Im Wald ist der Bär braun Nur im Eis ist der Bär weiss

Wikipedia schreibt:

Bereits 1973 – also noch in der Amtszeit Bauers – wies der Filmhistoriker Wolfgang Becker (1943–2012) darauf hin, dass Alfred Bauer in der Reichsfilmintendanz gewirkt hat und dort einer ihrer beiden Referenten war. Auf diese enge Verstrickung mit der Reichsfilmintendanz und damit zum NS-Propagandaapparat machten auch Hans Christoph Blumenberg (1993), Felix Moeller (1998) und Tereza Dvořáková und Ivan Klimeš (2008) aufmerksam, ohne dass es zu Reaktionen der deutschen oder internationalen Presse gekommen wäre.“

Aus dem Buch: Zur politischen Ökonomie des NS-Films von Wolfgang Becker, Berlin, Verlag Volker Spiess 1973: Seite 199 “ . . . Allgemeiner Stellvertreter des Reichsfilmintendanten war Dr. Walther Müller-Goerne, Referent in der Reichsfilmkammer bis zu seiner Ernennung. Ihm war die Regelung des gesamten Geschäftsganges übertragen: Besetzungsfragen, Vertragsabschlüsse, Einsatzkontrolle, Filmgestaltung usw.. Unterstützt wurde Müller-Goerne hierbei von Dr. Alfred Bauer, der ebenfalls Filmkammer-Referent (Fachschaft Film) war. Siehe: 539)

[Anmerkung 539: Die Beurteilung der Partei-Kanzlei lautete: “Eifriger SA-Mann (BDC-PKC Akte Bauer). Bauer selbst sprach von einem „nachweislich erzwungenen Partei-Eintritt“

(Vgl. die Rechtfertigungsschrift Bauers: “Wie entstand ein Film im Nazi-Deutschland“ vom August 1945, die allerdings wenig informativ ist, da sie lediglich den Leistungssteigerungserlaß wiedergibt; Ufi-Ffm 21/088)]

Seite 542Almanach

Pdf Abschrift Propaganda Minist (Zeichen 3.223)

Neu aus dem Antiquariat: Bücher von Berni Kelb

Natürlich hatte ich sie auch noch in meinem Schrank. Zwei Bücher, die mir damals sehr geholfen haben. Entdeckt im Antiquariat. Damals 3,50 DM/4,50 DM. Heute 4,00 Euro. Und ich habe sie beide noch mal gelesen. Wieder mal festgestellt. Sie sind immer noch aktuell. Hilfreich. Im Internet habe ich einen Nachruf von Klaus Wolschner (taz Bremen) aufgespürt. Hier die beiden Bücher: Sie sind beide dünn. Erfreulich dünn. Die >Betriebsfibel< hat 70 Seiten. < >Organisieren oder organisiert werden< hat 95 Seiten. In der Einleitung heißt es: „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren. Und von diesen kriegen sie dann gesagt: >Das ist ja alles ganz schön, was du uns da erzählst. Aber mach man so weiter. Dann fliegst du bald raus! Auf deine – einer etwas kurzsichtigen Opferbereitschaft entspringenden – Erklärung: >Das macht mir gar nichts aus!< kommt dann die Antwort:>Uns aber.< Damit ist die Sache eigentlich erledigt. Du konntest dein Anliegen nicht vermitteln. Jetzt bist als Revolutionär isoliert.“

der Arbeitgeber 5 Köln 51. Oberländer Ufer 72

Klaus Wagenbach Verlag 1 Berlin 31 Jenaer Str.6

Sehr geehrte Herren,

in Ihrem Verlag ist die „Betriebsfibel“ von Herrn Berni Kelb erschienen, die jetzt auf den verschiedensten Lehrlingsveranstaltungen kursiert. Mehrere Leser erbitten in diesem Zusammenhang nähere Einzelheiten über die Person von Herrn Kelb. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ggfs. einen Lebenslauf oder sonstige Unterlagen hierzu übersenden würden. Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Heinrichsbauer)

– – –

1 Berlin 31, den 10.1.73 Jenaer Straße 9 Berni Kelb c/o Verlag Klaus Wagenbach

An den arbeitgeber – Der Chefredakteur –

Sehr geehrter Herr Dr. Heinrichsbauer,

ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom 8.1.73. Der Verlag Klaus Wagenbach hat – feige, wie es von einem linken Verlag nicht anders zu erwarten ist – sich vor der Beantwortung Ihrer berechtigten Fragen zu drücken versucht, indem er Ihren Brief an mich weiterleitete. Ich werde mich bemühen, Ihnen angemessene Auskunft zu geben.

Ich stamme also aus einer Familie, die seit vielen Generationen damit beschäftigt war, Arbeit zu nehmen, obwohl geben nach einem bekannten Zitat eigentlich viel seliger ist, denn nehmen. Wir lebten davon, daß wir für die genommene Arbeit auch noch Geld forderten: die ständig steigenden Löhne. Den Verlockungen eines so bequemen Lebenswandels konnte auch ich mich nicht entziehen: durch die Erlernung eines Metallberufes setzte ich die Familientradition fort.

Verschlagen, wie unsereins ist, merkte ich bald, daß bei den Unternehmern außer Arbeit und Lohn noch mehr zu holen sein muß. Von da an war ich nur noch von der Gier getrieben, ihnen alles zu nehmen. Als geeignetes Mittel dazu erschien mir eine planmäßig ausgeweitete Kumpanei mit dem Ziel, auf Insubordination gerichtete Zusammenrottungen hervorzurufen. Das verdichtete sich bei mir zu der ‚Primitivformel :“Der Feind steht immer oben!“‚, wie Clemens Steindl es auf Seite 978 der Nummer 23/24-1972 Ihres Organs so treffend charakterisiert. Das Unbehagen gegenüber dieser Losung und ihre Ablehnung als Vereinfachung teilen Sie übrigens mit Nikolaus Neumann, der in der bekanntlich DKP-nahen ‚Deutschen Volkszeitung‘ meint, mein ‚eigentlicher Feind‘ seien die ‚organisierte Arbeiterschaft, die kommunistischen Parteien und die Gewerkschaften‘. Ich verstehe die Welt nicht mehr! Sie werfen mich mit den Leuten in einen Topf, die mich mit Ihnen in einen Topf werfen.

Doch weiter im Lebenslauf. Das schreckliche Ende des letzten Krieges brachte es ja mit sich, daß unsere Gesellschaft von Aufweichungstendenzen demokratischer, liberaler und selbst sozialistischer Art durchdrungen wurde. Auch ich kam mit solchen Liberalen, Intellektuellen und ähnlichen zwielichtigen Gestalten in Berührung (im Vertrauen: manche waren gar Juden!) Sie stifteten mich an, meine bösen Gedanken zum Zwecke der Verbreitung aufzuschreiben.

Das Ergebnis liegt Ihnen ja vor.

Im Ernst: Wir haben mit Fleiß darauf verzichtet, Daten zur Person des Verfassers zu veröffentlichen, wie es sonst bei Büchern üblich ist. Ich betrachte mich nicht als Schriftsteller. Andererseits habe ich es abgelehnt, ein Pseudonym zu wählen; denn ich kann zu dem, was ich geschrieben habe, stehen.

Wenn Ihnen mein bloßer Name nicht gefällt, hier ein kleiner Tip. Einer meiner früheren ‚Arbeitgeber‘ wüßte plötzlich über meinen Lebenslauf sehr detailliert Bescheid. Er ließ auch durchblicken, dan (s) meine Vermutung, woher er seine Informationen wohl habe, richtig sei. Was einem einzelnen ‚Arbeitgeber‘ möglich ist, dürfte für Sie als Verallgemeinerung des ‚arbeitgeber‘ doch sicher keine nennenswerte Schwierigkeit bereiten.

