Leute seid vernünftig lasst die Frau durch

Leute seid vernünftig, lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in Schauburg – Zur Geschichte eines jüdischen Kinokonzerns in Hamburg.

Video von Jens Meyer, BRD / USA / Brasilien 1994, Kamera: Dietmar Bruns, Recherchen: Reinhold Sögtrop, Jens Meyer, Reinhard Saloch, Geschichtswerkstatt Barmbek; Schnitt: Echtzeit Video Christian Lempp; Produktion: Otto Meyer Filmproduktion mit Unterstützung des Hamburger Filmbüro e. V. S-VHS, 68 Min. Farbe.

Vom 22. April 1897 bis zum 27. Januar 1933 dauerte die Geschichte der Kinobesitzer Familie Henschel in Hamburg, Berlin, Kiel und Lübeck. Als den deutschen Nazis die Macht übergeben wird, werden den Partei – und Volksgenossen viele Geschenke versprochen. Ein Geschenk davon sind die Kinos des Henschel Film – & Theaterkonzerns. Doch auch Deutsche wissen, was man verschenken will, muß man erst haben. Die Besitzer werden enteignet und mit dem Tode bedroht. Die neuen Herren haben keine lange Freude an den Geschenken ihres Führers. Englische und amerikanische Bomberpiloten machen 1943 – 44 elf Kinos des Henschel Konzerns dem Erdboden gleich. Nur ein Kino wird nicht bombardiert. Die Bomben haben Spuren im Gedächtnis der Beschenkten hinterlassen.

Als ich 1987 mit den Recherchen zu diesem Film beginne, finde ich zunächst nichts. Nicht in den Archiven, nicht in den Köpfen der Beteiligten, nichts bei ihren Söhnen und Töchtern. Alles verdrängt, vergessen, verbrannt. Nicht allen der enteigneten „arisierten“ Kinobesitzern glückte die Flucht ins Ausland. Und nur wenige Überlebende kamen nach dem Krieg zurück. Die Richter von damals, die die Enteignungen „begleitet“ hatten, waren schon wieder in Amt und Würden. Keine guten Voraussetzungen für eine Wiedergutmachung. Eines wußten die (neuen) Besitzer genau. Besser ist, wenn über ihre Rolle in jener Zeit nichts geschrieben, gedruckt oder im Fernsehen gezeigt wird. Meine Vermutung, dass die ehemaligen Besitzer Juden waren, bestätigt sich bald. Nur der Zufall hilft uns dann bei der Suche. Eine dreizehn Zeilen Meldung in der Tageszeitung Licht Bild Bühne (LBB) ist so ein Zufall. In der Samstag Ausgabe vom 28. Januar 1933 der (LBB) steht, daß ein Herr „Urich-Saß, eine leitende Persönlichkeit im Henschel Konzern in Hamburg, am 27. Januar, im Alter von 45 Jahren, einem Herzversagen erlegen ist“. Am 30. 1., am Montag dann die Ergänzung: „Seine Beerdigung findet heute um 3 Uhr statt“. Auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf, der durch einen Zaun vom Friedhof von Hamburg Ohlsdorf getrennt ist.

Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf

Hier finde ich mit Hilfe des Friedhofswärters den Grabstein von Hermann Urich-Sass, geb. am 18. Juni 1887 (5647), gestorben am 27. Januar 1933 (5693). Der Stein ist gut erhalten. Das Grab wird gepflegt. Die jüdische Gemeinde hat viele Erfahrungen in Deutschland gemacht und hält Namen und Anschriften der Angehörigen der Toten geheim. Aber die Jüdische Gemeinde verspricht, meinen Brief an die Angehörigen des Toten weiterzuleiten. Nach einiger Zeit bekomme ich tatsächlich Ant-wort. Aus Mexiko, den USA und Brasilien. Verwunderung über den verrückten Hamburger, der nach 60 Jahren nach dem Verbleib des Henschel – Film und Theaterkonzerns sucht. Vor mir hatte noch keiner gefragt.

Ich danke Horst Urich-Sass, Beverly Hills / Mexico City, Norbert J. Kobler, Los Angeles, Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit, Belo Horizonte Brasilien d. 18. Oktober 1994.

Adolf Hitler verläßt um 12 Uhr 40 die Reichskanzlei dem damaligen Sitz des Reichspräsidenten in der Wilhelmstrasse.in Berlin.

Jetzt – zehn Jahre später- im August 2004 – nehme ich die Kontakte wieder auf. Meine damaligen Gesprächspartner: Norbert Kobler (Sohn des Hamburger Schauspielers Julius Kobler), Horst Urich-Sass (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hermann Urich-Sass), Rolf-Arno Streit (Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit, Carl Heinz Streit (ebenfalls Sohn des Hamburger Kinobesitzers Hugo Streit) sind verstorben. Damit bin ich auch von meinem Versprechen entbunden, das ich dem Sohn des Kinobesitzers Horst Urich Sass in Beverly Hills gegeben hatte. Über den Selbstmord seines Vaters nichts zur veröffentlichen, so lange, bis er und seine Frau Ciedra Urich Sass verstorben sind. An dieses Versprechen habe ich mich gehalten.

Hermann Urich Sass muß 1933 geahnt haben, was passieren wird. Er hat sich am 27. Januar 1933 das Leben genommen. Als er am Montag, den 30. Januar 1933 um 3 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof in Hamburg Ohlsdorf beerdigt wird, hat der Reichspräsident Paul von Hindenburg um 12.30 Uhr die Macht an Adolf Hitler übergeben und ihn zum Reichskanzler ernannt.

Doch jetzt gibt es Zugang zu den damals verschlossenen Archiven. Die zutage kommenden Dokumente, beweisen, was schon immer vermutet wurde. 1938 wurden viele Juden beraubt. In einer bisher nicht genannten Dimension. 1930 gab es in Hamburg viele Kinos. Allein die Firma Henschel hatte 12 Kinos mit durchschnittlich 1200 Sitzplätzen pro Kino. 1930 betrug die Gesamtanzahl der Sitzplätze 50 Tausend. Die Enteignung im großen Stil begann 1933 mit der Machtübergabe an die Nazis. Nur rund 20 Tausend Sitzplätze verblieben bei Kinounternehmern, die schon vor 1932 aktiv gewesen waren.

Der Text des Schauburg Schlagers (gemacht für Werbezwecke 1925) „Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg, das Fräulein Tochter, der Herr Sohn und der Papa und all die anderen Verwandten sind schon da.“ Der Text wird 3 x wiederholt. Die Schallplatte mit dem Lied hat Reinhard Saloch von der Geschichtswerkstatt Barmbek 1990 gefunden. Gespielt von Paul Godwin mit seinen Jazz Symphonikern (1925)

Endlich: Ein Denkmal für die ZwangsarbeiterInnen und -arbeiter

Der Senat tut etwas. Es tut sich was. Auf dem Gelände des Heiligengeistfeldes. Man sucht nach Blindgängern aus dem zweiten Weltkrieg und der Senat hat es sich nicht nehmen lassen und Geld in die Hand genommen, um endlich ein Denkmal für die Menschen zu errichten, die 1942-43 diesen Bunker errichtet haben. Bravo. Das ist gelebte Erinnerungskultur! Erinnerungskultur mit Fahrstuhl! Wenn sie das noch erlebt hätten. Sie haben diesen Bunker nicht freiwillig gebaut. Sie wurden, wie der Name Zwangsarbeit schon sagt, dazu gezwungen. Und so finden sich auch heute noch viele Blindgänger. Mit Graben hat das wenig zu tun. Und damit sie keine Treppen steigen müssen, bekommen sie Fahrstühle, die dem ehemaligen Flakbunker hinzugefügt werden. Neunundneunzig Jahre lang. Und alles ohne Luftballons.

Fotos Jens Meyer

Denkmal

Kuriose Fundstücke

Ein Brief der Stadthallen Lichtspiele Lübeck an den Verband Norddeutscher Lichtspieltheaterbesitzer e. V. Hamburg 36, Neue Rabenstrasse 227/ vom 14. August 1933. Es schreibt der Lübecker Kinobesitzer Leopold Gonser (1877-1953) von den Stadthallen Lichtspielen an den Verband, in dem das Kino Mitglied ist: Hier Auszüge aus seinem Brief:

Seitdem wir zu Beginn der Tonfilmära im Januar 1930 den ersten Ufavertrag geschlossen haben, und im guten Glauben die hohen Garantiesummen bewilligten, weil der Tonfilm für uns, wie für alle Kollegen ein Neuland war, sind wir dem Ausbeutungssystem des Grosskapitals der Hugenbergschen Ufa recht und wehrlos ausgeliefert.

Rechtlos, weil die Verträge nur Rechte für die Ufa enthielten, während wir nur die Pflichten zu erfüllen hatten.

Wehrlos, weil in dem marxistischen Zeitalter niemand wagte, den Mittelstand gegen die grosskapitalistischen Ausbeutungen zu schützen, nach dem alles vernichteten Wahlspruch: „Wer das Geld hat, hat die Macht und das Recht“.

Wir und mit uns der Mittelstand wären allmählig von dem Grosskapital vernichtet worden, wenn nicht in allerletzter Minute, unser aller Retter, unser herrlicher Volkskanzler Adolf Hitler, seine Weltanschauung: „Dass die Deutschen über Geld und Besitz zu reiferen „Idealen zurückfinden“ zum Gemeingut jedes nationalsozialistisch fühlenden Menschen gemacht hätte.

Und diese Worte unseres Kanzlers geben mir den Mut in meiner verzweifelten Lage mich hilfesuchend an meine Führer zu wenden, bevor ich von Zwei grosskapitalistischen Konzernen zermalmt werden.

Ich will versuchen, meine Bitte so kurz wie möglich zu formulieren. Von den am 15. Januar 1930 geschlossenen Ufatonfilmen ( . . . ) haben nur 2, „Der blaue Engel“ und „Liebeswalzer“ die Garantie bei 40 % und 45 % der Leihmiete überschritten, während der ganze Rest sie nicht erreicht hat. Für synchronisierte Filme wie: „Wenn Du einmal Dein Herz verschenkst“ und „Der weisse Teufel“ mussten wir RM 3500,– und RM 4000,– im voraus bezahlen. Das sind Summen, die wir kaum in der Spielwoche eingenommen hat.

Als Stummfilme, ohne Tonuntermalung würden solche Filme kaum mehr als RM 500,– gekostet haben. Wir sind natürlich dadurch in eine gewisse Hörigkeit der Ufa gekommen, weil wir zu so hohen Preisen einige Filme einfach nicht terminieren konnten, denn diese gewaltigen Garantiesummen, sowie die großen Zahlungen für die neue Tonfilmapparatur hatten unsere Reserven schnell aufgezehrt. Daher konnte uns die Ufa für den zweiten Abschluss am 28. August 1930 über 17 weitere Filme ( . . . ) ihre Preise einfach diktieren ( . . . ).

Weil wir aber noch mit der Abnahme einiger sehr teurer Ufafilme im Rückstand waren, die wir lediglich aus dem Grunde nicht zu terminieren wagten, weil die Garantiesummen uns unerschwinglich hoch vorkamen, gab die Ufa uns schließlich auf unser Bitten die halbe Produktion.

Leider erhielt der kapitalkräftige Mestkonzern die bessere Hälfte, mit „Kongress“ und „Montecarlobomben“. Natürlich wurden uns die Preise einfach diktiert, weil wir der Ufa schuldeten, aber Mest konnte ohne Garantiesummen in Lübeck spielen, das waren Vorteile, die nur einige große Konzerne bei den Verleihern genossen, wodurch sie uns kleinen Theaterbesitzern natürlich im Vorteil waren.

Wieder hat nur einer von diesen 13. Filmen ( . . . ) die Garantiesumme überschritten. Das war der „Yorckfilm“ sämtliche anderen sind weit darunter geblieben.

Nun kam die Abschlusszeit des Jahres 1932 heran. Die Ufa hatte mit Mest in Lübeck, trotz seiner großen Macht als Konzerntheater, schlechte Erfahrungen gemacht.

Wir hatten mit unserer schwächeren Hälfte mehr abgeliefert als Mest mit den grossen Kanonen der besseren Hälfte. Anscheinend war es deswegen zwischen der Ufa und Mest zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, denn man zwang uns jetzt schier die ganze grosse Produktion 1932/33 allein zu spielen. ( . . . )

Nun ist es in Fachkreisen bekannt, dass die letzte Ufaproduktion nicht das gebracht hat, was man von ihr erwartet hatte. Es sind viele Versager darunter, die absolut nicht den Publikumsgeschmack getroffen haben. ( . . . ). Als wir den ersten Ufafilm der neuen Produktion im vergangen Jahre im September einsetzten, hatten wir ein Bankguthaben von über RM 11000 ( . . . )

Nach dem Abspielen des 16. Ufafilmes hatten wir nur noch RM 31,– auf der Bank laut einliegendem Tagesauszug ( . . . ). Diesen Verlust haben wir zu größten Teil durch die zu hohen Garantiesummen bei der Ufa erlitten. Wiederholt haben wir gebeten uns diese zu ermässigen, weil sie einfach nicht herauszuholen waren. Wie haben der Ufa einliegende amtliche Statistik ( . . . ) eingeschickt, aus der klipp und klar hervorgeht, dass Lübeck die bei weitem schlechteste Grossstadt für den Kinobesuch ist. Niemals hat man darauf reagiert.

Aber wegen der Uneinigkeit der Lübecker Kinobesitzer kümmert sich hier niemand, um die weit grössere Not bei uns. Im Gegenteil, es ist dem grossen Mestkonzern sehr recht, wenn das nicht an die grosse Glocke des Verbandes kommt, Konzerne lieben die Verbände ja nicht, weil dort Gemeinnutz vor Eigennutz geht, während bei den Konzernen das Gegenteil noch der Fall ist. Konzerninhaber stehen der neuen, grossen Bewegung verständnislos und fremd gegenüber.

Sie lassen irgend einen kleinen Geschäftsführer Parteimitglied werden und meinen damit genug getan zu haben. Der Mestkonzern verdient ja in Magdeburg und an anderen Plätzen, wo er das Monopol hat, genug Geld und kann es daher so lange aushalten in Lübeck Geld zu verlieren, bis alle kleinen Theaterbesitzer von Haus und Hof müssen, damit er kostenlos ihre Theater überschlucken kann, wie es nun einmal Sitte der Grosskonzerne ist. Wodurch ist denn die Ufa zu ihren vielen Theatern im Reich gekommen?!

Sobald ein Großkonzern in einer Stadt das Monopol hat, dann beginnt die Zeit für ihn, das Geld einzuscheffeln, dann diktiert er den kleinen Verleihern und dem Publikum die Preise. So war es, so ist es teilweise noch, aber das muss aufhören, wenn der Mittelstand in unserer Sparte nicht zu Grunde gehen soll. Und nun gibt ausgerechnet in diesem Jahre die Ufa Ihre ganze Produktion an Mest, wodurch diese beiden Grosskonzerne uns zu Grund richten wollen. ( . . . )

Die Ufa verlangt von uns ( . . . ), dass wir die noch abzunehmenden Filme, im ganzen 16, aus alten und neuen Produktionen schnell terminieren. Das ist doch unmöglich. Wie können wir diese alten Ufafilme spielen, wenn die Mest Theater alle drei in den nächsten Tagen schon mit den ersten Filmen der neuen Produktion herauskommen, die sicher besser sein werden, als die ganzen Ufafilme der letzten, missglückten Produktion. ( . . . ).

Es ist jedem Fachmann bekannt, dass wir überhaupt keine Besucher trotz geschickester Reklame in unser Theater locken können, wenn wir alte und drei Mesttheater neue Filme spielen würden. Das wäre einfach unser Zusammenbruch.

Ausserdem verlangt die Ufa noch die Zahlung von ca. RM 6000 von uns, für Garantiesummen, der letzten Filme, die uns gegen 60 % des Abschlusspreises ausgeliefert wurden. ( . . . ).

Wir sind das einzige Theater gewesen, das in marxistischer Zeit gewagt hat die vaterländischen Filme zu spielen, die jedem nationalgesinnten Deutschen Erbauung gaben. Jetzt natürlich haben alle anderen Theaterbesitzer auch mit einem Male ihr patriotisch schlagendes Herz entdeckt, nachdem sie keine Anfeindungen vom Volksboten, die ich mir wiederholt gefallen lassen mußte, zu befürchten haben. ( . . . ).

Nur, wenn wir die halbe neue Produktion erhalten, ist uns auch die Möglichkeit gegeben, alte Filme zwischendurch zu zeigen, die noch zu spielen sind. Wenn sich die Ufa nicht auf eine dieser beiden Möglichkeiten einlässt ( . . . ), dann müssen wir unser Theater schliessen. ( . . . )

Aber wir geben unsere Hoffnung nicht auf, dass im dritten Reich die Grosskapitalisten ihr Unwesen zum Schaden des Mittelstands weiter treiben können, sondern wie hoffen zuversichtlichst, dass uns unser Führer nicht untergehen lässt, sondern uns helfen wird.

