Kamin. In der Villa.
Die, die das zu verantworten hätten und doch nicht tun, sind dort, wo die anderen Verkäufer schon sind: übern Deich, über alle Berge. Natürlich unter Mitnahme “ihres Gewinnes”, wie sie es nennen. Sie haben natürlich Namen. Aber wer interessiert sich schon dafür. An der Spitze: Wolfgang Peiner, CDU Mitglied und Finanzsenatorin dem CDU / Schill Senat. Ole von Best, der beliebte, anbei. Die “Verantwortlichen?” der HSH Nordbank (wo sind die eigentlich alle?), die das ganze so trefflich eingerührt hatten. Die Spekulanten der DIC in Frankfurt, die erste Spekulanten, die diese 35 Seiten Mietverträge entwarfen, in denen der Mieter alles und der Vermieter nichts mehr reparieren und instand halten muss. Und wo ist jener Spekulant, der sich sogar noch an den Reinigungskosten für die Treppenhäuser bereichern wollte? Wie hieß der noch gleich? Richtig, eine GmbH hatten sie gegründet; extra nur für dieses Grundstück und Schanze 75 GmbH genannt. Besser sie hätten eine O. J. H. oder eine B. N. F. (Ohne jede Haftung, Bezahl Nix Firma) gegründet.
Dabei hießen sie Bent Jensen und Mario Stephan, Ach ja, da fällt mir ein. Sie haben doch einmal Geld ausgegeben. Als sie im Hof ein kleines Dach aus Glas anbringen ließen, damit man beim Öffnen der Tür keinen Regenschirm braucht, wenn es mal regnet. Auf den Wunsch eines einzelnen Mieters. Richtig teuer war das nicht. Und außerdem haben sie es nachher den Mietern als Betriebskosten in Rechnung gestellt. Und jetzt die: Max (imilan) und Moritz Schommartz. Zwei Brüder. Der ältere ist grade 31 Jahre alt geworden. Geradezu beleidigt fühlt er sich von der Tatsache, dass man ihn als Spekulanten bezeichnet. Er weist das weit von sich. Und behauptet (allerdings nur am Telefon, nicht auf Papier), dass sie alle ihre Grundstücke langfristig behalten wollten. Mindestens 20 Jahre. Und man stellt sich doch ernsthaft die Frage, woher will er das wissen, wo er doch selbst erst einunddreißig Jahre alt ist? Als der Schanzenhof von der Füllerfabrik zu dem wurde, was er jetzt schon seit fast zehn Jahren nicht mehr ist, besuchte er (in Wellingsbüttel ?) grad die zweite Klasse in der Grundschule! Was haben sich die Eltern bei der Namensgebung ihrer Söhne gedacht? Hatten sie dabei vielleicht an die Geschichte von Wilhelm Busch gedacht? Dann lagen sie mit ihrer Prognose nicht so richtig falsch. Aber das Ende der Geschichte werden sie sich doch auch noch erinnern? Oder?
Wir tun jedenfalls gut daran, sie in ihrem Treiben zu unterbrechen. Kleine Frage am Rande: Warum kaufen sie ein Grundstück für 5 vielleicht 8,5 Mill Euro und lassen dann ein Grundschuld für die Sparkasse Ostholstein von 11 Mill € ins Grundbuch eintragen? Sie haben doch bisher gar kein Geld gebraucht? Etwa für Instandhaltung. Wo sie doch so oft an den Heizkessel erinnert wurden, den Montblanc vor 35 Jahren hat einbauen lassen und der 1991 von der HaGG einen neuen Brenner bekam? Und an die Wiederherstellung der Regenwassertanks für die Toilettenspülung? Wer will schon gerne in der Mühle verschwinden (mit ricke racke,mit Geknacke)? Wer will schon gerne von Müllers Federvieh verzehret werden? Und was sagen die anderen Deputierten aus der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation dazu, wenn sie so einen unter sich haben? Deswegen fordern die Mieter: Spekulanten stoppen. Die Stadt muß ihren Fehler von 2006 wieder gut machen und den Schanzenhof mit seinen fünf Gebäuden zurückkaufen. Ein Mitarbeiter der HaGG (die den Schanzenhof 16 Jahre lang verwaltet hat und die Ihre Sache gut gemacht haben) hat die Geschichte der Fehler des CDU / Schill Senates treffend zusammengefasst: Sowas kommt von Sowas!
