Warnung vor einem Buch

Hallo J. noch ist Zeit, Dich vor einem Buch zu warnen, das ich selber gerade absolviert habe. Der Umschlag verspricht viel. Nur schade, dass ich nicht meinem Bauchgefühl beim Lesen des Wortes „Rechtsterror“ gefolgt bin. Dahinter steckt meist eine Relativierung. Auch hier. Am Ende sind die Erkenntnisse von Tucholsky wieder da, der sich auf die Zählung beschränkt und verlassen hat. In etwa so: 400 Tote durch Nazis, 4 Tote durch Kommunisten. 2 Nazis verurteilt, natürlich auf Bewährung. Die 4 Kommunisten alle zum Tode verurteilt. Bei Florian Huber kommt es genauso, wird von ihm, aber nur scheinbar, differenzierter dargestellt. Dadurch bleiben die Versprechungen des Umschlags erhalten und bleiben auf diese Weise unbefriedigt zurück, was eigentlich nicht verwundern sollte. Das hat übrigens damals schon dein Papa erkannt. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit ihm über die Besatzungsstreitkräfte (Amis), die er kennen gelernt hatte und die immer auf der Suche nach der nationalsozialistischen Ideologie waren und sie nicht finden konnten, was nach Ansicht deines Vaters gar kein Wunder war, weil, die Nazis hatten eben keine Ideologie, das macht auch die Auseinandersetzung mit Ihnen so unmöglich: Da ist es besser, mal wieder ein paar alte Schallplatten aufzulegen. Gerade habe ich bei mir eine Amiga Pressung (LP) ausgegraben und dort zum ersten mal ein Lied gefunden, das ich ganz toll finde und vorher aber nie bemerkt hatte. Probier doch mal, ob Du den Song in der Runterladeabteilung deiner Generation findest: Es handelt sich um die AMIGA Platte 20 x Beat. Das Jahr der Veröffentlichung ist 1975. Auf Seite 1 der LP ist das Lied von Nina Hagen und der Gruppe Automobil, das 1974 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Das mit dem Farbfilm, den sie vergessen hat und es ihrem Freund in die Schuhe schieben will. Aber um das Lied geht es nicht. Es geht um das siebte Lied auf Seite eins mit dem Titel: „Wind, komm, bring den Regen her“. Die Sängerin heisst Kati Kovács und die Juventus Gruppe spielt dazu. Die Frau kann was, oha!! Es scheint sich um einen Import zu handeln (Ungarn? Slowakei? Tschechien?) aber die Dame singt deutsch, wenn man sie mehrfach gehört hat klingt das durch, aber der Text nicht so richtig, was dem Lied gut bekommt, also eine Suche, die sich lohnt, Nina Hagen mit dem Farbfilm kennen wir ja schon. Wie das Buch heisst. Hab ich vergessen, Jens

INFO BUG 100 INFO BERLINER UNDOGMATISCHER GRUPPEN (Die Nummer 100 – Jubiläum vom 29. 03. 1976) Ich werde gleich 44 Jahre alt und immer noch ohne Lebensunterhalt.

Neu aus dem Antiquariat: Bücher von Berni Kelb

Natürlich hatte ich sie auch noch in meinem Schrank. Zwei Bücher, die mir damals sehr geholfen haben. Entdeckt im Antiquariat. Damals 3,50 DM/4,50 DM. Heute 4,00 Euro. Und ich habe sie beide noch mal gelesen. Wieder mal festgestellt. Sie sind immer noch aktuell. Hilfreich. Im Internet habe ich einen Nachruf von Klaus Wolschner (taz Bremen) aufgespürt. Hier die beiden Bücher: Sie sind beide dünn. Erfreulich dünn. Die >Betriebsfibel< hat 70 Seiten. < >Organisieren oder organisiert werden< hat 95 Seiten. In der Einleitung heißt es: „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren. Und von diesen kriegen sie dann gesagt: >Das ist ja alles ganz schön, was du uns da erzählst. Aber mach man so weiter. Dann fliegst du bald raus! Auf deine – einer etwas kurzsichtigen Opferbereitschaft entspringenden – Erklärung: >Das macht mir gar nichts aus!< kommt dann die Antwort:>Uns aber.< Damit ist die Sache eigentlich erledigt. Du konntest dein Anliegen nicht vermitteln. Jetzt bist als Revolutionär isoliert.“

der Arbeitgeber 5 Köln 51. Oberländer Ufer 72

Klaus Wagenbach Verlag 1 Berlin 31 Jenaer Str.6

Sehr geehrte Herren,

in Ihrem Verlag ist die „Betriebsfibel“ von Herrn Berni Kelb erschienen, die jetzt auf den verschiedensten Lehrlingsveranstaltungen kursiert. Mehrere Leser erbitten in diesem Zusammenhang nähere Einzelheiten über die Person von Herrn Kelb. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir ggfs. einen Lebenslauf oder sonstige Unterlagen hierzu übersenden würden. Mit freundlichen Grüßen

(Dr. Heinrichsbauer)

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1 Berlin 31, den 10.1.73 Jenaer Straße 9 Berni Kelb c/o Verlag Klaus Wagenbach

An den arbeitgeber – Der Chefredakteur –

Sehr geehrter Herr Dr. Heinrichsbauer,

ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom 8.1.73. Der Verlag Klaus Wagenbach hat – feige, wie es von einem linken Verlag nicht anders zu erwarten ist – sich vor der Beantwortung Ihrer berechtigten Fragen zu drücken versucht, indem er Ihren Brief an mich weiterleitete. Ich werde mich bemühen, Ihnen angemessene Auskunft zu geben.

Ich stamme also aus einer Familie, die seit vielen Generationen damit beschäftigt war, Arbeit zu nehmen, obwohl geben nach einem bekannten Zitat eigentlich viel seliger ist, denn nehmen. Wir lebten davon, daß wir für die genommene Arbeit auch noch Geld forderten: die ständig steigenden Löhne. Den Verlockungen eines so bequemen Lebenswandels konnte auch ich mich nicht entziehen: durch die Erlernung eines Metallberufes setzte ich die Familientradition fort.

Verschlagen, wie unsereins ist, merkte ich bald, daß bei den Unternehmern außer Arbeit und Lohn noch mehr zu holen sein muß. Von da an war ich nur noch von der Gier getrieben, ihnen alles zu nehmen. Als geeignetes Mittel dazu erschien mir eine planmäßig ausgeweitete Kumpanei mit dem Ziel, auf Insubordination gerichtete Zusammenrottungen hervorzurufen. Das verdichtete sich bei mir zu der ‚Primitivformel :“Der Feind steht immer oben!“‚, wie Clemens Steindl es auf Seite 978 der Nummer 23/24-1972 Ihres Organs so treffend charakterisiert. Das Unbehagen gegenüber dieser Losung und ihre Ablehnung als Vereinfachung teilen Sie übrigens mit Nikolaus Neumann, der in der bekanntlich DKP-nahen ‚Deutschen Volkszeitung‘ meint, mein ‚eigentlicher Feind‘ seien die ‚organisierte Arbeiterschaft, die kommunistischen Parteien und die Gewerkschaften‘. Ich verstehe die Welt nicht mehr! Sie werfen mich mit den Leuten in einen Topf, die mich mit Ihnen in einen Topf werfen.

Doch weiter im Lebenslauf. Das schreckliche Ende des letzten Krieges brachte es ja mit sich, daß unsere Gesellschaft von Aufweichungstendenzen demokratischer, liberaler und selbst sozialistischer Art durchdrungen wurde. Auch ich kam mit solchen Liberalen, Intellektuellen und ähnlichen zwielichtigen Gestalten in Berührung (im Vertrauen: manche waren gar Juden!) Sie stifteten mich an, meine bösen Gedanken zum Zwecke der Verbreitung aufzuschreiben.

Das Ergebnis liegt Ihnen ja vor.

Im Ernst: Wir haben mit Fleiß darauf verzichtet, Daten zur Person des Verfassers zu veröffentlichen, wie es sonst bei Büchern üblich ist. Ich betrachte mich nicht als Schriftsteller. Andererseits habe ich es abgelehnt, ein Pseudonym zu wählen; denn ich kann zu dem, was ich geschrieben habe, stehen.

Wenn Ihnen mein bloßer Name nicht gefällt, hier ein kleiner Tip. Einer meiner früheren ‚Arbeitgeber‘ wüßte plötzlich über meinen Lebenslauf sehr detailliert Bescheid. Er ließ auch durchblicken, dan (s) meine Vermutung, woher er seine Informationen wohl habe, richtig sei. Was einem einzelnen ‚Arbeitgeber‘ möglich ist, dürfte für Sie als Verallgemeinerung des ‚arbeitgeber‘ doch sicher keine nennenswerte Schwierigkeit bereiten.

In der Hoffnung, Ihnen hiermit gedient zu haben, verbleibe ich

mit schönen roten Grüßen

Berni Kelb

Barfoot klopft an den Sargdeckel

(Ein Nachruf auf Berni Kelb von Klaus Wolschner (Taz Bremen)

1971 veröffentlichte eine „Betriebsfibel“ – das war der gesammelte Erfahrungsschatz seiner linksradikalen Betriebsarbeit – zuletzt bei der Maschinenfabrik Kampnagel. „Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren“, fängt das Buch an. Genau darum geht es: Wie kann man im Betrieb arbeiten, was sollte man lieber nicht machen? Ganz praktisch – und mit hohem Anspruch: „Unsere Arbeit gilt der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Sie hat das Ziel, jede Form der Herrschaft von Menschen über Menschen und die darauf beruhende Ausbeutung zu brechen.“ Kelb kannte auch den „inneren Feind“, die linken Funktionäre. Sein Rat: „Trau keinem, der dafür bezahlt wird!“

Dabei war Berni Kelb einmal Bestseller-Autor, jedenfalls in linken Kreisen, und seine Biografie ist ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts: Er stammt aus einer streng kommunistischen Hamburger Arbeiterfamilie. Sein Name wurde Anfang der 70er-Jahre öffentlich bekannt über Bücher, in denen er seine eigene kommunistische Vergangenheit verarbeitete. Schonungslos rechnete er mit dem Pathos der illegalen KPD der Stalin-Ära ab: „Die Mitglieder hatten zwar noch ihren blinden Glauben und guten Willen, aber die bezahlten, illegalen Funktionäre konnten ihnen keine Perspektive aufzeigen. Sie waren in der Situation einer Drückerkolonne, die Ladenhüter verkaufen soll.“

Ein Dokument der Zeitgeschichte aus heutiger Sicht, das damals 4 Mark 50 kostete, heute bei Amazon 39 Cent plus Porto. Irgendwann in den 90er-Jahren stand Berni Kelb dann bei der taz in Bremen auf der Matte. Ein kleines, schrulliges Männchen, das für die, denen der Name nichts sagte, aufgrund seiner nackten Füße auffiel. Auch im Winter.

Natürlich war er nirgends organisiert, wo auch, war ein Einzelgänger. Und wollte dennoch etwas sagen. Hin und wieder haben wir einen Text von ihm gedruckt – zum Beispiel einen Kommentar über das auch damals diskutierte NPD-Verbot.

Ich habe den Namen Kelb über sein anderes Buch kennengelernt: „Organisieren oder organisiert werden. Vorschläge für Genossen links unten“ der Titel. Als die Reste der 68er-Bewegung autoritäre Organisationen gründeten, packte Kelb aus – zur Freude aller antiautoritär gesinnten, undogmatischen Spontis.