Heil Hitler Stdthallen Lichtspiele Gonser

Auszug aus einer Abschrift: Herr Gonser Stadthallen Lichtspiele (Lübeck) am 14. August 1933 an den Verband Norddeutscher Lichtspieltheaterbesitzer e. V.Hamburg 36 Neue Rabenstrasse 27/30) abgedruckt in Kinos in Lübeck, Herausgeberin Petra Schaper, Lübeck 1987. Seite 90 -91 Quelle: Anmerkung 155

Der Brief stammt aus dem Archiv der Hansestadt Lübeck (AHL), NSA., IV, 1 B, 3, 16. [Lichtspieltheater und Film. Verschiedenes, 1912- 1936]. Das Buch Kinos in Lübeck-Die Geschichte der Lübecker Lichtspieltheater und ihrer unmittelbaren Vorläufer 1896 bis heute, von Petra Schaper, Verlag Graphische Werkstätten GmbH, Lübeck.

pdf Brief von gonser1

pdf unsereFirmaisteinarischesUnternehmen

PDF Ratsherrren

Heil Hitler

Heil Hitler Stadthallen Lichtspiele (Lübeck) Gonser

„1936 mußten sich die Stadthallen Lichtspiele dann doch der Ufa als Regietheater anschließen. Die Ufa erhielt 8 % der Einnahmen, dafür erhielten Gonser und Partner günstigere Konditionen bei Verleihabschlüssen. Aber auch die Kammerlichtspiele GmbH der Magdeburger Mests bekamen die Macht der UFA zu spüren, denn 1942 mußten sie aufgrund der Konzernanordnung (vergl. Kap. 5) die meisten ihrer Kinos zwangsweise an den Großkonzern abtreten.“ (Zitiert Nach: Kinos in Lübeck)

Gonser Brief Seite 1

Gonser Brief Seite 2

PDF-LeopoldGonser-Briefauszug

Hans-Adolf Kellinghusen (Ein Bruder des Photographen Walter Kellinghusen)

Hans-Adolf Kellinghusen (Archivrat) Foto von Walter Kellinghusen (Photograph)

Die Landeszentrale für politische Bildung schreibt über: Hans-Adolf Kellinghusen: „Hans Kellinghusen (1885 Bergedorf – 1971) 1908 Promotion zum Dr. phil. 1928 Archivrat, ab 1937 Mitglied der NSDAP, von 1948 bis 1951, Leiter des Hamburger Staatsarchivs, Roonstraße 7 in Hamburg Bergedorf (Privatadresse). Diese Straße gibt es heute nicht mehr. Jürgen Sielemann schreibt über Hans Kellinghusen: „ Seine Schreiben aus der NS-Zeit charakterisieren ihn als willigen und hartnäckigen Bürokraten der Rassenideologie, und dies auch im Dienst der mörderischen sogenannten Erbgesundheits-forschung. ‚Der gesamte Schriftverkehr mit parteiamtlichen Stellen vollzog sich […] völlig reibungslos‘, schrieb Kellinghusen 1935 und betonte die vielfältigen Beziehungen zum Sachverständigen für Rasseforschung beim Reichsminister des Innern und die umfangreiche Auskunftstätigkeit für den berüchtigten Fanatiker Dr. Wilhelm Holzmann vom Hamburger Amt für Rasseforschung. Für die Zukunft verkündete Kellinghusen 1935 das Folgende: ‚Der Erbgesundheitsforschung wird das Staatsarchiv ein ganz großes und reiches Material zur Verfügung stellen können. […] Die Ausnutzung dieses Materials für die Erbgesundheitsforschung steht erst in den Anfängen.‘(…)

In Kellinghusens Entnazifizierungsverfahren kam all dies nicht zur Sprache. In völliger Verkennung der Tatsachen charakterisierte ihn ein englischer Vernehmungsoffizier im September 1947 wie folgt: ‚Kellinghusen ist ein zivilisierter Mann westeuropäischen Zuschnitts. Er besitzt einen ausgeprägten Sinn für Humor und gutes Benehmen, aber kein Anzeichen für außer-gewöhnliche Intelligenz. Seine gesamte Persönlichkeit entspricht derjenigen eines unpoli-tischen Menschen und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass er jemals mit radikalen Bewegungen sympathisierte.‘So war es dann kein Wunder, dass Kellinghusen in die Entnazifizierungskategorie V eingestuft wurde und damit zu den ‚Entlasteten‘ gehörte. Wenn Kellinghusen und Reincke [Heinrich Reincke Direktor des Staatsarchives] ‚nicht arische‘ Vorfahren von Antragstellern ermittelten, begnügten sich nicht damit, ihnen die geforderten Urkunden zuzustellen und den Fall damit als erledigt zu betrachten. In solchen Fällen informierten sie hinter dem Rücken der Antragsteller deren Arbeitgeber und Parteidienststellen vom Ergebnis der Nachforschungen. Zu diesen Denunziationen waren sie nicht gezwungen – sie handelten aus eigenem Antrieb. (…)

Wie viele Personen, die sich zur Urkundenbeschaffung an das Staatsarchiv gewandt hatten, von Kellinghusen und Reincke bei NSDAP- und anderen Stellen hinterrücks als ‚Vierteljuden‘, ‚Halbjuden‘ und ‚Volljuden‘ denunziert wurden, ist aufgrund der Aktenverluste nicht abzuschätzen. Nur ihre Auskünfte an die Gauleitungen von Berlin und Hamburg sind in größerem Umfang erhalten; sie weisen Mitteilungen über die jüdische Abstammung von über 300 Personen auf. (…)“. Was Kellinghusens und Reinckes Auskünfte in vielen Fällen angerichtet haben, lässt sich unschwer erahnen. (…)

Die erhalten gebliebenen Dokumente zeigen, dass Reincke und Kellinghusen durchaus nicht aus bloßem Opportunismus handelten, sondern von der nationalsozialistischen Rassenideologie überzeugt waren. Anders sind ihre Wortwahl und ihr Eifer auf diesem Gebiet schwerlich zu erklären. Davon war nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft allerdings keine Rede. 1951 trat Kellinghusen als Oberarchivrat in den Ruhestand, wurde 1960 mit der Lappenberg-Medaille des Vereins für Hamburgische Geschichte geehrt und 1966 zu dessen Ehrenmitglied ernannt. (…).“

„Als hauptverantwortliche Erfüllungsgehilfen des Rassenwahns sind die Professoren Heinrich Reincke und Hans Kellinghusen auszumachen“. (Seite 94, Jürgen Sielemann)

Walther Kellinghusen photographiert von Rudolf Heinrich Meyer
Das Foto des Bruders Hans-Adolf Kellinghusen hat Walther Kellinghusen photographiert

PDF  Walther Kellinghusen Zelle 5

Hamburg November 1945

Rudolf Hyronimus Petersen
Sir Arthur Harris Chef der Bomberpiloten

Abschrift aus der LichtBildBühne (LBB)

Abschrift des Artikels aus der Lichtbildbühne (LBB) vom Montag, d. 30. Januar 1933:

“Hermann Urich-Saß zum Gedenken

Wie im größten Teil unserer Sonnabend-Ausgabe mitgeteilt, ist Hermann Urich-Saß am Freitag abend im blühenden Alter von 45 Jahren einem Herzschlag erlegen. Seine Beerdigung findet heute Montag, d. 30. Januar, 3 Uhr nachmittags, in Hamburg Ohlsdorf auf dem Israelitischen Friedhof statt. Tief erschüttert steht die Fachwelt des Films vor dieser furchtbaren Kunde. Einer der an Schaffensdrang und an Erfolg reichsten Pioniere ist mitten aus der Blüte der Jahre und der Arbeit aus dem Sein gerissen worden. Hermann Urich-Saß – ein Name, der nicht nur mit dem stolzen Henschel-Film- und Theaterkonzern in Hamburg, sondern mit dem deutschen Lichtspielwesen überhaupt untrennbar verbunden war und bleibt. Sein Lebenswerk: Hamburgs Schauburgen. Neun Theater. Außerdem drei andere Kinos, die zum Konzern gehören. Ein rundes Dutzend maßgebender Filmstätten, das betreut und verwaltet sein mußte. . . . Und Hermann Urich-Saß, unterstützt von einer Reihe tatkräftiger Mitarbeiter wie seinem Schwager und Sozius Hugo Streit und den Brüdern Traugott, verwaltete seinen Besitz mit Umsicht, gesellschaftlichem Weitblick, Klugheit und Wagemut. Wie hätte sich sonst der Henschel-Konzern zu einem der größten und führendsten Deutschlands entwickeln können! Das konnte nur durch einen Menschen geschehen, der seinem Unternehmen auch den Stempel seiner Persönlichkeit aufzuprägen verstand. Wie als Unternehmer so war Hermann Urich-Saß eine Persönlichkeit auch als Mensch. Seinem bescheidenen Charakter lag es nicht, hervorzutreten und nach außen hin eine Rolle zu spielen. Um so mehr trat sein Können in den Auswirkungen seiner Arbeit in Erscheinung. Streng in der Pflichterfüllung gegen andere und vor allem gegen sich selbst. Der korrekte Hamburger Kaufmann. Voll Ausdauer und Ehrgeiz und voller Vitalität, der er die Verwirklichung seiner Pläne verdankte. Ein Charakter voll Zuverlässigkeit. Ein Mann von untadeliger Gesinnung. Einer, dem Hochschätzung und Sympathien bis über das Grab hinaus bei allen sicher ist, die ihm, wie wir, in langen Jahren näher treten durften. Hätte er diese Eigenschaften nicht besessen, er wäre niemals Konzern-Beherrscher geworden. So aber erntete er bald die Erfolge seiner Arbeit; es dauerte nicht lange und er landet seinen ersten großen Schlag: Auf dem Trichtergelände am Millerntor will er ein Großkino bauen lassen. Das war, in Anbetracht der damaligen Zeit ein beinahe phantastisches Projekt. Er verwirklichte es: im Februar 1927 wurde die Schauburg Millerntor eröffnet. Und nun folgen rasch aufeinander jene großen Bauprojekte, die Hamburg aufhorchen ließen, und die den Namen des Henschel Film- und Theaterkonzerns so bekannt machten. Nachdem das ehemalige Astoria-Theater in den Besitz von Saß übergegangen und den Namen Schauburg Barmbeck erhalten hatte, folgte der Neubau Schauburg Nord. Später (das ehemalige Alhambra-Theater war inzwischen zur Schauburg Uhlenhorst geworden) wurden innerhalb von 3 Jahren die Schauburgen Hammerbrook, Wandsbeck und Hamm erbaut. Auch Altona bekam eine Schauburg. In Harburg erwarb der Henschel-Konzern zwei Theater, den Gloria Palast und das Union-Theater. Die beiden Innenstadtkinos, Schauburg Hauptbahnhof und City Theater vervollständigen die Reihe der Henschelbesitzungen. In dem Zeitraum von wenigen Jahren also hatte sich Hermann Urich-Saß vom kleinen Kinobesitzer zum Inhaber des größten Hamburger Lichtspieltheater-Konzern emporgearbeitet. Der 45jährige hatte damit ein Werk vollendet, auf das er nicht nur mit Stolz blicken durfte, sondern das er weiter mit seinem Geiste hätte erfüllen und ausbauen können. Ein vergängliches Menschenleben ist nicht mehr, – aber sein Werk lebt!“ (Aus Lichtbildbühne (LBB) vom 30.01. 1933)

Foyer Schauburg Millerntor

Tiere sehen Dich an (1)
von links Hugo Streit und Hermann Urich Sass
von links Hugo Streit Hermann Urich Saß

Cópia do LichtBildBühne em 30 de janeiro de 1933 Hermann Urich-Saß em memória

Conforme comunicado na maioria de nossa edição de sábado, Hermann Urich-Sass sucumbiu a um batimento cardíaco na noite de sexta-feira, aos 45 anos de idade. Seu funeral acontecerá hoje segunda-feira, 30 de janeiro, 15h, em Hamburgo Ohlsdorf, no Cemitério Israelita. O mundo profissional do filme está profundamente abalado por esse cliente terrível. Um dos pioneiros mais ricos em desejo e sucesso criativos foi arrancado de ser no meio da florada de anos e trabalho. Hermann Urich-Saß – um nome que estava e permanece inextricavelmente ligado não apenas ao orgulhoso grupo de cinema e teatro Henschel em Hamburgo, mas também à indústria cinematográfica alemã. O trabalho de sua vida: os castelos de espetáculos de Hamburgo. Nove teatros. Além disso, outros três cinemas pertencentes ao grupo. Uma dúzia de locais de filmes relevantes que precisavam ser supervisionados e gerenciados. . . . E Hermann Urich-Sass, apoiado por vários funcionários ativos, como seu cunhado e sócio Hugo Streit e os irmãos Traugott, administrava sua propriedade com cuidado, previsão social, prudência e ousadia. De que outra forma o Grupo Henschel poderia se tornar um dos maiores e líderes da Alemanha! Isso só poderia ser feito por uma pessoa que sabia como estragar sua empresa em sua personalidade. Como empresário, Hermann Urich-Saß era uma personalidade como pessoa. Não era seu caráter humilde se destacar e desempenhar um papel externamente. Além disso, suas habilidades se tornaram evidentes nos efeitos de seu trabalho. Rigoroso no desempenho de tarefas para com os outros e, acima de tudo, contra si mesmo: o comerciante correto de Hamburgo. Cheio de perseverança e ambição e cheio de vitalidade, a que devia a realização de seus planos. Um personagem cheio de confiabilidade. Um homem de disposição impecável. Alguém que tem certeza de apreço e simpatia além da sepultura por todos que, como nós, conseguem se aproximar dele há muitos anos. Se ele não tivesse essas qualidades, nunca teria se tornado um governante corporativo. Mas assim ele logo colheu o sucesso de seu trabalho; Não demorou muito para que ele desse seu primeiro grande golpe: ele queria ter um grande cinema construído no local do funil no Millerntor. Em vista do tempo, esse foi um projeto quase fantástico. Ele percebeu: o Schauburg Millerntor foi inaugurado em fevereiro de 1927. E agora esses grandes projetos de construção, que fizeram Hamburgo prestar atenção e que tornaram tão conhecido o nome do grupo de cinema e teatro Henschel, se sucedem rapidamente. Depois que o antigo Astoria Theatre se tornou propriedade de Sass e recebeu o nome Schauburg Barmbeck, o novo edifício Schauburg Nord se seguiu. Mais tarde (o antigo Alhambra Theatre tornou-se Schauburg Uhlenhorst), os castelos Hammerbrook, Wandsbeck e Hamm foram construídos em três anos. Altona também ganhou um castelo de espetáculos. Em Harburg, o Grupo Henschel adquiriu dois teatros, o Gloria Palast e o Union Theatre. Os dois cinemas da cidade, Schauburg Hauptbahnhof e City Theatre, completam a série de propriedades de Henschel. No espaço de alguns anos, Hermann Urich-Sass passou de um pequeno dono de cinema para o dono da maior companhia de teatro de Hamburgo. Assim, o jogador de 45 anos completou um trabalho que ele não apenas se orgulhava de ver, mas que poderia ter continuado a realizar e expandir com seu espírito. Uma vida humana efêmera não existe mais, mas seu trabalho vive! ”(De Lichtbildbühne (LBB) de 30 de janeiro de 1933)

Gänsemarkt 1940 Rechte Seite Lessing Theater und Tanzdiele Faun

Wolfgang Ziemssen (1928 – 2012) über Persilscheine

Abschrift aus: Wie man einen verlorenen Krieg gewinnt (Seite 280) »Persilscheine«

PDF Abschrift Persilscheine

Zum Thema Persilscheine: Sich Freikaufen von der Vergangenheit

“Jeder zweite, der in Kiel vor die Spruchkammer kam, hatte einem Juden das Leben gerettet, einen Demokraten vor dem KZ bewahrt und war ein geheimer Gegner der Nazis gewesen. Die Fragebögen wurden en masse* gefälscht. Neben der Wand mit den Tauschzetteln hingen jeden Tag die Anschläge der Militärregierung: »Wegen falscher Angaben wurde bestraft . . . «. Auf die Frage, wo der Schwarzhandel am besten gedeihe, erhielt man damals zur Antwort: am Bahnhof und vor der Spruchkammer! Da wurden – je nach Belastungsstufe – Kartoffeln, Eier, Mehl, Margarine, Hühner und Karnickel gegen »Persilscheine« getauscht. Gegen Bezahlung in Naturalien kaufte man sich frei von der Vergangenheit. Oder die alten Nazis legten einfach einen von den Spruchkammern errechneten Betrag auf den Tisch und waren von diesem Moment an keine Nazis mehr. Die als »Mitläufer« eingestuften zahlten etwa 200 RM; das juckte keinen, da das Geld ohnehin nichts wert war. Bloß die Kleinen, die Block- und Zellenleiter hat man rangenommen und als Trümmerauguste eingesetzt, während die vermögenden Pgs schon wieder in den Vorzimmern der Militärregierung saßen und auf ihre Lizenz warteten und frische Brötchen aus kanadischen Mehl aßen. Kein Wunder, daß uns die Entnazifizierung als Farce erschien!“

(Wolfgang Ziemssen 1928-2012 , ehemaliger Marineflak-Helfer in Kiel, dann Bauhilfsarbeiter, später Schauspieler. (Tonbandprotokoll)

* en masse = in besonders grosser Menge

Abschrift Wolfgang Abendroth Totalitarismus und andere Kleinigkeiten

Fragen an Wolfgang Abendroth zum Deutschland von 1929 – 1932 Abschrift /Auszüge aus den Seiten 116 – 140

Wie wurde der Faschismus innerhalb der SPD beurteilt? (Seite 116)