In der Hoffnung, Ihnen hiermit gedient zu haben, verbleibe ich

mit schönen roten Grüßen

Berni Kelb

Barfoot klopft an den Sargdeckel

(Ein Nachruf auf Berni Kelb von Klaus Wolschner (Taz Bremen)

1971 veröffentlichte eine „Betriebsfibel“ – das war der gesammelte Erfahrungsschatz seiner linksradikalen Betriebsarbeit – zuletzt bei der Maschinenfabrik Kampnagel. „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren“, fängt das Buch an. Genau darum geht es: Wie kann man im Betrieb arbeiten, was sollte man lieber nicht machen? Ganz praktisch – und mit hohem Anspruch: „Unsere Arbeit gilt der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Sie hat das Ziel, jede Form der Herrschaft von Menschen über Menschen und die darauf beruhende Ausbeutung zu brechen.“ Kelb kannte auch den „inneren Feind“, die linken Funktionäre. Sein Rat: „Trau keinem, der dafür bezahlt wird!“

Dabei war Berni Kelb einmal Bestseller-Autor, jedenfalls in linken Kreisen, und seine Biografie ist ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts: Er stammt aus einer streng kommunistischen Hamburger Arbeiterfamilie. Sein Name wurde Anfang der 70er-Jahre öffentlich bekannt über Bücher, in denen er seine eigene kommunistische Vergangenheit verarbeitete. Schonungslos rechnete er mit dem Pathos der illegalen KPD der Stalin-Ära ab: „Die Mitglieder hatten zwar noch ihren blinden Glauben und guten Willen, aber die bezahlten, illegalen Funktionäre konnten ihnen keine Perspektive aufzeigen. Sie waren in der Situation einer Drückerkolonne, die Ladenhüter verkaufen soll.“

Ein Dokument der Zeitgeschichte aus heutiger Sicht, das damals 4 Mark 50 kostete, heute bei Amazon 39 Cent plus Porto. Irgendwann in den 90er-Jahren stand Berni Kelb dann bei der taz in Bremen auf der Matte. Ein kleines, schrulliges Männchen, das für die, denen der Name nichts sagte, aufgrund seiner nackten Füße auffiel. Auch im Winter.

Natürlich war er nirgends organisiert, wo auch, war ein Einzelgänger. Und wollte dennoch etwas sagen. Hin und wieder haben wir einen Text von ihm gedruckt – zum Beispiel einen Kommentar über das auch damals diskutierte NPD-Verbot.

Ich habe den Namen Kelb über sein anderes Buch kennengelernt: „Organisieren oder organisiert werden. Vorschläge für Genossen links unten“ der Titel. Als die Reste der 68er-Bewegung autoritäre Organisationen gründeten, packte Kelb aus – zur Freude aller antiautoritär gesinnten, undogmatischen Spontis.

Berni Kelb, in den 50er-Jahren strammer Kommunist und bei der illegalen KPD, in den 70ern ein Einzelgänger und Theoretiker der Spontis, ist gestorben. Ein „barfüßiger Prophet und gefallener kommunistischer Erzengel“ war Berni Kelb, ein „Anarcho-Kommunist und Querulant“, das hat der frühere taz-Kolumnist „Urdrue“ einmal geschrieben. Am 5. 12. 2011 ist Berni Kelb gestorben, bitterarm, auch in Walle unbekannt. Bescheiden wie er war, hat er sich auch in seine Einsamkeit gefügt.

„Hitler kam an die Macht, weil die Industrie ihn finanziert hat“, war vor elf Jahren sein Argument. In der NPD sammeln sich dagegen „nur ein paar Psychopathen, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt.“ Und dann sein Gedanke: „Antidemokratischen Parteien und Organisationen kommt man mit innerorganisatorischer Demokratie bei.“ Es müsste ein Parteiengesetz geben, das Maßstäbe für Transparenz und innerorganisatorische Demokratie setzt – die dann auch für eine NPD gelten würden.

Klaus Wolschner 9.12. 2011 Taz Bremen

Eine neue Heimat hat Berni Kelb seit den 90er-Jahren in einer Kultur gefunden, in der er aufgewachsen ist: bei den „Plattdeutschen“ und ihren Alltagsproblemen. Wie mit seiner Mutter in der Küche sang er im hohen Alter gern die plattdeutschen Lieder. Rund 50 Theaterkritiken über Aufführungen der niederdeutschen Bühne im Waldau-Theater finden sich im taz-Archiv unter seinem Künstlernamen Bani Barfoot. Und er hat das Schauspiel Rose Bernd von Gerhart Hauptmann ins Niederdeutsche gebracht, eine Tragödie voller Sozialkritik, menschlicher Einsamkeit und erotischer Verstrickung.

Foto: G. Klaut

von Barni Barfoot, erschienen in der Taz Bremen Drama un Komedie

„De Witwenclub“ vun Ivan Menchell: Premiere in de Komödie Bremen (vormals Niederdeutsches Theater)

Aff un an geevt se dor in Walle doch noch wat op Platt. Nu: „De Witwenclub“ vun den Amerikoner Ivan Menchell, na de düütsche Fassung vun Karin Kersten op Platt vun Hans Timmermann. Nich bloots de Autor, ok de Rejiessör (Thomas Wilberger), un de Dorsteller vun den eenzigen Keerl in’t Speel, den verwitweten Slachter Theo (Peter Wohlert) sünd Gäste. Kannst lang över nadenken!

Twee Szenarien gifft dat, – vun Bojan Boev bühnenbildnerisch excelent drapen – op de de Szenen afwesselnd speelen dot. De Komödie vun de dree Witfroons, de dat Stück den Namen verdanken deit, speelt in de Wahnstuuv vun Ida (Elfie Schrodt). Dat Drama – de deepere Sinn vun dat Stück – speelt op ’n Karkhoff.

Dor dreept se sick jümmers, de Dree. Jedeen vun jem truuert op eer eegen Oort. De Een, Doris (Ingeborg Heydorn) föhlt sick verlaaten, de anner, Luzie (Isolde Beilé), bedragen, un de drütte, Ida, eenfach alleen laten.

Un denn kummt de Witwer Theo, de bloots dat Graff vun sien Froo besöken will, jem in de Mööt. Ida kennt em as Kundin, bloots so. Doris kennt em ok. Se meent, dat harr mol meist ’n Afeere warden kunnt. Is dat aver nich worden. Un Luzie, de em gor nich kennt, smitt sick an em ran.

Doröverhen geiht de Fründschaft vun den Witwenclub (in’t Original: Cemetery Club) natüürlich eerst mol koppeister. Man se koomt doch jümmers wedder tohoop. Op’t End op den Karkhoff, as Doris dootbleven is.

Fazit: Dat Stück is ’n vigelienschen Balace-Akt twüschen Komedie un Drama. Wat dor an seelischet Eelend sick afspeelen deit bi den gröttsten Deel vun de Minschheit, wat in dat Öller de Witwen jo sünd is meisterhaft mookt.

Besünners Ingeborg Heydorn speelt eer swore Rull, de so simpel utsüüt, heel inföhlsam. Elfie Schrodt speelt eern Deel meisterhaft, as wi dat vun eer wennt sünd. Isolde Beilé hett eer egens dankbore Rull as Luzie, de an’t Enn leer utgahn deit, ’n beten wat övertrocken. ’N sporsomere Gestik harr mehr brocht.

Technisch: ’n Rejissör schull mehr Moot opbringen, in’n Vörweg ’n poor Överlängen in de Dialogen to strieken. De Soufflöse (Ingrid Frana-Sieweke) hett ’n scheune Stimm, de drägen deit. Un Mildred (Sabine Junge) – dat weet wi nu (dank Lore Schnabel, Kostüme) endlich nau – hett ’n wunnerscheun’n Rüggen.

Barni Barfoot

Die Tote von Beverly Hills (Michael Pfleghar)

Die Tote von Beverly Hills

BRD 1964; Regie: Michael Pfleghar; Kamera: Ernst Wild; Buch: Peter Laregh zusammen mit Hansjürgen Pohland nach einer Satire von Curt Goetz; mit Heidelinde Weiss, Klausjürgen Wussow, Wolfgang Neuss (In einer Doppelrolle: Detektiv Ben und Sheriff), Alice und Ellen Kessler, Horst Frank; 110 Min.

Links: Alice und Ellen Kessler in CinemaScope haben im Film nur einen sehr kurzen Auftritt von ca. 15 Sekunden (gleich am Anfang und sie dürfen nur einen Satz sagen). Aber sie sahen damals gut aus, weshalb dieses Bild immer wieder zum Einsatz kommt.