Berni Kelb, in den 50er-Jahren strammer Kommunist und bei der illegalen KPD, in den 70ern ein Einzelgänger und Theoretiker der Spontis, ist gestorben. Ein „barfüßiger Prophet und gefallener kommunistischer Erzengel“ war Berni Kelb, ein „Anarcho-Kommunist und Querulant“, das hat der frühere taz-Kolumnist „Urdrue“ einmal geschrieben. Am 5. 12. 2011 ist Berni Kelb gestorben, bitterarm, auch in Walle unbekannt. Bescheiden wie er war, hat er sich auch in seine Einsamkeit gefügt.

„Hitler kam an die Macht, weil die Industrie ihn finanziert hat“, war vor elf Jahren sein Argument. In der NPD sammeln sich dagegen „nur ein paar Psychopathen, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt.“ Und dann sein Gedanke: „Antidemokratischen Parteien und Organisationen kommt man mit innerorganisatorischer Demokratie bei.“ Es müsste ein Parteiengesetz geben, das Maßstäbe für Transparenz und innerorganisatorische Demokratie setzt – die dann auch für eine NPD gelten würden.

Klaus Wolschner 9.12. 2011 Taz Bremen

Eine neue Heimat hat Berni Kelb seit den 90er-Jahren in einer Kultur gefunden, in der er aufgewachsen ist: bei den „Plattdeutschen“ und ihren Alltagsproblemen. Wie mit seiner Mutter in der Küche sang er im hohen Alter gern die plattdeutschen Lieder. Rund 50 Theaterkritiken über Aufführungen der niederdeutschen Bühne im Waldau-Theater finden sich im taz-Archiv unter seinem Künstlernamen Bani Barfoot. Und er hat das Schauspiel Rose Bernd von Gerhart Hauptmann ins Niederdeutsche gebracht, eine Tragödie voller Sozialkritik, menschlicher Einsamkeit und erotischer Verstrickung.

Foto: G. Klaut

von Barni Barfoot, erschienen in der Taz Bremen Drama un Komedie

„De Witwenclub“ vun Ivan Menchell: Premiere in de Komödie Bremen (vormals Niederdeutsches Theater)

Aff un an geevt se dor in Walle doch noch wat op Platt. Nu: „De Witwenclub“ vun den Amerikoner Ivan Menchell, na de düütsche Fassung vun Karin Kersten op Platt vun Hans Timmermann. Nich bloots de Autor, ok de Rejiessör (Thomas Wilberger), un de Dorsteller vun den eenzigen Keerl in’t Speel, den verwitweten Slachter Theo (Peter Wohlert) sünd Gäste. Kannst lang över nadenken!

Twee Szenarien gifft dat, – vun Bojan Boev bühnenbildnerisch excelent drapen – op de de Szenen afwesselnd speelen dot. De Komödie vun de dree Witfroons, de dat Stück den Namen verdanken deit, speelt in de Wahnstuuv vun Ida (Elfie Schrodt). Dat Drama – de deepere Sinn vun dat Stück – speelt op ’n Karkhoff.

Dor dreept se sick jümmers, de Dree. Jedeen vun jem truuert op eer eegen Oort. De Een, Doris (Ingeborg Heydorn) föhlt sick verlaaten, de anner, Luzie (Isolde Beilé), bedragen, un de drütte, Ida, eenfach alleen laten.

Un denn kummt de Witwer Theo, de bloots dat Graff vun sien Froo besöken will, jem in de Mööt. Ida kennt em as Kundin, bloots so. Doris kennt em ok. Se meent, dat harr mol meist ’n Afeere warden kunnt. Is dat aver nich worden. Un Luzie, de em gor nich kennt, smitt sick an em ran.

Doröverhen geiht de Fründschaft vun den Witwenclub (in’t Original: Cemetery Club) natüürlich eerst mol koppeister. Man se koomt doch jümmers wedder tohoop. Op’t End op den Karkhoff, as Doris dootbleven is.

Fazit: Dat Stück is ’n vigelienschen Balace-Akt twüschen Komedie un Drama. Wat dor an seelischet Eelend sick afspeelen deit bi den gröttsten Deel vun de Minschheit, wat in dat Öller de Witwen jo sünd is meisterhaft mookt.

Besünners Ingeborg Heydorn speelt eer swore Rull, de so simpel utsüüt, heel inföhlsam. Elfie Schrodt speelt eern Deel meisterhaft, as wi dat vun eer wennt sünd. Isolde Beilé hett eer egens dankbore Rull as Luzie, de an’t Enn leer utgahn deit, ’n beten wat övertrocken. ’N sporsomere Gestik harr mehr brocht.

Technisch: ’n Rejissör schull mehr Moot opbringen, in’n Vörweg ’n poor Överlängen in de Dialogen to strieken. De Soufflöse (Ingrid Frana-Sieweke) hett ’n scheune Stimm, de drägen deit. Un Mildred (Sabine Junge) – dat weet wi nu (dank Lore Schnabel, Kostüme) endlich nau – hett ’n wunnerscheun’n Rüggen.

Barni Barfoot

Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben?

Darstellung der Realität im Kinderbuch – Leseprobleme von Arbeiterkindern im 19. Jahrhundert Auf dem Dachboden gefunden. Ein Text aus dem Jahr 1970:

Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben? „Wie kommt es nun, daß die Arbeiter trotzdem weiterleben?“ weiterlesen

VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller

VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller

Da gibt es zwei Bücher, auf die ich gerne hinweisen will. Das erste ist ein Kinderbuch, das ich gestern im Buchladen um die Ecke gefunden habe. Es ist aus Amerika für die Kinder der kommenden Daumenwischgeneration. „VOM NACHTTISCH GETRÄUMT von Stinki Müller“ weiterlesen

Auf der Suche nach Ilse Kramp – Ilse Kubaschewski und ihrem Ru-To-Li

Ilse Kramp und Hans Wilhelm Kubaschewski: Wikipedia schreibt: (16. November 2020) Ilse Kramp: Die Tochter eines Postbeamten und einer Begleitmusikerin für Stummfilme besuchte das Schiller-Lyzeum und die höhere Handelsschule in Berlin. Sie wurde 1931 Stenotypistin beim Siegel-Monopol-Filmverleih und brachte es bis zur Disponentin. Später wurde sie Teilhaberin eines Berliner Kinos und schloss 1938 die Ehe mit dem Filmkaufmann und UFA Filialleiter Hans Wilhelm Kubaschewski. Ab 1945 lebte sie in München und übernahm mit Partner Luggi Waldleitner die Kurlichtspiele in Oberstorf. 1949 gründete sie mit einem Bankkredit von 30.000 Mark zusammen mit Waldleitner in München die Gloria-Film GmbH und die Gloria-Film GmbH & Co. Filmverleih KG.

Während der Zeit des deutschen Kinowunders dominierte ihre Firma in Deutschland weitgehend das Verleihgeschäft, erst in den sechziger Jahren wurde sie von der Constantin Film überholt. Ilse Kubaschewski war zeitweilig alleinige Deutschland-Vertreterin der Republic Pictures International und von 1953 bis 1962 auch Inhaberin der Produktionsfirma KG DIVINA-FILM GmbH & Co. (ursprünglich Diana-Film) mit dem Divina-Studio Baldham. Sie erbaute den Gloria-Filmpalast in München, der am 28. August 1956 eröffnet wurde. „Kubas“ Gloria-Bälle waren in den 50er und 60er Jahren in München ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis.

Was den Inhalt der Filme betraf, bevorzugte Ilse Kubaschewski lange Zeit Heimatfilme wie Schwarzwaldmädel und Grün ist die Heide oder zu Herzen gehende Lebensschicksale wie Die Trapp-Familie. Sympathische Hauptfiguren, viel Musik und ein Happy End hielt sie, wie sie einer Illustrierten erklärte, für unentbehrlich. Die Wende des Publikumsgeschmacks in den sechziger Jahren zu mehr Sex und Gewalt sowie das Aufkommen des Neuen Deutschen Films entsprachen nicht ihren Vorstellungen. 1974 verkaufte sie den Mehrheitsanteil des Filmverleihs an Barny Bernard und betrieb nur noch den Gloria-Filmpalast. In den 80er Jahren zog sie sich an den Starnberger See zurück. Im Jahr 1994 errichtete sie die Ilse Kubaschewski Stiftung, die zum einen in Not geratene Künstler unterstützt und sich zum anderen um eine humane Pflege im Alter bemüht. Ihre Grabstätte befindet sich auf dem Münchner Waldfriedhof.“

Hans Wilhelm Kubaschewski „1945 wurde Hans Wilhelm Kubaschewski in München Berater der Amerikanischen Militärregierung. US Sergeant Walter Klinger (1912–2003) nahm ihn in den Amerikanischen Film Verleih auf, der später in Allgemeiner Filmverleih unbenannt wurde. Dadurch konnte er unter anderem die Alliierten davon überzeugen, seiner Frau, die eine der ersten Verleiher-Lizenzen nach dem Krieg bekam, die Verleihrechte an 11 UFA-Erfolgsfilmen aus der NS-Zeit (vor allem mit Zarah Leander und Marika Rökk) zu überlassen, die selbst nach dem Krieg noch mehr einspielten als amerikanische oder französische Neuimporte. Von 1950 bis 1959 war Kubaschewski Direktor von Warner Bros in Deutschland.

In dieser Eigenschaft war er unter anderem verantwortlich für die deutsche Synchronisation des Filmes Casablanca, der in einer gekürzten Version 1952 in die deutschen Kinos gelangte. In dieser Fassung ist der Major Strasser herausgeschnitten und aus dem Widerstandskämpfer ist ein Strahlenforscher geworden. Erst einige Jahre später gibt es eine vollständige deutsche Synchronisation. 1959 wechselte er als Vorstandsmitglied zur Bavaria Filmgesellschaft, wo er zeitweilig alleiniger Vorstand war. Kubaschewski litt durch eine Erkrankung an einer Sprachlähmung und starb im Alter von 54 Jahren. Beigesetzt wurde er am Münchner Waldfriedhof.“

Hinweise zu einem Leserbrief von dem Filmkritiker Kurt Joachim Fischer an die Neue Zeitung (München). Die Neue Zeitung wurde von der Amerikanischen Militärregierung lizensiert und erschien später als Süddeutsche Zeitung. Der Filmkritiker Kurt Joachim Fischer hatte in einer Vorführung die deutsche Synchronfassung von ‚Casablanca‘ von Michael Curtiz gesehen und sich darüber gewundert, warum der Film um 25 Minuten gekürzt wurde. Er schrieb daraufhin einen Brief an den Filmverleih ‚Warner Bros‘ in Frankfurt und hatte nachgefragt, warum der Film gekürzt wurde. Die Firma Warner Bros ließ über ihren Geschäftsführer (Hans Wilhelm Kubaschewski) mitteilen, welche Beweggründe die Firma Warner Bros dafür gehabt hatte. Kurt Joachim Fischer war über die Antwort des Verleihs so empört, dass er einen Leserbrief an die Neue Zeitung (Vorgänger der Süddeutschen Zeitung) geschickt hat, in dem er aus der Antwort des Verleihs zitiert hat.