Innerhalb der SPD gibt es keine einheitliche Analyse; auch nicht in der Führungsspitze: Sie beschränkt sich auf verbale Randbemerkungen und verzichtet auf den Kampf gegen Zerfall des bürgerlichen Rechtsstaates aus Angst vor dem totalen Faschismus. Die SPD übersieht dabei, daß sie, indem sie durch immer neue Kapitulationen auf die aktive Vertretung der Arbeiterinteressen verzichtet, die Randschichten der abhängigen Arbeiter, also einerseits junge Erwerbslose, die noch kein Klassenbewußtsein haben, andrerseits Angestellte, in eine Verzweiflungssituation hineinstößt, in der diese Schichten durch die faschistische Massenbewegung manipulierbar und ihr zugetrieben werden. Die SPD redet zwar immer wieder gegen den Faschismus und gegen diese Massenbewegung, aber sie bildet kein Gegengewicht, da sie in der Praxis auf die energische Verteidigung der Arbeiterinteressen und der demokratischen Verfassungsnormen verzichtet. Im Gegenteil, sie kopiert die Totalitarismustheorien – sie werden damals noch nicht so bezeichnet, sind dem Inhalt nach aber mit denen der Gegenwart identisch. Die SPD behauptet nämlich, daß Kommunismus gleichbedeutend sei mit Faschismus, daß auch der Kommunismus eine Diktatur gegen die Arbeiter sei und daß die Arbeiter sowohl gegen den Faschismus wie auch gegen den Kommunismus kämpfen müßten. Dies ist der rechtssozialdemokratische Standpunkt, der Standpunkt des Parteivorstandes und die Position der preußischen und hessischen Staatsregierung. In beiden Ländern sind ja die Sozialdemokraten immer noch an der Regierung, in Preußen bis zum 20. Juli 1932, in Hessen bis zum bitteren Ende. (Seite 117 )

Wurde die Totalitarismustheorie auch in der linken SPD vertreten? (Seite 117)

Auf dem linken Flügel der SPD artikulieren sich sehr verschiedene Positionen, ohne daß es zu einer einheitlichen Theorie kommt. Das reicht von dem linkssozialdemokratischen Theoretiker Arkadij Gurland bis zu Ernst Eckstein (141) usw. Anhand der Zeitschrift Klassenkampf kann man die verschiedenen Auffassungen genau verfolgen. Eine Strategie oder eine Konzeption wird nicht entwickelt, weil die klassenpolitische Grundlage des Faschismus nicht analysiert wird. Gelegentlich wird die Politik der UdSSR unterstützt; trotzdem wagt es keiner, sich von der antibolschewistischen, wir würden heute sagen: Totalitarismus-Konzeption der rechten Sozialdemokratie zu distanzieren. Das bedeutet – trotz aller Einheitsfront-Forderungen-, daß man darauf verzichtet, eine (Seite 117) gemeinsame strategische Position mit den Kommunisten zu finden und sich ihnen als möglicher ernstlicher Bündnispartener anzubieten, so daß deren Sozialfaschismus-Theoreme überzeugend hätten überwunden werden können. So widerlegt sich der linkssozialdemokratische Standpunkt, soweit es ihn als eigenständige Theorie überhaupt gibt, in der Praxis selbst. Im Gegensatz zur KPD und zur SPD orientiert sich die KPO an einer sehr realistischen Analyse des Faschismus, die vor allem von August Thalheimer entwickelt worden ist“ . . . (Seite 118)

(Seite 120)

“In der Analyse Thalheimers, das will ich nochmals hervorheben, ist das Problem der faschistischen Massenbewegung jedenfalls richtig entwickelt. Wir haben solche faschistischen Massenbewegungen im Jahre 1923 in der Inflationskrise, als die verschiedenen völkischen Gruppen zur Massenbewegung werden, und auch ab 1929 in der großen Weltwirtschaftskrise, als die NSDAP aufzusteigen beginnt. Die Faschismus-Analyse Thalheimers ermöglicht es auch, die richtigen politischen Konsequenzen zu ziehen in der Weise, daß gegen eine solche Massenbewegung nur das machtvolle und geschlossene Auftreten der Arbeiterklasse helfen kann, so daß diejenigen Teile der abhängig Arbeitenden, die in ihrer Verzweiflung dazu neigen, zu den Faschisten überzugehen, politisch an die Arbeiterklasse gebunden werden und die Arbeiterklasse sich zu einer wirkungsvollen Alternative gegen die monopolkapitalistische Herrschaft entwickelt. Dies erkannt zu haben, ist das Verdienst Thalheimers und später auch Trotzkis. Die Richtigkeit von Thalheimers Analyse zeigt sich in Frankreich im Jahre 1934, in Spanien ab 1934/36, denn dort werden die faschistischen Massenbewegungen durch die Arbeiterklasse , die einheitlich auftritt, zunächst zurückgeworfen“ . . . (Seite 121)

(Seite 122 Mitte)

“Die Brüning-Diktatur ist zwar keine faschistische, sondern eine obrigkeitsstaatliche Diktatur zugunsten des Großkapitals und die SPD ist ganz gewiß nicht sozialfaschistisch, also ganz gewiß nicht der Hauptgegner der Arbeiterklasse. Die Sozialfaschismus-Theorie ist also in jeder Beziehung Unsinn. Sie verhindert, daß die wichtigste Vorbedingung der Einheitsfront erfüllt wird: Druck der Mitglieder und der Funktionäre auf die sozialdemo-kratische Parteiführung und Führung der Gewerkschaften. Aber man muß dabei bedenken, daß diese Theorie dem äußeren Anschein nach dauernd bestätigt wird. Die Sozialdemokratische Partei führt den Wahlkampf 1930 noch mit Parolen wie »Verteidigt die Verfassung gegen die ständige Aushölung der Verfassung durch Brüning; verteidigt den Lebenstandard der Arbeiterklasse gegen die ständige Reduzierung des Lebensstanddards mittels Notverordnungen«. Und diese gleiche Sozialdemokratie stimmt unmittelbar nach der Einberufung (Seite 123) des Reichstages für die Notverordnungen Brünings. Aus Angst vor dem Ansteigen der faschistischen Stimmen und der drohenden Diktatur kapituliert die sozialdemokratische Führung nun völlig vor der obrigkeitsstaatlichen Diktatur, die sie soeben noch als ihren Feind bezeichnet hatte. Und in der SPD sind nach dem Wahlerfolg der Nationalsozialisten auf Kosten der bürgerlichen Parteien alle so entsetzt, daß selbst in den linken Parteieinheiten und unter den linken sozialdemokratischen Abgeordneten es zunächst niemand wagt, gegen die Führung aufzutreten. Eben dieser Tatbestand verstärkt wiederum innerhalb der KPD die These vom Sozialfaschismus. Allmählich sammeln sich in der SPD – wenn auch nur vorübergehend – wieder die Kräfte, die gegen diesen Kurs opponieren. Daher wird die Zahl der Reichstagsabgeordneten größer, die für die Verteidigung der Verfassung gegen ihre ständige Verletzung durch die Regierung Brüning eintreten. Es werden auf unterer Ebene auch verschiedene Einheitsfront-Aktionen durchgeführt, allerdings lokal begrenzt. Insgesamt aber bleiben die Vorbehalte gegeneinander bestehen: es bleibt die sozialdemokratische Kapitulation vor Brüning, es bleibt die Vorstellung der Kommunisten vom Sozialfaschismus. Das geht schließlich so weit, das Reichspräsident von Hindemburg einen noch deutlicher obrigkeitsstaatlich orientierten Reichskanzler an die Macht bringt, von Papen, daß von Papen der Sozialdemokratie die letzten Machtpositionen, die sie noch hatte, zerschlägt (146) – und daß auch dann die Sozialdemokratie nichts anderes zu tun weiß, als nach Staatsgerichtshof zu rufen. Das ist lächerlich.“ . . . (Seite 123)

(Seite 125) Wie verhielt sich die Studentenschaft in dieser Zeit politisch?

In den Jahren 1928/29 stehen die Studenten – auch die jüdischen – fast alle rechts, sei es obrigkeitsstaatlich-monarchistisch, sei es faschistoid oder schon faschistisch. Die letzteren sind im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund organisiert. Die Studenten, die sich für Demokratie und Marxismus entscheiden, bilden bis 1928/29 eine extrem kleine Minderheit; Zentren dieser Gruppen sind damals Frankfurt und Berlin.“

(Seite 128)“. . . Wir alle (Walter Fisch, Oskar Müller, Emil Carlebach, Anton Döring u .a.) sehen, daß der Staatsstreich in Preußen unmittelbar bevorsteht. Welchen Sinn konnte der Regierungswechsel von Brüning zu Papen haben, wenn nicht den, die SPD völlig auszuschalten? Aber uns ist auch klar, was diese Entwicklung für die Arbeiterbewegung zu bedeuten hat – und also wollen wir Aktionen vorbereiten. Es kommt der 20. Juli 1932; Die SPD hat in Frankfurt im Hippodrom zu einer Versammlung aufgerufen. Anton Döring, der Chef der sozialdemokratischen militärischen Organisationen, will ebenso kämpfen wie die kommunistischen Genossen. Auf beiden Seiten besteht der Wille zum gemeinsamen Kampf. Wir sitzen mit den Genossen von den militärischen Organisationen, mit denen wir noch aus der Studentenbewegung verbunden sind, zusammen in der Wohnung der sozialdemokratischen Stadtverordneten Elsa Bauer, die der gesellschaftliche Mittelpunkt der sozialdemokratischen Intellektuellen war. Dorthin kamen oft Sinzheimer, Paul Tillich und andere. Auch Kommunisten sind an diesem Abend dort versammelt. Wir alle hoffen, daß jetzt losgeschlagen wird. Wir nehmen an, daß sich die Frankfurter Polizei neutral verhalten wird, und hoffen, daß die Darmstädter Polizei bei diesen Kämpfen auf unserer Seite steht. Bei allen herrscht ein entschlossener Wille zur Einheitsfront-Aktion. Die KPD macht der SPD zentral, d. h. nicht nur in unserem Bezirk, das Angebot, einen gemeinsamen Generalstreik und Abwehrkampf zu organisieren. Die Führung der SPD lehnt ab; sie sagt, sie werde sich streng legal verhalten und den Staatsgerichtshof anrufen; im übrigen müsse die richtige Antwort bei den nächsten Wahlen am 31. Juli gegeben werden. Auf der Versammlung im Hippodrom gibt es Pfeifkonzerte, als die Entscheidung der SPD-Führung bekannt wird. Bei uns macht sich Verzweiflung breit, Döring ist völlig resigniert. Denn spontan war zunächst eine Einheitsfront entstanden, nicht nur in Frankfurt, sondern in vielen Städten. Sie war nun wieder zerstört.“ . . . (Seite 129)

(Seite 129)Wenn aber die Arbeiter am 20. Juli 1932 bereit waren, eine Einheitsfront zu bilden und zu kämpfen, wie es es dann zu erklären, daß sie der Parteiführung der SPD folgten?

“Am 20. Juli sind die Arbeiter in den Militärorganisationen beider Parteien, in der Antifaschistischen Aktion und in der Eisernen Front, zum bewaffneten Kampf entschlossen. Auch Döring, Chef der Eisernen Front, will kämpfen, weil er weiß, daß seine Arbeiter hinter ihm stehen. Doch dann kommt der Befehl von oben, daß nicht gekämpft werden darf. Dieser Befehl setzt sich sofort durch, weil die Arbeiter nach der langen Periode vorher glauben, daß sie ohne ihre Führungen und ohne ihre Organisationen nicht mehr handeln, geschweige denn die bestehenden Organisationen sprengen und andere an ihre Stelle setzen können. Das unterscheidet diese Situation völlig von der der Jahre 1918, 1919/20 sowie von der Lage der Jahre 1922/23. Und so wird in der SPD-Veranstaltung im Hippodrom zwar gebrüllt und gepfiffen, als die sozialdemokratischen Abgeordneten sagen, daß die Parole »Kampf gegen den Staatsstreich« unsinnig sei und fallen gelassen werden müsse und daß die Wahlen das Entscheidende seien. aber das Schimpfen und Pfeifen bleibt folgenlos. (Seite 130 Mitte)

Man sieht, es existieren Ansätze von Gegenbewegungen, aber sie waren nicht autonom. Es waren keine revolutionären Bestrebungen. Man mußte aus der Verteidigung heraus kämpfen, das entsprach der Stimmung unter den Arbeitern. Der Ausgang der Reichstagswahlen im Juli 1932 zeigt einen Tiefpunkt des Stimmenanteils der Arbeiterbewegung und den Höhepunkt des Einflusses der NSDAP vor der Machtergreifung . Denn nun schwillt das Selbstbewußtsein der Nationalsozialisten an, und also laufen ihnen die kleinbürgerlichen Massen zu – das Selbstbewußtsein der Arbeiterbewegung ist im Vergleich dazu gering. Zwar gehen die Stimmen der Kommunisten nicht zurück, sondern wachsen sogar noch, während die Zahl der SPD-Wähler leicht zurückgeht. Aber die Mobilisierung der Wähler zur Wahlbeteiligung ist sehr groß, und die neuen Wähler engagieren sich nicht zugunsten der früheren Partei Papens, also des Zentrums, erst recht nicht zugunsten der liberalen bürgerlichen Parteien, der Staatspartei oder der DVP. Diese Parteien sind im Bewußtsein der Wähler überholt, deshalb stimmen sie für die NSDAP. (153)

(Seite 131) Nach den Reichstagswahlen bleibt von der Einheitsfront-Bewegung nichts übrig. Das Urteil, das der Staatsgerichtshof in Sachen »Preußen gegen Reich« fällt, ist ein Kompromiß ohne praktische Bedeutung. (154) Mit der Ablehnung des Einheitsfront-Angebotes der KPD durch die SPD war die Entscheidungsschlacht verloren. Daß die KPD ein solches Angebot machte, war ein großer, aber nur vorübergehender Fortschritt. Daß dieses Angebot abgelehnt wurde, hatte einen deutlichen Rückschlag in der Stimmung der kommunistischen Parteimitglieder zur Folge. Die Sozialfaschismus-Theorie schien abermals bestätigt zu sein und lebte wieder auf. Umgekehrt hatte die Sozialfaschismus Theorie der Kommunisten für die Sozialdemokratie die Funktion, eine gemeinsame Arbeit mit den Kommunisten ablehnen zu können. Dieser ganze negative Mechanismus verschärft sich in der folgenden Zeit. Der kommunistische Funktionär, der den gemeinsamen Abwehrkampf gewollt hat und meist arbeitslos ist, sagt sich, die SPD fördere den Faschismus sogar dann noch, wenn sie selbst betroffen sei. Inzwischen ist die KPD zu einer Partei der Arbeitslosen geworden, denn parallel zu ihrer Sozialfaschismus-Theorie praktiziert sie weiter die RGO-Politik.“ (S. 131) . . .

(Seite 137 Mitte) “Ich war damals Gerichtsreferendar am Oberlandesgericht Frankfurt in der letzten Station vor dem 2. Staatsexamen. Ich kannte sehr viele Referendare, die Mitglieder der NSDAP waren und nach den Wahlen im November 1932 aus der Partei austraten. Sie hatten darauf gesetzt, daß die Nationalsozialisten an die Macht kommen würden. Und da es nur ein sehr kleines Angebot an Juristenstellen gab, hatten sie gedacht, daß sie rasch aufsteigen könnten, wenn sie in der NSDAP seien. Nun verließen sie die Partei auf dem schnellsten Wege. Ein für kleinbürgerliche Massen typisches Verhalten: sie schwankten wie ein Rohr im Winde. Kaum war der 30. Januar 1933 da, waren natürlich alle wieder in der NSDAP. Und noch viele andere kamen dazu. Die Stimmenrückgänge in der Zwischenphase waren ein Zersetzungselement, denn eine faschistische Partei lebt vom dauerhaften Aufstieg; sie hat ja sonst nicht zu bieten.

An den Kommunalwahlen in Thürigen Anfang Dezember 1932 läßt sich dasselbe beobachten. Hier verloren die Nationalsozialisten sogar im Vergleich zu den Novemberwahlen erheblich an Stimmen. Vom Monopolkapital her gesehen war es somit nur folgerichtig, eine Petition an Hindenburg zu richten und zu verlangen, er möge Hitler zum Kanzler machen. Die Petition wurde von Schacht. Thyssen usw. unterzeichnet; nur wenige hielten sich fern und schlossen sich erst (Seite 137) später an (165).

Dieser Druck der Monopolherren war notwendig, denn wer konnte garantieren, daß die kommunistische Führung eines Tage nicht doch lernen würde, die Einheitsfront-Politik systematisch und konsequent zu handhaben? Hier kann man noch einmal an einem konkreten Beispiel die Grenzen der Faschismus-Analyse Thalheimers zeigen. Die NSDAP ist nicht aus eigener Kraft – wenngleich toleriert von der herrschenden Klasse – zur Macht gelangt, sondern sie kommt mit Hilfe der herrrschenden Klasse, die Druck auf die Spitze des Staatsapparates ausübt, an die Macht. Und zwar zu einem Zeitpunkt, da ihr Einfluß zurückgeht.“ (Seite 138)

(Seite 138 unten)

“Dann kommt der 30. Januar 1933, an dem Hitler die Macht an sich reißt, und alles ist aus. Es ergeht wieder ein Einheitsfront-Angebot der KPD, und die SPD lehnt abermals ab. Die KPD verfolgt diese Politik – allerdings schwankend – bis zur Notverordnung weiter, die nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 erlassen wird (167) und die Verhaftung Tausender Kommunisten zur Folge hat. Und dann gibt es wieder einen totalen Rückschlag nach ultralinks, als die Gewerkschaftsführung ab März 1933 in Etappen vor den Nationalsozialisten kapituliert und schließlich zu ihnen überläuft: Der 1. Mai 1933 ist nur der Schlußpunkt hinter der ganzen Entwicklung, die bereits im März 1933 begonnen hat. Die Gewerkschaften erklären zunächst, sie wollten mit den Sozialdemokraten nichts mehr zu tun haben, sie hielten sich nicht mehr für eine klassenkämpferische Organisation, sondern wollten mit der NSBO verhandeln und die Regierung Hitler unterstützen. Am 14. April ruft die Führung des ADGB die Arbeiter auf, am 1. Mai, dem »Tage der nationalen Arbeit« nicht klassenkämpferisch und nicht im Namen der internationalen Arbeiterbewegung zu demonstrieren, sondern die Rede Adolf Hitlers anzuhören und die »nationale Erhebung« zu unterstützen. (168). (Seite 139)

Auch die Führung der Sozialdemokraten leistet nur halbherzig Widerstand. Als nämlich der Reichstag zusammentritt, um über das Ermächtigungsgesetz (169) zu beraten, das immerhin von der SPD abgelehnt wurde, wagt der sozialdemokratische Abgeordnete Otto Wels nicht, daran zu erinnern, daß 81 gewählte Abgeordnete der Kommunistischen Partei das Parlament nicht betreten dürfen und – soweit sie nicht der Polizei und der SA entkommen konnten – in »Schutzhaft« sind. er erwähnt diesen Tatbestand mit keinem Wort. Er erwähnt nur ganz am Rande, daß es besser wäre, wenn die – etwa 12- sozialdemokratischen Abgeordneten, die inzwischen verhaftet und ins KZ gebracht wurden, im Reichstag anwsend wären. Daß fast alle kommunistischen Abgeordneten ebenfalls im KZ saßen, interessierte ihn nicht. Dem war vorausgegangen, daß der Versuch der Berliner Sozialistischen Arbeiterjugend, illegale Organisationen vorzubereiten, von ihrem damaligen Reichsleiter Erich Ollenhauer verboten worden war.