Am 25. Juni 1991 nahm sich in Düsseldorf ein Mann das Leben, der 27 Jahre früher (im Frühjahr 1964) mit seinem ersten Film in die Kinos kam. Kritik und Publikum waren sich einig: Der Regisseur des Filmes „Die Tote von Beverly Hills“ hat eine grosse Zukunft. Dennoch hat Michael Pfleghar nie wieder einen Film fürs Kino gemacht (Doch einen, ich habe den nie gesehen, vielleicht ist das noch eine Entdeckung), nur im Fernsehen konnte man seine Shows bewundern. Auch diese waren ihrer Zeit weit voraus. Schatzkiste des 3001 Kino (Archiv Kopien 35 mm)

Plakat des Film Verleihs Constantin Film (1964)

Mit von der Partie 1964 waren: Klausjürgen Wussow (lebt noch, bisschen jedenfalls), der ewige Bösewicht Horst Frank (leider verstorben), Wolfgang Neuss (leider auch schon tot, aber in diesem Film doppelt), Heidelinde Weiss und nicht zu vergessen: Alice und Ellen Kessler. Die Regenbogenpresse wusste 1991 genau, warum sich Michael Pfleghar eine Kugel gab: Wencke Myhre (Bekanntestes Lied: „Er hat ein knall-knallrotes Gummiboot“), der norwegische Schlagerstar, hatte ihn verlassen wegen eines Anderen. (Mannes). Curt Goetz hat die Satire “Die Tote von Beverly Hills“ 1951 geschrieben. „Curt Goetz, charmant und originell, widmete dieses Buch seiner Frau, die da behauptet, ich könne keinen erotischen Roman schreiben. Und ob ers kann. Dieser spritzige Cocktail aus Kriminalgeschichte, erotisch geladenem Tagebuch, stilechtem Western und einem Schuß Autobiographie, gemixt in Hollywood und versetzt mit einem Hauch Melancholie, ist ein äußerst geistreicher Genuss. Das Vergnügen am schlagkräftigen Wort, an der überraschenden Pointe, am Gewagten, das delikat das Allzu-Gewagte verschweigt, alles, was Bühnenautor Goetz so unnachahmlich macht, funkelt auch in jeder Zeile dieser Satire auf einen Bestseller.“ (Klappentext dtv Band 155, 7. Auflage Dezember 1965).

Aus dem Buch : Ein faltenreiches Kind, Die Geschichte von Wolfgang Neuss, von Gaston Salvatore, Fischer Verlag Frankfurt 1974, Wolfgang Neuss zu den Dreharbeiten von >Die Tote von Beverly Hills< abgeschrieben.

Hollywood >Willst du mal nach Amerika<, fragte der Jungfilmer Pohland. >Ich kann dir nur den Flug bezahlen und zwar fliegst du später als wir. Wir fliegen schon am 15. August, müssen noch alles organisieren<. >Wohin denn?<,fragte ich.>Direkt nach Hollywood. Du wirst genau erfahren , wo wir wohnen, das muß ich alles dort besorgen. Ich kann dir nichts bezahlen, ich kann dir höchstens fünfundzwanzig Dollar für den Aufenthalt geben, wir haben keinen Dollar übrig<. Ich bekam keine Gage, wollte aber nach Amerika. (Seite 257) . . .

Wir drehten. Mein Rolle wurde immer größer. Wir drehten auf dem Highway. Ich mußte das Auto der sogenannten Hauptgangster verfolgen. Pohland, der Geizkragen, hatte ein altes Sportauto besorgt. Mein Vater hatte es als erstes Auto in Deutschland gehabt. Vorne zwei Lederriemen über der Motorhaube, aber die war trotzdem locker. Der Anlasser war nicht mit Schlüssel, sondern zum Rausziehen. Das Auto hatte sogar ein wackliges Rad. Auf dem Highway mußte ich als Detektiv einkurven, dann aufstehen während der Fahrt, wild wie Dr. Mabuse. Die Haare flogen  . . .

Das alles im Smoking. Die ganze Fahrt war über zehn Meilen lang. Die Fahrbahn war dreissig Meter breit, voller LKWs, die doppelt so hoch und doppelt so breit wie wir waren. Wenn man unter so einen LKW kommt, ist man zwei Leichen, nicht ein . . . 

Polizei war keine da, sonst hätten sie uns alle für sieben oder acht Wochen ins Gefängnis gesteckt. Pohland und der Kameramann fuhren mit dem Kamerawagen in die Highway-Einfahrt rein, ohne nach hinten zu gucken, weil es ihnen egal war. Sie meinten:>Was an Verkehr kommt, kriegen wir bei dieser Breitwand in Farbe drauf.< Nur mir sagten sie es nicht. Ich sagte:>Da muß doch abgesperrt werden, und dieses Auto geht kaputt.< Michael Pfleghar, der Hauptdarsteller, kam lächelnd zu mir, nonchalant: >Toll. Wa?< Ich dachte, >was will der Idiot<  . . . 

Ich trat auf das Gaspedal. Sie kamen mit der Kamera zurück. Der Wagen schoß nach vorne. Eigentlich ruckte er nur ein Stückchen schneller. Als meine Augen über den Rückspiegel huschten, sah ich hinter mir einen Ami, einen LKW-Fahrer. Sein Ellenbogen kam als erstes ins Bild. Ein fremder Ellenbogen zwei Meter über mir. Vorne drehten sie wie die Irren. Der Fahrer guckte ganz lässig und lächelte zu mir nach unten: >Was will denn der Kleine, gleich rolle ich drüber weg, wenn er nicht macht . . .<

Wir kamen runter von dem Highway und fuhren wieder an die Ausgangsposition. Ich stieg aus, lies mich ins Gras fallen. Da merkten sie schon, daß mit mir etwas nicht stimmte. Pfleghar, wagte es diesmal nicht, zu kommen. Er hatte einen feinen Riecher, aber Pohland sagte:>Noch einmal< Aus dem Liegen antwortete ich:>Na ja, wir können ja abends drüber reden.< Ich stand auf und fuhr langsam mit meinem Wagen los. Pohland ging in die andere Richtung. Wir waren wie zwei feindliche Indianer. Pohland bildete sich ein, ich ginge nur Pause machen und würde gleich weiterdrehen. Ich hatte eine Todesangst ausgestanden, und jetzt wollte es Pohland >noch mal< machen. Mit dem wackeligen Auto! Durch die Tabletten war ich zusätzlich überreizt . . . 

Ich setzte mich in den Wagen und sagte zu dem Chaufffeur: >Fahr mich bitte ins Hotel. Der Film ist für mich beendet<. Doch ich drehte zu Ende. >Ich brauche was von den zehntausend Mark<. >Geh zu Krauser in Berlin<, sagte Pohland. Er war wirklich ekelerregend geizig. Auf dem Rückflug redeten wir nicht miteinander. Auf der ersten Seite der Beverly-Hills-Zeitung stand: German Jungfilmer schulden dem Staat Kalifornien zwanzigtausend Dollar Strassen Benutzungsgebühr.<“ (Seite 265 – 267) . . .

Foto von Wolfgang Neuss: Gisela Groenewold

(Apropos: Die von Wolfgang Neuss beschriebene Verfolgungsjagd ist in dem fertigen Film nicht verwendet worden. Ganze Todesangst vergebens)

(abgeschrieben von Jens Meyer. Damals musste man die Bücher noch abschreiben. Da war nix mit markieren und einfügen).

Und hier die neue Abteilung: Markieren und Einfügen.

Wikipedia schreibt: Ein gewisser C. G. entdeckt in einem kleinen Waldstück in der Gegend von Beverly Hills ein totes Mädchen. Die Leiche ist unbekleidet, es handelt sich dabei um die 17-jährige Lu Sostlov. Alles deutet darauf hin, dass hier ein unschuldiges, junges Mädchen mit einer blütenreinen Vergangenheit ermordet wurde. Der Detektiv Ben nimmt die Ermittlungen auf. Bald aber geben die ersten Untersuchungsergebnisse ein ganz anderes Bild von der Toten von Beverly Hills wieder. Ihr Tagebuch verrät, dass Lu mitnichten die Unschuld vom Lande war, sondern dass sie vielmehr ein ausgesprochen abwechslungsreiches Liebesleben geführt hat. Hinweise verdichten sich überdies, dass sie außerdem nicht einmal 17, sondern erst 14 Jahre alt war. In Rückblenden wird das „verruchte“ Liebesleben der Toten rekonstruiert und aufgerollt.

Die Liste der im Tagebuch aufgeführten Liebhaber Lus Sostlov ist lang. In ihren jungen Jahren hatte das promiske Mädchen unter anderem bereits eine Affäre mit einem wohlhabenden Maler, Dr. Steininger, dann mit Peter de Lorm, einem noch sehr jungen, aufstrebenden Drehbuchautor aus Deutschland, und dem bekannten Wagner-Tenor Swendka.