Das Zitat ist es wert, hier noch einmal präsentiert zu werden: „. . . Ich erhielt von (Warner Bros) folgende Antwort:

„Der Film ‚Casablanca‘ wurde im Jahre 1942 gedreht, und da er in seiner Originalfassung nicht mehr zeitgemäß und nicht zur Vorführung in Deutschland geeignet war, haben wir bei der Synchronisation des Filmes verschiedene Schnitte bzw. Änderungen vorgenommen, bevor der Film der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgelegt wurde. Da ‚Casablanca‘ zu einem der eindrucksvollsten Bergmann Filme gehört, wollten wir diesen Film dem deutschen Publikum nicht vorenthalten und haben uns deshalb zu dieser deutschen Neufassung entschlossen“. Warner Bros. (Hans Wilhelm Kubaschewski)

(PS: Der Leserbrief von Kurt Joachim Fischer unter der Überschrift „Conrad Veidt wurde herausgeschnitten“ erschien in der Wochenendausgabe vom 24/25. Januar 1953, auf Seite 5 in der Rubrik „Briefe an die Redaktion“.

Nachtrag Fundstück Hans Wilhelm Kubaschewski:

Auf Seite 46 des Buches von Klaus Kreimeier (Kino und Filmindustrie in der BRD – Ideologie und Klassenwirklichkeit nach 1945, erschienen 1973 im Scriptor Taschenbuchverlag) steht: “Erstaunliche Karrieren zeichneten sich ab. Zu den Vertrauten der amerikanischen Militärbehörden gehörte Hans W. Kubaschewski, der schon vor dem Kriege mit Filmverleihern der USA verbunden war. Dann hatte er den Posten des Berliner Filialleiters der faschistischen Deutschen Film-Vertriebs-GmbH bekleidet, die zur UFA gehörte. Zusammen mit einem gewissen Walter Klinger aus Hollywood verlieh Kubaschewski nach 1945 die ersten Filme, vor allem Reprisen aus der Produktion vergangener Jahre. Der erzielte Gewinn ging in die Millionen. Kubaschewski war klug genug, sich nicht selber einen Filmverleih aufzubauen. Das tat seine Frau. Er, mit seinen guten Verbindungen zu den Amerikanern, knüpfte die Beziehungen und gab die richtigen Tips. Später wurde er der Verantwortliche des Warner-Brothers-Verleih und dann, von 1959 bis zu seinem Tode, Direktor der Bavaria in München. Ilse Kubaschewskis Gloria Verleih entwickelte sich zu einem der größten Verleihfirmen in Westdeutschland. Die Spezialität dieser Firma waren viele Jahre hindurch minderwertige Heimatfilme” (17).

Wer unter der Nummer 17 des ersten Kapitels nachsieht, um herauszufinden, wer diese Sätze wo geschrieben hat, wird vom Autor Klaus Kreimeier in die Irre geführt. Dort verzeichnet unter Nummer 17: “Statistik bei Pleyer a.a.O. S. 26.f. (Peter Pleyer, Deutscher Nachkriegsfilm 1946 – 1948, Münster 1965) “Nun befindet sich das Buch von Peter Pleyer nicht in jedem Deutschen Haushalt. Aber in meinem. Und damit kommt an den Tag, warum mein ehemaliger Dozent an der dffb leider die Quelle vergessen hat und wer diese Sätze in Wahrheit geschrieben hat. Peter Pleyer war es jedenfalls nicht. Aber ich kann Klaus Kreimeier helfen. (Von Meyer zu Kreimeier): Die Sätze stehen in dem Buch von Horst Knietzsch “Film gestern und heute“ und es ist erschienen im Urania Verlag in Berlin. Es ist die 3. Auflage vom 31. August 1967, die mir zur Verfügung steht. Immerhin mit einer Gesamtauflage von 65 Tausend Stück. Doch im falschen Berlin erschienen und damit unzitierbar für einen, der Dozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin bleiben will.

Ein gewisses Verständnis kann ich entwickeln, nachdem ich den Vortext von Horst Knietzsch zur Einleitung des Kapitels: “XVI Der westdeutsche Film zwischen Kunst und Kasse“ gelesen hatte. Dort steht- Zitat: “Im Gegensatz zur Filmindustrie in der Deutschen Demokratischen Republik, die in die Hände des Volkes gelegt wurde, nahm die westdeutsche Filmwirtschaft erneut Kurs auf eine kapitalistische Entwicklung und stellte sich im wesentlichen in den Dienst der herrschenden bürgerlichen Klasse.“ (Horst Knietzsch)-. Wie einfach doch die Welt sein kann. Und das kann ich mir, als einfacher Mensch, auch richtig gut vorstellen wie die Filmindustrie in der DDR in die „Hände des Volkes gelegt wurde“.

Dennoch zieht Klaus Kreimeier seine Schlüsse: “Die Biographie (von llse Kubaschewski, geb. Kramp), veranschaulicht die Komplizenschaft zwischen Imperialismus und nationaler Bourgeoisie im Bereich der Kulturindustrie – auch die strategische Rolle, die besonders reaktionäre, ehemals dem NS-Staat ergebene Kapitalisten im Zuge der Kolonialisierung der deutschen Märkte durch die US-Monopole übernehmen, und schließlich das Pfründensystem, das ihre Lakaiendienste belohnt. Die alliierte Verfügung, das gesamte reichseigene Filmvermögen – und damit auch die faschistische UFA – aufzulösen, wird von den deutschen Behörden formal befolgt und faktisch hintertrieben. Kreimeier hat alles richtig gemacht. Nur der Urheber des zitierten Textes ist ihm aus Versehen weggerutscht.

Literatur: Erich Scheibmayr: Letzte Heimat: Persönlichkeiten in Münchner Friedhöfen 1784-1984, Scheibmayr, München 1989, Wolfgang Becker: Film und Herrschaft. Zur politischen Ökonomie des NS-Filmes, Band 1, Verlag Volker Spiess, Berlin 1973. Jürgen Spiker: Film und Kapital, Verlag Volker Spiess Berlin. Hans Helmut Prinzler, CHRONIK DES DEUTSCHEN FILMS 1895 – 1994, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart Weimar 1995. Klaus Kreimeier, Kino und Filmindustrie in der BRD, Scriptor Verlag 1973, Horst Knietzsch, FILM gestern und heute, Urania Verlag Berlin (Ost), 3. Auflage (Seite 264), Klaus Kreimeier, Die UFA Story Geschichte eines Filmkonzerns, Carl Hanser Verlag 1992, Aljean Harmetz, Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen, Wie Casablanca gemacht wurde. Berlin Verlag 2001. Peter Pleyer, DEUTSCHER NACHKRIEGSFILM 1946 -1948, Verlag C. J. Fahle, Münster 1065, Online Archive of California: Klinger, Walter A. Papers. Ilse Kubaschewski: Det greift ans Herz. In: DER SPIEGEL 4/1957. Jennifer M. Kapczynski, Michael David Richardson (Hrsg.): A New History of German Cinema. Boydell & Brewer, 2012 (S. 329) Tim Bergfelder: International Adventures: German Popular Cinema and European Coproductions in the 1960s. Berghahn Books, 2005 (S. 75) Hans W. Kubaschewski. In: DER SPIEGEL 19/1959. Hans Wilhelm Kubaschewski In: DER SPIEGEL 50/1961.Spiegel: Ilse Kubaschewski. Hamburg April 1957, S. 38–44.

PDF Spiegel Januar 1957 Kubaschewski

KurtJoachimFischerWarnerbros

LeserbriefNeueZeitung

Foto von Clemens Franz. Berlin Rudow Prierosser Str. 32, bis Februar 1950 hiess die Strasse Bendastr. 32. Das Ru-To-Li Kino befand sich im Anbau (rechts)
Tier

Geschichten aus der Walde 81 / Bemalung 1. Mai 1975

Pdf Zehn Texte aus der Waldewaldemai 6Zehn Texte aus der Waldemarstrasse 81
1 Der Zollstock. Ich weiss nicht mehr genau, wer es war. Es war eine Frau. Jedenfalls, diejenige die im ersten Stock in der Mitte später eingezogen ist. Der Herbst war schon da, der Winter stand vor der Tür. Die Heizung lief noch nicht. Es war im Oktober oder September. Es wurde nachts schon sehr kalt. 4 Zimmer auf der ersten Etage. 6 Zimmer in der zweiten Etage, ebenso sechs in der dritten und dann gab es noch das Dachgeschoss. Ausser dem Erdgeschoss, das Gemeinschaftsetage werden sollte mit einer Küche war noch nichts verteilt. Ich war an der Heizung zu gange. Die lief noch nicht wieder. Überall gab es Leckagen. Im zweiten Stock riss mir ein Rohr ab, das ich nur kurz angefasst hatte. Und dann kam ich am ersten Stock, dem mittleren Zimmer vorbei und da war eine Frau am Ausmessen „Ihres“ Raumes. Ich war erschüttert. Während alle anderen an Gemeinschaftsinteressen dachten, dachte sie offensichtlich nur an ihre individuellen, obwohl eine Raumverteilung noch gar nicht stattgefunden hatte. Mich hat das damals sehr empört.

2 Ich nehm immer alles gerne, was aus dem Osten kommt. Wir hatten ein sehr schönes Flugblatt gemacht. Mit unserem Logo „Wir bleiben drin“. Mit vielen Fotos und wenig Text. Ganz im Gegensatz zu den Parteiheinis vom roten Haus gegenüber, die immer möglichst viel Text auf ihren Flugblättern unterbrachten. Ich erinnere kaum, wie sie alle hiessen. KPD/SEW/KBW/USW. Jedenfalls waren wir stolz, dass unser A 3 Blatt weder mit dem nahen Osten noch mit dem fernen Osten etwas zu tun hatte. Rainer (Graff) hatte die Fotos der Häuser geliefert. Dann sind wir mit den riesigen Blättern von Wohnung zu Wohnung gegangen. Ich glaub die Rückseite war türkisch gedruckt. Und dann hat uns mal eine Oma aufgemacht und gesagt, geben sie mal her, ich nehm immer alles gerne, was aus dem Osten kommt. Noch Jahre später war ich erschüttert über solche Ignoranz. Wo wir uns doch solche Mühe gegeben hatten.

3 Ein Weihnachten nicht wie jedes Jahr. Wir hatten uns viel vorgenommen. Michael arbeitete bei der Schnapsfirma . . . als Lagerverwalter. Weiss der Teufel wie er die Kartons mit dem Zeugs vor der Inventur gerettet hat. Wir haben sie jedenfalls abgeholt. Ich glaub mit unserm VW Bus. Kann aber auch ein anderes Auto gewesen sein. Jedenfalls machten sich alle daran (Michael vorneweg, der der hatte die Bestände schließlich vor der Inventur gerettet), die gefährlichen Drogen zu entsorgen. Dry Gin und Bobadilla 103, der damals bei uns gerade modern war. Wenn man das Wort Bobadilla noch einwandfrei aussprechen konnte, dann war man noch nicht betrunken. Irgendwie wurde dann aber alles weniger witzig, weil bei Michael kam Eifersucht auf und er meinte, das seine Frau Sonja mit Loretto rummache beziehungsweise er mit ihr. Zuerst gingen die Möbel im Erdgeschoss zu Bruch, aus einem Tischbein wurde ein Knüppel, mit der Michael auf die Suche nach dem vermeintlichen Nebenbuhler ging, den er aber nicht fand. Irgendwann wussten wir keinen Rat mehr, der Knüppel war ziemlich lebensbedrohlich. Polizei war verpönt aber letztlich wussten wir nichts anderes mehr. Sie kamen dann auch. Und im nu war Michael wieder nüchtern und ging zur Tür, als sie klingelten und sagte den Herren Polizisten, die sonst üblicherweise Bullen hießen, der Randalierer sei schon weg. Und das war denn ja auch so.