(Seite 140) Es wurde sogar mit dem Ausschluß aus der SPD gedroht für den Fall, daß solche Versuche weiter vorangetrieben würden. Der Parteivorstand der SPD forderte schließlich von der SAJ, ihre Organisationstätigkeit so lange einzustellen, wie dies der Polizeipräsident von Berlin verlange. Außerdem beschloß der Parteivorstand der SPD aus der Sozialisitischen Internationale auszutreten, weil dieser die Unwahrheit sage, wenn sie behaupte, es gäbe in Deutschland so etwas wie Konzentrationslager.(170) Die Rückwirkung dieser Politik der Parteiführung der SPD auf kommunistische Arbeiter und Funktionäre kann man sich leicht vorstellen. Als dann am 2. Mai 1933 die Gewerkschaftsführung abgesetzt wird, hätte man trotz allem selbst für sie kämpfen müssen. (171). Aber konnte man das von einem sozialdemokratischen Arbeiter erwarten, dem die Gewerkschaftsführer tags zuvor noch erzählt haben, der müsse für Hitler demonstrieren und nicht nur die Kommunisten, sondern auch die Sozialdemokraten preisgeben?“

Anmerkungen:

(141) Ernst Eckstein war Rechtsanwalt in Breslau und zunächst führendes Mitglied der Breslauer SPD; 1931 wurde er Mitbegründer der SAP und kam in deren Parteivorstand. 1933 wurde er verhaftet und im Mai 1933 zu Tode gefoltert; vgl. Hanno Drechsler, a.a.O., S 363(

(146) Gemeint ist von Papens Staatstreich in Preußen vom 20. Juli 1932; vgl. Karl Dietrich Bracher, a. a. O., S. 582 ff.

(153) Die NSDAP erlangte 13,75 Mio. Stimmern und hatte somit ihren Stimmenanteil in knapp zwei Jahren von 18,2 % auf 37,5 % erhöht. Der Stimmenanteil der SPD sank von 24,5 % auf 21,6 %. Für die KPD stimmten 5,3 Mio. Wähler, ihr Stimmenanteil erhöhte sich somit von 13,1 auf 14,3 % ; vgl. Alfred Milatz, a.a.O., S. 142 f.

(154) In dem Urteil des Staatsgerichtshofes vom 25.10.1932 wurde die endgültige Absetzung der SPD-Regierung in Preußen zwar für ungültig erklärt, die vorübergehende Verschiebung der sachlichen Zuständigkeiten auf den Reichskommissar aber als zulässsig anerkannt; vgl. Karl Dietrich Bracher, a.a.O.., S. 637 ff.

(165) Vgl.George F. W. Hallgarten, Hitler, Reichswehr und Industrie. Zur Geschichte der Jahre 1918-1933, Frankfurt/Main 1962, S. 108 f.

(166) Kurt von Schleicher löste am 3. Dezember1932 von Papen als Reichskanzler ab. Zum Kabinett Schleicher vgl. Karl Dietrich Bracher, a.a.O., S. 677 ff.

(167) Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28. 2.1933

(RGBlI S. 141)

(168) Vgl. Hans-Gerd Schumann, a.a.O., S. 58 f

(169) Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24.3.1933 (RGBlI S. 141)

(170) Vgl. für dieser Periode der sozialdemokratischen Politik: Erich Matthias und Rudolf Morsey, Das Ende der Parteien 1933, Düsseldorf 1960. S. 151 ff.

(171) Am 2. Mai 1933 stürmten SA und SS die Häuser der Freien Gewerkschaften und die Redaktionsbüros der freigewerkschaftlichen Presse. Führende Gewerkschaftsfunktionäre und Redakteure der Gewerkschaftspresse wurden in Schutzhaft genommen; vgl. Hans Gerd Schumann, a.a.O., S. 70 ff.

Brief an eine juengere Freundin

Brief an eine Freundin (zwanzig Jahre juenger als ich) betrifft: Korona Buecher . Jetzt lese ich seit vier Tagen ein Buch, dass ich einmal vor gefuehlten dreissig Jahren gekauft habe, weil es als Maengel Exemplar besonders guenstig war und weil es ausserdem auch gut aussah in meiner Sammlung edition suhrkamp. Ich habe es, aufgrund des Titels, fuer ein Werk gehalten, das besonders viel Langeweile verbreitet. Langweilig und wissenschaftlich. Ein Buch, dass man auf jeden Fall nicht gelesen haben muss. Und jetzt (nach dreissig Jahren) nehme ich es aus dem Regal und entdecke, dass es aeusserst kurzweilig ist, es ueberhaupt nicht trocken wissenschaftlich ist und gerade zu amuesant. Es handelt sich um Band 820, der Reihe Edition suhrkamp. „Wolfgang Abendroth – Ein Leben in der Arbeiterbewegung.“ Gespraeche, aufgezeichnet und herausgegeben von Barbara Dietrich und Joachim Perels (2. Auflage 1977), da warst Du ja erst zwoelf Jahre alt. Vermutlich kennst Du es, weil Deine Beruehrungsaengste mit den Intellektuellen und jenen, die als Intellektuelle so daher kommen, ja eher geringer sind als bei mir. Jedenfalls habe ich großes Vergnuegen und habe endlich verstanden, warum so manches passiert ist, was ich bisher immer nicht verstanden hatte, wie z.B. den kampflosen Uebergang der Arbeiterbewegung, als am 30. Januar der Greis die Macht uebergeben hat. Jens

T 34 Denkmal in Berlin

na warum ist der wohl hier? Ich mein nicht das Tier.

Interview mit den Streit Brüdern in Belo Horizonte

PDF InterviewStreitbelohorizonte

Carl Heinz Streit 1990 Belo Horizonte
Carl Heinz Streit (Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit) Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990
Rolf Arno Streit
Rolf Arno Streit. Sohn des Kinobesitzers Hugo Streit. Belo Horizonte (Brasilien) Juli 1990.

SRolf Arno Streit: ”Mein Großvater Jeremias genannt James Henschel war der Erste in Hamburg, der Kinos gemacht hat. Er ist auf folgende Weise auf diese Idee gekommen.In Paris, so hat er gehört, gibt es einen Grammophon-Laden, dass heisst Leute konnten in den Laden gehen, sich . . . wie heisst das? . . . Telefone an die Ohren legen und konnten dann eine Musik wählen, die sie bekommen haben durch die . . . durch das Grammophon. Übertragenen. Das wollte er in Hamburg auch machen und deshalb sind sie dann in Paris gewesen, wo dieser . . . wo dieses Grammophongeschäft existierte und sich mit dem Inhaber darüber zu unterhalten . . . Auf dem Wege dorthin sind . . . stehengeblieben an vor einer riesigen Schlange von Menschen, die alle in ein sogenanntes Cine gehen wollte. Das war eine Neuigkeit für meine Großeltern und . . . da wurden eben die ersten Filme vorgeführt. Dann sind sie zu dem Grammophonmann gegangen und sind nachher in ihr Hotel gegangen und haben geschlafen.

Meine Großmutter-Frida Henschel – hat zu Madam . . . zu meinem Großvater gesagt, weißt du James ich hab es mir überlegt, wir machen nicht Grammophon, wir machen Kinos. Und das war die Idee, das mein Großvater der Erste in Hamburg war, der Kinos eröffnete. So ist auch der Henschel Film und Theaterkonzern nach ihm benannt worden.“

Frage: Das erste Kino war das Belle Alliance Kino? Das war ein sehr großes Kino?

Rolf Arno Streit: „Das kann ich nicht genau sagen, wie groß es war. Auf jeden Fall war das das erste Kino – richtige Kino – in Hamburg . . . Hamburg Altona . . . wenn ich mich nicht irre.

Frage: Der Großvater hat dann mit Ende des Krieges alle Kinos verkauft, sie haben erzählt an die Ufa. Können sie mal sagen, warum er die Kinos verkauft hat?

Rolf Arno Streit: “Die Ufa ist an meinen Großvater herangetreten . (LkW Geräusch) . . . Die Ufa ist an meinen Großvater herangegangen und hat ihm gesagt, entweder verkaufen sie uns ihre ganzen Kinos, oder wir machen ihnen Konkurrenz . . . das war der . . . da hat mein Großvater sich entschlossen, seine Kinos an die Ufa zu verkaufen . . . hat sich für das Geld, das er bekommen hat, sofort Häuser gekauft . . . Immobilien . . . und ist dadurch . . . durch die Inflation schadlos herausgekommen. Zu dem Entschluß von meinem Großvater, die Kinos zu verkaufen mußte die Ufa damit einverstanden sein, daß seine Schwiegersöhne -nämlich unser Vater Hugo Streit und unser Onkel Hermann Urich-Saß . . . also seine Schwiegersöhne Direktoren der Ufa wurden für Norddeutschland, was geschah“.

Frage: Bis wann waren Hugo Streit und Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa?

Rolf Arno Streit: “Die waren Direktoren bis . . . ungefähr 1926 . Ein ganz genaues Datum kann ich nicht sagen, aber . . . Mitte der 20iger Jahre ist es wohl gewesen.“

Carl Heinz Streit: Das ist aber richtig. Ich mein, ich erinnere das auch nicht mehr so genau.

Hilde Streit: (zu ihrem Mann): Du weisst es noch besser.

Rolf Arno Streit: “Ja, durch die ganze Wiedergutmachungsgeschichte . . . bin ich wieder da . . . irgendwie erinnert worden. Das ist ja auch nun schon viele Jahre her.“Hilde Streit:. Jetzt ist leise . . . Carl Heinz Streit: Das kommt aber immer wenn der Omnibus kommt. Hilde Streit: Ja überall, kommt immer . . . bei uns viel mehr noch.Frage: 1918 wurde die Ufa gegründet und die Ufa trat an ihren Vater heran und er hat seine Kinos verkauft. Können sie das noch mal erzählen?Rolf Arno Streit: ”Ja . . . nachdem . . . ist schon . . . Carl Heinz Streit: ”Nein, wenn das Licht angeht.“ Rolf Arno Streit: „Also . . . nach dem Kriege 14/18 ist die Ufa an meinen Großvater herangetreten und hat ihm gesagt, wir bauen hier Kinos, oder sie verkaufen uns ihre Kinos, und da ist mein . . . hat mein Großvater den Entschluss gefasst, seine Kinos zu verkaufen . . . mit der Bestimmung, dass mein Vater und mein Onkel . . . Hugo . . . Hermann Urich Sass Direktoren der Ufa werden von Norddeutschland, was geschah, außerdem war mein Großvater mit 5 % über viele Jahre an allen Ufa Einnahmen beteiligt . . . und späterhin . . . auch mit 2,5 % für alle . . . von allen Kinos, die noch erbaut worden sind später von der Ufa . . . Mein Großvater selbst hat seine . . . hat die Inflation überstanden durch Ankauf von Immobilien . . . das Geld, was er damals von der Ufa bekommen hatte, hat er sofort angelegt in Immobilien und dadurch ist er aus der Inflation schadlos herausgegangen:“ Frage: Wissen sie noch welche Kinos das waren, die ihr Großvater dort verkauft hat? Rolf Arno Streit: “Ich kenn einige . . . weiß ich . . . das . . . zum Beispiel das Lessingtheater, das Passage Theater, das Harvestehuder Lichtspiele und einige andere . . . ich entsinne die Namen nicht mehr genau. Auf jeden Fall . . . vielleicht sechs Kinos, die mein Großvater der Ufa verkauft hat“. Frage: Das Waterloo Theater gehörte das auch dazu? Rolf Arno Streit: ”Das Waterloo Theater gehörte dazu, ja. Das hat mein Großvater erbaut. Das war damals das vornehmste Kino in Hamburg.“ Frage: Und dann hat ihr Vater Hugo Streit und Hermann Urich Sass . . . haben sich selbstständig gemacht und haben neue Kinos aufgemacht. Wann war das?

Rolf Arno Streit: ”Sie waren, wie gesagt, Direktoren der Ufa bis 1925 oder 1926 . . . und haben sich dann selbstständig gemacht und haben die erste . . . das erste Kino . . . gekauft, die Schauburg Hauptbahnhof . . . die damals anders hieß . . . der Name ist mir entfallen . . . das ist die spätere Barke gewesen. Am Hauptbahnhof. Dadurch . . . Nach und nach haben sie andere Kinos gebaut . . . im ganzen waren . . . bestand der Henschel Film und Theaterkonzern . . . wie er sich nannte . . . aus 12 Kinos. Schauburg Hamm, Schauburg Hammerbrook, Schauburg Wandsbek, Schauburg Harburg und diverse andere . . . die mir im Moment nicht einfallen. Auf jeden Fall waren es zwölf Großkinos und der Konzern war dadurch . . . der größte Konzern in Hamburg . . . was die Theaterbranche . . . die Kinobranche anbelangt“. Frage: Sie hatten mir erzählt, sie haben auch mal eine Eröffnung miterlebt . . . von der Schauburg am Millerntor (1927) . . . das war ja ein sehr großes Kino und zur Eröffnung ist Henny Porten gekommen . . . können sie da noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: ”Ja ich kann darüber erzählen, aber ich weiß, ob es die Schauburg Haupt . . . Schauburg Millerntor war . . . es kann irgend eine andere Schauburg gewesen sein. Alle Schauburgen wurden eröffnet mit irgendeiner Sensation, so auch eine . . .  (LKW Lärm) . . . so auch eine Schauburg mit der Henny Porten. Die Henny Porten kam in Hamburg an . . . am Hauptbahnhof. Es waren viel mehr Menschen dort . . . als seiner Zeit der Reichspräsident Ebert ankam, das schrieben die Zeitungen . . . später. Andere Schauburgen wurden eröffnet mit anderen Filmschauspielern unter anderem auch einmal durch einen Ball bei . . . Sarasa . . . bei . . . in . . . dem Saal . . . ich komm nicht auf den Namen . . . (vermutlich Sagebiel) . . . auf dem größten Saal in Hamburg. Da wurden dann die Leute gefilmt, entweder die getanzt haben oder selbst gesprochen haben und dieser Film wurde vorgeführt in den Schauburgen und die ganzen Leute die gefilmt wurden, haben sich natürlich die Filme angeguckt. Das war ein gutes Geschäft. Nicht nur eine gut Idee, sondern auch ein gutes Geschäft . . . Es wurden auch andere eröffnet mit Emil Jannings, soweit ich erinnere und durch andere Sensationen . . . ich kann nicht auf die ganzen Sachen eingehen, weil die Erinnerung mir nicht die . . . Carl Heinz Streit: (der ältere Bruder) ”Lucie Englisch war auch einmal da.” Rolf Arno Streit: ”Lucie Englisch ja . . . sprich du mal weiter. Carl Heinz Streit: ”Ja ich weiß ja nicht so viel wie du. Du hast doch die ganze Wiedergutmachung betrieben. Dadurch bist du mehr im laufenden.” Frage (an Carl Heinz Streit): Sie haben doch auch mal im Henschel Film und Theaterkonzern gearbeitet? Ein Jahr lang . . . ? Carl Heinz Streit: “Ja in der . . . in dem Booking Department . . . wie heisst das auf Deutsch? Programmation gearbeitet . . . Aber ganz kurze Zeit nur. Frage: Was gab es da für Filme . . . wissen sie das noch? Carl Heinz Streit: “Boh ! . . . an die Filme kann ich mich nicht mehr erinnern. (lacht) Rolf Arno Streit: “Es gab zum Beispiel . . . es wurde in den Schauburgen gezeigt. Der erste Tonfilm mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich, der hiess „Ich küsse ihre Hand Madam“. Es waren aber nur einige Minuten, die der Ton herausgekommen ist, nämlich das Lied, ich küsse ihre Hand Madam wurde gesungen von Marlene Dietrich mit dem Harry Liedtke zusammen . . . (Richard Tauber war der Sänger – Länge: 2 Minuten 38 Sekunden). Das war eine Sensation. So fing der Tonfilm in Hamburg an. Später natürlich kamen andere Filme wie zum Beispiel: „Der letzte Mann“ mit Emil Jannings. Das war ein . . . erfolgreicher Film und auch der „Blaue Engel mit Marlene Dietrich . . . Carl Heinz Streit : “ . . . und Emil Jannings“. Rolf Arno Streit: “Ja und Emil Jannings. So nun erzähl du mal wieder was (zu seinem Bruder).“ Carl Heinz Streit: “Dann wurde aufgeführt der Film . . . ich weiß nicht mehr den Namen . . . aber es war dieser Schwarze . . . , der sich als Schwarzer verkleidet hat . . . Al Jolson . . . der Jazzsinger“. Frage: Das war der erste Tonfilm denn auch . . . der erste richtige Tonfilm.