Und was ist mit diesem ominösen C. G., einem Schweizer Schriftsteller, der „ganz zufällig“ die Tote entdeckt hatte? Auch er findet Erwähnung im Tagebuch. Nicht zu vergessen Lus gehörnter Ehemann, ein in die USA emigrierter, exiltschechischer Archeologe. Ein Großteil der Spuren, die Lus Nymphomanie bei ihren Liebhabern hinterlassen hat, führen zugleich ins Nichts. Dann aber führt eine ganz heiße Spur Ben nach Las Vegas zu den tanzenden Tiddy Sisters, die dort jeden Abend in Unterhaltungsshows auftreten. Es stellt sich heraus, dass sie Rivalinnen der Toten waren und sie auf dem Gewissen haben.“

Und hier der Nachruf der:

Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Zum Tod von Hansjürgen Pohland 1934-2014:

Mit großer Betroffenheit haben wir vom Tod Hansjürgen Pohlands am 17. Mai 2014 erfahren. Pohland, geboren 1934, hat als einer der Unterzeichner des Oberhausener Manifests eine wesentliche Rolle in der Geschichte der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen ebenso wie in der deutschen Filmgeschichte gespielt. Zuletzt war er 2012 zum 50. Jubiläum des Manifests in Oberhausen zu Gast. Die Kurzfilmtage zeigten in den 1950er und Anfang der 1960er Jahre unter anderem seine Kurzfilme Was Du ererbt von Deinen Vätern (1958) oder Autos von morgen, Straßen von heute, Menschen von gestern (1962). Seine größten Erfolge hatte Pohland als Produzent von Herbert Veselys Das Brot der frühen Jahre (1962) und als Regisseur der Grass-Verfilmung Katz und Maus (1966), bliebe jedoch dem Filmemachen immer verbunden. Zuletzt realisierte er anlässlich des Jubiläums des Oberhausener Manifests die Dokumentation Die Rebellen von Oberhausen (2012) für ARTE. Wir werden Hansjürgen Pohland als einen passionierten Filmemacher und als eindrucksvolle Persönlichkeit in Erinnerung behalten, die wir auch 50 Jahre nach dem Oberhausener Manifest als Menschen erlebt haben, der offen für Neues und den Austausch mit jungen Filmemachern von heute geblieben war.“ (Oberhausener Kurzfilmtage)

PDFdie Toten von Beverly Hillsgeordnet

Grabstein von Klausjürgen Wussow in Berlin. Foto von  Phaeton1

(Aus Wikipedia)

rechts: Buchumschlag: Der totale Neuss, herausgegeben von Volker Kühn, 7. Auflage von 2004. Verlag Rogner & Bernhard

links: Werbepostkarte von EVA für ihre Neuss Bücher. Foto Gisela Groenewold

Dimitry D. Rostowsky Etikettendruckerei Oelkersallee

Eingang Oelkerscafe
Oelkers Cafe

PDF Dimitry Rostowski Etikettendrucker

Dimitry D. Rostowsky hatte 1989 eine Etikettendruckerei in der Oelkersallee 66 (direkt neben dem Oelkers Cafe, in der Oelkersallee 64, Hamburg Altona – gleichzeitig das Duckenfeld im Oelkers Cafe: Ein Kino mit 22 Sitzplätzen). Am 12. Juli 1989 führte ich mit ihm ein Gespräch über sein Leben. Er wurde 1942 von den Deutschen aus Kiew verschleppt. Damit das nicht verschwindet, habe ich dieses Gespräch am 12. Juli 1989 protokolliert.

Nach ca. einem halben Jahr mit Zwischenstationen u. a. in Warschau und Neumünster gelangte er unter SS Bewachung nach Hamburg. Zum Zeitpunkt der Verschleppung war er 19 Jahre alt und auf einer Kunstakademie (in Kiew?). Die Deutschen haben von allen Familien, in denen mehr als zwei Kinder waren, eins nach Deutschland deportiert. Seine Schwester hatte solche Angst und hat sich unter dem Sofa versteckt. Da ist er mitgenommen worden. Die Schwester haben sie später auch noch geholt, die hat dann in einer Eisengießerei (?) (Eisenfabrik?) in Görlitz arbeiten müssen.

Er kam dann in ein Lager für „Ostarbeiter“ in der Ruhrstrasse (in Hamburg Altona). Dort waren ca. 700 Männer und Frauen vorwiegend aus der Ukraine, der UdSSR und Polen. Sie arbeiteten für 15 Reichsmark im Monat in der Sperrholzfabrik von Heinz Meyer,  „Holsatia“ in der Ruhrstrasse 57 – 59 (bis 1940: Kruppstrasse 57 – 59) in Hamburg Altona (Holsatia-Werke Heinz Meyer KG Hamburg). Die Fabrik wurde im Krieg zerstört. Einige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen haben in der Fischfabrik (Leunastrasse/Schützenstrasse) gearbeitet. Der Inhaber der Firma der Sperrholzfirma, Heinz Meyer, war ein schlimmer Nazi. Einmal hat er einen „Ostarbeiter“, der sich gewehrt hatte, bei lebendigem Leib in den Ofen gesteckt. Menschen, die krank wurden, wurden sofort der SS gemeldet. Sie wurden abgeholt und sind nie wieder aufgetaucht.

Bei dem großen Bombenangriff mit Phosphor 1943 ist Dimitry R. in einen Bunker geflüchtet, der war total überfüllt. „Ostarbeiter“ hatten normalerweise keinen Zutritt. Während der Bombenangriffe sind drei Frauen geflüchtet, sind aber von der Gestapo „geschnappt“ worden. Sie gaben an, dass ein Pole ihnen gesagt hätte, das sie zu Bauern fliehen sollten. Der Pole wurde darauf hin auf dem alten Judenfriedhof öffentlich (alle 700 Ostarbeiter/innen wurden zum Friedhof geführt) hinter der Ruhrstrasse hingerichtet. Als sie dort ankamen, war bereits eine große Grube ausgehoben.

Die SS brachte dann den Polen, der gefesselte Hände hatte, die schon ganz blau waren, weil sie blutleer waren. Die SS hat ihm dann eine Pistole ans Genick gelegt und ihn erschossen. Dimitry R. erinnert sich noch daran, das das Gehirn rausgespritzt ist. Danach mussten sie wieder an die Arbeit. Teilweise mussten zwei Schichten hintereinander gearbeitet werden. Die Verpflegung war schlecht, aber oft haben ihnen Läden in Altona etwas zu essen geschenkt. Ein Schlachter hinter der Brücke, der hat Ihnen öfter Grützwurst geschenkt. Sie hatten einen Aufdruck OST, den sie immer tragen mussten. Wer ohne angetroffen wurde, bekam Schwierigkeiten mit der SS oder der Lagerleitung.

Nach dem Krieg hat Dimitry R. „Wiedergutmachung“ bekommen. Insgesamt 15.000,00 DM. Jetzt will ihm die Rentenversicherung die Jahre der Verschleppung nicht anrechnen. Die Rentenversicherung hat behauptet, das Lager hätte es gar nicht gegeben. Er musste in einem ersten Verfahren erst einmal beweisen, dass das Lager an der Ruhrstrasse überhaupt existierte, obwohl er von der britischen Militärbehörde einen Ausweis als Deportierter hatte. Den wollte die Rentenversicherung nicht anerkennen, weil sie in Englisch ausgefüllt ist. Auch die AOK hatte behauptet, von vor 1945 keine Unterlagen mehr zu haben. Jetzt hat er zwei Zeugen beibringen müssen, die bestätigen, dass das Lager existierte und er dort interniert war. Jetzt haben sie von der Rentenversicherung nur einen Monat für 1942 angerechnet, obwohl er doch bereits Anfang 1942 von den Nazis verschleppt worden ist.

Der Fabrikbesitzer Heinz Meyer  (Holsatia-Werke Heinz Meyer KG Hamburg) wollte von ihm nach 1945 einen Persilschein* haben, dass er immer gut zu den 700 „Ostarbeitern“ gewesen sei. Diesen Schein hat Dimitry R. nicht unterschrieben. Heinz Meyer wohnte in Flottbek/Othmarschen, Noerstrasse 11. (Im Adressbuch von Hamburg, Strassenverzeichnis 1951 ist als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen: Meyer, I. später: 1952-1965: Meyer, Frau Irmg.). Als Mieter: Meyer, Heinz, Fabrikt.). Heinz Meyer ist später gestorben. Hat aber seine Fabrik zurückerhalten, die sein Sohn später übernommen hat. Der  hat jetzt eine teure Villa in Hamburg Othmarschen. Nach weiteren Recherchen stellt sich heraus: Die Firma hiess: >Holsatia-Werke Heinz Meyer KG< in Hamburg.

abißRostowskiki-1NilpferdeinaugeBy-nc-sa_colorFotos Jens Meyer

Holsatia 1912 -1945 ist ursprünglich ein jüdisches Unternehmen das von Julius Neumann 1869 – 1930 und Erich Buchholz (1893 – 1932) gegründet wurde. (Holsatia ist das lateinische Wort für Holstein und wurde daher oft für Firmennamen benutzt): 1912 Holsatia Neumanns Spezial Möbel Fabrik, Arnoldstrasse 16 – 20 Geschäftsführer Julius Neumann. 1925 Holsatia Werke Neumann, Arnoldstrasse 22. 1926 Holsatia Werke Neumann KG auf Aktien, Arnoldstrasse 3/5. 1927 Holsatia Werke Neumanns Holzbearbeitungsfabriken Aktiengesellschaft (A.G.), Arnoldstr. 3 /5. 1928 Holsatia Werke Neumanns Holzbearbeitungsfabriken Aktiengesellschaft (A.G.), Arnoldstr. 3 /5. 1929 Holsatia Werke Neumanns Holzbearbeitungsfabriken Aktiengesellschaft (A.G.), Arnoldstr. 3 /5. 1930 Holsatia Werke Aktiengesellschaft (A.G.), Kluckstrasse 4 (E=Grundeigentümer). 1933 Holsatia Werke Aktiengesellschaft, Kluckstrasse 4 / Kruppstrasse 59. 1935 Holsatia Werke Aktiengesellschaft, Kruppstrasse 57/59.