Lenin in Hamburg
Tim Schümann Hamburg (Der Sohn)

Ein Interview, das eigentlich nicht stattgefunden hat. Der Ton wurde zufällig aufgenommen. Vor einigen Jahren verstarb Tim Schümann. Deshalb kommt hier jetzt die Veröffentlichung des nicht gemachten Interviews. Und wäre nicht zufällig die Kamera mitgelaufen, mit denen wir das Fotoalbum von Tim Schümann abgefilmt haben, dann gäbe es diese Originaltöne (hier protokolliert) nicht. Ich nenne das Interview: Lügen aus Hamburg.
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Die Geschichte von Frida und James Henschel, erzählt von den Enkelkindern – Ein Entwurf zu einem Buch
PDF (Zeichen 11.759) Schlund der Geschichte Henschel Kinos

(Text: Zeichen 11.657)
In einem Schlund ist die Geschichte der jüdischen Kinobesitzer in Hamburg verschwunden.
Erst den Nachgeborenen ist aufgefallen, dass große Teile der Kinogeschichte fehlen. Und das dieses Fehlen Gründe hat. Der »Henschel Film – & Theaterkonzern OHG«. Eine Geschichte, die im Dezember 1895 in Paris beginnt und erst mit ihrer vollständigen Aufklärung endet. Pioniere eines neuen Gewerbes. Sie haben uns angelogen, als sie behaupteten, sie hätten gekauft oder geerbt. So war es nicht. Sie haben nicht gekauft und auch nicht geerbt. Sie haben gestohlen. Sie haben geraubt. Sie haben die jüdischen Kinobesitzer bestohlen. Und viele haben ihnen dabei geholfen. Vier Fotos, die uns Rolf Arno Streit aus Belo Horizonte, Brasilien zur Verfügung gestellt hat. (Fotos aus Hamburg von links oben nach rechts unten: Hamburger Hauptbahnhof (vom Glockengiesserwall mit Strassenbahnschienen, Gänsemarkt mit Lessingtheater und Hamburger Anzeiger, Alster in Richtung Hotel Vier Jahreszeiten mit Alsterpavillion, Karl Muck Platz in Richtung Innenstadt, rechts das Hochhaus des DHV (Deutschnationaler Handlungsgehilfen Verband). In der Mitte die Kaiser Wilhelm Straße (heißt heute noch so). Der Karl Muck Platz wurde vor einigen Jahren umbenannt in Johannes Brahms Platz. Das Gebäude des DHV wurde auch umbenannt in Johannes Brahms Kontor. Vermutlich dachte man bei der Umbenennung daran, so kriegt man die braune Farbe runter, die vom DHV (Deutschnationaler Handlungsgehilfen Verband). Die Geschichte der jüdischen Kinobesitzer beginnt im Jahre 1895 in Paris und endet in Brasilien, Mexiko, USA und Australien. Überall dort, wohin die geflohen sind, denen man in Deutschland alles weg genommen hat und die auch noch nach dem Krieg ihre Stimme erheben konnten, weil sie den Mördern in Deutschland entkommen waren. Eine erste Spur fand ich auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf. Den Grabstein von Hermann Urich Sass. Meine Suche beginnt – eher zufällig – 1970 in Berlin. Während meines Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb): Ich interessiere mich auch für die Geschichte der Kinos. Hier gibt es die Tageszeitungen des deutschen Films: die „Licht Bild Bühne“ (LBB) und den „Kinematograph“. In Hamburg sind diese Zeitungen zu der
Zeit nicht vorhanden, bzw. nicht zugänglich. Wer einmal längere Zeit vor einem solchen Mikrofilm Lesegerät gesessen hat, kennt die Langweiligkeit dieser Arbeit. Diese vielen Nachrichten, die man alle nicht braucht. Ich hatte natürlich Vermutungen. Aber eigentlich, weiss ich nicht, was ich suche. Die
Licht Bild Bühne erscheint täglich, sechs mal in der Woche. Sie hat viele Seiten. Gezählt habe ich nicht. Aber dann hilft mir der Zufall. Der Zufall heisst Paul von Hindenburg. Jener Mann, der Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt hatte. Sehr schlecht für die deutsche Geschichte. Aber gut für mich. Ohne diesen Zufall hätte ich die Meldung vom Tode des Kinounternehmers Hermann Urich Sass niemals gefunden. Sie ist in der gleichen Ausgabe, in der auch von der Machtübertragung an Adolf Hitler berichtet wird. Ein paar Jahre später bekomme ich darüber Kenntnis, das beide Meldungen in einem Zusammenhang stehen. Am Sonnabend, den 28. Januar erscheint 1933 eine 13 Zeilen Meldung, die mit folgenden Worten endet: . . . dass
“ . . . Herr Urich Sass, eine leitende Persönlichkeit im Henschel Konzern in Hamburg, am 27. Januar im Alter von 45 Jahren, einem Herzversagen erlegen“ sei. Wäre er an einem anderen Datum verstorben, hätte ich die Suche nach dem Henschel Film- und Theaterkonzern vermutlich abgebrochen. Die Beerdigung soll am Montag, d. 30. Januar 1933 auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf um 3 Uhr stattfinden.