Carl Heinz Streit: “Das war der Tonfilm, der nicht mehr über Grammophon ging. Die ersten . . . die ersten Tonfilme wurden mit Platten bedient. Nachher kam der optische Film. Das war der erste mit Al Jolson“.  Frage: Die Schauburgen – also die Schauburg Hamm und die Schauburg Millerntor . . . das waren ja alles Neubauten . . . das muss ja ne enorme Stange Geld gekostet haben. Wissen sie da irgendwie . . . wieviel das gekostet haben mag? Carl Heinz Streit: “Nein“. Rolf Arno Streit: “Das waren einige Millionen. Ich glaube, mein Großvater – James Henschel- hat das Anfangskapital zur Verfügung gestellt. Vielleicht wurden nachher auch Bankkredite aufgenommen. Ich kann das nicht genau sagen. Aber auf jeden Fall war das ein Großunternehmen und die meisten Kinos sind erbaut worden durch den Verdienst, der schon bestehenden Kinos (Moped im Hintergrund) . . . Die meisten Kinos sind erbaut worden, durch den Verdienst der schon bestehenden Kinos. Die ganzen Schauburgen, bis auf einigen . . . bis auf einigen . . . wurden vom Henschel Film und Theaterkonzern selbst erbaut. Also es waren eigene Grundstücke.“ Frage: Dann waren es . . . wenn ich das so richtig recherchiere . . . dann waren es imgrunde nur zwei . . . zwei große Filmtheaterbetriebe in Hamburg . . . das war der Henschel und die Ufa. Die müssen doch in starker Konkurrenz auch gestanden haben? Rolf Arno Streit: “Ja, solange sie nicht den Ufa Palast gebaut hatten, war das . . . gab es keine große Konkurrenz . . . aber nachdem der Ufa Palast . . . ich glaube es war im Jahre 19 und . . . Ende 1920 . . . vielleicht 1929 . . . oder 28 . . . ich weiß nicht genau . . . da wurde es natürlich eine Konkurrenz. Aber die hat dem Henschel Film und Theater Konzern auch nichts ausgemacht . . . er ist . . . er ist sehr solide geblieben . . . bis zum Ende . . . bis zum Anfang der Nazizeit . . . Da wurde der Henschel Film und Theater Konzern sehr stark betroffen . . . und . . . es wurde ein . . . ein . . . ein Programm gegen die Theater ausgeübt“. Frage: Wann hat das begonnen . . . das man gegen den Henschel Film und Theater Konzern . . . Rolf Arno Streit: “Mit Anfang der Nazizeit . . . 1933 . . . Da wurde der . . . Henschel Film und Theaterkonzern gestempelt als jüdisches Unternehmen . . . und dadurch sind die . . . Besucher ziemlich heruntergegangen . . . .1936 . . . ich glaube mich nicht zu irren . . . (gemeint ist vermutlich der reichsweite Pogrom in der Nacht vom 9/10 November 1938) . . . in der Kristallnacht wurden die Kinos geschändet . . . und zerstört . . . zum Teil, dann haben sie . . . dann haben sich die Nazis davorgestellt und haben keine Juden mehr . . . keine Ar . . . keine Besucher mehr hereingelassen. Dadurch hat der Konzern natürlich sehr stark gelitten.” Frage: Der Henschel Konzern war eine OHG zwischen Hermann Urich – Sass und Hugo Streit und das gab es eine Phase wo . . . ihre . . . ihre Väter das wohl schon voraus gesehen haben . . . sie hatten mir erzählt, er wär . . . der Hugo Streit wär zusammen mit dem einen Geschäftsführer nach Berlin gefahren und wollte das verkaufen . . . das Kino. Können sie darüber was sagen? Rolf Arno Streit: “Ja mein Vater . . . Hugo Streit ist mit Romahn . . . der damals . . . Prokurist gewesen ist, von den Schauburgen nach Berlin gefahren, um mit der Ufa zu verhandeln . . . k . . . önnen wir mal einen Augenblick Schluß machen? ..zu Carl Heinz:. Weshalb ist Papa nach Berlin gefahren? Achso ja . . . kann ich weitermachen . . . Mein Vater ist mit Romahn nach Berlin gefahren, um mit der Ufa . . . (lauter LKW) um mit der Ufa zwecks Verkauf zu verhandeln, die Ufa war interessiert daran, die Kinos zu übernehmen . . . in dieser . . . selben Zeit . . . in diesem selben Zeitabschnitt starb Hermann Urich Sass . . . und Romahn wurde benachrichtigt von dem Tode von Hermann Urich Sass . . . aber sollte nicht stören . . . störend auf die Verhandlungen meines Vaters mit der Ufa wirken . . . Das geschah aber doch aus irgendeinem Grunde, der mir entfallen ist . . . ich glaube durch die Zeitung . . . ich weiß es nicht genau . . . und mein Vater hat die Verhandlungen abbrechen müssen . . . daraus ist nichts . . . leider nichts geworden“. Frage: Das ist ein historisches Datum in zweierlei Hinsicht. Am 27. Januar starb Hermann Urich Sass und am 30. Januar . . . wurde er beerdigt . . . Rolf Arno Streit: „Am 30 . . . wurde Hermann Urich Sass beerdigt, das war an dem Tag als Hitler zum Reichkanzler ausgerufen wurde . . . von Hindenburg . . . später wurde er der sogenannte Fü . . . Führer im möchte lieber sagen Verführer, denn er hat die ganze Welt verführt und sechs Millionen Juden ermordet . . . aber das gehört nicht zu . . . (LKW Geräusch) . . . Soll ich wiederholen. Anfangen mit Hermann Urich Sass, das er starb?“ Frager: Ja Rolf Arno Streit: Mein Vater war mit Romahn dem Prokuristen des Henschel Konzerns in Berlin um mit der Ufa zwecks Verkauf der Kinos zu verhandeln. Während der Verhandlungen ist Hermann Urich Sass gestorben. Das sollte meinem Vater aber nicht mitgeteilt werden, um die Verhandlungen nicht . . . mit der Ufa nicht zu stören . . . und Romahn wurde benachrichtigt, aber er konnte es leider nicht verschweigen, wahrscheinlich hat mein Vater es aus der Zeitung erfahren . . . und ist dann zurückgekommen und die Verhandlungen wurden abgebrochen . . . inzwischen ist der Nazismus weiter gegangen, die Theater wurden weiter geschädigt und die Ufa war nicht mehr interessiert an einem Kauf der Kinos . . . . Später wurde mein Vater gezwungen die . . . nein später wurde eine Kommanditgesellschaft gegründet . . . in dem mein Vater der alleinige Gesellschafter war und die Kommanditisten die Erben des verstorbenen Hermann Urich Sass . . . Später wurde mein Vater gezwungen, die Sachen zu verkaufen . . . oder zu realisiseren, damit . . . die Kinos . . . wie heisst das auf gut deutsch? (An Carl Heinz Streit ) Carl Heinz: “arisiert“. Rolf Arno Streit: “Arisiert worden sind . . . arisiert wurden“. Carl Heinz Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt“ Rolf Arno Streit: “Gleichschalter wurden eingesetzt, das waren Romahn und Schümann . . . die nachher als die Inhaber des Henschel Film und Theaterkonzerns fungierten. Gezahlt haben sie nichts dafür. Dafür hat schon die Partei gesorgt, daß den Juden kein Geld zugefügt worden ist. Und wenn . . . das entsinne ich nicht . . . .ein ganz kleiner . . . Betrag . . . der überhaupt nicht . . . dem Unternehmen entsprach . . . ” Frage: Die Schauburg Lichtspieltheatergesellschaft Romahn und Schümann GmbH . . . wurde ja 1933 schon gegründet mit 20.000,– RM. Nun hab ich mich so gefragt, wie kann man denn mit 20.000,– RM ein Gebäude übernehmen das schon allein 500.000,–RM gekostet hat? Rolf Arno Streit: „Ich glaube sie irren, das war nicht 1930, sondern . . . 1934 oder 1935 . . . Das war nicht 1930. 1930 gehörte doch der Henschel Film und Theater Konzern . . . Frage: Nee 1933 . . . Rolf Arno Streit: Ja 1933 . . . gehörte der Henschel Film und Theater Konzern . . . wurde der Henschel Film und Theater Konzern . . . nach dem Tode von Hermann Urich Sass . . . in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt . . . wie ich bereits beschrieben hatte . . . gesagt hatte . . . Aber ich glaube . . . die Gesellschaft Romahn und Schümann wurde gegründet . . . 1935 . . . oder 1936 . . . das war nicht 1930. Frage: Also ich hab nur die Handelsregister Eintragung und danach ist es schon 1933 passiert. Die Gründung selber und die Eintragung ins Handelsregister. Der Widerspruch ist nur der, das man mit so wenig Grundkapital . . . sag ich mal . . . mit 20.000,– RM so teure Kinos dann später übernehmen kann . . . Rolf Arno Streit: “Ja das weiß ich nicht ganz genau, wie die Sachen gewesen sind, ich weiß nur, daß Romahn und Schümann, die ja kein Geld hatten . . . die erste Zeit meinem Vater Zuwendungen gemacht hatten. Das wurde auch von den Nazis so vorgeschrieben, daß die Juden . . . eben die Geschäfte übergeben mußten, das war ein Zwang . . . es lag ein Zwang dahinter . . . ich glaube nicht . . . daß man . . . das Romahn und Schümann . . . ich weiß das Romahn und Schümann kein Geld hatten um das Unternehmen zu kaufen . . . Deshalb ist vielleicht die Eintragung gewesen . . . 20.000 Mark . . . das war eine Schein . . . eine Schein . . . wie nennt man das auf Deutsch? . . . .Eine Schein . . . Sache.“ Frage (An Carl Heinz Streit) Sie haben ja noch in Berlin lange im Filmverleih gearbeitet? Können sie darüber noch was sagen? Carl Heinz Streit: „Ja ich hab bei der Universal Films gearbeitet . . . wo ich nachher . . . in Brasilien auch angestellt wurde.“ Frage: Universal ist ja eine amerikanische Firma, hat die auch . . . Juden entlassen schon . . . zu der Zeit oder . . . Carl Heinz Streit: Es war eine vollkommen amerikanische Firma und der Präsident seinerzeit, als ich anfing bei der Universal war Carl Laemmle . . . das war ja auch ein Jude . . . die waren in ganz Südamerika . . . in ganz Südamerika vertreten durch den Direktor . . . der vorher in Deutschland . . . Direktor für ganz Europa war . . . Al Szeckler * . . . und als ich in Rio de Janeiro ankam, hat der mich sofort angestellt . . . bei der Universal Films . . . da hab ich gearbeitet als . . . zuerst als Buchhalter, nachher wurde ich versetzt nach Belo Horizonte . . . wo ich die Filiale geleitet habe . . . als Direktor für den Staat Minas Gerais und da hab ich lange gearbeitet . . . zweiunddreissig Jahre . . . in der Universal Films“. Frage: Kommen wir noch mal zurück zu der Zeit . . . sie sind ja aus Deutschland . . . mußten aus Deutschland flüchten . . . das sie mal erzählen, wann das war und wie das so im Einzelnen vor sich gegangen ist. Carl Heinz Streit: “Wir sind 1936 ausgewandert. Sind zuerst in Rio de Janeiro angekommen und von da aus nach Buenos Aires gegangen . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro viel besser als Buenos Aires . . . (Lkw Geräusche) . . . willst du nichts erzählen von Sass . . . Hilde Streit: “ . . . das der gestohlen hat . . . Carl Heinz Streit: . . brauchst ja keinen Namen zu nennen . . . sind einem Betrüger in die Hände gefallen“ . . . Carl Heinz Streit: “Das gehört nicht dazu“. LKW Geräusche . . . Frage: Können wir gerne haben. Können ja von irgend einem Mann erzählen . . .Hilde Streit: “Der lebt vielleicht gar nicht mehr” Carl Heinz Streit: “Wo sind wir nun?” Frage: Wir sind noch gar nicht ausgewandert. Sie sind immer schon in Argentinien, aber wir sind eigentlich noch in Deutschland. Carl Heinz Streit: “Naja denn wollen wir noch mal. Also wir sind 1933 ausgewandert . . . mit der . .wir sind nach Brasilien gekommen mit der Monte Pascia (?Schreibweise). Rolf Arno Streit: “Wir sind nicht 1933 ausgewandert.“ Carl Heinz Streit Hilde Streit: “1936 . . . 1936 sind wir ausgewandert . . . sind in Brasilien angekommen . . . sind ungefähr einen Monat in Rio de Janeiro geblieben . . . von da aus nach Argentinien Buenos Aires . . . aber uns gefiel Rio de Janeiro bedeutend besser. Sind wir also . . . nach Brasilien zurückgekommen und . . . da wurde ich sofort angestellt bei der Universal . . . wo der der Direktor der vorjährige Direktor für Europa war . . . Al Seckler . . . da hab ich . . . hab ich ca 40 Jahre gearbeitet bei der Universal.“ Frage: Wie war das.? Das war ja nicht ganz einfach ein Einreisevisum für diese Länder zu bekommen: Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war die . . . man hat sich immer den Kopf zerbrochen wohin . . . denn wir wollten und konnten nicht in Deutschland bleiben . . . unter der Naziherrschaft und da kam dann ein Mann zu uns und sagte, er könnte uns Geld rüberbringen nach (lacht) Brasilien und . . . ich will diese ganze Geschichte nicht genau auslegen . . . denn die ist vergessen . . . relativ . . . und auf jeden Fall haben wir das Geld . . . was unser Vater uns gegeben hat . . . nicht ausgezahlt bekommen . . . in Brasilien . . . und der Mann hat dann gesagt . . . das ist versehentlich nach Argentinien überwiesen worden . . . dann sind wir dann alle zusammen nach Argentinien gefahren, wo er dann auch immer wieder die Ausrede hatte . . . es ist noch nicht angekommen. Wir waren vielleicht zwei drei Wochen . . . vier Wochen in Argentinien . . . und da bis dahin das Geld nicht überwiesen wurde . . . wußten wir dass wir einem Betrüger in die Hände gefallen sind. Uns gefiel Rio . . . wie eben schon beschrieben von meinem Bruder . . . uns gefiel Rio besser . . . und deshalb sind wir nach Rio abgefahren und von Rio aus haben wir dann dem Man geschrieben . . . wie das nun ist mit dem Geld . . . daraufhin antwortete er . . . wenn ihr noch mal über die Geschichte fragt oder überhaupt schreibt . . . dann wißt ihr ja, daß ihr noch Eltern in Deutschland habt . . . an die ich mich rächen könnte.” Frage: Sie waren ja schon in Holland, wenn ich das so richtig entsonnen habe und haben ihr Frau nachgeholt nach Holland zum heiraten und haben dadurch das Visum bekommen. Können sie das noch mal erzählen?“ Rolf Arno Streit: “Ja die Sache war folgende. Ich habe meiner Frau die Ehe versprochen, bevor ich Deutschland verließ und wir sind damals nur als . . . als Touristen . . . mit einem Touristenvisum in Brasilien angekommen für die Zeit von einigen Wochen, wir blieben da ungefähr ein halbes Jahr und es war nicht möglich eine Legalisation zu erwirken aus verschiedenen Gründen . . . die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall . . . habe ich dann meinem Onkel (Anmerkung 2014:  Dr. Isidor Kahn, verheiratet mit Bianca Kahn geb. Henschel, einer Tochter von Jeremias Henschel, Wohnort Den Haag), der Konsul von Portugal war und in Holland lebte geschrieben, ob er mir helfen kann. Er sagte mir ja . . . er schrieb mir ja, das kann ich machen . . . aber du musst selbst hier herüberkommen, dann wird alles erledigt. Naja ich will nicht weiter darüber reden . . . dass nichts erledigt wurde. (lacht) aber es kam ein Freund meiner Eltern nach Holland um zu hören . . . wie es in Brasilien aussieht, denn er hatte ein Einreisevisum von Brasilien bekommen in Antwerpen von dem Generalkonsul von Brasilien . . . und da hab ich ihn gefragt . . . wie haben sie das gemacht . . . da sagt er einen ganz kleinen Betrag hat er eingezahlt was er in Brasilien wiederbekommen würde und dadurch hat er das sogenannte Kapitalistenvisum bekommen und . . . ist reingekommen . . . und ich hab mir sehr bedankt bei diesem Mann, denn ich bin zwei Tage später nach Antwerpen gefahren und hab dort den Vizekonsul nach dem . . . nach diesem Kapitalistenvisum gefragt und der hat mir dann den Rat gegeben zu heiraten wieder hinzukommen und er würde mir dann das Kapitalistenvisum geben.