4 Kostüm im Hof. Einmal hatte Michaela ihr Kostüm gesucht. Michaela kam gerade aus der Tschechoslowakei und hatte sich noch nicht an unsere Kleiderordnung angepasst. Günther war mit ihr verheiratet, hatte auch ein Kind mit ihr. In Prag hatten sie geheiratet. Und weil sie vom Westen viel gehört hatte, hatte sie eben auch ein Kostüm. Ihr wertvollstes Stück. Günther war diese Woche für die Wäsche zuständig. Und das Kostüm hatte er dann im Kochwaschgang in die Waschmaschine gesteckt, weil er eben politische Ökonomie studierte und in den einfachen Dingen des Lebens nicht so bewandert war. Irgendwie war es anschliessend auf die Wäscheleine im Hof gelangt, weil man es nicht mehr als Kostüm erkennen konnte. Aber Günter war sich keiner Schuld bewußt. Sie fand es dann im Hof auf der Wäscheleine (oder unter der Wäscheleine?).

5 Der Frühstückstisch ist öd und leer die Wohngemeinschaft guckt blöd umher. Ein Fleischmesser und kein Fleisch. Zu erzählen von Helmut und allen Beteiligten. Wer noch beteiligt war, weiß ich nicht mehr, wir hatten ja immer zu zweit Küchendienst. Jedenfalls gab es kein ordentliches Messer in der Küche und so war ich der Meinung, wenn man nur einmal am Essen spart hat man für Jahrzehnte ein ordentliches Werkzeug. So kaufte ich für 45 Mark ein Messer und 5 Mark waren dann glaub ich noch übrig für Essen. Das war doch eine sinnvolle Investition, das Messer haben die doch heute noch! Und einmal Fasten ist doch nur gesund. Zum Ausgleich hab ich einmal einen Zentner Miesmuscheln angeschleppt, das Pfund für 90 Pfennig. Kann mich noch heute an den Genuß erinnern!

6 Linke Seite Ventile abgerissen. Loretto hatte im Lotto einen VW Bus gewonnen. Einen mit Mitteltüren und geteilter Frontscheibe. Das Fahrzeug hatte einem Urlaub von zwei Familien gedient. Dann war der TÜV abgelaufen. Jedenfalls beschloss die Wohngemeinschaft, den Bus als Gemeinschaftsbus zu übernehmen. Ob mit oder ohne Geld, wer weiß das heute schon noch? Jedenfalls wurde das Ding ohne TÜV in den Hof gestellt und rostete so eine Weile vor sich hin. Plenumsbeschluß hin oder her. Irgendwann haben wir uns dann dran gemacht. Alle Holme waren durchgerostet. Ich seh mich heute noch unter dem Ding liegen, neue Holme einschweissen und wie mir das brennende Terroson (der Unterbodenschutz, den man damals verwendete) immer erst Löcher in die Kleidung und dann in die Haut brannte. Es dauerte mindestens ein Jahr. Dann war der Boden komplett. Leider stellte sich anschließend heraus, dass beim Schweißen, die Stromversorgung gelitten hatte. Irgendjemand (war es Helmut?) hat sich dann daran gemacht, alle Kabel des Gemeinschaftsbusses auszutauschen. Und wir haben das Ding tatsächlich durch den Tüv bekommen (Ohne Zahnpastaschweissnähte, wie immer wieder empfohlen wurde). Dann kam der grosse Tag der Probefahrt. Das ganze Haus eingeladen und auf die Avus. Jedenfalls blieben wir mitten auf der Avus liegen. Irgendjemand war im ADAC und hat die Pannenhilfe angerufen. Die kam dann auch. Motorhaube offen. Wir sollten mal den Anlasser drehen. Nach dreimal drehen und horchen hat er dann gesagt: „Linke Seite sind die Ventile abgerissen.“ Und das war dann auch so. Selten habe ich wieder jemand getroffen, vor dessen Fachwissen ich noch heute Respekt habe. Es gibt doch immer wieder mal Leute (so alle zwanzig Jahre), die verstehen was von dem Handwerk, das sie ausüben.

7 Peter Lorenz im Keller. Es war vor irgendeiner Wahl in Berlin. (Ich durfte ja in Berlin nicht wählen, weil ich noch nie etwas behelfsmäßiges haben wollte, schon gar keinen behelfsmäßigen Ausweis). Jedenfalls war Peter Lorenz fünf Tage weg. Dann war er wieder da. Und alle Wohngemeinschaften wurden razziert. Tags zuvor hatten sie das Rauchhaus in Schutt und Asche gelegt. Jetzt kamen sie zu uns (Nach Helmuts Erinnerung ein Sonntag). Ich seh mich noch heute neben Cossi im ersten Stock, neben uns einer in voller Kampfausrüstung, Maschinenpistole im Anschlag. Er hat Cossi dann gefragt, warum er so zittert. Und ich hab ihn dann gefragt, ob er nicht wenigstens mal die Sicherung rein tun kann. Weiß nicht mehr, ob ers gemacht hat. Später als sie weg waren, haben wir dann das ganze Haus abgesucht, weil die Bullen hatten damals die schlechte Angewohnheit, selber Sachen zu verstecken, um dann ne Stunde später noch mal wiederzukommen und sie dann zu finden. Ich hab dann in der Waschküche im Hof noch ein altes Gewehr (in Ölpapier eingepackt) aus dem ersten Weltkrieg gefunden. Damals gab es noch das Gesetz der Alliierten, das für Waffenbesitz (dazu gehörten auch Schwerter) die Todesstrafe vorsah. Ich glaub aber, zu der Zeit haben sie das nicht mehr angewendet. (Die Recherche hat folgendes ergeben: Die Wahl fand statt am Sonntag, d. 3. März 1975. Parole des Spitzenkandidates der CDU Peter Lorenz war damals: „Mehr Tatkraft, schafft mehr Sicherheit“. (Die Entführer hatten da Peter Lorenz offensichtlich ein wenig missverstanden).

8 Im Treppenhaus. Bei der Szene auf dem Treppenabsatz mit den Bullen in Kampfausrüstung war ich auch dabei. die hatten wirklich Maschinenpistolen! Seh ich auch noch vor mir wie Cossi mit den Zähnen geklappert hat und mir die Knie gezittert haben. Dann kam der Befehl jeder gehe in sein Zimmer und jeder wurde von der Staatsmacht begleitet, die dann in den Zimmern rumschnüffelte, die Bücher beäugte und scheints irgendwas suchte. Mitgenommen haben sie nach meiner Erinnerung nichts, auch nichts beschädigt. Beim Rausgehen hat dann noch einer mit bezug aufs Rauchhaus sinngemäß gesagt, „Ihr seht, wir können auch anders“. Ich glaub die hatten das gleiche wie im Rauchhaus vor und waren dann verunsichert weil wir keine Jugendlichen waren, sondern Familien mit Kindern. Es war übrigens ein Sonntag Vormittag. Wir sehen beim Frühstück aus dem Fenster wie eine Hundertschaft die Straße vorn und hinten abriegelt. Aber während der Gefangenschaft Peter Lorenz im Volksgefängnis haben sie ihn doch auch bei uns gesucht und in den Kohlen (im Koks, sprich Steinkohle) rumgestochert.

9 Peter Lorenz in Lankwitz. Ich finde es langsam auffällig, dass Jens sich vor allem an Ereignisse der ganz ersten Zeit erinnert, als wir von der 2. Waldegeneration noch nicht dort eingezogen waren. Es heißt doch immer, je älter, desto früher die Erinnerungen. Naja. ich hoffe es geht künftig vorwärts mit seinen Erinnerungen. An Konrad Lorenz war ich damals übrigens viel dichter dran. Er wurde in Lankwitz in der Siemensstraße festgehalten, nur zwei Häuser neben der Kriegsruine, in der ich damals gehaust habe. War mir völlig unbegreiflich, wie das in der spießigen Umgebung möglich war. Aber ich habe viele Zusammenhänge damals nicht begriffen, ja ja auch heute ist es nicht viel besser, aber heute ist ja noch nicht damals.(Wiebke)

10 Nougatbouletten. Küchendienst mit Uwe, dem Vegetarier. Zur Walde fällt mir immer wieder die Geschichte mit dem Küchendienst ein. Uwe war schon damals Vegetarier, ich nicht! Er hatte schon mehrfach vergeblich versucht sich durch seine Kochkünste vom Küchendienst suspendieren zu lassen. Voller Mißtrauen verließ ich mich bei dem ersten gemeinsamen Wirtschaften auf seine Kenntnisse der fleischlosen Kost. Es hörte sich auch ganz passabel an. Pizza und Nougatbouletten. Da ich mich damals mit fremdländischer Küche nicht auskannte, fand ich es nicht weiter bedenkenswert, dass die Pizzen flächendeckend mit Peperoni belegt wurden. Die Zutaten der Bouletten verhießen allerdings nichts Gutes. Heute kauft man solche verschrumpelten Kugeln als Früchtebällchen in einschlägigen Geschäften. Ich glaube für meine bis heute unüberwindbare Abneigung wurde damals der Grundstein gelegt. Nun gut, alle saßen am Tisch und trommelten schon, da wie so oft die Garungszeit sich unkalkulierbar dehnte. Das erste Blech wurde aufgeschnitten und gerecht verteilt. Nun waren wir ja durch viele Experimente im Zusammenleben, Kochen und Genießen einiges gewohnt. Deshalb wurden Neuerungen zunächst einmal wohlwollend und neugierig betrachtet, bzw. gekostet. So auch die ersten Stücken der gelungenen Pizza. Die Kinder ließen die ersten erstickten Hilferufe ertönen. Einige der Erwachsenen versuchten zunächst die Tränen zu unterdrückten und die Unerfahrenen wie ich bemühten sich, die teuflische Schärfe mit Flüssigkeit zu mildern, sie bezahlten dafür mit einer grundlegenden Lebenserfahrung: Teuflische Schärfe läßt sich nicht ersäufen, sie muss durchgestanden werden. Schließlich saß nur noch Uwe kauend vor seinem Teller und behauptete, er könne die Nahrungsverweigerung der anderen nur als Ignoranz der vegetarischen Küche verstehen. Als Trost kündigte er die Nachreichung von Bouletten an. In manchen Gesichtern breitete sich vorsichtig hoffnungsvolle Zuversicht aus. Mit der Darreichung dieser vorgeblichen Köstlichkeiten endete die Mahlzeit ziemlich abrupt. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ob die Bällchen wirklich geworfen wurden oder ob ich es nur erwartet hatte. Fakt ist, dass weder Uwe noch ich vom Küchendienst befreit wurden, aber in der Folgezeit gesellte sich jeweils eine erprobte Kraft an unsere Seite bis, ja bis ich eine Spezialität meiner Heimat servierte – die Mehlbeutel, aber das ist eine andere Geschichte. (Wiebke)

NilpferdzweiAugeFalls jemand das Gericht nicht kennen sollte, das sich da auf dem Teller befindet, es handelt sich um die Hamburger Spezialität „Labskaus“. SWN 29-21werbleibtwodrinKodak Tri XWandmalBy-nc-sa_color
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2020. Nein, wie hast Du Dich verändert!
Waldemarstrasse 81
Foto Meinolf Haarmann
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Foto Meinolf Haarmann (Selbstauslöser)
Foto Meinolf Haarmann (Menne)
Foto Meinolf Haarmann

Film, Fernsehen, BRD j.m. (Make film not war)

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SOMMERHAUSEN
Nachtschatten Sommerhausen

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Zoo Palast – endlich mal ein Wort das passt: Zoopalalst!