Folgende Vermutung liegt nahe: Bei dem Unternehmen von dem Dimitry Rostowsky (Dimitry Rostowsky. Zwangsarbeiter bei Holsatia. Verschleppt aus der Ukraine nach Deutschland) erzählt hat, handelt es sich vermutlich um die ehemals jüdische Fabrik, die 1912 unter dem Namen Holsatia Neumanns Spezial Möbel Fabrik, von dem jüdischen Unternehmer Julius Neumann, Arnoldstr. 16 – 20, gegründet und betrieben wurde. Der spätere Fabrikbesitzer Heinz Meyer (Firma: Holsatia-Werke Heinz Meyer KG Hamburg) wollte von ihm nach 1945 einen Persilschein*, dass er immer gut zu den 700 „Ostarbeitern“ gewesen sei. Diesen Schein hat Dimitry R. nicht unterschrieben. Heinz Meyer wohnt in Flottbek/Othmarschen, Noerstrasse 11. (Im Adressbuch von Hamburg, Strassenverzeichnis 1951 ist als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen: Meyer, I. später: 1952-1965: Meyer, Frau Irmg.). Als Mieter: Meyer, Heinz, Fabrikt.). Heinz Meyer ist später gestorben. Hat aber seine Fabrik zurückerhalten, die sein Sohn später übernommen hat. Der hat jetzt eine teure Villa in Hamburg Othmarschen. Nach weiteren Recherchen stellt sich heraus: Die Firma hiess: >Holsatia-Werke Heinz Meyer KG< in Hamburg.

Abschrift aus:

“Jeder zweite, der in Kiel vor die Spruchkammer kam, hatte einem Juden das Leben gerettet, einen Demokraten vor dem KZ bewahrt und war ein geheimer Gegner der Nazis gewesen. Die Fragebögen wurden en masse* gefälscht. Neben der Wand mit den Tauschzetteln hingen jeden Tag die Anschläge der Militärregierung: »Wegen falscher Angaben wurde bestraft . . . «. Auf die Frage, wo der Schwarzhandel am besten gedeihe, erhielt man damals zur Antwort: am Bahnhof und vor der Spruchkammer! Da wurden – je nach Belastungsstufe – Kartoffeln, Eier, Mehl, Margarine, Hühner und Karnickel gegen »Persilscheine« getauscht. Gegen Bezahlung in Naturalien kaufte man sich frei von der Vergangenheit. Oder die alten Nazis legten einfach einen von den Spruchkammern errechneten Betrag auf den Tisch und waren von diesem Moment an keine Nazis mehr. Die als »Mitläufer« eingestuften zahlten etwa 200 RM; das juckte keinen, da das Geld ohnehin nichts wert war. Bloß die Kleinen, die Block- und Zellenleiter hat man rangenommen und als Trümmerauguste eingesetzt, während die vermögenden Pgs schon wieder in den Vorzimmern der Militärregierung saßen und auf ihre Lizenz warteten und frische Brötchen aus kanadischen Mehl aßen. Kein Wunder, daß uns die Entnazifizierung als Farce erschien!“ Wolfgang Ziemssen, ehemaliger Marineflak-Helfer in Kiel, dann Bauhilfsarbeiter, später Schauspieler. (Tonbandprotokoll) Wolfgang Ziemssen (1928 – 2012)

Wie man einen verlorenen Krieg gewinnt (Seite 280) »Persilscheine« Wolfgang Ziemssen: Zum Thema Persilscheine: Sich Freikaufen von der Vergangenheit

* Persilschein = Bestätigungen, die nach Kriegsende 1945 zu Unrecht von Mitmenschen unterschrieben wurden, die damit bestätigten, dass die Personen für ihre Verbrechen in der Nazi Zeit nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Die ausgestellten „Zeugnisse“ hatten die Funktion, dass Ihre Vergangenheit quasi  mit dem Waschmittel „Persil“ gewaschen wurde.

PDF Abschrift Persilscheine

PDF EineflacheEckewirdplattgemacht Kai Fabig

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Friedrichstrasse 225 Gedenktafel für Karl Wolffsohn

Gedenktafel201701-02-1Wer die Gedenktafel für Karl Wolffsohn in der Friedrichstrasse 225 sucht, sollte sich nicht täuschen lassen. „Friedrichstrasse 225 Gedenktafel für Karl Wolffsohn“ weiterlesen

Auf der Suche nach Ilse Kramp – Ilse Kubaschewski und ihrem Ru-To-Li

Ilse Kramp und Hans Wilhelm Kubaschewski: Wikipedia schreibt: (16. November 2020) Ilse Kramp: Die Tochter eines Postbeamten und einer Begleitmusikerin für Stummfilme besuchte das Schiller-Lyzeum und die höhere Handelsschule in Berlin. Sie wurde 1931 Stenotypistin beim Siegel-Monopol-Filmverleih und brachte es bis zur Disponentin. Später wurde sie Teilhaberin eines Berliner Kinos und schloss 1938 die Ehe mit dem Filmkaufmann und UFA Filialleiter Hans Wilhelm Kubaschewski. Ab 1945 lebte sie in München und übernahm mit Partner Luggi Waldleitner die Kurlichtspiele in Oberstorf. 1949 gründete sie mit einem Bankkredit von 30.000 Mark zusammen mit Waldleitner in München die Gloria-Film GmbH und die Gloria-Film GmbH & Co. Filmverleih KG.

Während der Zeit des deutschen Kinowunders dominierte ihre Firma in Deutschland weitgehend das Verleihgeschäft, erst in den sechziger Jahren wurde sie von der Constantin Film überholt. Ilse Kubaschewski war zeitweilig alleinige Deutschland-Vertreterin der Republic Pictures International und von 1953 bis 1962 auch Inhaberin der Produktionsfirma KG DIVINA-FILM GmbH & Co. (ursprünglich Diana-Film) mit dem Divina-Studio Baldham. Sie erbaute den Gloria-Filmpalast in München, der am 28. August 1956 eröffnet wurde. „Kubas“ Gloria-Bälle waren in den 50er und 60er Jahren in München ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis.

Was den Inhalt der Filme betraf, bevorzugte Ilse Kubaschewski lange Zeit Heimatfilme wie Schwarzwaldmädel und Grün ist die Heide oder zu Herzen gehende Lebensschicksale wie Die Trapp-Familie. Sympathische Hauptfiguren, viel Musik und ein Happy End hielt sie, wie sie einer Illustrierten erklärte, für unentbehrlich. Die Wende des Publikumsgeschmacks in den sechziger Jahren zu mehr Sex und Gewalt sowie das Aufkommen des Neuen Deutschen Films entsprachen nicht ihren Vorstellungen. 1974 verkaufte sie den Mehrheitsanteil des Filmverleihs an Barny Bernard und betrieb nur noch den Gloria-Filmpalast. In den 80er Jahren zog sie sich an den Starnberger See zurück. Im Jahr 1994 errichtete sie die Ilse Kubaschewski Stiftung, die zum einen in Not geratene Künstler unterstützt und sich zum anderen um eine humane Pflege im Alter bemüht. Ihre Grabstätte befindet sich auf dem Münchner Waldfriedhof.“

Hans Wilhelm Kubaschewski „1945 wurde Hans Wilhelm Kubaschewski in München Berater der Amerikanischen Militärregierung. US Sergeant Walter Klinger (1912–2003) nahm ihn in den Amerikanischen Film Verleih auf, der später in Allgemeiner Filmverleih unbenannt wurde. Dadurch konnte er unter anderem die Alliierten davon überzeugen, seiner Frau, die eine der ersten Verleiher-Lizenzen nach dem Krieg bekam, die Verleihrechte an 11 UFA-Erfolgsfilmen aus der NS-Zeit (vor allem mit Zarah Leander und Marika Rökk) zu überlassen, die selbst nach dem Krieg noch mehr einspielten als amerikanische oder französische Neuimporte. Von 1950 bis 1959 war Kubaschewski Direktor von Warner Bros in Deutschland.