Also meine Frau ist dann nach Holland gekommen zusammen mit meinen Eltern und ihren Eltern und da wurde geheiratet in Holland . . . in Haag . . . übrigens wo auch die Prinzessin Juliana geheiratet hat . . . aber das nur nebenbei . . . auf jeden Fall sind wir dann zwei drei Tage später nach Antwerpen gefahren um das Visum zu erhalten aber der Vizekonsul sagt mir . . . es tut mir furchtbar Leid . . . ich kann ihnen das Visum nicht mehr geben, denn es kommt kein Mensch mehr nach Brasilien rein . . . kein Deutscher . . . oder kein Jude ich weiß das nicht mehr genau . . . Hilde Streit: kein Deutscher. . . auf jeden Fall . . . ein Deutscher nicht wahr . . . es war gesperrt . . . vom Außenministerium . . . da hab ich zu dem Vizekonsul gesagt . . . hören sie mal zu ich bin da in einer fürchterlichen Lage, ich kann in Holland nicht bleiben, ich kann nicht nach Deutschland rein, wo ich sofort ins Konzentrationslager gekommen wäre, also was soll ich machen . . . er sagte, ich kann ihnen leider nicht helfen . . . da sagte ich dann . . . kam ich auf die gute Idee und bat ihn mich vorzustellen dem Generalkonsul . . . was geschah . . . dem Generalkonsul habe ich meine Geschichte erzählt . . . und dieser gute Mann hat uns glücklicherweise das Kapitalistenvisum gegeben zusammen mit einem Brief ans Aussenministerium und mir eine Kopie übergeben von diesem Brief . . . in dem unsere Geschichte beschrieben wurde . . . das er keine andere Möglichkeit hatte, als mir das Visum gegen die Anordnung des Ida Maraties (Schreibweise ?) . . . also des Aussenministeriums zu erteilen . . . Aber die brauchte ich nicht, denn wir sind glatt in Rio angekommen . . . Somit fing unsere Geschichte in Brasilien an. Frage: Sie hatten mir gesagt . . . es hätte auch so die Möglichkeit gegeben, daß sie mit einer Ausnahmegenehmigung nach Deutschland für drei Tage fahren und hatten dafür einen bestimmten Ausdruck genannt. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: ”Das ist ein . . . ich weiß nicht mehr genau wie das hieß . . . auf jeden Fall war das . . . wurde das Leuten . . . auch Juden erteilt . . . (lautes LKW Geräusch) . . . Frage: Einfach noch mal von vorne . . . diese Ausnahmegenehmigung . . . Rolf Arno Streit: “Diese Einreisegenehmigung für zweidreivier Tagen wurde Juden auch gegeben, um zum Beispiel die Eltern zu beerdigen oder irgend welche . . . aus irgendwelchen Anlässen und diese hab ich mir auch erhofft zu erhalten . . . aber hab sie nicht erhalten . . . bin von dem Konsul in Amsterdam (Hilde flüstert vor: gewarnt worden . . . gewarnt worden) . . . nicht gewarnt worden . . . erstmal rübergerufen worden . . . da hat er mir dann gesagt . . . das es leider nicht möglich ist . . . ich soll . . . die Einreisegenehmigung ist nicht bewilligt worden . . . und da hab ich gesagt zu ihm . . . das könnten sie mir doch auch am Telefon gesagt haben . . . und darauf hin gab er mir keine Antwort . . . also ich bin wech gegangen . . . verärgert . . . und er ist mir nachgelaufen . . . der Konsul . . . Hilde: das war ja deutscher Boden, nech . . . das Konsulat . . . Rolf Arno Streit: „Konsulat war Deutscher Boden . . . da kam der . . . da kam mir der Konsul nachgelaufen ich soll um gotteswillen nicht nach Deutschland einwandern ohne diese Genehmigung, denn ich käme sofort ins Konzentrationslager . . . na daraufhin haben wir dann in Holland geheiratet . . . wie ich schon gesagt habe . . . ” Frage: Hätte man denn mit dieser Genehmigung den Nazis eigentlich trauen können? Rolf Arno Streit: “Das kann ich ihnen nicht sagen (lacht), weil ich das nicht erlebt habe . . . aber ich weiß von Leuten, die rübergegangen sind und wieder rausgekommen sind . . . zwei drei Tage um Eltern zu beerdigen . . . oder irgendwas, aber ich hätte es gewagt, wenn ich das bekommen hätte. In Deutschland geheiratet zu haben . . . wäre für mich einfacher gewesen . . . als in Holland . . . bei meiner Tante, bei der ich gelebt habe. Frage: Sie sind dann zu dritt aufm Dampfer von Amsterdam ? oder von Antwerpen . . . Hilde Streit: zu zweit zu zweit . . . Rolf Arno Streit: “Zu zweit sind wir gefahren . . . denn mein Bruder war ja schon hier. Carl Heinz Streit: ”Ich war ja drüben geblieben.“ Rolf Arno Streit: “Wir sind gefahren mit einem deutschen Dampfer . . . mein Vater hat uns eine Passage geschenkt mit der Monte . . . sie cerra campus (Schreibweise ?) Rolf Arno Streit: „ si cerra campus war das auch nicht . . . Hilde Streit: Nee das war ein sehr schönes Schiff . . . das war das schönste an der ganzen Reise . . . Rolf Arno Streit: „Cap Norte . . . das war die Cap . . . Cap Norte . . . das war die Cap . . . wir sind mit der Cap Norte wieder nach Brasilien gefahren.“ Frage: Nen Hamburg Süd Schiff ne?Rolf Arno Streit: “Hamburg Süd Schiff“ Hilde Streit: „Das schönste von der ganzen Reise .“

Rolf Arno Streit: “Das war ein Schwesternschiff der Cap Polonio . . . und dann sind wir drüben abgekommen . . . wieder hier in Rio . . . und dann ging die Arbeit los . . . das war nicht einfach . . . ich persönlich habe Klavier gespielt abends für eine . . . für einen Club . . . nicht jeden Abend aber Sonnabend und Sonntag auf jeden Fall . . . und einmal die Woche und dann hab ich eine Anstellung bekommen als Aufseher in einer Eimerfabrik . . . da waren Ratten . . . die Eimer wurden teilweise gemacht aus . . . Hilde Streit: Marmeladen . . . Marmeladendosen . . . also großen Marmeladengefässen und die Ratten, die haben sich dabei . . . davon . . . dadurch ernährt . . . aber wenn die Maschinen zur Mittagszeit abgestellt wurden  . . . dann liefen mir die Ratten über die Füsse . . . (lacht) . . . das entspricht der Wirklichkeit . . . aber ich bin dort geblieben . . . einige Monate, bis ich dann den Entschluß gefasst habe, wieder rüberzufahren . . . nach Europa . . . also nach Holland, um zu heiraten . . . weil ich immer meine Versprechungen im Leben gehalten habe und so auch diese . . . nun sind wir sehr glücklich verheiratet schon über 50 Jahre . . .

Hilde Streit: “Dreiundfünfzig“ . . . (lauter LKW).

Frage:. Die fünfzig Jahre sind nicht mehr drauf.

Rolf Arno Streit: “Wir haben schon unsere goldene Hochzeit hinter uns und sind schon dreiundfünfzig Jahre verheiratet. Gottseidank geht es uns heute gut . . . wir sind glücklich . . . wir haben zwei Kinder . . . leider ist eine gestorben . . . ..

Pause Kassettenwechsel

Rolf Arno Streit: “Mein Vater und mein Onkel betrieben auch die Scala am Schulterblatt, das war ein Tanzlokal . . . das größte Tanzlokal von Hamburg . . . dazu gehörten auch die . . . das eine Ballhaus Filmzauber und ein Ballhaus Uhu und noch andere, die mir entfallen sind . . . auf jeden Fall war das ein Zweigunternehmen von den Schauburgen . . . Frage: Sind sie da mit ihrer Frau auch Tanzen gewesen? Hilde Streit: “Ne wir waren . . . da waren wir noch gar nicht verheiratet.”Frage: Man kann ja auch tanzen, ohne verheiratet zu sein. Rolf Arno Streit: “Wir haben uns da sehr gut amüsiert . . . als junge Leute . . . aber mit meiner Frau war ich nie da, denn da . . . damals war das schon nicht mehr möglich . . . ich glaube, die sind auch später abgestossen worden . . . das entsinne ich aber nicht mehr genau. Auf jeden Fall haben wir jungen Leute uns sehr gut da in der Scala amüsiert. Obwohl wir noch nicht achtzehn Jahre alt waren . . . und eines Tages . . . fällt mir grade ein sind wir . . . bin ich mit verschiedenen Freunden dahin gegangen und da sagte ein Mann von der Kapelle, es kommt Jung-Jerusalem . . . und das hat der Freund mir wiedererzählt . . . ich sag, was hat er gesagt? Jung-Jerusalem . . . also Antisemitismus . . . das war vor der Nazi Zeit . . . da kam dann mein Onkel Hermann Urich-Sass hinein und dem hab ich das erzählt . . . der ist dann raufgegangen zur Kapelle hat gesagt wer hat gesagt ist Jung Jerusalem . . . .da wollte sich erst keiner melden und da hat er gesagt, ich entlasse die ganze Kapelle, wenn ich nicht sofort weiß, wer das gesagt hat. Da hat er sich gemeldet. Und den hat er sofort rausgeschmissen. Der ist dann zu Gericht gegangen und wollte sein Gehalt haben . . . das nicht bezahlt worden ist . . . da musste ich als Zeuge . . . vor Gericht treten um zu beweisen . . . also um zu  . . . auszusagen . . . um auszusagen, daß er das gesagt hatte und er hat es auch zugegeben . . . aber er wollte sein Gehalt haben . . . da hat der Richter gesagt . . . er entschuldigte sich damit . . . er wollte einen Spaß machen , . . . da hat der Richter gesagt . . . wenn sie einen Spaß machen wollten . . . dann müssen sie auch die Konsequenzen dafür bezahlen . . . und wir haben den Prozess gewonnen. Hilde Streit: ”Aber denn hat er gesagt, wie alt du bist“ . . . Rolf Arno Streit: „Dann fragte er mich noch, wie alt ich bin, da hab ich mein Alter gesagt, sechzehn Jahre oder fünfzehn Jahre . . . sechzehn Jahre war ich wohl und da sagt er . . . ja dagegen ist doch die Oberschulbehörde wahrscheinlich angegangen, dass sie mit sechzehn (lacht) Jahren sich schon in solchen Lokalen aufhalten. Dann habe ich zu ihm gesagt, ich bin geschickt worden von meinem Vater . . . (lacht) der der Inhaber der Scala war, um nachzusehen, ob da alles in Ordnung ist. Hilde Streit: ” . . . der hat davon gar nicht gewußt” Rolf Arno Streit:” . . . mein Vater aber wußte gar nichts davon, denn er war sehr strenge . . . im Gegensatz zu Hermann, der viel mehr Verständnis für solche Angelegenheiten hatte (lacht)..und..ich weiß nicht mehr genau, wie das ausgelaufen ist . . . auf jeden Fall mein Vater hat mich nicht bestraft, weil wir ja den Prozess gewonnen haben . . . Ja das war alles, was ich über die Tanzlokale berichten kann . . . da war glaub ich noch ein Lokal Filmzauber und auch der Faun . . . der hatte den selben Eingang . . . also Nebeneingang . . . vom Lessing Theater . . . da waren sie auch . . . der war auch . . . der gehörte auch zu den sogenannten Freudenhäusern . . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Wissen sie noch was aus ihrer Jugend, was da so berichtenswert wäre? Carl Heinz Streit: “Mit der Scala möchte ich noch bemerken, daß . . . und abends in die Scala war das Wort, das sie gebraucht haben als Propaganda . . . das ist . . . die Scala bestand auch in Berlin . . . die Berliner . . . sind dagegen an gegangen und da haben sie es umbenannt. Anstatt und abends in die Scala und wieder in die Scala . . . .aber sonst aus Berlin wüßte ich nichts mehr zu berichten”. Frage: Mußten sie nun auf den jüngeren Bruder immer aufpassen? Carl Heinz Streit: “Nein (lacht) ich war in Berlin und er hat in Hamburg gelebt . . . ne ganze Zeit lang.”Frage: Ja aber vorher doch Carl Heinz Streit: “Vorher? nein wir haben uns immer sehr gut verstanden” Rolf Arno Streit: “Ich hätte mir auch nicht reinreden lassen von meinem älteren Bruder . . . aber wie mein Bruder eben gesagt hat . . . betont hat . . . wir waren immer nicht nur Brüder sondern auch Freunde und haben alles gemeinsam erlebt und . . . ” Frage: Sie hatten mir erzählt, sie waren dann später bei zwei Konkurrenzfirmen ja eigentlich eingestellt als . . . Rolf Arno Streit: “Also ich war bei der Columbia angestellt als Direktor für . . . für den Staat Minas Gerais und hab dort gearbeitet etwa 14 Jahre . . . da wurde mir ein Angebot gemacht von der United Artists mit höherem Gehalt . . . zu United Artists gegangen “(lauter LKW) . . . Frage: Ich glaub, das müssen wir ganz nochmal haben . . . das müssen wir noch mal von vorn haben. Rolf Arno Streit: “Also ich war circa 14 Jahre Direktor bei der Columbia . . . Columbia Pictures of Brazil . . . für Minas Gerais . . . später war ich Direktor bei der United Artists . . . auch für Minas Gerais . . . weil sie mir ein größeres Gehalt geboten hatten . . . und daraufhin bin ich dann . . . in eine Firma . . . zu einer Firma gegangen, die brasilianische Filme vertrieben hat . . . Sie sind zu mir gekommen und haben mich gebeten, die Sache zu übernehmen, was ich auch getan hab . . . weil ich dort etwas mehr verdient habe . . . ich bin immer nach . . . ich war immer ein guter Rechner . . . so ist es mir auch diesmal passiert. . . Frage: (an Carl Heinz Streit) Sie waren in der gleichen Zeit auch bei der Konkurrenzfirma . . . sie haben sich doch wahrscheinlich mit ihrem Bruder immer um die Kinotermine streiten müssen, wer nun die besten Kinotermine bekommen hat . . . Carl Heinz Streit: Nein . . . der Hauptkunde hier in Belo Horizonte . . . Hilde Streit (über den LKW Lärm . . . Jetzt gehts los, jetzt kommen die alle zurück. Dies ist hier an sich ruhiger, denn dahinten wohnen die armen Leute, die haben alle keine Autos . . . ” Carl Heinz Streit: ”Nein wir haben uns immer sehr gut verstanden und der Hauptkunde hier in Belo Horizonte war die Cineteatro Minas Gerais, der Hauptinhaber ist ein gewisser Luciano . . . gewesen, der vor kurzem . . . vor vier Wochen gestorben ist . . . ist der . . . einer der reichsten Männer der Welt . . . der Welt nicht, von Brasilien. . . man schätzt ihn auf über drei Billionen Dollar . . . die er hinterlassen hat . . . aber er hat auch . . . man sagt ihm nach . . . er hätte noch dreissig uneheliche Kinder . . . Hilde Streit: ”Die streiten sich nun alle mit den ehelichen”. Carl Heinz Streit: ”Ja ja . . . ehelichen sind zwei Kinder und eine . . . ein angenommenes Kind . . . also drei haben das Hauptrecht, die kriegen schon den . . . die . . . Departe . . . ” Hilde Streit: “Teil den Teil der Mutter, die vor drei Jahren ungefähr gestorben ist . . . ” Frage: (zu Carl Heinz Streit) Können sie noch mal sagen, bei welcher Firma sie im Verleih tätig waren. Carl Heinz Streit: “Bei der Universal Pictures . . . die hat hier gehiessen Universal Film SA . . . da war der Konzern von Carl Laemmle. Carl Laemmle war . . . die Universal Pictures in den Staaten die ausserdem das größte Atelier in Los Angeles haben . . . ich glaub, sie haben das selbst gesehen, das Atelier . . . es war das größte der ganzen Welt . . . ” Rolf Arno Streit: “Also bei den Filmfirmen war das so das jedes Jahr eine neue Produktion herauskam. Bei der Columbia waren es meistens so etwa fünfzig Filme, die die Filmtheaterbesitzer . . . haben abnehmen müssen. Es wurde dann zur Hauptsache mit Festpreisen gemacht und immer zweidrei Filme prozentual vermietet. Das heisst die Filmfirma war beteiligt an dem Umsatz der Theater mit fünfzig . . . sogar sechzig Prozent . . . oder ein Film wie zum Beispiel ich komm nicht mehr auf den Namen . . . auf jeden Fall Großfilme (Hundegebell) wurden auch vermietet bis zu siebzig Prozent. Das war natürlich Wucherei, aber die Leute konnten nicht anders, sie mußten es machen . . . da hat da . . . zu diesem Zweck haben wir Fiskale geschickt . . . Fiskale . . . die Übersetzung sind . . . Schrecker ? Hilde Streit: Fiskale ist auf der ganzen Welt . . . ist das richtig . . . nein Kontrolleure . . . Kontrolleure das ist es . . . die haben mit einer Zahluhr die Zahl der Besucher feststellen . . . und das war immer ne sehr unangenehme Sache, denn die . . . naja ich will darüber lieber nicht sprechen . . . es hat keinen Zweck . . . auf jeden Fall haben die Kompanien sehr gut verdient, sowohl an den Filmen, die zu Festpreisen vermietet wurden oder eben prozentual . . . das war unser Hauptberuf . . . die Festpreise festzusetzen . . . denn es gab Kinos . . . die hatten fünfhundert Plätze und wenig Einwohner und im Gegensatz zu anderen großen . . . die hatten eben viel mehr Besucher . . . und da wurden die Festpreise natürlich viel höher . . . gemacht . . . Haben sie sonst noch irgendwelche Fragen zu stellen? Frage: Ja, wie viele Kinos im Bereich waren. Rolf Arno Streit: “Es waren wohl . . . nicht Kinos . . . Plätze meinen sie . . . also Städte . . . Städte ja . . . das waren so annähernd hundert Städte, die wir von Minas Gerais . . . bearbeiten mußten . Carl Heinz Streit: “Ich glaub es waren mehr sogar”. Hilde Streit: ”Hunderzwei.” Carl Heinz Streit: “Es waren so hundertundsechzig meiner Ansicht nach“. Frage: Und wieviel Kinos gab es so in jeder Stadt? Kann man das so . . . Carl Heinz Streit: In den kleinen Städten ein Kino.  Rolf Arno Streit: “Wenn es zwei gab, dann wurde uns . . . viel . . . das sehr erleichtert . . . denn wenn der eine nicht zahlen wollte, dann ist man zum anderen gegangen und der hat dann überboten und der hat dann die Filme bekommen. Frage: Kann man sagen, daß es ungefähr zwei bis dreihundert Kinos . . . Carl Heinz Streit:” . . . In Minas Gerais? viel mehr . . . ”Rolf Arno Streit: “Sogar in . . . nur in Belo Horizonte gab es so annähernd . . . Carl Heinz Streit: “zwanzig . . . ”Rolf Arno Streit:” . . . zwanzig bis fünfundzwanzig Kinos . . . das ist Minas Gerais der zweitgrößte Staat von Brasilien . . . ich möchte sagen . . . das es so groß war . . . so groß ist wie Deutschland . . . Hilde Streit: “Größer . . . ” Carl Heinz Streit: “Ich glaube noch größer”. Frage: Die Bundesrepublik hat heute noch . . . ich glaube noch 3100 Kinos . . . wieviel? dreitausendeinhundert . . . in Deutschland? . . . Ja jetzt . . . in der Bundesrepublik. Rolf Arno Streit: ”Ja also ich kann es nicht genau sagen, wieviel es hier gibt, aber sicherlich nicht dreitausend . . . aber vielleicht sogar dreivierhundert . . . ich weiß es nicht genau, die wir zu bearbeiten hatten, ich sprech nicht von Brasilien sondern von nur vom Staate Minas Gerais . . . ” Frage: Sie sind nach dem Kriege 1952 wieder nach Deutschland gekommen um die Wiedergutmachung durchzusetzen. Können sie da mal nen bißchen was erzählen, wie das so passiert ist alles . .