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Wer könnte ein Interesse daran haben, Zahlen zu publizieren, die zeigen, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen private Gewinne gemacht werden? Die Filmwirtschaft, die selber durch Verkauf kaum verkäuflicher Filme an die Fernsehanstalten große Profite machen? Redakteure der Rundfunkanstalten, die dann ihren Job verlieren? Die Parteien, die doch als Kontrollorgane in den Fernsehanstalten sitzen, aber selber energisch daran arbeiten, möglichst oft dem Volke vom Bildschirm herabzulächeln?

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Fotos Jens Meyer

Zeitungsverleger wie Springer, die schon seit Adenauer versuchen, für sich einen privaten Kanal herauszuholen? Herausgeber und Verleger Augstein, der mit Argusaugen auf Bertelsmann und Springer guckt, selbst aber seit langem (zusammen mit Gruner & Jahr) an einer Gesellschaft beteiligt ist, die privates Fernsehen betreiben soll? Die Fernsehzeitschriften, die uns jede Woche unsere Fernsehlieblinge vorführen? Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder, die nicht wissen, wie Filme durch das Fernsehen produziert, auf die Berlinale gelangen? (1)

Oder gar die Jahrbücher von ARD und ZDF, die wie das ARD-Buch auf 333 Seiten Kunstdruckpapier-Vierfarbendruck so wichtige Informationen verbreiten wie (Chronik des SFB): ”Der Intendant des SFB Franz Barsig, der zu einem Jahresurlaub an der Ostsee weilt, wird mit einem Herzinfarkt in ein Lübecker Krankenhaus eingeliefert.” (12. 08. 1969). Dass ein gewisser Hans Peter Krüger (3. Hörfunkprogramm) wegen “einseitiger, tendenziöser Moderation” gekündigt wurde, findet man nicht. Dafür erfährt man, wie viel Minuten Kultur, Sport, Dokumentation usw. jeder Sender der ARD zur Verfügung gestellt hat, wie hoch die Postgebühren, wie teuer die Sendeminute ist – schweigsamer wird das ARD-Jahrbuch schon bei den Bilanzen der Werbetöchter, eine Seite (von 333) ist schon fast zu viel – auch das ZDF Buch ist voll von den kulturpolitischen Betrachtungen (“Fernsehen in der Zukunft-neue Aufgaben” usw.)

Dennoch: 1969 Bruttoumsatz (Werbefernsehen/Rundfunk), ARD 546 Mill Bruttogewinn 265 Mill Nettogewinn 116,9 Mill. 400 Millionen Mark gehen weg für Provisionen, Gema, Eigenkosten, Postleitungskosten (obwohl die Werbeprogramme zu einer Zeit laufen, in der man auch ohne Werbefernsehen den Sender nicht abstellen würde). Die Industrie bezahlt rund 30 % des Fernsehens – beim Zweiten deutschen Fernsehen sogar 50 % (mit Industrie sind nicht die Warenproduzenten gemeint, sondern die Großkonzerne). Die Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien vom Großkapital ist nicht so hoch, wie die der Zeitungen, dennoch aber beträchtlich. Zudem muss damit gerechnet werden, dass Bilanzen durch geschickte Buchhalter gemacht werden, die es verstehen, Gewinne zu verstecken. Dennoch geraten wenige Informationen an die Öffentlichkeit: z. B. eine Meldung von “Hör Zu”, dass die Berliner Werbetochter des SFB („Sender Freies Berlin“) das Hotel am Studio (inklusive Tankstelle, Bowlingbahn, zwei gut gehenden Restaurants, ein Autogeschäft), das sich kaum als Studio betreiben lässt und deshalb als Hotel betrieben wird, gekauft hat. (Hör Zu 17. April 1971). Preis für das “Ausweichgrundstück” ca. 8 Millionen Mark. Haushaltsausgleich für den SFB aus dem ARD Topf 20 Millionen . (2)

Auch unsere kritischen Filmzeitschriften (Filmkritik, Fernsehen + Film) beschäftigen sich kaum mit dem Fernsehen als Schlüsselindustrie auf dem Mediensektor – Befürchtungen, der Spielraum Filmkunst könne sich weiter verengen, bei Angriffen auf Töchter, mögen eine Rolle spielen. Coproduktionen zwischen Film und Fernsehen könnten unmöglich werden, wie sie z.B. die Tochter des Bayrischen Rundfunk Telepool praktiziert, die aus dem Verkauf mehrerer Filme (Resnais, Moorse) so hohe Profite machte, dass sie davon die nächsten Filme finanzieren konnten. (3)

Oder die Beta Filmgesellschaft – Monopoleinkäuferin für das ZDF – für Spielfilme – auch sie erscheint (ähnlich wie DEGETO der ARD in Frankfurt) mit keinem Wort in dem ZDF – Jahrbuch. (4)

Werbetöchter oder Produktionsgesellschaften (Bavaria Atelier GmbH, Studio Hamburg GmbH, Taunus Film GmbH) haben als GmbH den Vorteil, keine Bilanzen veröffentlichen zu müssen. Die Anstalten können mit ihnen den Grundsatz umgehen, keine Profite zu machen, die der Anstalt nicht zugute kommen und nicht durch Zuschußgeschäfte ausgeglichen werden.

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Man darf annehmen, dass es hier eine Dunkelziffer von Betrieben gibt, die kaum durch Kapitalverflechtung, als durch personelle Verflechtung mit dem Fernsehen verbunden sind, oder Zulieferer, die dem Fernsehen nominell nicht gehören. Für den Produktionsbereich des Fernsehens kann gelten, was für den Konsumbereich immer als unmöglich erklärt wurde – Umgehung der Rechtskonstruktion öffentlich-rechtlich-Bemühungen aus dem nichtkommerziellen Kinobereich (Arsenal-Abaton-Ostertor). Filme auch dem Fernsehen nachzuspielen – bringen von Seiten der Anstalten immer wieder den Hinweis auf die ausschließlichen Fernsehrechte (Heinz Ungureit: ”Wir haben lediglich die Fernsehrechte”) ein. Was keine Profite bringt, ist unmöglich. Zudem werden kapitalistische Marktmechanismen übernommen: Für das Wort “Deutsche Erstaufführung” müssen die Fernsehteilnehmer hohe Preise bezahlen – der Gebrauchswert der Ware Filme ändert sich nicht – da das Recht auf Erstaufführung so teuer ist, muss denn auch das Fernsehen (Summe der Teilnehmer) strikt darauf achten, dass nicht kleinere Gruppen den Film schon vorher sehen können. Mit dieser Praxis werden monatelang Kopien von Filmen für den nichtkommerziellen Bereich blockiert, wie das z.B. bei den lateinamerikanischen Filmen der Freunde der Kinemathek e. V. passiert ist. Das Fernsehen handelt damit nicht im Interesse der Mehrzahl der Fernsehteilnehmer und unterscheidet sich in nichts von den Praktiken der Filmmonopole.

Ökonomische Macht und politische Herrschaft Nimmt man vorhandene Tendenzen innerhalb des Fernsehens zusammen, so kann man für die Zukunft davon ausgehen, dass sich das kapitalistische Demokratie Prinzip durchsetzt, das der Soziologe K. O. Hondrich schon 1969 so beschrieben hatte: Ökonomische Macht und politische Herrschaft fallen tendenziell zusammen, das Machthaber dabei persönlich in politische Herrschaftspositionen drängen, ist nur der Sonderfall, in der arbeitsteiligen Gesellschaft genügt es, wenn die politisch Herrschenden die Interessen der ökonomisch Mächtigen wahrnehmen.” (5) Das Mittel bildet die Zensur, die so lange sie nicht als Teil einer langfristigen Strategie begriffen wird, idealistisch bleibt. So schrieb Wolf Donner in “Die Zeit” vom 30. Juli (1971) (Bildstörung) einen Artikel über mehrere politische Konflikte in den Rundfunkanstalten: Konflikt 1: Das beim Bayrischen Rundfunk produzierte Jugendmagazin “Bildstörung”, das in größeren Abständen seit 17. April 1970 von Jugendlichen journalistisch betreut wurde. Die letzte Sendung (nicht gesendet) war Anlass, das unliebsame Magazin endlich los zu werden. Argument des BR “Nicht sendefähig” – ein Argument, das wohl die Angestellten vom BR trifft, die das Magazin technisch gemacht haben. Was als Spielwiese gedacht gewesen war (“Diskussion mit Prominenten”) wurde mehr, wurde politisch relevant und der (bayrischen) CSU unliebsam. Auch bei “IN” (Jugendmagazin des Radio Bremen) sind Absetzungen von Beiträgen, Umdisponierung häufiger geworden, während der Beat Club weiterhin ungeschoren bleibt. In Bayern schaltet sich das Fernsehen bei der Produktion aus: Zoom drei ist für Bayrische Jugendliche nicht geeignet. Wer nun annimmt, dass es sich bei Fällen politischer Zensur um Einzelfälle handelt, sieht sich getäuscht – Der Redakteur von ZOOM (SWF) Wolfgang Drescher wird gekündigt, gleichfalls gehen muss Elke Baur. Grund: Die politisch nicht ausgewogenen Sendungen. (6) Solche Konflikte zeigen, wie unvollkommen die Strategie der herrschenden Klasse auf diesem Gebiet noch ist. Ruhe und Ordnung werden wie bei Monitor, Panorama, ZDF-Magazin usw. auch hier bald einziehen. Ohne Konflikte kann der Intendant nur sein, wenn er dafür sorgt, dass die richtigen Leute, die richtigen Meinungen vertreten. Bei jeder kontroversen Sendung riskiert der Journalist seine ökonomische Grundlage, Folge: er zensiert sich selbst. Leichtsinnsakte: freie Mitarbeiter zu beschäftigen- solche Fehler macht er nur einmal. Peter Merseburger, 1969 zu Studenten der dffb (Malte Ludin, Dieter Stoll) beauftragt einen Film über die Septemberstreiks zu machen: ”Sie können alles sagen, was nicht den Staatsvertrag mit dem NDR verletzt”, war schon bald nicht mehr bereit, diese Zusage einzuhalten.