In dieser Eigenschaft war er unter anderem verantwortlich für die deutsche Synchronisation des Filmes Casablanca, der in einer gekürzten Version 1952 in die deutschen Kinos gelangte. In dieser Fassung ist der Major Strasser herausgeschnitten und aus dem Widerstandskämpfer ist ein Strahlenforscher geworden. Erst einige Jahre später gibt es eine vollständige deutsche Synchronisation. 1959 wechselte er als Vorstandsmitglied zur Bavaria Filmgesellschaft, wo er zeitweilig alleiniger Vorstand war. Kubaschewski litt durch eine Erkrankung an einer Sprachlähmung und starb im Alter von 54 Jahren. Beigesetzt wurde er am Münchner Waldfriedhof.“

Hinweise zu einem Leserbrief von dem Filmkritiker Kurt Joachim Fischer an die Neue Zeitung (München). Die Neue Zeitung wurde von der Amerikanischen Militärregierung lizensiert und erschien später als Süddeutsche Zeitung. Der Filmkritiker Kurt Joachim Fischer hatte in einer Vorführung die deutsche Synchronfassung von ‚Casablanca‘ von Michael Curtiz gesehen und sich darüber gewundert, warum der Film um 25 Minuten gekürzt wurde. Er schrieb daraufhin einen Brief an den Filmverleih ‚Warner Bros‘ in Frankfurt und hatte nachgefragt, warum der Film gekürzt wurde. Die Firma Warner Bros ließ über ihren Geschäftsführer (Hans Wilhelm Kubaschewski) mitteilen, welche Beweggründe die Firma Warner Bros dafür gehabt hatte. Kurt Joachim Fischer war über die Antwort des Verleihs so empört, dass er einen Leserbrief an die Neue Zeitung (Vorgänger der Süddeutschen Zeitung) geschickt hat, in dem er aus der Antwort des Verleihs zitiert hat.

Das Zitat ist es wert, hier noch einmal präsentiert zu werden: „. . . Ich erhielt von (Warner Bros) folgende Antwort:

„Der Film ‚Casablanca‘ wurde im Jahre 1942 gedreht, und da er in seiner Originalfassung nicht mehr zeitgemäß und nicht zur Vorführung in Deutschland geeignet war, haben wir bei der Synchronisation des Filmes verschiedene Schnitte bzw. Änderungen vorgenommen, bevor der Film der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt wurde. Da ‚Casablanca‘ zu einem der eindrucksvollsten Bergmann Filme gehört, wollten wir diesen Film dem deutschen Publikum nicht vorenthalten und haben uns deshalb zu dieser deutschen Neufassung entschlossen“. Warner Bros. (Hans Wilhelm Kubaschewski)

(PS: Der Leserbrief von Kurt Joachim Fischer unter der Überschrift „Conrad Veidt wurde herausgeschnitten“ erschien in der Wochenendausgabe vom 24/25. Januar 1953, auf Seite 5 in der Rubrik „Briefe an die Redaktion“.

Nachtrag Fundstück Hans Wilhelm Kubaschewski:

Auf Seite 46 des Buches von Klaus Kreimeier (Kino und Filmindustrie in der BRD – Ideologie und Klassenwirklichkeit nach 1945, erschienen 1973 im Scriptor Taschenbuchverlag) steht: “Erstaunliche Karrieren zeichneten sich ab. Zu den Vertrauten der amerikanischen Militärbehörden gehörte Hans W. Kubaschewski, der schon vor dem Kriege mit Filmverleihern der USA verbunden war. Dann hatte er den Posten des Berliner Filialleiters der faschistischen Deutschen Film-Vertriebs-GmbH bekleidet, die zur UFA gehörte. Zusammen mit einem gewissen Walter Klinger aus Hollywood verlieh Kubaschewski nach 1945 die ersten Filme, vor allem Reprisen aus der Produktion vergangener Jahre. Der erzielte Gewinn ging in die Millionen. Kubaschewski war klug genug, sich nicht selber einen Filmverleih aufzubauen. Das tat seine Frau. Er, mit seinen guten Verbindungen zu den Amerikanern, knüpfte die Beziehungen und gab die richtigen Tips. Später wurde er der Verantwortliche des Warner-Brothers-Verleih und dann, von 1959 bis zu seinem Tode, Direktor der Bavaria in München. Ilse Kubaschewskis Gloria Verleih entwickelte sich zu einem der größten Verleihfirmen in Westdeutschland. Die Spezialität dieser Firma waren viele Jahre hindurch minderwertige Heimatfilme” (17).

Wer unter der Nummer 17 des ersten Kapitels nachsieht, um herauszufinden, wer diese Sätze wo geschrieben hat, wird vom Autor Klaus Kreimeier in die Irre geführt. Dort verzeichnet unter Nummer 17: “Statistik bei Pleyer a.a.O. S. 26.f. (Peter Pleyer, Deutscher Nachkriegsfilm 1946 – 1948, Münster 1965) “Nun befindet sich das Buch von Peter Pleyer nicht in jedem Deutschen Haushalt. Aber in meinem. Und damit kommt an den Tag, warum mein ehemaliger Dozent an der dffb leider die Quelle vergessen hat und wer diese Sätze in Wahrheit geschrieben hat. Peter Pleyer war es jedenfalls nicht. Aber ich kann Klaus Kreimeier helfen. (Von Meyer zu Kreimeier): Die Sätze stehen in dem Buch von Horst Knietzsch “Film gestern und heute“ und es ist erschienen im Urania Verlag in Berlin. Es ist die 3. Auflage vom 31. August 1967, die mir zur Verfügung steht. Immerhin mit einer Gesamtauflage von 65 Tausend Stück. Doch im falschen Berlin erschienen und damit unzitierbar für einen, der Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin bleiben will.

Ein gewisses Verständnis kann ich entwickeln, nachdem ich den Vortext von Horst Knietzsch zur Einleitung des Kapitels: “XVI Der westdeutsche Film zwischen Kunst und Kasse“ gelesen hatte. Dort steht- Zitat: “Im Gegensatz zur Filmindustrie in der Deutschen Demokratischen Republik, die in die Hände des Volkes gelegt wurde, nahm die westdeutsche Filmwirtschaft erneut Kurs auf eine kapitalistische Entwicklung und stellte sich im wesentlichen in den Dienst der herrschenden bürgerlichen Klasse.“ (Horst Knietzsch)-. Wie einfach doch die Welt sein kann. Und das kann ich mir, als einfacher Mensch, auch richtig gut vorstellen wie die Filmindustrie in der DDR in die „Hände des Volkes gelegt wurde“.

Dennoch zieht Klaus Kreimeier seine Schlüsse: “Die Biographie (von llse Kubaschewski, geb. Kramp), veranschaulicht die Komplizenschaft zwischen Imperialismus und nationaler Bourgeoisie im Bereich der Kulturindustrie – auch die strategische Rolle, die besonders reaktionäre, ehemals dem NS-Staat ergebene Kapitalisten im Zuge der Kolonialisierung der deutschen Märkte durch die US-Monopole übernehmen, und schließlich das Pfründensystem, das ihre Lakaiendienste belohnt. Die alliierte Verfügung, das gesamte reichseigene Filmvermögen – und damit auch die faschistische UFA – aufzulösen, wird von den deutschen Behörden formal befolgt und faktisch hintertrieben. Kreimeier hat alles richtig gemacht. Nur der Urheber des zitierten Textes ist ihm aus Versehen weggerutscht.

Literatur: Erich Scheibmayr: Letzte Heimat: Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen 1784-1984, Scheibmayr, München 1989, Wolfgang Becker: Film und Herrschaft. Zur politischen Ökonomie des NS-Filmes, Band 1, Verlag Volker Spiess, Berlin 1973. Jürgen Spiker: Film und Kapital, Verlag Volker Spiess Berlin. Hans Helmut Prinzler, CHRONIK DES DEUTSCHEN FILMS 1895 – 1994, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart Weimar 1995. Klaus Kreimeier, Kino und Filmindustrie in der BRD, Scriptor Verlag 1973, Horst Knietzsch, FILM gestern und heute, Urania Verlag Berlin (Ost), 3. Auflage (Seite 264), Klaus Kreimeier, Die UFA Story Geschichte eines Filmkonzerns, Carl Hanser Verlag 1992, Aljean Harmetz, Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen, Wie Casablanca gemacht wurde. Berlin Verlag 2001. Peter Pleyer, DEUTSCHER NACHKRIEGSFILM 1946 -1948, Verlag C. J. Fahle, Münster 1065, Online Archive of California: Klinger, Walter A. Papers. Ilse Kubaschewski: Det greift ans Herz. In: DER SPIEGEL 4/1957. Jennifer M. Kapczynski, Michael David Richardson (Hrsg.): A New History of German Cinema. Boydell & Brewer, 2012 (S. 329) Tim Bergfelder: International Adventures: German Popular Cinema and European Coproductions in the 1960s. Berghahn Books, 2005 (S. 75) Hans W. Kubaschewski. In: DER SPIEGEL 19/1959. Hans Wilhelm Kubaschewski In: DER SPIEGEL 50/1961.Spiegel: Ilse Kubaschewski. Hamburg April 1957, S. 38–44.