Rolf Arno Streit: “Nein ich bin das erste Mal nach Deutschland gefahren . . . geflogen . . . 1949 . . . um die Wiedergutmachung zu regulieren . . . und hab mit Romahn und Schümann ein Abkommen getroffen, das Sass . . . Urich-Sass, also die Erben Urich-Sass . . . ein Drittel von allem was vorhanden war . . . auch was sie nachher an . . . an Wohnungen gekauft haben oder . . . gebaut haben . . . und ein Drittel Hugo Streit . . . die Familie und ein Drittel Romahn und Schümann zusammen. Das war eine aussergerichtliche Einigung . . . wenn sie das nicht gemacht hätten, dann wäre ich natürlich zu Gerichtsjustiz gegangen und hätte vielleicht mehr vielleicht weniger erfahren . . . aber es war ein günstiges Abkommen für beide Teile. Denn die Romahn und Schümann haben sich meinem Vater gegenüber bei der Ausreise . . . bei seiner Auswanderung anständig gezeigt . . . sie haben ihm Zuwendungen gemacht . . . die sie nicht nötig gehabt hätten . . . und da hat mein Vater zu mir gesagt . . . wenn du rüber fährst und die Sache in Ordnung bringst . . . berücksichtige dass . . . dass sie anständig gewesen sind . . . was ich auch getan habe . . . wir hätten natürlich alles haben können . . . übernehmen können . . . aber es war schon richtig so . . . (LKW Geräusch) . . . hinzukam, daß niemand von unseren Familien wieder nach Deutschland zurück gehen wollte, um die . . . um das Unternehmen zu führen . . . deshalb hab ich das so gemacht und das war auch im Einverständnis mit meinem Vater und meinen . . . den Urich-Saß Erben geschehen. Frage. Sie haben dann auch für den Manfred Hirschel noch ein Telefongespräch mit der Klara Esslen geführt über das Waterloo Theater . . . Können sie darüber noch mal was erzählen? Rolf Arno Streit: “Ja das Waterloo Theater gehörte irgendwie Manfred Hirschel . . . der ist verheiratet gewesen mit meiner Tante . . . der Schwester meines Vaters . . . und der bat mich als ich rüberging auch mal mit der Frau Esslen, die das Kino irgendwie bekommen hatte, wie weiss ich heute nicht mehr und mich mit der zu unterhalten zwecks Wiedergutmachung und diese Frau ist mir unverschämt gekommen und da hab ich das dann meinem Onkel geschrieben, dass ich leider für ihn nichts tun kann, denn ich hab genug mit meinen Sachen zu tun und außerdem ist sie unverschämt gewesen . . . hat mir gesagt . . . vorgelogen . . . Sachen, die ich nicht glaubte und mein Onkel, der hat später selbst die Sache durchgeführt und hat auch eine Entschädigung bekommen . . . Wie die gewesen ist, weiß ich nicht . . . ” Frage: Wenn sie heute beide an Deutschland denken . . . was . . . welche Gefühle haben sie da? Rolf Arno Streit: “Es war einmal sehr schön . . . sehr schön . . . wir sind in Deutschland geboren worden, waren Deutsche und obwohl schon in früheren Zeiten . . . ein Antis . . . ein gewisser Antisemitismus herrschte   . . . aber als dann die Nazis kamen . . . nicht wahr..und dann der Durchbruch des Antisemitismus gewesen ist . . . da war . . . da waren wir froh als wir draußen waren. Carl Heinz Streit: „Das was geschehen ist, das kann man nicht mehr vergessen. War zuviel und deswegen sind die meisten auch nicht wieder zurückgegangen nach Deutschland. Hilde Streit: „Nein, ich glaub, sehr wenige zurück gegangen nach Deutschland.“ Carl Heinz Streit: “Sehr wenige” Rolf Arno Streit: “Sehr wenig Leute . . . Juden sind zurückgegangen nach Deutschland. Einige, die nichts hier werden konnten sind zurückgegangen um dort Stellung zu bekommen . . . was vielleicht auch möglich gewesen war, aber die meisten sind hier geblieben, weil sie hier ihre zweite Heimat gefunden haben . . . . Hilde Streit: ”Wir sind zum Beispiel eine der wenigen, die überhaupt noch Deutsche geblieben sind, die anderen sind alle keine Deutschen mehr. Fast alle. Von unseren Bekannten bist du wir und Einsturz aus . . . ” Rolf Arno Streit: “ . . . naja aber es gibt natürlich diverse Deutsche, die wir nicht kennen, die auch Deutsche geblieben sind . . . also deutsche Juden . . . sind Deutsche geblieben. Aber wenig. Wir haben das Recht, das brasilianische Recht erworben durch unsere Anwesenheit von über fünfzig Jahren hier und wir haben ausserdem noch die Möglichkeit nach Deutschland zu reisen . . . ohne Visum und so weiter . . . Carl Heinz Streit: “Wir haben ausserdem brasilianische Kinder . . . ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet . . . wir haben so gut wie die selben Rechte (lauter LKW) eines Brasilianers Frager: Bitte noch mal ohne LKW Carl Heinz Streit: ”Wo wo soll ich anfangen?” Hilde Streit: ”Das du ne brasilianische Frau hast . . . ne Carl Heinz Streit: ”Außerdem haben wir brasilianische Kinder und ich persönlich bin mit einer Brasilianerin verheiratet und dadurch haben wir die selben Rechte wie ein Brasilianer. Nur das wir nicht Präsident der Republica werden können . . . Präsident von Brasilien . . . Hilde Streit: “Man kann auch kein Briefträger werden. Irgend etwas kann man nicht werden, was sehr wichtig ist. Rolf Arno Streit: ”Auf jeden Fall haben wir sehr viel mit durchgemacht, besonders deswegen . . . besonders in den Jahren als meine Eltern noch nicht hier waren. Es wurde ja immer schlimmer und schlimmer und mein Vater wurde gehetzt von der Gestapo und hat sich geflüchtet auf Landstrassen und auch auf Böden von Freunden . . . Boden heisst das da oben . . . ganz oben . . . da hat er geschlafen . . . er hatte einen Bekannten bei der Gestapo war, der ihm gut gesonnen war und der hat ihm immer berichtet, wenn er weggehen müßte, denn es kam eine . . . Nazi . . . Nazi Razzia und die wollten ihn abholen . . . da ist er gottseidank . . . dem ist er gottseidank entgangen eben durch diesen Bekannten bei der Gestapo . . . wenn ich den Namen wüßte würde ich ihn sagen, um ihm nochmal zu danken für alles . . . das was er für meinen Vater getan hat . . . er wird aber gar nicht mehr leben . . . und dadurch hat mein Vater sich gerettet vor dem Konzentrationslager. Ja “(Autogeräusche) Hilde Streit: “Sonst ist es eigentlich leiser hier”. Frage: Sonst hört man es vielleicht nicht so, wenn man nicht darauf achtet. Hilde Streit: “Dann finde ich es immer leiser als bei uns”. Carl Heinz Streit: “Bei uns hinten hört man überhaupt nichts “ (Warum sind wir da damals nicht hingegangen?) Frage. Wie oft waren sie jetzt nach dem Kriege in Deutschland? Rolf Arno Streit: “Ich war nach dem Kriege sieben oder achtmal in Deutschland, fünfmal wegen der Wiedergutmachungsgeschichten und Hilde Streit: Wie oft waren wir da . . . Rolf Arno Streit: Das darfst du ja nicht sagen. Hilde Streit: „Warum nicht?“ Rolf Arno Streit: “ . . . (lacht) und flüstert . . . weil wir noch eine Einreise haben wollen.“Hilde Streit Achso.(lacht) Rolf Arno Streit: „Bringen sie das bitte nicht mit rein.(lacht)“ Hilde Streit: „Achja wir wollen ne Einreise haben“ Frage: Es gibt doch so Einladungen auch . . . Hilde Streit: „Ne Einladung vom Senat.“ Frage: Die haben gerade dieses Jahr wieder so ein Programm aufgelegt. Hilde Streit: „Ja eben, denn fahren wir wieder hin.“ Rolf Arno Streit: „Ja ich persönlich hab geschrieben, ich war schon in Deutschland . . . und deshalb würde mir das nicht . . . beschieden . . . aber meine Frau . . . die noch nicht in Deutschland war. (Hilde Streit lacht) wird . . . da meine Frau noch nicht in Deutschland war . . . “ Hilde Streit: „Das ist doch gar nicht mehr drauf.“ Rolf Arno Streit: „Natürlich ist das drauf“ Hilde Streit: „Achja.“ Frage: Wir legen das da nicht vor. Hilde Streit: „Das wird abgeschnitten.“ Rolf Arno Streit: „Da meine Frau noch nicht in Deutschland war, hoffe ich vielleicht durch sie meine neue Einreise zu bekommen.. (lacht) ich persönlich würde so gerne meine Spesen übernehmen, wenn der Senat sie für meine Frau übernimmt“ (LKW Geräusche) Frage. Über den Spesen war der LKW drüber . . . Ich sag . . . über den Spesen war der LKW drüber . . . Rolf Arno Streit: LKW ? Frage: Lastkraftwagen . . . ich weiß nicht wie sie das Dietmar Bruns: Camioao Hilde Streit: Camiao Er spricht ja perfekt Portugisiesch. Rolf Arno Streit: „Soll ich das wiederholen?“ Hilde Streit: „Lieber nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ist schon drauf? Ajah Haben sie sonst irgendwelche Fragen zu stelle?“ Frage: Was wir vorhin ja nicht hatten, war den Eisenstein . . . das wir darüber vielleicht noch mal reden, das der Eisenstein ja mit dem Potemkin . . . in den Schauburgen gezeigt hat und das es ja bei der Ufa mehr sone . . . nationale Ausrichtung gab . . . das man so bestimmte Filme nicht mehr gezeigt hat . . . später . . . es gab später “Im Westen nichts neues” der durfte ja bei der Ufa nicht gezeigt werden und der lief dann in den Schauburgen, wissen sie darüber irgendwas noch? Rolf Arno Streit: “Im Westen nichts neues“ war wohl einer der größten Filme, der je hergestellt wurde und ich glaube, er wurde in den Schauburgen gezeigt, aber ich kann das nicht mit Bestimmtheit behaupten . . . ich entsinne, das wir den Film gesehen haben in London . . . wir sind . . . mein Vater hatte eine Einladung bekommen nach London zur Eröffnung eines . . . des größten Theaters von London . . . ich glaub es hieß Empire Palace . . . da wurde der Film “Im Westen nichts neues” “Gone with the wind” aufgeführt Hilde Streit/ Carl Heinz Streit: „Das ist “Vom Winde verweht” Rolf Arno Streit: „Ach das ist Vom Winde verweht. Wie hieß denn der im Westen nichts neues auf Englisch?“ Frage: “All quiet at.” Carl Heinz Streit: “All quiet at the on the eastern front” . . . Hilde Streit: “Und warum durfte das nicht aufgeführt werden? Frage: Das war . . . nicht national gesonnen . . . die haben behauptet das war Gegenpropaganda. Carl Heinz Streit: Remarque Remarque. Rolf Arno Streit: “Ich glaub es war der Film, vielleicht war es auch Gone with the wind . . . ich weiss es nicht. Carl Heinz Streit: „Der kam später, den haben wir in Brasilien gesehen. Hilde Streit: „Ja den haben wir in Brasilien gesehen“ Rolf Arno Streit: „Ja also es war der Film im Westen nichts neues mit dem der . . . mit dem das neue Kino in London eröffnet wurde, da sind wir rübergefahren . . . das entsinnst du noch . . . ” Frage: Ich hab noch eine ein bißchen schwierige Frage. Wie das mit dem Antisemitismus in Deutschland los ging . . . wie ist das bei ihnen gewesen . . . ich mein mehr so das religiöse . . . war das jüdische ne Religion oder war das ne bestimmte Weltanschauung oder waren sie mehr Deutsche oder . . . Rolf Arno Streit: “Wir waren mehr Deutsche als Juden. Wir sind sehr . . . frei . . . liberal erzogen worden, aber wir waren bewußte Juden . . . wir waren wie man sagt Zweitagjuden . . . wir sind nur zweimal im Jahr in die Synagoge gegangen . . . das war zum Neujahrsfest und zum Versöhnungsfest . . . Roshoshone (Schreibweise?) war das Jahresfest und Jomkippur (Schreibweise?) war das Versöhnungsfest . . . oder ist das Versöhnungsfest das auch hier gehalten wird in Brasilien. Aber wir hatten natürlich Unannehmlichkeiten . . . in Deutschland . . . ich hatte eine ziemliche Affäre wegen eines christlichen Mädchens und . . . hatte dadurch sehr große Unannehmlichkeiten . . . (LKW Geräusche) über die ich mit nicht auslassen möchte. Auf jeden Fall . . . die Nazis waren hinter mir her und ich konnte nur durch Selbstverteidigung dem Schlimmsten entziehen . . .  Frage: Wie war das in der Familie ihres Großvaters . . . War das stärker oder weniger stark? Rolf Arno Streit: “Sie sprechen jetzt von der Religion, von der Religiösität? Meine Großmutter war eine sehr religöse Jüdin, mein Großvater nicht. Aber meine Großmutter hatte auch einen jüdischen Haushalt, es wurde dort nur koscher gegessen . . .Hilde Streit: „Haben sie erzählt mit dem Schweinefleisch? . . . “ Rolf Arno Streit: ” . . . ja und mein Großvater, der war sehr . . . sehr wenig religiös . . . und aß sehr gerne Schweinefleisch . . . das kam zweimal im Jahre vor . . . das meine Großmutter von Morgends bis Abends . . . eben an den gehobenen Feiertagen in der Synagoge gewesen ist . . . dann ist er schnell ins Restaurant gegangen und hat dort wunderbares Schweinefleisch gegessen . . . (lacht) Ja . . . Was wollen sie sonst wissen?” Wollt ihr ein bisschen stehen . . . Pause 31. 07. 1990

Rolf Arno Streit am Klavier: Aus Werbezwecken hat man einen Schlager gemacht, den Schauburg Schlager, der den Zuschauern . . . ne ich hab falsch gemacht, können wir noch mal machen?  Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist Klavier Rolf Arno Streit singt: Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch denn sie will noch schnell mal in die Schauburg.  Klavier Ende Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Werbezwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg Wiederholung Ich werde ihnen jetzt den Schauburg Schlager vorspielen, der aus Propagandazwecken gemacht worden ist. Kinder seid vernünftig lasst die Frau durch, denn sie will noch schnell mal in die Schauburg. Frage: Herr Streit sie hatten erzählt, als im Februar 1927 die Schauburg Millerntor eröffnet wurde da kam Henny Porten nach Hamburg, können sie das noch mal erzählen wie das war? Rolf Arno Streit: „Ja Henny Porten kam nach Hamburg um die Schauburg Millerntor zu eröffnen. Da haben wir sie abgeholt am Hauptbahnhof. Das war eine Menschenmenge unvorstellbar . . . nachher schrieben die Zeitungen, dass der Bahnhof mehr besetzt war von Menschen als bei der Ankunft von dem Reichspräsidenten Ebert. Ja und dann ist die Henny Porten . . . hat da ein paar Worte gesprochen in der Millerntor Schauburg und das war der Anfang der Schauburg.“ Frage: Wissen sie noch, wie der Film hiess in dem sie da gespielt hat? Rolf Arno Streit: Nein, das weiss ich nicht. Das weiss ich nicht. Frage: Dann sind ja auch in den Schauburgen die Filme von dem Eisenstein gezeigt worden. Können sie das noch mal erzählen? Rolf Arno Streit: „Von Eisenstein ist gezeigt worden . . . wie ich erinnere . . . der Film . . . der Film Potemkin . . . sonst wüßte ich nicht, welche Filme dort aufgeführt worden sind.“ Frage: Wollt ich noch mal nachfragen . . . es lief ja (Flugzeug) . . . es lief ja in den Schauburgen auch der erste Tonfilm . . . dieser Ton war ja nicht sehr lang. Können sie mal sagen wie das ausgehen hat? Rolf Arno Streit: “Der Film hiess “Ich küsse ihre Hand Madam” mit Harry Liedtke und Marlene Dietrich. Innerhalb des Films wurde dann das Lied gesungen . . . vom Blauen Engel ne . . . ich weiß nicht mehr genau . . . es wurde ein Lied gesungen . . . der nicht nachher wie die allgemeinen Tonfilme gespielt ist sondern durch Grammophonübertragung.“ Carl Heinz Streit: „Plattensystem Plattensystem . . . nachher kam das Optik System auf Das war der Jazzsinger mit Al Jolson.“ Frage: Wann war das? Carl Heinz Streit: „Das war gleich danach . . . ich weiss nicht mehr welches Jahr es war.“ Frage: Das war denn schon der richtige Tonfilm. Carl Heinz Streit: „Das war der richtige Tonfilm . . . der optische Tonfilm ja . . . der erste optische Tonfilm“. Frage: Das hat ja bestimmt damals auch ne Menge Geld gekostet. Wissen sie was sowas kostete . . . son Tonfilmapparatur? Carl Heinz Streit: „Die Tonfilmapparatur . . . nein das weiß ich nicht.“ Rolf Arno Streit: „Ja die waren irrsinnig teuer. Wenn . . . das war die erste Schauburg, die damit ausgerüstet . . . die . . . die Tonfilmübertragung gehabt hat.“ Carl Heinz Streit: „ Die optische.“Rolf Arno Streit: „Und dann hintereinander wurden die anderen Schauburgen auch damit . . . versehen . . . Aber wie teuer das war . . . das war ein ungeheurer . . . ungeheuer teuer . . . aber wie teuer kann ich leider nicht mehr sagen. Frage: Es gab ja lange auch einen Streit zwischen den Stummfilmleuten und den Tonfilmleuten und die Stummfilmleute haben ja immer gesagt, das wär gar keine Kunst, das wär irgendwie nur . . . irgendwas anderes. Rolf Arno Streit: „Nun naja . . . die sind mit ihrer Meinung ja nicht durch gekommen denn jetzt gibt es ja nur noch Tonfilme . . . Also das glaub ich nicht, das die damit durch gekommen sind . . . Das so etwas existiert hat, das erinner ich auch . . . aber wird naürlich sofort abgeblasen