Auch der geschickte Claus Hinrich Cassdorff hatte im Dezember 1970 in einer Veranstaltung in der dffb von dem großen Freiheitsspielraum innerhalb der ARD und speziell bei Monitor getönt, auch als sein Angebot, doch mal einen Film für Monitor zu machen, aufgenommen wurde (Vier Studenten der dffb) – war er bereit. Thema: SEW (Sozialistische Einheitspartei Westberlin). Sendetermin (sein Vorschlag): Eine Woche vor den Wahlen in West Berlin. 2/3 des Materials waren bereits gedreht, da bekam Claus Hinrich Cassdorff plötzlich kalte Füße – der kalte Wind kam (so kann man annehmen), wahrscheinlich von den Kollegen aus Bonn und Berlin. Schnell annullierte er den Auftrag und ließ sich von dem Kontaktredakteur Michael Stoffregen-Büller einen neuen Film aus dem gleichen Material machen. Die veränderte Funktion des Beitrages rechfertige die Sendung: relevante Stellen überdecken mit einem üblen Antikommunismus Kommentar, anschließend ein Beitrag über die neuen Nationalsozialisten eine Gleichung, die selbst liberalen Journalisten nicht mehr einleuchtet.

Anmerkung 2014: (Ich hab noch mal nachgesehen. Die Wahlen waren am 14. März 1971 in West Berlin. Die SEW erreicht 2,3 %). Wahlen scheinen die Sender überhaupt sehr zu verunsichern, besonders der SFB (der das Wort Frei im Namen führt) entwickelt große Angst vor Änderung der bestehenden Machtverhältnisse, sodass er sogar im dritten Programm (das von Arbeitern sowieso nicht gesehen wird) darauf achtet, dass das Bild von der Herrschenden Klasse nicht demoliert wird.

Als ebenfalls im März 1971 im dritten Programm (SFB-RB-NDR) ein Film über die westberliner Mietersituation von Hans Mosczala gesendet wurde, schaltete sich der SFB aus. Bedenklich daran ist, dass dieser Sender in einem von der SPD regierten Land sendet. Aber der Arbeitervertreter Franz Barsig (SPD) hatte schon früher gezeigt, das er fest entschlossen ist, die Arbeiter vor dem Sozialismus zu schützen.

1970 hatte er den Redakteur des dritten Hörfunkprogrammes (30 % bestreitet der SFB) Hans Peter Krüger gekündigt, Grund einseitige tendenzielle Moderation – zu links -, aber selbst die herrschende Justiz in Form des Arbeitsgerichts, musste ihm bescheinigen, dass er allzu ungeschickt vorgegangen war. (Anmerkung 2014: Ist zwar ne Wiederholung, aber das hatte die Generation vorher auch schon gemacht: Wiederholen)

Da er den Redakteur Krüger so nicht los wurde, schickte er Krüger eine Änderungskündigung. Erklärte Franz Barsig in einem Brief an Erika Runge vom 26. April 1970 (Kürbiskern Heft 3/71 S. 440), die zusammen mit anderen Journalisten, eine Teilnahme an einer Fernsehdiskussion abgelehnt hatte, das es bei dem SFB keine politische Zensur gäbe (“trotz der Eingriffe in die Literarische Illustrierte, Schnitte an Malatesta, Strafversetzung von zwei Jugendredakteuren, also: ” . . . das es trotz all dieser und noch andrer Maßnahmen beim SFB keine Zensur gäbe.”

Auch andere Intendanten sind noch nicht genügend geübt im Umgang mit Kündigungen: Franz Mai (Intendant Saarländischer Rundfunk) wollte seinen Programmdirektor Literatur-Hörfunk Arnfried Astel in die – Wüste schicken – auch seine Gründe für die Kündigung schienen dem Arbeitsgericht allzu fadenscheinig, wie die des Berliner Kollegen (der noch im Januar vor der Programmkonferenz der ARD getönt hatte: . . . und nun wünsche ich ihnen einen fröhlichen Abend, die Linken sind ja alle im Gefängnis.”) 

Eine Solidaritätsadresse für Arnfried Astel, unterzeichnet von fünfzig namhaften Publizisten landete in der Kommandozentrale des SR. Anlaß der Kündigung auch in diesem Fall: “Einseitige Moderation”. Grund ein Artikel von Astel in der FR.. Mai: “ . . . weitergeben von vertraulichen Informationen” bei der zweiten Kündigung (die erste wurde vom Arbeitsgericht für nicht rechtskräftig erklärt) ein Artikel in einer Resozialsierungszeitschrift für Häftlinge. Mai: “Aufforderung zum Aufruhr”.

Die Ungeschicklichkeit mit der hier politische Zensur ausgeübt wird, unterscheidet sie von den Intendanten der restlichen ARD Anstalten und Karl Holzamer vom ZDF. Selbst Peter Scholl Latour (als er noch beim WDR war), der lange als “relativ“ liberal galt, hat eine Sendung über „Floh de Colonge“ “Profitgeier” weniger spektakulär vom Programm verschwinden lassen-

Kurz: die Männer in den anderen Anstalten vertreten die Interessen der Herrschenden sehr viel geschickter und mit sublimeren Formen der Unterdrückung, keinesfalls darf aus weniger Konfliktfällen geschlossen werden, dass bei anderen Sendern der generelle Freiheitsspielraum wesentlich größer sei. Wer Zusammenhänge begreift, der darf nicht nur einfach die Fälle politischer Zensur im Fernsehen addieren, sondern er kann sie gut als Zeichen einer langfristigen Strategie interpretieren. Dazu gehört auch, was sich Herr Hammerschmidt (Intendant Südwestfunk Baden Baden) für die ARD ausgedacht hat und jetzt (zwar modifiziert) von der Programmkonferenz als Grundsatzpapier verabschiedet wurde. Wichtigste Proklamation des Papiers: Der Pluralismus muß sich in jedem Beitrag (Meinung) niederschlagen, nicht mehr nur im Gesamtprogramm, angegriffene (systemimmanente Kritik) Politiker, sollen in jedem Fall innerhalb der Sendung Gelegenheit zur Gegendarstellung bekommen (siehe auch dazu: Manfred Delling in Filmreport 9/10 1971 vom 30. Mai 1971) (7)

Die langfristige Machtübernahme der Konzerne wird im Fernsehen vorbereitet – die Helfershelfer in den Rundfunkanstalten werden sich dagegen wehren, von irgend jemanden gekauft zu sein – oder mit ihnen zu kooperieren, das wird man ihnen auch schwer nachweisen können. Im Gegenteil: Mit dem Hinweis auf das Interesse des ganzen Volkes, bescheinigen sich die Herrschenden immer wieder selbst, das sie ja nur das täten, was die Mehrzahl will. Für die Vorbereitung einer solchen Machtübernahme genügt es jedoch, daß sie objektiv die Interessen der ökonomisch Mächtigen und politisch Herrschenden wahrnehmen. Fragt Monitor Chef Claus Hinrich Cassdorf Andre Costellani auf dem Höhepunkt der Währungskrise (einen der größten Finanzspekulanten) in der Sendung vom 10. Mai (1971): ”Haben nicht die großen Geldinstitute eine besondere Verantwortung?” Und der Geldschieber ungarischer Abstammung mit amerikanischen Paß kann diese Frage mit “gutem Gewissen” mit ja beantworten- oder Fritz Berg (BDI): ”Wie ist ihr Verhältnis zu Schiller?” Fritz Berg Antwort: “Mein Verhältnis zu Schiller war und ist gut!”

Die Interessenvertreter der ökonomisch Mächtigen (CSU-CDU-ZDF) und seit der Globalsteuerung auch die SPD arbeiten daran, die totale Meinungsfreiheit der Großunternehmen nun auch (wie in der Einheitspresse) im öffentlich rechtlichen Fernsehen einzuführen oder nicht zu verhindern – In der FR vom 5. August 1971 schrieb Hans Joachim Noack zur Machtübernahme der CDU im ZDF: ”Außer Galgenhumor hat die SPD nichts zu bieten.”

In vergangenen Jahren ging es immer nur darum, einzelne Sendungen (Panorama, Report, Monitor), oder Redakteure (Merseburger, Fest, Kogon, Paczensky, Proske) vom Fenster verschwinden zu lassen, jetzt sind die Herrschenden inzwischen dazu übergegangen, das Übel an der Wurzel zu packen und die Schaltstellen der Macht mit den richtigen Leuten zu besetzen. Der Rationalisierungseffekt ist ungeheuer.

1) Es brauchen kaum noch Filme für das Archiv gemacht werden! (kostensenkend)

2) Man braucht nicht jedes Mal, vorher oder hinterher beim Intendanten zu intervenieren und spart so durch Arbeitsteilung so wichtige Leute wie den schleswig holsteinischen (“Ich bin selbst lange Zeit Journalist gewesen”) Will Rasner, der sich jetzt der eigentlich politischen Arbeit widmen kann. In diesem Zusammenhang erschien im Spiegel “Es ist soweit” vom 19. Juli 1971 ein Artikel über die Machtübernahme der CDU im ZDF. Spiegel: “Über den Verwaltungsrat” (Stimmenverteilung CDU 5, SPD 4 Stimmen) “bekommen wir das ZDF in den Griff” (Ministerpräsident Helmut Kohl). Erste Maßnahme: Rudolph Woller (CDU), (Spiegel: “militant konservativ”) wurde neuer Chefredakteur beim ZDF. (Kohl: ” . . . im Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat.”) (Kohl ist Vorsitzender des Verwaltungsrates). Gleichzeitig engagierte der CDU Sender (In Zusammenhang mit der Kontroverse um das ZDF Magazin) “zur Beruhigung der Redakteure und der Öffentlichkeit”, einen Mann aus dem rechten Flügel der SPD: Fritz Schenk soll Comoderator für den Altfaschisten Löwenthal werden. Die aufsässige Redaktion konnte dieser Schritt nicht beruhigen, man glaubt kaum: ”das Schenk den liberalen Gegenpol zum rechten Löwenthal darstellt. Der Juso Bundesvorstand nannte das Kind (in einem Brief an Wehner und Wischnewski) “Löwenthal-Double” mit Namen. Laut Spiegel “sind in den Redaktionen des ZDF weitere Umbesetzungen geplant, die der CDU – noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl 1973 – entscheidenden Einfluß auf das Mainzer Programm sichern sollen: (Anmerkung 2014: Die Wahl fand 1973 nicht statt. Es gab stattdessen ein Mißtrauensvotum, das scheiterte (es fehlten zwei Stimmen, eine davon war gekauft, wie sich später herausgestellt hat) und vorgezogene Neuwahlen 1972. (Die Rolle des MfS der DDR bei dem Mißtrauensvotum und dem Stimmenkauf wäre einen Extra Beitrag wert)