Die Geschichte der Kinobesitzerfamilie Henschel beginnt mit Frida und Jeremias Henschel und ihrer Reise nach Paris. Ursprünglich war Jeremias in die Fussstapfen seines Vaters getreten und hatte sich im Verkauf von Stoffen und Herrengarderobe versucht. Erfolglos.
Mit dem selbstgewählten Vornamen James beginnt eine neue Episode im Leben der Familie Henschel. Eigentlich sollte es ein Laden mit Schallplatten werden. Aber dann entdeckte Frida eine lange Schlange. Dort wurden zum ersten Mal diese beweglichen Bilder gezeigt, die sie damals »Lebende Photographien« nannten. Frida erkannte als erste die ungeheuren Möglichkeiten, die ein solches Geschäft in Hamburg haben würde. (Das Foto entstand am 18. Oktober 1930 vor dem Hotel Europäischer Hof in Baden-Baden (Deutschland). (v. l. Frida (Frederica) Henschel (geb. Blumenthal), Jeremias (genannt James) Henschel und ihre Tochter Bianca Henschel (Bianca Kahn, die am 5. Mai 1931 den portugiesischen Konsul Dr. Isidor Kahn in Den Haag heiratet und nach Holland auswandert). Das Foto stammt von Rolf Arno Streit (Enkel von Frida und James Henschel) aus Belo Horizonte, (Brasilien). Wann Frida und James Henschel nach Paris gefahren sind, das konnten die Enkelkinder (in Mexiko und Brasilien) von James Henschel nur vermuten. Es könnte am 28. Dezember 1895 gewesen sein, als die Brüder Lumiere im Grand Cafe im
Boulevard des Capucines zum ersten Mal ihren Projektor vorgestellt haben. Verbürgt ist auch der Besuch der Brüder Skladanowsky in Paris am 28. Dezember 1895. Ein paar Tage vorher (Im November 1895 waren sie mit ihrem Projektor in Hamburg). Sie hatten eine Einladung nach Paris, ihren Projektor im
Folies Bergère vorzustellen und haben dafür ein Honorar verlangt und bekommen. (Die Angaben schwanken zwischen 2.500,00 und 4.500,00 französischen Franc). Aber zu einer Vorstellung ihres Projektors in Paris ist es nicht mehr gekommen. Frida und Jeremias Henschel haben damals erkannt, welches Potential in dieser neuen Technik der Lebenden Photographien steckt. Sie eröffnen im
Dezember 1905 in der Bergstrasse Nr. 11 in Altona ihr erstes Kino: Das Helios Theater mit 500 Sitzplätzen. Einen Monat später im Januar 1906 wird das Belle-Alliance-Theater Vorführung lebender Photographien, an der Ecke Eimsbütteler Str. 2 Schulterblatt 115 eröffnet. Das Kino wird in den ehemaligen Ballsaal des Belle Alliance eingebaut, hat 1.400 Sitzplätze und spielt von 15.00 Uhr Nachmittags bis 1.00 Uhr in der Nacht. (Aus: James Henschel erzählt Hamburgs Kino Geschichte. Artikel von Hermann Lobbes in der Licht Bild Bühne, Beilage vom Sonnabend, d. 16. August 1930).
Vor dem Kino ist eine Haltestelle der elektrischen Strassenbahn. Der Licht Bild Bühne berichtet James Henschel im August 1930, dass der Tag mit den geringsten Einnahmen (56,00 RM) der Tag war, an dem sich die Zuschauer des Kinos den Brand der Michaelis Kirche angesehen haben. Das war Dienstag, der 3. Juli 1906. Frida und Jeremias haben fünf Kinder: Hedwig, Sophie, Bianca, Hanns und Gretel, die zwischen 1888 – 1895 geboren werden. Hanns meldet sich als Freiwilliger und „fällt“ am 31. Oktober 1916 als Unteroffizier an der Front in Frankreich (?), Jürgen Sielemann gibt einen anderen Ort an.