Frage: Es gab dann noch . . . den Film ”Im Westen nichts neues” über den ersten Weltkrieg . . . ein amerikanischer Film, der in den Ufa Kinos weder synchronisiert noch gezeigt werden durfte oder sollte. Und der ist ja in den Schauburgen gelaufen . . . Können sie darüber noch mal was sagen: Rolf Arno Streit: „Ja das war ein großer Erfolg . . . aber . . . viel mehr kann ich auch nicht darüber sagen. Er wurde in den Schauburgen gespielt und das weiss ich, das erinner ich, daß mein Vater uns sagte . . . es war ein ganz großer Erfolg . . .  “ Frage: Zur Premiere waren sie . . . waren sie . . . zur Premiere des Films . . . Rolf Arno Streit: „Sicher waren wir zur Premiere des Films . . . aber Einzelheiten kann ich nicht sagen . . . denn das liegt ja schon viele . . . viele Jahre zurück“. Frage: Herr Streit . . . können sie noch mal erzählen, wie sie von Rio nach Belo Horizonte gekommen . . . wann das war.Rolf Arno Streit: „Wir sind angekommen . . . das sagte ich schon im Jahre 1936 . . . mein Bruder und ich . . . Später sind meine Eltern gekommen . . . im Jahre 1938 . . . und wie bekannt ist Rio eine der heißesten Städte der Welt . . . wir haben hier im Sommer . . . Hitze . . . bis zu über 40 Grad im Schatten . . . das konnten meine Eltern nicht vertragen . . . deshalb sind wir nach Belo Horizonte übersiedelt, welches ungefähr achthundert Meter hoch liegt und dadurch . . . einen Filter . . . ein besseres Klima hat. Ich will ihnen jetzt mal kurz mal Belo Horizonte zeigen, was wir von oben hier sehen können.Hier das ist Belo Horizonte (Die sagen immer bello).“ Frage: So sah es doch 1941 bestimmt noch nicht aus . . . das war . . . Rolf Arno Streit: Das möchte ich noch mal sagen. Belo Horizonte, als wir hierher kamen 1941 . . . hat circa hundertfünfzigtausend Einwohner . . . jetzt . . . hat Belo Horizonte etwa drei Millionen Einwohner . . . also ist größer als Hamburg . . . . . . . . . . . . Pause . . . . . . Fotoansichten Carl Heinz Streit: „Dieses Foto ist aufgenommen bei dem Fotografen Bieber, der einstmals der größte Fotograf in Hamburg war. Dies ist mein Vater, dies ist mein Bruder Rolf und dies bin ich. Wie sie sehen habe ich vergessen, das Taschentuch in die Tasche zu stecken und hab dadurch von meinem Vater eine große Tadelung bekommen . . . (Wiederholung) Das hab ich ihnen dann zugedacht. Carl Heinz Streit: „Dieses hier ist die Familie Urich-Saß . . . Mein Onkel Hermann Urich-Saß, meine Tante Hedwig Urich-Saß, meine Cousine Vera . . . schon verstorben . . . mein Vetter Horst Urich-Saß und mein Vetter Jürgen Urich-Saß . . . auch schon verstorben . . . „Wiederholung Carl Heinz Streit: „Dies ist die Familie Urich-Sass . . . Das ist meine Tante Hedwig Urich-Saß . . . schon verstorben, das ist die Tochter Vera . . . auch schon verstorben . . . mein Onkel Hermann Urich-Saß verstorben . . . Jürgen Urich-Saß . . . auch verstorben . . . der einzige überlebende der Familie ist mein Vetter Horst Urich-Saß, der in Mexiko und in den Staaten lebt.“Jetzt kommt das nächste Foto Carl Heinz Streit: „Dieses sind meine Eltern, mein Vater und meine Mutter. Beide auch schon verstorben.“ Dies sind meine Großeltern Frida Henschel und Jeremias -genannt James Henschel . . .Eins ist da noch zwischen . . . ein Kinderfoto „Dies ist mein Bruder Rolf Arno Streit und dies bin ich Carl Heinz Streit . . . das ist aufgenommen vor circa . . . 70 Jahren . . . aufgenommen vor circa 70 Jahren . . . (1990) Rolf Arno Streit und Carl Heinz Streit (ca. 1920)Da war ich sieben . . . und mein Bruder 6 Jahre alt“. Etwas älter. Rolf Arno Streit: Mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . Der Bruder oder selbst. Rolf Arno Streit: „Jein . . . mein Bruder ist ja ein Jahr älter als ich . . . der kann ja nie jünger werden . . . Gut ja . . . „Das Bild mit dem Motorrad.Aber das ist aber so klein. Geht los. Hilde Streit: „Also ich bin einmal . . . einmal in meinem Leben Motorrad gefahren hab keine Ahnung gehabt und der hinter mir gesessen hat hat immer gesagt bremsen und dann hab ich nicht gewußt, wie zu bremsen und hab immer mehr Gas gegeben . . . Frage:  Das Foto ist in Hamburg aufgenommen?. Hilde Streit: „Ja ist in Hamburg aufgenommen worden . . . aber wo kann ich nicht mehr sagen —„Rolf Arno Streit: „Bebelallee ? Wie lange muß das her sein, Hansa Strasse?“ Rolf Arno Streit: Dieses Bild ist aufgenommen auf der Hochzeitsfeier von meiner Tante Grete und von dem Onkel Hermann . . . der ist vielleicht fünfundzwanzigsechsundzwanzig Jahre alt gewesen und meine Tante war ja in den zwanziger . . . Anfang zwanzig . . . sie war die Schwester meiner Mutter . . . ist leider beim ersten Kind verstorben . . . bei der Geburt des ersten Kindes . . . Dies hier ist mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . . Dies hier ist mein Vater Hugo Streit . . . und meine Mutter Sophie Streit . . . Hier ist ein Familienbild der Familie Streit . . . das wurde aufgenommen in . . . soweit ich erinnere in den Schauburg Studien . . . es war ein Freund meines Vaters . . . der in den Schauburgen . . . in den Läden der Schauburgen Fotoateliers betrieb . . . Auf diesem Bild sehen sie die ganzen Brüder meines Vaters . . . hier mein Vater . . . hier ein Bruder Max ein Bruder Richard , Bruder Albert . . . ein Bruder John . . . das war der älteste . . . Frauen und die Kinder . . . hier ist die Schwester Grete Hirschel mit ihrem Mann . . . und hier ist noch Franz Traugott, der Prokurist meines Vater geworden ist . . . mit seiner Frau Bianca . . . die vor einigen Jahren mit neunundneunzig . . . Jahren gestorben ist . . . . Hier sind lauter . . . Frage: Den Manfred . . . ist der auch da drauf zu sehen . . . Manfred Hirschel . . . Ist der Manfred Hirschel auch da drauf zu sehen? Rolf Arno Streit: „Hier ist Manfred Hirschel . . . Dies hier ist ein Familienbild der Familie Streit.Und zwar wurde das aufgenommen . . . wenn ich mich nicht irre . . . zum siebzigsten Geburtstag meines Großvaters Jakob Streit . . . Hier sehen sie meine Eltern . . . mein Vater Hugo Streit und meine Mutter . . . hier bin ich . . . schlecht getroffen . . . hier ist Max . . . Richard . . . Albert . . . John . . . Bianca . . . und Grete . . . alles geborene Streits mit ihren Männern . . . hier sitzen die ganzen Kinder . . . also meine Cousinen und meine Cousins . . . hier ist mein Bruder noch zu sehen. ,, . . . Dies hier ist auf dem Eiffelturm . . . hier sitzt meine Mutter . . . mein Vater . . . mein Bruder Carl Heinz und ich . . . das sind die ersten langen Hosen . . . die wir in Paris von meinen Eltern geschenkt bekommen haben . . . das erinner ich noch . . . hier auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida Henschel und James Henschel . . . mit ihrer Tochter Bianca Henschel . . . aufgenommen in Wiesbaden . . . Die ist ein Familien . . . dies ist ein Bild meiner Eltern mit meiner Großmutter . . . “ LKW nochmal alles ? Frage: nur das letzte.Bild Rolf Arno Streit: „Dies ist das Bild meiner Eltern, mein Vater . . . meine Mutter . . . meine Großmutter Frida Henschel . . . und weitläufige Verwandte . . . im Hintergrund sehen sie unseren Cadillac Wagen . . . das war der erste Cadillac von Hamburg . . . und hatte Aufsehen erregt . . . hier ist noch zu sehen unser Chauffeur . . . .Ja das ist mein Vater . . . Auf diesem Bild sehen sie meinen Vater im Hintergrund ein Flugzeug . . . wo das gewesen ist, kann ich ihnen leider nicht mehr sagen .. . . dies sind meine Eltern Hugo Streit und Sophie Streit mit der Schauburg Zeitung . . . Jedes Kino . . . jedes Kino . . . also jede Schauburg hatte eine . . . hat eine . . . hat eine Zeitung bekommen . . . die gleichzeitig ein Programm von dem jeweiligen . . . Film . . . enthalten hat . . .  Hier sehen sie mein Vater Hugo Streit . . . und Hermann Urich-Saß . . . sein Kompagnon . . . die beiden haben die Schauburgen und den ganzen Konzern gemeinsam aufgebaut . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Frida und James Henschel . . . mein Vater . . . Hugo Streit und meine Mutter Sophie Streit . . . am Europäischen . . . vor dem Europäischen Hof in Baden Baden . . . Auf diesem Bild sehen sie unser Haus in der Rothenbaumchaussee . . . im Vordergrund stehen . . . steht die Familie . . . und hier ist der Cadillac . . . noch einmal richtig zu sehen . . . .Dies ist ein Bild aufgenommen in Rio de Janeiro . . . da sind wir soweit erinnerlich nach Petropolis raufgefahren . . . dies ist meine Frau und dies bin ich . . . Rolf . . . auf diesem Bild sehen sie mein Hochzeitsbild mit meiner Frau . . . die in Holland in Haag . . . gefeiert wurde . . . weil ich seinerzeit nicht mehr nach Deutschland zurückkehren konnte . . . ohne Gefahr zu laufen ins Konzentrationslager zu . . . zu kommen. Da haben wir bei meiner Tante, die damals in Holland lebte . . . Bianca . . . unsere Hochzeit gefeiert . . . Zu der Hochzeit sind die ganzen Verwandten . . . auch meine Großeltern . . . James und Frida . . . auch meine Eltern und die Eltern meiner Frau herübergekommen . . . Tja . . . dies ist ein kleines Bild in Monte Carlo aufgenommen . . . ich ersehe daraus nur . . . mein Großvater James und meine Großmutter Frida . . .  ein Moment . . . Alte Postkarte Cap Norte Dies ist ein Bild von der Cap Norte . . . das Schwesternschiff von der Cap Polonio . . . mit dem wir . . . meine Frau und ich nach der Hochzeit wieder zurückgefahren sind nach Rio . . . zurück bin nur ich gefahren . . . meine Frau habe ich aber mitgenommen . . . Hilde Streit: Dankeschön (lacht) . . . . . . Dies war auch ein Bild . . . hier ist der Betrüger drauf . . . das will ich gar nicht zeigen . . . Frage: Das ist auch von der Überfahrt. Rolf Arno Streit:“ . . . das ist auch der Betrüger drauf.“ Frage: Dann machen wir die Zwischenstation in Portugal noch. Rolf Arno Streit: Was ist das denn . . . Frage: Portugal. Rolf Arno Streit: „In Lissabon Sierra Campus . . . 1937 . . . Auf diesem Bild . . . soll ich anfangen . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Großeltern Streit Jakob und Trude . . . .(Strassenbahngeräusche) . . . Auf diesem Bild sehen sie meine Eltern auf der Cap Polonio . . . sie besuchten uns zu jener Zeit in Rio . . . sie besuchten uns im Jahre 1937 . . . nein das kann nicht sein . . . sie sind damals aus Amerika zurück gekommen . . . ich entsinne das nicht mehr ganz genau. . . Hier sehen sie meine Eltern Hugo und Sophie Streit mit den Eltern meines Vaters Trude und Jakob Streit . . . mein Bruder Carl Heinz und ich als der jüngere . . . auf dem Bild erscheine ich der Höhe wegen als der ältere . . . aber in Wirklichkeit bin in der jüngere   . . . hier auf diesem Bild sehen sie meinen Bruder mit seiner Amme . . . das bin ich . . . da . . . da arische Musiker nicht mehr für Juden spielen durften . . . spielen durften haben wir eine jüdische Kapelle gegründet . . . . den Namen Catus . . . ich war der Kapellmeister . . . dies sind alles jüdische Musiker . . . wir spielten sehr viel auf jüdischen Festen . . . privater Natur und auch . . . entsinne ich ein Henry Jones Logenball . . . Henry Jones Logenball . . . Hernry Jones Loge war eine jüddische Loge und die hat dann jedes Jahr ein großes Fest gegeben auf dem wir gespielt haben . . .  Frage: Buenos Aires steht da hinten drauf. Rolf Arno Streit: Buenos Aires . . . die haben gar nichts mit uns zu tun . . . : Ja dann sind wir durch. Frage. Das ist auch schon Buenos Aires Rolf Arno Streit: „Nein das ist Travemünde. Travemünde . . . Ah ja . . . (Hundegebell im Hintergrund) Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie wie die Menschen früher am Strand angezogen waren. Dieses Bild zeigt den Strand von Travemünde. Mein Vater im Badeanzug meine Mutter in der Badeho . . . anzug. Mein Onkel . . . alle gut gekleidet . . . hier bin ich und hier ist mein Bruder Carl Heinz Das ist 19 . . . und etwa 1913 gewesen . . . so ging man an den Strand . . . ne eben nicht . . . ich hab mich geirrt . . . es waren keine Badeanzüge . . . es waren Anzüge mit steifen Kragen . . . Eckenkragen . . . meine Mutter in einem eleganten Sommerkleid . . . mit Hut und die Amme hier mit dicken Brüsten zu sehen. Frage: Und das andere Foto . . . können wir das noch sehen?Rolf Arno Streit: „Hier sehen sie wiederum am Strand von Travemünde die ganze Familie in ihren besten Kleidungsstücken . . . „Frage. Da waren laute Kinder, wollen wir das noch mal haben ja einmal Rolf Arno Streit: „Auf diesem Bild sehen sie die ganze Familie wie sie damals vor circa achtzig Jahren am Strand von Travemünde . . . erschienen.“ Hilde Streit: „Jetzt wenn sie in Rio sehen . . . wie die Leute da schwimmen . . . „Frage: Ich glaube, das genügt auch. Ist es alles schön Herr Kameramann? Brasilianisch wird jetzt geredet. Die Fragen stellte Jens Meyer, Kamera hat Dietmar Bruns gemacht

Das Interview mit Rolf Arno Streit, Hilde Streit und Carl Heinz Streit fand am 30. und 31. Juli 1990 in Belo Horizonte, Brasilien statt. Rolf Arno und Carl Heinz Streit sind die beiden Söhne des Kinobesitzerehepaars  Sophie (geb. Henschel)  und Hugo Streit, der zusammen mit seinem Kompagnon Hermann Urich Sass den Henschel Film und Theaterkonzern leitete und besaß. Das Unternehmen wurde in der Nazizeit enteignet (arisiert  nannten die deutschen Nazis das Verfahren). Die Nutzniesser hießen Paul Romahn und Gustav Schümann, ehemalige Angestellte des Henschel Film und Theaterkonzerns.

Interview Jens Meyer

Anmerkung 2017. Der Mann, der  Carl Heinz Streit in Brasilien sofort angestellt hat, war Al Szekler (in dieser Schreibweise). *Al Szekler war Direktor der Firma Universal Film SA Brasilien. Jens Meyer 2020

Belo Horizonte 31. Juli 1990. Von links nach rechts: Carl Heinz Streit, Rolf Arno Streit und seine Ehefrau Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer, geb. am 9. August 1913, gest. 1993. Foto Jens Meyer

Belo Horizonte Brasilien 1990
Hilde Streit Carl Heinz Streit
Hildegard Käthe Streit, geb. Sochaczewer. geb. 9. August 1913 in Hamburg. Gest. 1993 in Belo Horizonte (Brasilien). Rolf Arno Streit. geb. 26. August 1911 in Hamburg. gest.15. Februar 1993. In Belo Horizonte. (Brasilien)
Tier
Carl Heinz Streit 1990