 “Chefreporter und Kohl Intimus Karl Heinz Rudolph löst den liberalen und parteilosen Heute Chef Rudolf Radke ab“. Hauptabteilungsleiter (Politik und Zeitgeschehen Volker von Hagen (CDU) wird neuer Studio Chef in Bonn Friedrich Novotny (CDU) übernimmt in Mainz die Innenpolitik. Bilanz Moderator Wolfgang Schröder wird zum Hauptabteilungsleiter Wirtschaft und Soziales befördert.”  Ende des Zitates (Spiegel). Doch die CDU blieb auf Angriffe nicht untätig: ” . . . es handelt sich um eine linke Kampagne, die Genossen sitzen im ZDF dick drin,” tönte es kurz darauf aus deutschen Ländern. Ist schon mal ein Redakteur in Deutschland wegen starken Rechtskurs seinen Posten losgeworden, fragt man sich. Der sichtbare Teil des Manipulationsnetzes wird größer, niemand kann jedoch ein Interesse daran haben, ihn so zu vergrößern (auch Augstein nicht), dass sich an der Höhe der eigenen Profitrate etwas ändern könnte. In der gleichen Nummer des Spiegel steht ein längerer Artikel über Marktverflechtungen bei den neuen audiovisuellen Medien. (Bildplatte, EVR, VCR) –  hier werden zwar die schon bestehenden Konzernverflechtungen (Bertelsmann, Quelle, Springer usw.) der Programmhersteller und die Gerätefabrikanten (Telefunken, Philips, RCA, Bosch usw.) beschrieben, vergessen wird jedoch die eigene Verflechtung – auch von den Aktivitäten Augsteins für ein privates Fernsehen (ein Projekt Adenauers, das heute besonders von den Landesregierungen in Saarbrücken und München gestützt und gefördert wird) ist nichts zu finden. Auch nicht darüber, daß es in Saarbrücken bereits eine Aktiengesellschaft (Grundkapital 3,05 Mill.) für die privaten Kanäle (Gigaherzbereich, Kabelfernsehen) gibt, bei der Augstein-zusammen mit Gruner und Jahr, Burda 18 % des Aktienkapitals in Besitz haben (Freie Rundfunk AG -FRAG)- und an der außerdem der Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer mit 18 % beteiligt ist. (8)

Lassen wir uns nicht täuschen – wirtschaftliche Verflechtung, Aufteilung noch nicht vorhandener Märkte (politische Zensur und Machtpolitik der Herrschenden durch Besetzung der wichtigen Schaltstellen im Mediensektor), das sind nur verschiedene Seiten einer Strategie mit dem Ziel der totalen Manipulation zum Nutzen der Großkonzerne. Und wer erstaunt ist über die Länge der bekannten Zensurfälle, dem helfen selbst die Liberalen zur Verlängerung dieser Liste. H. G. Ossenbach wurde bei Hessischen Rundfunk (Hessen vorn) entlassen (Wolf Donner in Die Zeit vom 12. März 1971 “Eine schleichende Zensur verunsichert die Redaktionen”). Bei der Sendung des Kulturmagazins (Titel, Thesen, Temperamente) verschwindet auf Weisung des Intendanten Werner Hess (HR) ein Film über die Wahlhilfe des Schriftstellers Siegfrid Lenz für die SPD in Schleswig Holstein. “Die Sendung analysierte die Herrschaftssprache der CDU” verlautete in der Pressestelle des HR- “Der Pressesssprecher betonte” (gegenüber der Welt vom 21. April 1971) “dass die Entscheidung des Intendanten, die Sendung nicht zu senden, nicht auf Druck der CDU zustande gekommen sei.” Zitat Ende

Zwei Zuschauerorganisationen (AFF-Aktion Funk und Fernsehen – FFM Funk und Fernsehmitgestaltung) wollen die Meinungsfreiheit im Fernsehen wieder herstellen. Aber was oberflächlich wie mehr Meinungsfreiheit aussieht, ist doch nur der verlängerte Arm des Großkapitals in Form der CSU. Meinte Wolf Donner in der Zeit vom 12. März d. J. (1971). 80 % der Mitglieder kommen aus Bayern. Im Bayernkurier (Herausgeber F. J. S. = Franz Josef Strauss) wurde denn auch die Aktion- als “Aktion gegen Manipulation” freundlich vorgestellt.- welche Manipulation gemeint ist, weiß wer Information und Stil der Kommentierung des Bayernkurier kennt.

Die “Fernsehzeitung” (Nr. 1 vom 22. Januar 1971) zitierte die AFF- Referat Massenmedien- Lothar Lorisch, 5 Köln Postfach 190 229- Nach Ansicht der “überparteilichen” Interessengemeinschaft begünstigen und betreiben die Anstalten jenen heutigen Zustand, den Lothar Lorisch treffend so beschreibt: ”Hasch und Syphilis zerfressen Gehirn und Blut unserer Jugend. Kommunen unterlaufen die Ehe. Gesetzgeber bauen Sexual-Strafandrohungen ab. Landesverräter werden begnadigt. Schleichende Sozialisierung greift nach der Macht in den Betrieben. Der Mittelstand siecht dahin.” In den Satz hatte ich damals hinter Mittelstand noch eine Klammer gesetzt, darin stand (die reichen Unternehmer)

Konzentration

Die Marktkonzentration auf dem Sektor der Film-Produktion Vertrieb – dürfen als relativ bekannt gelten. Schon 1965 hatte das Bertelsmann Imperium 80 % des Marktanteils auf dem Markt der BRD- auf diesem Sektor gehören mehrheitlich zu Bertelsmann folgende Gesellschaften:

Universum Film GmbH (UFA) Düsseldorf-West-Berlin 10.6 Mill; Ufa International München; Ufa Werbefilm Düsseldorf; Ufa Theater AG Düsseldorf (bis 1971); Mannheimer Lichtspiel Theater GmbH; Pallas Film Verleih Düsseldorf; Merkur Film Theater GmbH Frankfurt am Main; Terra Filmkunst GmbH; Constantin Film GmbH München (60 %); Bertelsmann Fernsehproduktion GmbH; Ufa Fernsehproduktion; Videophon GmbH West Berlin; Exportfilm Bischoff München; außerdem ist die Bertelsmann beteiligt an Deutsche Wochenschau; Constantin ist zugleich mit 9,0 Mill Grundkapital die kapitalkräftigste Firma auf dem Filmverleih- und Produktionssektor der BRD- seit 1968 (Filmförderungsgesetz) genauer: (Gesetz zur Qualitätssteigerung des deutschen Filmes auf breiter Grundlage) hat sie außerdem noch 9 Mill. DM  an Subventionen eingestrichen um die vielen Pornos und Lümmelfilme produzieren zu können.

Die Förderung der wirtschaftlich starken (Bei 500.000,00 DM Einspielergebnis bekommt der Hersteller bzw. der Verleih 100.000,00 DM für die Fernsehrechte und 150.000,00 DM von der FFA dazu, zu Ungunsten der wirtschaftlich Schwachen nennt man Monopolkapitalismus. (9)

Hier habe ich eine Klammer 1971 rum gemacht: (warum weiss ich leider heute auch nicht mehr 2014) Klammer auf: Von 65 geförderten Filmen (68/69) waren 36 Filme von Constantin (Referenzfilme), 12 von Gloria, die einer amerikanischen Holding der California Land gehört, 3 von Cinema Service, je 2 von Alpha und Inter, je 1 Avis und Rank. (10)

Doch die Zeit der hohen Extraprofite scheint für die kleineren Firmen zumindest vorbei. Wie anders wäre es sonst zu verstehen, das Bertelsmann (Gesamtumsatz 1988 (?) Gewinn 600 Mill Mark) in einem Augenblick, wo das Geschäft mit den Fernsehkonserven loszugehen scheint, zwar die Theater Ketten (Ufa Theater Kette) verkauft – die Verleih und Produktionssparte aber behält. Klammer zu.

Doch auch andere Subventionen sind vorwiegend den Großkonzernen und deren Profitmaximierung zugute gekommen. Stolz berichtete Intendant Werner Hess davon im ARD Jahrbuch 1970: Für den Rechteerwerb allein an deutschen Filmen haben die Landesrundfunkanstalten und das ZDF von 62-68 77 Millionen DM bezahlt. Und diese 77 Millionen DM mussten für die schlechten Produkte der Filmindustrie (die selbst heute noch an den unemanzipierten Zuschauerbedürfnissen vorbeiproduziert wie die Dichter Studie -Ernest Dichter International- und die folgende Infratest Untersuchung der FFA beweisen) aufgewendet werden.

Auch Werner Hess gibt zu, daß die 100 Filme zu je 100.000,00 DM vom 20. Oktober 1965 aus vier Produktionsjahren nicht einfach zu finden waren, indem er schreibt: ”Obwohl die Auswahlkommission angewiesen wurde, sehr großzügig zu werten und lediglich festzustellen, ob es irgendwelche Gründe gäbe, die die Ausstrahlung dieser Filme im Fernsehen nicht empfehlen würden, erwies sich höchstens ein Drittel aller gesichteten deutschen Produktionen als verwendungsfähig.”

Doch auch schon früher gab es Pläne (Dr. Berthold Martin CDU) “Martinplan”, wie die Zuschauer gezwungen werden könnten, weiterhin die Unternehmergewinne der Filmindustriellen zu sichern- 40.000,00 Mark sollten die Fernsehteilnehmer den Filmunternehmern für jeden fertigen Film zahlen, während die Filmhersteller in den Boom Jahren 1950- 1955 überdurchschnittlich hohe Extra-Gewinne gemacht hatten, von denen sie kaum in die eigene Branche wieder investierten.

 Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.

Als einzige Ausnahme kann die damalige Firma Real Film in Hamburg gelten – die später von Fernsehen aufgekauft und in Studio Hamburg Atelier GmbH umbenannt wurde.

Auch die Bavaria Atelier Gesellschaft mbH wurde in einer Stützungsaktion von den Werbetöchtern der ARD übernommen, obwohl schon 1960 das Fernsehen mit 88 % Hauptumsatzträger des 1000 Mann – Betriebes gewesen war. Bavaria: Kapital 25 Mill- Westdeutsches Werbefernsehen GmbH Köln mit 60 %Rundfunkwerbung GmbH Stuttgart mit 25 % und die Bavaria Filmkunst GmbH mit 15 % (Kapital 7,84 Mill) die ihrerseits von einer Holding aus Commerzbank 12 %., Deutsche Bank (wahrscheinlich mehrheitlich), Agfa Geavert, Bayrische Staatsbank und Alllianz Versicherung kontrolliert wird. Studio Hamburg Kapital 2,0 Mill; Norddeutsches Werbefernsehen GmbH 80 % (NWF) und Gyula Trebitsch Hamburg 20 %; Taunus Film GmbH Wiesbaden Kapital 1,0 Mill 50 %; Werbung im Rundfunk GmbH Frankfurt Main 40 %; Karl Schulz Wiesbaden Hildegard Schulz Wiesbaden 10 %; Maran Film GmbH (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); SWF Außerdem durch Personalunion; Telepool GmbH BR (Keine Angaben im ARD Jahrbuch); Beta Film München ZDF (keine Angaben im ZDF Jahrbuch); Degeto GmbH Frankfurt (Keine Kapitalangaben im ARD Jahrbuch), lediglich, daß sie einen Haushalt von ca. 20 Millionen Mark hat- wovon ausgewiesen; 16.417.554,59 Filmrechte im ARD Jahrbuch erscheinen.

Anmerkungen und Quellen

(1) Der Film “Warum läuft Herr R. Amok” sollte nach Fassbinders Informationen vom SWF für 150.000,00 DM produziert werden, den Vertrag erhielt Fassbinder jedoch von der Maran Film GmbH, die den Film produzierte und für ein Vielfaches der Summe an den SWF verkaufte. Siehe auch dazu: Klaus Eder in Weltwoche vom 6. 7. 1971. Maran Film ist eine nicht genannte Tochter des SWF und einer der Führungskräfte des SWF ist deren Geschäftsführer.

(2) Erst im Mai 1971 hat der SFB ein ca. 8000 qm großes Gebäude (Fünf Stockwerke mit Studios, Sendekontrollräumen, Redaktionsräumen an die Polizei vermietet. Argument der Berliner Werbefilm GmbH: Einzige Möglichkeit später zu erweitern.