Zitat: „Ihr Bruder (Bianca Henschel) Hans Henschel (geb. 21. September 1893) fiel am 31. Oktober als Unteroffizier in einem Gefecht in Siebenbürgen.“ (Aus Liskor-Erinnern Heft 14, Seite 26). Als Quelle nennt Jürgen Sielemann: 332-8 Meldewesen, A 30 Toten- und Verzogenenkartei 1892-1925, Mikrofilm K 6238, Karte Hans Henschel. Da war er 23 Jahre alt. Wie ich mir die Fotos angesehen habe, habe ich gedacht, zwischen die Bilder gehört noch unbedingt ein Text. Und da man bei Tucholsky inzwischen klauen darf, habe ich dies getan. Auf Seite 1159 im Band 1 – (1907 – 1924 meiner dreibändigen Gesamtausgabe) gibt es zwei Texte »Wie uns aus« und »Sechzig Fotografien« . In dem zweiten Text geht es um sechzig Fotografien, über den Weltkrieg (1) die man in Paris kaufen kann.
Der Text ist von 1924. Da wurde der Weltkrieg noch nicht numeriert. Am Ende schreibt Tucholsky: (Seite 1162 Band 1)
“Du schießt drüben immer den Kamerad Werkmeister tot – niemals den einzigen Feind, den du wirklich hast. Dein Blut verströmt für Dividende. Dein bißchen Sterben, dein armseliges Verrecken wird mühsam mit einer Gloriole von Romantik umkleidet, erborgt aus den Emblemen von
Jahrhunderten, entliehen aus verschollenen Zeiten. Wirf deine Flinte weg, Mensch! Es wird immer Kriege geben? Solange du willst, wird es sie geben. Nagle dir diese Bilder an die Wand, zeig deinen Kindern, was das für eine Schweinerei ist: der Krieg; was das für eine Lüge ist: der Krieg; was das für ein Wahnsinn ist: der Krieg! Und dann setze dich mit deinen Arbeitsgenossen auf der anderen Seite hin, vertraue ihnen, denn es sind dieselben armen Luder wie du – und gib ihnen die Hand. Nieder mit dem Staat! Es lebe die Heimat!“ Grabstein auf dem Friedhof für die “Gefallenen“ des ersten Weltkrieges in Hamburg Ohlsdorf. Die Inschrift im Grabstein ist schwer lesbar. Unteroffz. (Unteroffizier) HANNS HENSCHEL, GEB. 21. September 1893, 5654 (Geboren), GEF. 31. Oktober 1916 5677 (Gefallen/Gestorben),
INHABER (Inhaber)
DES
EIS. KREUZES (des Eisernen Kreuzes)
UND DES (und des)
HANSEAT. KREUZES (Hanseatischen Kreuzes).
Hanns Henschel wurde nur 23 Jahre alt. Bei Kriegsende (am 11. 11. 1918) ist James Henschel 55 Jahre alt und die neu gegründete UFA (Gründung am 18. Dezember 1917) tritt an ihn heran und unterbreitet ihm ein Kaufangebot für seine acht Kinos. Eine Reihe von Kinos hat das Ehepaar Henschel auf eigenen Grundstücken neu gebaut. So das Waterloo Theater in der Dammtorstrasse 14, das Lessingtheater am Gänsemarkt 46/48, das Palasttheater in der Wandsbeker Chaussee (bei späteren Recherchen stelle ich fest, dass die Ortsangabe falsch ist – das Palast Theater war nicht in der Wandsbeker Chaussee sondern in der Hamburger Strasse 5/7/9), die Harvestehuder Lichtspiele am Eppendorfer Baum 15. James Henschel setzt die Bedingungen für den Verkauf an die UFA. Am 21. Februar 1918 wandelt er seine Kino Firma »J. Henschel« in die J. Henschel GmbH« um. Der Vertrag sieht vor, das die beiden Schwiegersöhne Hermann Urich Sass (verheiratet mit Hedwig Urich Sass, geb. Henschel) und Hugo Streit (verheiratet mit Sophie Streit geb. Henschel) Geschäftsführer der »J. Henschel GmbH« werden. Weiterhin enthält der Vertrag einen Passus, daß Hermann Urich Sass und Hugo Streit zu Direktoren der UFA für Norddeutschland ernannt werden. Ein Organ Vertrag wird am 29. November 1919 zwischen Jeremias (James) Henschel und der UFA geschlossen. Danach wird die »J. Henschel GmbH« eine Tochtergesellschaft der UFA. Die »J. Henschel GmbH bleibt weiterhin Eigentümer der Grundstücke, auf denen die Kinos Palasttheater (Hamburger Straße 5/7/9), Lessingtheater (Gänsemarkt 43), Harvestehuder Lichtspiele (Eppendorfer Baum 35), Zentral Theater (Wandsbeker Chaussee 162), die an die UFA verpachtet werden. Das Waterloo Theater in der Dammtorstrasse verkauft er an Manfred Hirschel, der mit einer Schwester seines Schwiegersohnes Hugo Streit verheiratet ist. Jeremias (genannt James) Henschel erhält aus diesem Vertrag einen Barerlös, der ausreicht, vierzehn Wohnhäuser mit über 100 Wohnungen zu kaufen. Weiterhin sieht der Vertrag eine Beteiligung auf 25 Jahre vor, in denen er mit 5 % an den Bruttoeinnahmen der verkauften Kinos und mit weiteren 2,5 % an den später erworbenen oder neu erbauten Kinos der UFA beteiligt ist. 1921+1926 verlassen Hermann Urich Sass und Hugo Streit die UFA und gründen die offene Handelsgesellschaft, den Henschel Film- und Theaterkonzern. Acht Kinos werden neu gebaut. Im Februar 1927 wird an der Ecke Zirkusweg Reeperbahn ein Neubau mit einem Kino mit 1556 Sitzplätzen eröffnet. Architekt ist Carl Winand. Die Baukosten betragen etwa 500.000,00 RM. Hugo Streit und Hermann Urich Sass nennen das Kino „Schauburg am Millerntor“.
Der erste deutsche Tonfilm „Ich küsse ihre Hand Madam“ mit Marlene Dietrich und Harry Liedtke wird hier am 23. Januar 1929 gezeigt. Die Tonpassage im Film ist allerdings nur 2 Minuten und 12 Sekunden lang. Hugo Streit, Sophie Streit (geb. Henschel) mit der Schauburg Zeitung, Schlagzeile:
Prominente sehen dich an: Lil Dagover, Emil Jannings In der
„Schauburg Millerntor“ ist am 21. Oktober 1929 Sergej Eisenstein mit „zwei Akten“ aus dem Film
„Panzerkreuzer Potemkin“, dem „ersten Akt“ aus dem Film „Generallinie“ und „zwei Akten“ aus dem Film „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ zu Gast. Der dunkle Teil der Geschichte, der von Selbstmord, Enteignung, Vertreibung und Zerstörung handelt. Und der Verdrängung all dieser Verbrechen. Vom Reinwaschen und der angeblichen „Wiedergutmachung“ handelt. Und wie bereitwillig alle bei den Ausplünderungen geholfen haben. Die Geschichte der Täter, Opfer und der Zuschauer. Glaubwürdige Zeitzeugen waren in Hamburg, in Deutschland nicht zu finden. In Brasilien, Mexiko und in Los Angeles werde ich gefragt, warum das so lange gedauert hat, bis jemand kommt und diese Fragen stellt. Fast 50 Jahre bis endlich mal jemand aus Deutschland kommt und fragt. Mir fehlt eine Antwort. Dieses Buch könnte sie geben.
Die Täter sind längst tot. Inzwischen sind auch die Erben der Täter gestorben. Und dennoch gibt es immer wieder Menschen, die das Unrecht von damals verstecken wollen. Es fällt ihnen nicht einmal auf. Im Gegenteil. Das vorhandene Material ist inzwischen auf vierzehn Leitz Ordner, fünfzig CDs mit kopierten Akten und einem kurzen Film von der Eröffnung der Schauburg am Millerntor, Ecke Zirkusweg angewachsen. Dazu gehört ein kleiner Film mit Interviews der Söhne, (Horst Urich Sass, Rolf Arno Streit, Carl Heinz Streit, Norbert Kobler) die damals aus Deutschland fliehen konnten. Aus Belo Horizonte kommt dieses Bild. Palast Theater von Frida und James Henschel in der Hamburger Strasse.
Wann dieses Foto entstanden ist, konnten mir die Enkelkinder von James Henschel (Die Brüder Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit) nicht mitteilen. Vermutlich ist das Foto nach der Eröffnung des Neubaus entstanden. (Text Jens Meyer)




