PDF Spiegel Januar 1957 Kubaschewski

KurtJoachimFischerWarnerbros

LeserbriefNeueZeitung

Foto von Clemens Franz. Berlin Rudow Prierosser Str. 32, bis Februar 1950 hiess die Strasse Bendastr. 32. Das Ru-To-Li Kino befand sich im Anbau (rechts)
Tier

Ein Brief vom 14. August 1933 von Leopold Gonser.

PDFBrief von Leopold Gonser

„Wer die Macht hat, hat das Recht“ Ein Brief aus Lübeck

Auszug aus einem der Briefe, die Leopold Gonser (Kinopächter der Stadthallen Lichtspiele in Lübeck, zusammen mit Ernst Robert und Wilhelm Markmann) am

14. August 1933 (Lübeck) an den Verband der Norddeutschen Lichtspieltheaterbesitzer in Hamburg schrieb. „Ein Brief vom 14. August 1933 von Leopold Gonser.“ weiterlesen

Waterloo Kino – Malve Heisig – Witwe von Heinz Bernhard Heisig

pdf Protokoll Malve Heisig

Tieresehendichan3Protokoll eines Gespräches mit Malve Heisig, am Dienstag, d. 24. Januar 1989 im Haus der Jugend Mümmelmannsberg. Malve Heisig ist zu diesem Zeitpunkt 72 Jahre alt. „Waterloo Kino – Malve Heisig – Witwe von Heinz Bernhard Heisig“ weiterlesen

Interview mit Norbert J. Kobler USA, L.A. 21. Juli 1990

Sohn des Schauspielers Julius Kobler (1866 – 1942)

PDF NorbertKoblerInterviewbearbeitet2020

Kobler 1990
Norbert Kobler
Julius Kobler Weg in Hamburg

Rita Bake Julius Kobler

Vortrag für StudentInnen über den Henschel Film- und Theaterkonzern

pdf Vortrag für Studentinnen

Vortrag vom 28. Mai 2008 Auf der Suche nach dem Henschel Film und Theaterkonzern Manuskript für einen Redebeitrag vor StudentInnen der Geschichte. Als Marei B. mich von ihrer Gruppe angerufen und mit mir diesen Termin ausgemacht hat, war eine ihrer Fragen, wie ich denn auf die Spur dieser jüdischen Kinobesitzer gekommen bin? Leider muss ich da etwas ausholen. Zunächst einmal, ich bin 1946 geboren und gehöre damit zu der Generation, die von ihren Eltern keine oder falsche Antworten bekommen hat, was denn da in ihrem Beisein von 1933 – 1945 passiert ist. Unsere Generation war es gewohnt, keine Antworten auf unsere Fragen zu bekommen, bzw. in der Regel wurden wir angelogen, sowohl im allgemeinen, als auch im persönlichen. Ich war also geübt im „Angelogen Werden“.

Gleichwohl war das (auch später) immer die Generation, die Europa in Schutt und Asche gelegt hatte und sich bei meiner Generation darüber beschwerte, wenn bei einer Demonstration ein paar Fensterscheiben bei Banken kaputt gingen. Das war der Boden. Wie nun Kinos? Schon als Junge interessierte ich mich für Kino. Später brach ich ein Ingenieur Studium (bei der Ingenieur Schule für Produktions- und Verfahrenstechnik) nach drei Semestern ab und bewarb mich an der Filmakademie in Berlin (dffb).

Wir wollten Filme machen, um dieses Land aufzuwecken. Die Wahrheit zutage fördern und die Verhältnisse zu ändern, von denen wir behaupteten, dass die alten Nazis noch immer die Politik bestimmten und die (ihre) Verbrechen versteckten. Als kleiner Junge (10 Jahre) war ich stets der Meinung, dass die Kommunisten den Krieg begonnen hätten. Kein Wunder also, dass sie in dem Deutschland, in dem ich langsam größer wurde, verachtet wurden und verboten waren. Erst viel später erfuhr ich, dass es die Konservativen in Verbindung mit den Nazis waren, die den zweiten Weltkrieg begonnen hatten. So viel zur Ausgangslage.

1976 war ich mit dem Studium an der Akademie (dffb) fertig und begann mich nach einer Berufsperspektive umzusehen. Fernsehen und Film. Ein Abfallprodukt des Studiums war die Beschäftigung mit der Geschichte des Kinos. Ein Bereich, weitgehend unerforscht. Filmgeschichte besteht aus Schauspielern, berühmten Filmen, manchmal kommen die Namen von Regisseuren dazu, selten die Kameramänner und die Tonleute. Aber niemals tauchen Kinobesitzer auf. Sie sind das Unwichtigste in der Filmgeschichte überhaupt, obwohl sie doch den Filmen erst die Chance geben, das sie das Licht der Welt erblicken. Irgendwann fielen mir dann, in der gut sortierten Bibliothek der dffb, die Reichskinoadressbücher in die Hände. Das Reichs Kino Adressbuch 1934. Eine Reihe von Kinos kannte ich, viele gab es nicht mehr.

Oft waren Straßen umbenannt worden. Merkwürdig war auch, dass zwischen 1933 und 1938 viele Kinos den Besitzer gewechselt hatten. Die Sache begann mich zu interessieren. Ich habe es damals so probiert, wie sie auch heute eine solche Sache vermutlich beginnen würden. Ich bin in die Kinos gegangen und habe gefragt.

Und es kam nur Schrott dabei heraus. Ja – aber man wisse nicht. Die Zuschauer schon gleich gar nicht. Nun, das ist nicht weiter verwunderlich, habe ich mir damals gesagt. Fragen sie mal heute einen, wem das Cinemaxx gehört, oder das Streits Kino. Nur wenige wissen es. Und für den Besuch eines Kinos ist das auch nicht wichtig. Doch auch die Beschäftigten hatten keine Kenntnisse.

Ja, sie wären ja im Krieg gewesen und haben gar nichts mitbekommen. Die alte Leier. Wegsehen, Lügen. Ich gab dann die Befragung von Zeitzeugen auf und sah mir stattdessen die Reichskinoadressbücher an. Da gab es einen „Henschel Film und Theater Konzern“, eine Firma mit zwölf Kinos, die sich im Laufe der Jahre von einer OHG in eine KG verwandelte und dann in einer Schauburg GmbH endete.

Mir begegneten die Namen Urich Sass und Streit. Später Romahn und Schümann. In der Filmakademie in Berlin gab es die Mikrofilme von zwei Tageszeitungen (6 x mal in der Woche), die sich ausschließlich mit Film beschäftigten. (In Hamburg gab es damals diese Mikrofilme nicht).

Die „Lichtbildbühne“ und den „Kinematograph“. Der Kinematograph gehörte dem Medienzar Hugenberg, das wusste ich, die Lichtbildbühne war weitgehend unabhängig. Also machte ich mich ran. An das Studium der Lichtbildbühne. Sechs mal die Woche, 52 Wochen und eine Menge Seiten. Nach drei Wochen war ich immer noch nicht weiter.

Eigentlich wusste ich auch gar nicht, was ich suchte. Ich wollte schon aufgeben, denn so viel Zeit hatte ich auch nicht. Das Stipendium war ausgelaufen. Also beschränkte ich mich auf historische Daten. Der 30. Januar 1933 war ein solches historisches Datum. An diesem Tag hatte der konservative Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Die Nazis nannten das später und heute auch noch, Machtergreifung. (Das stimmte nicht, wie ich heute weiß – 2014). Genau an diesem Tag wurde einer der beiden Kinobesitzer des Henschel Film und Theater Konzerns, Hermann Urich Sass im jüdischen Teil des Hamburger Friedhofs Ohlsdorf beerdigt.