 (3) Die Firma Telepool wird mit keinem Wort im ARD Jahrbuch erwähnt – also auch nicht, wie hoch der Jahresumsatz ist.

 (4) Beta kauft seit langem nicht nur die Rechte für die Fernsehauswertung sondern auch die für die Kinoauswertung und kontrolliert damit auch den kommerziellen Verleihbereich. Der Chefdramaturg Wolfgang Hammerschmidt (ZDF) wurde gekündigt, weil er sich gegen die kommerzielle Beta Film gewendet hatte, die über Scheinfirmen Starproduktionen für das ZDF organisiert. Programmdirektor Viehöver (Geschäftsführer der Beta) sorgt dafür, daß Hammerschmidt entlassen wird. Grund: “Wegen beleidigender Äußerungen gegenüber einem Vorgesetzten.” Siehe auch Die Zeit vom 12. März 1971, Fernsehen unter Beschuß von Wolf Donner.

(5) K. O. Hondrich in der Kölner Zeitschrift für Soziologie Sonderdruck (6) Siehe Kürbiskern: Fernsehen in der BRD Heft 3/1971(7) Fernsehen und Film Juni 1971(8) Weitere Beteiligungen: Europäische Rundfunk und Fernseh AG Saarbrücken 21 %; F. Billmann, Chef Europa 1, franz. Werbeunternehmen 5 %; Bundesverband deutscher Zeitungsunternehmer 18%; Allfunk GmbH (Rhein Zeitung, Rheinpfalz, Pfälzer Merkur, Mainzer Allgemeine, Trierscher Volksfreund, Saarbrücker Zeitung 12 %; Deutsche Fernseh und Contrast GmbH München (Oetker, Bahlsen, Rei-Maurer, Schnitzler) 19,5 %; Partia GmbH (Röchling) 6,5; Quelle Kürbiskern 3/71 (9) Alle Kapital und Verflechtungsangaben aus “Wer gehört zu wem”; Herausgegeben von der Berliner Commerzbank 1971.(10) Film 1989 Velber bei Hannover S. 40 Heft 13/69 (11) B. Engelmann Meine Freunde die Manager dtv 1970 (12) siehe 9

Literaturangaben, auf die sich der Text nicht unmittelbar bezieht, die aber trotzdem lesenswert sind: (fand ich jedenfalls 1971)

Kürbiskern 3/71 Speziell der Artikel von Horst Holzer und Conrad SchulerKritik 4, Westdeutscher Verlag Opladen – Manipulation der MeinungsbildungProkop: Soziologie des Films Luchterhand, Soziologische Texte Band 69Peter Bächlin. Film als Ware, Basel 1845 als Raubdruck bei arts lab Münster Thomas BuschFilmkritik September 1970 Helmut FärberHuffschmid, Jörg, Politik des Kapitals,  Suhrkamp Band 313

In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß das Institut für Konzentrationsforschung an der FU, bei der Jörg Huffschmid Assistent ist, zurzeit an einer Dokumentation über die Konzentration bei Film und Fernsehen arbeitet, die ähnlich umfangreich, wie die über die Pressekonzentration werden wird Näheres: Institut für Konzentrationsforschung, 1 Berlin 31, Babelsberger Strasse 14; tel: 0311/860351

kaum empfehlenswert:

Dadek, die Filmwirtschaft Freiburg 1957 Herder VerlagRundfunkanstalten und Tageszeitungen. Eine Dokumentationsreihe 1-5 herausgegeben von der ARD erschienen bei Hase und Koehler Verlag Mainz 1969 Werbefernsehen und und Presserecht. Ludwig Fröhler Hessischer Rundfunk 1965 erschienen bei Alfred Metzner Verlag FFMDie Arbeit wurde von mir im Rahmen der Seminare von Manfred Delling und Christian Geissler (“Ohne die Verblödung der Arbeiterklasse geht kein Faschismus”) an der dffb gefertigt. Beiden Dozenten bin ich zu Dank verpflichtet. Christian Geissler ist leider gestorben. Die Zitate habe ich (soweit das heute noch möglich ist, weitgehend überprüft. Das Online Archiv von Die Zeit, Artikel vorwiegend von Wolf Donner geschrieben, war dabei hilfreich. Geschrieben aber nicht veröffentlicht im 2. September 1971 Abgeschrieben  Text Jens Meyer 2. Juni 2014

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IMG_3237Fotos Jens Meyer

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Sender Freies Berlin 1970

Wolf Donner. Gegenkurs Out of the past

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Wolf Donner aus dem Jenseits: Out of the past

„Alle Macht den Regisseuren“

Ein (leider) immer noch sehr aktueller Text von Wolf Donner. Zuerst veröffentlicht im Tip (Berlin) im Dezember 1992. Anschließend abgedruckt im dem Buch: Wolf Donner: Gegenkurs, Ausgewählte Kinotexte von 1983 – 1992 Verlag Klaus Stemmler Berlin. Das Buch gibt es leider nur noch antiquarisch. „Wolf Donner. Gegenkurs Out of the past“ weiterlesen

Die Geschichte vom Eisenbieger aus Westberlin (Berlin West)

pdf Die Geschichte vom Eisenbieger

Tunnel wird gebaut

Tieresehendichan3Die Sache ist schon ein wenig her. Verjährt? Man weiß nicht so recht. Deswegen sollte ich den Namen ändern. Also, ich nenne ihn jetzt mal Manfred W. aus Westberlin. Ein Ureinwohner, der noch niemals (jedenfalls damals nicht), die eingemauerte Stadt verlassen hatte. Von Beruf Eisenbieger und später Student an der Filmakademie in Berlin (dffb). Dort lernte ich ihn kennen. Wir erweiterten unseren Horizont. Und er lernte bei der Horizonterweiterung eine Dame aus Westdeutschland kennen. So nannten die eingemauerten Bewohner der Insel uns, die wir aus Hamburg oder anderen Städten aus Westdeutschland, so nannten sie uns,  kamen. Sie hatte ihm erzählt, dass ihr Vater Besitzer einer Marmeladenfabrik sei. Was Frauen alles so erfinden. Aber vielleicht kam sie ja wirklich aus Bad Schwartau.

Jetzt wohnte sie jedenfalls in Hamburg (Am Großneumarkt – damals wollten da alle hin) und bekam oft Besuch von diesem Studenten aus Westberlin. Der hatte sein Leben komplett umgestellt. Nicht mehr morgens um fünf aufstehen, hieß die erste Umstellung. Ein Mensch ohne Führerschein. Außer mir der zweite Mensch, der keinen hatte und auch keinen wollte. Wozu auch? Also blieben nur bestimmte Transportmittel für ihn, um zu dieser Dame (er hatte damals einen anderen Ausdruck dafür) am Großneumarkt zu gelangen. Er wählte die Bahn. Die Deutsche Reichsbahn. Der Zug, ein Interzonenzug, so nannten ihn alle, ausser den Personen der DDR Staatsgewalt. Ein D-Zug, der wegen langer Liegezeiten, Kontrollen und den obligaten Schäferhunden, die immer an den Zügen rochen, ob sich hier nicht westberliner Flüchtlinge aufhielten, die in den realen Sozialismus deutscher Prägung wollten . . . oder in der anderen Richtung westdeutsche Flüchtlinge in den real existierenden Sozialismus, wie er auch genannt wurde, einsickern wollten.

Vermutlich weil die Schäferhunde immer nix gerochen haben, brauchten die Züge von Hamburg nach Berlin oder umgekehrt manchmal sieben Stunden, um die 287 km lange, eingleisige Strecke zu bewältigen. Die Eingleisigkeit der Strecke und der dadurch erreichte siebenstündige Aufenthalt von Westdeutschen und Westberlinern standen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Man könnte es auch russische Didaktik nennen. So hatte das deutsche Volk der Westzonen und Westberlins sieben Stunden Zeit, darüber nachzudenken, ob die Russen 1945 wirklich ein Recht gehabt hatten, das zweite Gleis zu demontieren und nach Russland zu schaffen.IMG_3265Ich fand immer, sie hatten. Auch die Wartezeiten, die dadurch entstanden, dass ein Gegenzug abgewartet werden musste, hatten durchaus einen didaktischen Sinn. Die Züge hielten niemals in einem der Bahnhöfe, denn die Schnüffelhunde waren fest stationiert. In Schwanheide und in Griebnitzsee. Kein Weg ist zu weit. Reisende Schäferhunde habe ich im Interzonenzug niemals erlebt. Jedenfalls kam Manfred W. (durch die komplette Lebensumstellung) immer auf den letzten Drücker im Bahnhof Zoo an. Nebenbei: Es gab ja auch nur wenige Züge, die die Stadt verließen oder erreichten. Waren es zwei Zugpaare, oder nur eins?

Man vergisst ja so schnell. Jedenfalls blieb Manfred W. keine Zeit, um vorher noch eine Fahrkarte zu kaufen. Also sprang er immer flugs in die erste Klasse und wenn dann der Kontrolleur kam, war sein Standard Satz, er bräuchte noch einen Zuschlag. Wer Manfred W. kennt, der glaubt ihm, dass er sich nichts dabei gedacht hat. Vielleicht ist es ihm ja irgendwann aufgefallen, dass das eigentlich ganz schön billig ist, diese Fahrt von Berlin nach Hamburg. (Das Foto aus der ersten Klasse ist hier ein wenig Fehl am Platz, aber im Original Zug der Reichsbahn habe ich nie fotografiert, warum weiss ich auch nicht)ersterklasse1klein

Aber es fehlten ihm auch die richtigen Vergleiche. Die S-Bahn in Berlin wurde zu jener Zeit von vielen Westberlinern boykottiert.IMG_0200Sie gehörte den bösen Kommunisten aus der Ostzone (eben auch Reichsbahn), die dem Kapitalismus in Westberlin mit Kampfpreisen, (waren es 10 Pfennig für eine Fahrt?) den Garaus machen wollte. Jedenfalls war das eine gute Propaganda. Und so stiegen auch die Preise bei der BVG nicht ins Unendliche, wie sie das heute tun. Die Beziehung mit der Marmeladentochter dauerte bei Manfred W. so lange, wie Beziehungen bei Manfred W. eben dauern. Manchmal fuhr er jedes Wochenende nach Hamburg. Bis eines Tages ein Schaffner ihn dann doch mal (nach Verkauf des 1. Klasse Zuschlages) nach der Fahrkarte gefragt hat. Geistesgegenwärtig hat er dann bezahlt, ohne viel zu Murren. Von wegen, ich mach das schon seit fünf Jahren oder so. Und jetzt müsste das ja auch lange verjährt sein, odr?

Und wenn nicht: Ist die Deutsche Bahn überhaupt die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn, wo es den Staat doch auch schon lange nicht mehr gibt? Dennoch erscheint es Manfred W. besser in der Anonymität zu verbleiben. Er hatte sich noch kurz die Frage gestellt, ob man im Sozialismus überhaupt Schwarzfahren kann, wo doch alles, also auch die Eisenbahn, dem Volk gehört! Man kann sich ja auch nicht selber beklauen. Besser ist jedenfalls, so beschloss Manfred W., die Namen nicht zu nennen. In beiden Systemen.

008 Fotos Jens Meyermilpferd_einaugeBy-nc-sa_colorZugnachPragIMG_4439Tieresehendichan3