Ich wechselte die Mikro Filme gegen die Grabplatten aus und suchte vor Ort. Und fand den Grabstein dieses Herrn. Ohne diese Zeitungsnotiz mit der Beerdigung auf dem Jüdischen Friedhof wären weiter alles nur Vermutungen gewesen. Das Grab wurde gepflegt und nach Landesbrauch kann die Pflege nicht ohne Geld erfolgen, also musste es Jemanden geben, der für die Grabpflege dieses Jüdischen Grabes bezahlte. Ich schrieb ein 19- seitiges Manuskript, in denen ich die wenigen Vermutungen über den Verbleib des Henschel Film und Theaterkonzerns unterbrachte. husass Foto Henning ScholzBy-nc-sa_color

IMG_3013-300x199Ich gab mein Manuskript in Hamburg in der Fruchtallee bei der Jüdischen Gemeinde ab und bat diese, das Manuskript an die Leute weiterzuleiten, die für die Grabkosten von Hermann Urich Sass aufkamen. Und ich hatte Glück, nach drei Monaten bekam ich Antwort aus Mexiko und aus Brasilien. Dorthin waren die entkommen, deren Väter damals dieser Kino Konzern gehörte. Es stellte sich heraus, ich hatte nicht schlecht vermutet. Die jüdischen Besitzer waren enteignet worden. Einige von ihnen waren der Deutschen Mordmaschine entkommen. Das Thema, so stellte sich heraus, war öffentlich-rechtlich nicht interessant.

Da ich beim Hamburger Filmbüro als Störenfried schon mehrfach aufgefallen war, stellte ich einen Antrag und benutzte dazu nicht meinen Rufnamen, sondern einen der beiden anderen, den mir meine Eltern mangels anderer Schätze vermacht hatten.

Und Otto Meyer hatte Glück, sein Antrag wurde mit 80 TDM gefördert. Zusammen mit dem Kameramann Dietmar Bruns fuhr ich nach Amerika (Nord und Süd) und wir befragten die Zeitzeugen. Sie haben mich gefragt, wie ich vor zwanzig Jahren darauf gekommen bin, nach diesen jüdischen Kinobesitzern zu suchen. Ich weiß es nicht. Aber als ich diese gefunden hatte, die Söhne und Töchter jener Kinobesitzer, da haben diese mir die gleiche Frage gestellt. Allerdings mit einem Zusatz. Wieso hat das so lange gedauert?

Und das ist wirklich die Frage, wieso hat es sechzig Jahre gedauert, dass sich jemand gefragt hat, wo sind die geblieben? Die Mörder von damals laufen ja noch alle frei rum. (Inzwischen nicht mehr, weil viele verstorben sind 2014). Mehrere Generationen hatten teilgenommen. Am Ende hatten sich alle Täter zu Mitläufern erklärt. Wer lange genug Krimis liest, weiß, was das große Problem des Mörders und der Mörderin ist. Das Verstecken der Leiche, insbesondere der Kopf macht Schwierigkeiten. Wir sind immer noch auf der Suche nach dem perfekten Mord und der wird mit den neuen technischen Möglichkeiten immer unmöglicher.

Anders dagegen ist es, wenn sich ganze Völker auf vielfältige Weise an diesem Mord beteiligen. Sich dann die Beute teilen und die Leichen verbrennen. Dann wird die Sache schon viel einfacher für jede/n einzelne/n MörderIn. Dann halten sie alle zusammen. Und wenn es dann noch um Leute geht, die man normalerweise nicht wahr nimmt, weil sie selbst in einem Teil des Unternehmens arbeiten, das man als Kunde nicht wahrnimmt, dann verschwinden diese Menschen fast spurlos. Oder kennen sie den Menschen, der für die Cinemaxxe die Filme aussucht? Oder gar jenen, der vor einigen Jahren noch als Besitzer jener Kinos fungiert hat?

Natürlich nicht. Manchmal begegnet ihnen die Kassiererin, manchmal der Vorführer, aber schon der Buchhalter ist dem Publikum, also uns, nicht bekannt. Eine weitere Tatsache kommt auch aus den Krimis. Verstecken lässt sich etwas am besten, wenn es mit einer anderen Sache, möglichst der gleichen Sache, zusammen liegt. Also Fleisch am besten bei Fleisch und Papier bei Papier verstecken. Diese Erkenntnisse haben eine weite Verbreitung. Wenn man also Papier nicht mehr rechtzeitig vernichten kann, dann versteckt man es besten bei anderem Papier und erfindet Vorschriften, nach denen es nicht gelesen und veröffentlicht werden darf.

Im Falle der jüdischen Mitbürger brauchte man keine Ängste zu haben. Alles gut in Archiven versteckt und erst in 50 Jahren zugänglich. Das wird bei uns Datenschutz genannt, ist aber doch nur Täterschutz. Sehr wirksam. Und natürlich: völlig absichtslos. Die Opfer, die noch lebten, waren froh, dass sie noch lebten und wollten auch nicht daran erinnert werden, wie das damals war, als man ihnen mit dem Tod drohte und die anderen vernichtet worden.

Die Filmindustrie bildet für den Teil, der sich vor der Kamera abbildet, eine kleine Ausnahme. Das Schicksal der Schauspieler war schnell aufgeklärt. Die meisten waren, so sie es konnten, geflohen, einige waren umgebracht worden und man erfuhr von ihrem Leidensweg, aber alle, die hinter der Kamera waren, mit Ausnahme vielleicht des Regisseurs und des Kameramannes waren dem Publikum nicht interessant genug, um nach ihnen zu suchen. In dieser Reihenfolge belegen Kinobesitzer den letzten Platz.

Kurz: Als ich 1987 anfing, nach den Kinobesitzern zu suchen, hatte noch niemand vor mir gesucht und deshalb natürlich auch nichts gefunden. Ich hatte am Anfang schon berichtet, dass ich als Jahrgang 1946 schon daran gewöhnt war, für den fraglichen Zeitraum von 1933 – 1945 angelogen zu werden. Schon als ganz kleiner Junge mit sechs oder sieben Jahren hatte ich den Eindruck, dass etwas ganz Schreckliches in dieser Zeit passiert war.

Dass niemand sagen konnte, wie es passiert war und niemand von denen, die um mich herum waren, war an dem Schrecklichen beteiligt, bis auf meinen Onkel (genannt Onkel Otto, genauer Dr. Otto Averdieck, Rechtsanwalt). Ein überzeugter Nazi. Ich erinnere mich nicht mehr, ob er seiner Sache noch so sicher war. Damals. Aber auf jeden Fall war er der einzige, der die Augen offen hatte, der zugab, dabei gewesen zu sein. Der von Beruf Jurist war. Das war der einzige. Im besten Falle bekam man keine Antworten, wenn man Fragen stellte und wenn man Antworten bekam, dann stellte sich später heraus, dass man angelogen worden war.

Damit bin ich aufgewachsen. Ich habe schon berichtet, dass ich als Kind der Meinung war, die Kommunisten wären Schuld an diesem großen Unglück mit den zwei verlorenen Kriegen und allem was dazu gehört. Ich fand es als Kind deshalb auch richtig, dass die Partei von diesen bösen Menschen verboten war. Erst später kam ich drauf, dass die, die immer so für Ruhe und Ordnung sprechen, die Konservativen, für diese Kriege verantwortlich waren und dass im Gegensatz dazu es grade die Kommunisten waren, die diese Kriege nicht wollten. Das gehört natürlich dazu.

Die KPD ist heute noch verboten, die NPD nicht. Um zu den Kinos zurückzukehren. Ich habe inzwischen eine große Menge an Wissen angehäuft über die Enteignung dieser Kinos, aber es gibt kaum Neugier danach.

Vor einigen Jahren gab es zwei Autoren, die ein sog. “Hamburger Kinobuch” vorbereitet und dann auch veröffentlicht hatten. Bei der Vorbereitung dieses Buches hatte ich beide kennengelernt und ihnen auch sämtliche Fakten, die ich zu jener Zeit wußte, zur Verfügung gestellt.

Sie haben von diesem Wissen keinen Gebrauch gemacht und so ein völlig unhistorisches Kinobuch vorgelegt. Ich hoffe, dass in ihrer Generation so was nicht mehr passiert. Auch natürlich in der Hoffnung, dass Wiederholungen nicht stattfinden werden.

 Ich danke fürs Zuhören.

Vom Original Manuskript übertragen am Montag, d. 2. Juni 2014

Vorgetragen am: 28. Mai 2008 in der Uni Hamburg, aber bisher nicht veröffentlicht  Foto Jens MeyerBy-nc-sa_colornilpferd_tumb04051942IMG_2712Stoperstein

pdfAbschrift-LBB-vom-27-Juli-1938

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PDF FritzKuhnertUFAAuszugausBEricht15Seiten

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